Eine Analyse kann man aus dem eher langweiligen Rennen in Monza nicht wirklich stricken. Interessant war eher, was sich nach dem Rennen getan hat.
Das Rennen für Lewis Hamilton war nach dem Start langweilig. Ungestört konnte er in die erste Schikane einbiegen und danach eine bequeme Führung aufbauen, die er bis zum Rennende nicht mehr abgab. Und Sorgen musste er sich nicht machen, dass von hinten jemand Druck aufbauen könnte. Dafür wurden die Sorgenfalten im Hamilton-Lager nach dem Rennen immer tiefer. Denn der FIA war aufgefallen, dass irgendetwas mit den Reifendrücken bei Mercedes nicht stimmt.
Nach dem Rennen in Spa hatte Pirelli zusammen mit einigen Teams und der FIA neue Regeln vorgeschlagen, wie man die Handhabung der Reifen, und somit deren Langlebigkeit, verbessern kann. Bestimmte Sturzwerte sind schon vorgeschrieben, nach Spa ging es vor allem um den Reifendruck. Die Teams neigen dazu, den Reifendruck möglichst niedrig zu halten, damit man mehr Auflagefläche und damit mehr Grip hat. Das Problem dabei: Je niedriger der Druck, desto mehr werden die sensiblen Reifenflanken belastet, die dann halt nachgeben können.
Pirelli hatte einen Mindestdruck für Monza vorgegeben, der kurz vor dem Start von einem FIA- und Pirelli-Mitarbeiter in der Startaufstellung manuell geprüft wurde. Dabei stellte man bei Hamilton eine Abweichung von 0,3 psi und bei Rosberg sogar von 1,1 psi unterhalb des erlaubten Drucks fest. Und das führte dann logischerweise zu einer Untersuchung, nebst Befragung des Teams.
Für einen Moment war der Sieg des Briten gefährdet, aber Mercedes stellte schnell klar, dass das alles nicht sein kann. Da man den Reifendruck permanent mit Sensoren überwacht, konnte man der FIA klarmachen, dass die Reifen exakt den Druck hatten, den sie haben sollten. Der Fehler musste also bei der zweiten Messung entstanden sein. Oder die Reifen hatten an Druck verloren, weil sie nicht genug geheizt wurden, was laut Mercedes aber auch nicht sein konnte.
Dass man mit dem Reifendruck spielen kann, ist bekannt, das würde auch die -0,3 psi bei Hamilton erklären, die aber auch laut Vettel in Sachen Fahrverhalten keinen Vorteil bringen. Die -1,1 psi von Rosberg dann schon, hier verzichtete die FIA aber auf eine genau Erklärung.
Für Rosberg war das Wochenende eh zum Vergessen. Am Freitag lief es noch einigermaßen, er wurde von Hamilton nur um 21 Hunderstel geschlagen. Am Samstag war das Rennen des Deutschen schon mehr oder weniger gelaufen. Mercedes hatte für Monza einen neuen Motor mitgebracht, der vor allem auf Effizienz getrimmt war. Bedeutet: weniger Spritverbrauch und mehr Leistung. Der neue Motor brachte Mercedes in Monza vermutlich knapp drei Zehntel. Rosberg musste seinen neuen Motor wegen eines nicht genauer definierten Problems gegen ein Aggregat austauschen, dass schon knapp 4.000 Kilometer auf dem Buckel hatte. Damit gewinnt man eher nicht gegen Hamilton.
Nach dem Start lag Rosberg auf P5, konnte aber mittels Undercut beide Williams hinter sich lassen. Danach war dann aber Schluss. Vettel konnte zwar Hamilton nicht folgen, aber Rosberg einigermaßen auf Distanz halten. Als dieser gegen Ende des Rennens dann mehr Leistung bekam, folgte zwei Runden vor Schluss ein kapitaler Motorschaden. Und damit der „worst case“ für Rosberg in Sachen Punkte.
Hamilton führt jetzt mit 53 Punkten. Selbst wenn Rosberg alle restlichen Rennen gewinnen sollte und Hamilton immer nur auf P2 landet – der Titel würde wieder bei Lewis landen. Rosberg ist jetzt schon darauf angewiesen, dass es auch Hamilton mal mit einem Ausfall erwischt. Der letzte datiert aus dem Rennen in Spa aus dem vergangenen Jahr.
Abgesehen von einem möglichen Ausfall muss sich Hamilton vermutlich wenig Sorgen machen. Das nächste Rennen in Singapur wird für Mercedes vermutlich etwas schwerer, aber danach folgen nur noch Strecken, die dem Wagen und Hamilton liegen. Etwas anderes als der WM-Titel für den Briten wäre eine sehr große Überraschung.
Das Rennen in Monza wäre vielleicht im ersten Drittel etwas anders gelaufen, wenn es Ferrari gelungen wäre, einen Wagen vor Hamilton zu platzieren. Doch Kimi Räikkönen blieb am Start fast stehen. Nach dem Rennen sprach der Finne von einem Problem mit der zweiten Kupplung, die den Motor kurz in den „Anti-Stall“ brachte. Teamchef Arrivabene vermutete einen Fehler von Räikkönen mit der zweiten Kupplung. Jedenfalls war damit eine Pfeilspitze von Ferrari weg. Räikkönen pflügte zwar schnell durchs Feld und kam am Ende auf P5, aber da wäre mehr drin gewesen, da man die Williams locker im Griff hatte.
Die wiederum hatten auch kein ruhiges Rennen. Der Versuch, Rosberg hinter sich zu halten, scheiterte mal wieder am Reifenverschleiß des Williams. Man konnte den Undercut einfach nicht selber mit einem frühen Stopp unterlaufen, weil die Reifen bei Massa bis zum Ende des Rennens halten mussten. Wie eng das am Ende war, konnte man sehen, als Bottas in den letzten Runden dem Brasilianer im Genick hing, der drei Runden nach Massa gestoppt hatte.
Etwas unterhalb der Erwartungen blieb die Truppe von Force India. Zwar belegte man die Positionen 6 und 7, was durchaus dem Leistungsstand der Inder entspricht, aber dank des guten Topspeed des Force India hatte man das Team eher auf Augenhöhe mit den Williams erwartet. Doch da hatte man keine Chance. Interessant war allerdings, dass Perez im Rennen an Hülkenberg vorbei kam. Auch hier spielten Reifen eine Rolle. Perez kam fünf Runden nach Hülkenberg, der zudem nach seinem Stopp im Verkehr steckte und Zeit verlor.
Aber eine kleine Überraschung gab es dann im Rennen doch: Marcus Ericsson brachte den Sauber auf P9, noch vor den Toro Rosso ins Ziel. Der Schwede ärgerte sich zwar, weil er in der letzten Kurve noch Ricciardo überholt wurde, aber dennoch waren das zwei wichtige Punkte für Sauber, die man im Kampf gegen Toro Rosso gut gebrauchen kann.
Immerhin muss man sich nicht um McLaren kümmern. Es war klar, dass Honda auch in Monza schlecht aussehen würde, aber die Rundenzeiten waren dann doch erstaunlich schlecht für eine Strecke, auf der man 70% Vollgas fährt. Knapp drei Sekunden verloren Alonso und Button auf die Mercedes, immerhin noch 2,3 Sekunden auf die Ferrari. Und das auf einer Vollgasstrecke. Deutlicher kann man die Defizite des gesamten Honda-Paketes nicht zeigen.
Die WM geht dann mit dem nächsten Rennen in Singapur weiter, einem der schönsten Plätze, an denen die Formel Eins unterwegs ist.
Bilder: Daimler AG, Ferrari, Red Bull Mediahouse, Williams F1, Force India, Toro Rosso, Sauber F1, McLaren F1
1 Kommentare
Re: Rosbergs Motor; es heisst, der Samstagsausfall lag an einem Problem mit der Kühlung. Ob dann wegen defekter Kühlung der gesammte Antriebsblock mit gewechselt werden muss, oder ob die defekte Kühlung den neuen Motor gehimmelt hat, keine Ahnung. Apropos Kühlung, Rosberg hatte im Rennen Bremsprobleme (und bliess ziemlich viel Karbon in den Anbremsphasen raus) wohl wegen unterdimensionierter Kühlluftzuführung an den Vorderrädern. Der war zwangsweise mit aggressiver Abstimmung unterwegs.
Re: Reifen; das Problem am Sonntag war scheinbar das Detail, dass Pirellis „Vorgaben“ (nachdem sie in den roundtables des Wochenendes von den Teams nach und nach immer weiter runtergehandelt wurden) reine Empfehlungen waren, keine fixen Regeln per se. Zumindest haperte es an klaren Definitionen für Grenzwerte vs. Messzeitpunkte, und Mercedes konnte wohl darlegen, dass es wurscht ist wenn in der Startaufstellung zu wenig Druck vorliegt (dort wurde gemessen), solange im Rennen alles klar ist, was es per eigener Telemetrie war. Auch waren in der Kürze der Zeit anscheinend keine Sanktionierungen gut genug definiert, so dass jede mögliche Strafe mehr oder weniger Willkür gewesen wäre. Dass die Teams die Reifenparameter nach wie vor möglichst auf Kante genäht realisieren, ist offensichtlich (also per Heizdecke aufheizen dass der Druck zum Messen schön hoch ist, etc.). Dass mit den Reifen trotzdem noch immer was nicht stimmt, scheint aber auch zu stimmen – es gab in Monza wieder ungewöhnlich viele „Schnitte“ in den Reifen. Das kann wohl kaum daran liegen, dass urplötzlich alle Rennstrecken der Welt zu dreckig sind um darauf zu fahren.
(Für meinen Geschmack untergegangen ist in diesem Zusammenhang übrigens die Thematisierung des Unfalls in Spa in der GP3, wo ein rechter Vorderreifen spontan delaminiert ist und der Wagen sich in der Blanchimont natürlich mit Geschwindigkeit abgelegt hat. Die GP3 fährt ebenfalls mit Pirelli.)
Re: McLaren bzw. Honda, berichteweise liegt der Haken zu einem Grossteil an den Zusatzaggregaten des Antriebsstrangs (also alles was Energie rückgewinnt). Mich würde nicht wundern, wenn am einen oder anderen Rennwochenende gar nichts davon gearbeitet hat bzw. überhaupt im Einsatz war. Das würde natürlich erklären warum man etliche PS zu wenig hat und Sekunden zurückliegt, und auch warum ein Motor nach dem anderen gewechselt wird nachdem die armen Kolben und Pleuel den ERS-Löwenanteil gezwungenermassen mit übernehmen mussten wenn das Gaspedal runtergeht. Aber auffällig ist schon, dass Honda weltweit in mehreren Rennserien in der jüngeren Vergangenheit nichts reissen konnte bzw. hinter den eigenen Ambitionen zurückblieb. Da liegt wohl ein grösseres systemisches Problem innerhalb des Konzerns vor.
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