Nach dem Marathon von Darlington lief das letzte NASCAR-Rennen vor dem Chase in Richmond etwas geraffter ab, denn nach knapp drei Stunden standen auch die letzten fünf der insgesamt 16 Playoff-Piloten fest. Das Rennen dominierte Matt Kenseth und insgesamt hat man außer Joe Gibbs Racing und Team Penske nicht viel gesehen.
Zum entscheidenden Rennen für den NASCAR-Chase in Richmond gibt es eigentlich nicht so viel zu sagen. Wer einmal blinzeln musste, dürfte sich gewundert haben, dass das vorletzte Nachtrennen des Jahres schon vorbei war. Nur sechs Cautions, davon vier für Debris, konnten das geplante Spektakel im Gegensatz zu Darlington nicht künstlich verlängern. Matt Kenseth führte satte 352 der 400 Runden an und sicherte sich somit in überlegener Manier seinen vierten Saisonsieg, der ihn gemeinsam mit Jimmie Johnson und Kyle Busch auf Platz 1 in der Playoff-Setzliste brachte. Beim entscheidenden Restart in Umlauf 382 war Kenseth zur Stelle und zog einen ebenfalls sehr starken Joey Logano aber sowas von konsequent ab, dass man sich bei Team Penske hinterher nur noch als schlechter Verlierer zeigen konnte und über einen Frühstart mutmaßte, was die NASCAR-Offiziellen allerdings zurückwiesen.
Die blitzsaubere Leistung von Joe Gibbs Racing rundete Kyle Busch auf Platz zwei ab, während der angeschlagene Denny Hamlin immerhin Rang sechs holte und auch Carl Edwards als Elfter an der Spitzengruppe dranblieb. Unbestritten präsentiert sich JGR derzeit mit dem größten Momentum vor dem Chase und wer in den nächsten bzw. letzten zehn Rennen gegen einen Meister aus dem erstmals mit vier Piloten erfolgreichen Rennstall wetten möchte, der kann nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. Weitere Favoriten sichtet man schnell im Hause von Team Penske, denn neben Joey Logano auf Platz drei konnte auch Brad Keselowski mit einem achten Rang in die Top-10 vorstoßen. Als dritte Kraft etablierte sich am Richmond-Wochenende die Truppe von Hendrick Motorsports, denn dort brachte man mit Dale Earnhardt Jr. (5.), Jeff Gordon (7.) und Jimmie Johnson (9.) ebenfalls drei Fahrer in den Top-10 unter.
Das einzige Sorgenkind Kasey Kahne bringt mich auch gleich zum Thema des finalen Chase-Grids. Neben den elf Rennsiegern qualifizierten sich ohne viel Drama die Favoriten in Person von Jamie McMurray, Jeff Gordon, Ryan Newman, Paul Menard und Clint Bowyer für die Entscheidung in der Meisterschaft. Während Aric Almirola bei den letzten Boxenstopps noch einen riesigen Strategiezug aufs Gleis brachte und immerhin Vierter wurde, musste sich Kahne mit Rang 18 begnügen, was einfach viel zu wenig in einem so wichtigen Rennen ist. Aktuell muss man sich schon fragen, wo die Probleme beim Team mit der #5 liegen, da Kahne natürlich absolut kein schlechter Fahrer ist. Manchmal kommt es aber auch ganz einfach zu so einer Seuchensaison, vielleicht läuft es 2016 ja wieder besser.
Ebenfalls enttäuschend wird wohl das Jahr bei Roush-Fenway Racing enden, denn mit Greg Biffle als bestem Piloten im Team auf Platz 19 in der Meisterschaft kann man bei der Ford-Truppe von nichts anderem als einem Riesen-Desaster sprechen. Wie es richtig geht, zeigt Team Penske, das sich konsequenterweise von Roush-Yates Engines distanziert hat und seit einiger Zeit sein eigenes Ding im Bereich Motorenentwicklung durchzieht. Immerhin erkannten das auch die Wood Brothers und wechselten sowohl den Piloten (Trevor Bayne gegen Ryan Blaney) als auch das Lager innerhalb der Herstellerlinien. Wenn sich sogar die zerfallende Mannschaft von Michael Waltrip Racing mit Clint Bowyer für die Playoffs qualifiziert, dann ist das schon eine Ohrfeige für Jack Roush.
Komischerweise nicht ganz so überraschend kommt dagegen die erste Chase-Qualifikation von Paul Menard, der neben Ryan Newman als zweiter Fahrer von Richard Childress Racing in die Entscheidungsphase einzieht. Irgendwie hat Menard schon seit ein paar Jahren den Dreh raus und konnte für mich sogar den Ruf des Pay-Drivers abschütteln. Außerdem hat er immerhin mal wieder Austin Dillon komplett versägt. Das „Werksteam“ hievte sich allerdings nur im Windschatten der kleinen Kundenmannschaft von Furniture Row Racing in die Playoffs, da Martin Truex Jr. sogar ein Rennen gewinnen konnte. Und wenn der jetzt seine Form vom Beginn der Saison wiederfindet, müssen sich die Konkurrenten aber wirklich warm anziehen.
Als weitere große Favoriten muss man ganz klar die Koalition aus Hendrick Motorsports und Stewart-Haas Racing nennen, die mit immerhin fünf Teams im Chase vertreten ist. Neben Jimmie Johnson, Kevin Harvick, Dale Earnhardt Jr. und Kurt Busch qualifizierte sich auch still und heimlich Jeff Gordon über die Punkte in seiner letzten NASCAR-Saison für die Playoffs. Ob der „Drive for five“ für den scheidenden Altstar noch möglich ist, wage ich zu bezweifeln, aber man soll bekanntlich niemals nie sagen. Mit Johnson und Harvick bekommen die Busch-Brüder, Kenseth, Edwards und die Penske-Truppe aber starke Konkurrenz. Unter diesen acht Piloten wird dieses Jahr wohl der Meister ausgefahren. Wenn ich mich aber festlegen müsste, fiele die Wahl erneut auf Kevin Harvick, denn der steht mit 18 Top-5-Resultaten in 26 Rennen deutlich vor seinen Kollegen.
Bevor es total untergeht: Michael McDowell traf in einer Gelbphase beim Richmond-Rennen ein Streckensicherungsfahrzeug und zerstörte sich das komplette Heck beim Ausweichmanöver in letzter Sekunde. Glücklicherweise wurde niemand verletzt, aber ich kann wirklich nicht verstehen, warum alle Fahrer vor ihm da so bekloppt rumgezackt sind und auch der Spotter nicht mehr rechtzeitig warnen konnte. Das war eine ebenso unverständliche wie unnötige Situation, für die sich die Beteiligten des Teams Leavine Family Racing auch nach dem Rennen vor den NASCAR-Offiziellen verantworten mussten. Eine Strafe wurde jedoch nicht ausgesprochen.
Das gesamte Rennergebnis kann bei Jayski inklusive weiterer Statistiken noch einmal nachgeschaut werden. Es folgen wie gewohnt die Fahrerwertung und die Owner-Punkte sowie pünktlich zu den Playoffs das Chase-Grid.