Die BTCC biegt mit noch sechs ausstehenden Rennen auf die Zielgerade der Saison ein. Mehr als fünf Fahrer haben noch realistische Meisterschaftschancen. Wir schauen – mit ziemlicher Verspätung – zurück auf die Rennen in Rockingham und blicken voraus auf Silverstone, das an diesem Wochenende auf dem Programm steht.
Die Pole Position für den ersten Lauf in Rockingham sicherte sich Mat Jackson im Motorbase Ford Focus. Und anders als in Knockhill, als er einen möglichen Sieg wegen abbauender Reifen verlor, brachte er es diesmal souverän über die Distanz und holte sich und der Motorbase-Crew den ersten Sieg in der Saison 2015.
Platz 2 ging an Meisterschaftsaspirant Gordon Shedden, der nur von Startplatz 7 ins Rennen gegangen war, aber nach der ersten Runde bereits auf P3 lag und in Runde 4 schließlich auch Áron Smith für P2 überholen konnte. Der Ire war seinerseits in der Quali bester VW-Pilot und konnte mit P3 endlich mal wieder ein zählbares Resultat einfahren. Knapp hinter dem Podium platzierte sich Jack Goff im MG, gefolgt vom stark auffahrenden Tom Ingram, dessen beste Vorstellung an diesem Tag aber noch folgen sollte.
Zwischen Goff und Ingram lag bis kurz vor Rennende noch Matt Neal, der sich zudem rundenlang sehr sehenswert mit Goff duelliert hatte. Doch dem Meisterschaftsaspiranten brach in der letzten Runde eine Radaufhängung. Neal schleppte den waidwunden Honda zwar noch über die Ziellinie, verlor aber 3 Plätze und fiel bis auf den achten Rang zurück.
Ein ganz ähnliches Schicksal ereilte auch Jason Plato – jedoch bereits in der ersten Runde als Folge des üblichen Gerangels nach dem Start. Nachdem Plato seinen krumm daher fahrenden VW an die Box geschleppt hatte, gelang der Mechanikertruppe vom Team BMR eine wahre Meisterleistung. Innerhalb von vier Umläufen war die Aufhängung wieder gefixt und Plato konnte immerhin noch auf Zeitenjagd für die Startaufstellung des zweiten Laufs gehen. P12 war als Resultat dann auch deutlich besser als ein Start aus der letzten Reihe.
Platos Teamkollege Colin Turkington – als amtierender Champion auch in dieser Saison noch mit Chancen auf den Titel – absolvierte derweil ein recht unauffälliges Rennen, das ihn von Startplatz 9 auf Rang 7 führte. Einen Platz dahinter startete Andrew Jordan, der nach einigen sehenswerten Überholmanövern bis auf den sechsten Rang vorfahren konnte. Der MG-Pilot wartet weiterhin auf seinen ersten Saisonsieg, hat aber nichtsdestotrotz nach wie vor Chancen auf die Meisterschaft.
Weniger gut lief das Rennen derweil für Josh Cook. Der Chevrolet-Pilot hatte sich für den sensationellen dritten Startplatz qualifiziert und konnte sich auch einige Zeit im vorderen Mittelfeld halten. Dann brachen ihm aber seine Soft-Reifen weg und er fiel Position um Position zurück bis auf P13.
Eine geradezu unterirdische Vorstellung lieferten derweil die BMW ab. Sam Tordoff wurde als bester Pilot des West Surrey-Trios Zehnter, während Priaulx-Ersatz Nick Foster und Rob Collard nur auf den Rängen 16 und 18 landeten. Angesichts dieser überraschend schwachen Form, die der 125i in Rockingham zeigte, dürfte die Entscheidung, Andy Priaulx lieber auf den ELMS- als auf den BTCC-Titel anzusetzen und ihn in Rockingham wegen der Terminüberschneidung mit dem Rennen in Paul Ricard zu ersetzen, richtig gewesen sein.
Die Pole Position für den zweiten Lauf sicherte sich mit der schnellsten Rennrunde Gordon Shedden. Dahinter platzierte sich Adam Morgan, der nicht nur die zweitschnellste Rundenzeit im ersten Lauf hingelegt, sondern sich auch vom 19. auf den neunten Rang nach vorne gearbeitet hatte. Der Sieger von Lauf 1, Mat Jackson, schaffte Startplatz 3, gefolgt von Jack Goff und etwas überraschend Jeff Smith. Der Eurotech-Pilot hatte nach der Einführungsrunde des ersten Laufs seine Soft-Reifen von vorne nach hinten getauscht, um die optimale Betriebstemperatur für eine einzige schnelle Runde zu haben. Mit P15 am Ende von Lauf 2 sollte sich dieses Gambling um eine gute Startposition aber dann doch nicht so wirklich auszahlen.
Als bester Meisterschaftsaspirant nach Gordon Shedden qualifizierte sich Colin Turkington auf dem sechsten Startplatz. Matt Neal folgte auf P8, während Jason Plato und Andrew Jordan das Rennen von außerhalb der Top Ten angehen mussten.
Gordon Shedden nutze seine gute Ausgangsposition für einen sicheren Start-Ziel-Sieg, der ihm die Führung in der Meisterschaft sicherte. Dahinter war Mat Jackson bereits beim Anbremsen der ersten Kurve an Morgan vorbei gegangen und verteidigte den eroberten zweiten Platz bis zur Zielflagge. Der Mercedes-Pilot schien dann immerhin Rang 3 so gut wie sicher zu haben, als kurz vor Rennende plötzlich der infernalisch auffahrende Josh Cook im Rückspiegel auftauchte. In einem tollen Manöver in der letzten Runde schnappte sich der Chevrolet-Pilot Morgan und konnte somit einen Platz auf dem Podium ergatterten.
Cook hatte damit seine missratene Reifenstrategie aus dem ersten Lauf wieder wettgemacht und sich eindrucksvoll durch das enge Mittelfeld gearbeitet, das in diesem zweiten Lauf von sehr vielen Zweikämpfen und Positionsverschiebungen geprägt war. Hinter Morgan landete Mat Neal auf dem fünften Rang, gefolgt von Rob Austin und Jason Plato, der zuvor recht unschön mit Hunter Abbott aneinandergeraten war und dafür eine Verwarnung erhielt. Colin Turkington, Jack Goff und Tom Ingram komplettierten die Top 10.
Und weil es so schön ist, loste Series Director Alan Gow direkt mal eine komplett umgedrehte Top Ten als Startaufstellung für den dritten Lauf aus. Tom Ingram und Jack Goff standen somit in Reihe 1, gefolgt vom VW-Duo Turkington und Plato, das sich somit gute Chancen ausrechnete, den ersten Sieg seit Snetterton einzufahren und wichtige Punkte für die Meisterschaft zu holen. Beim Start schnappten sich die beiden dann auch direkt mal Jack Goff. Aber für den MG-Piloten sollte es noch dicker kommen, als ihn Rob Austin in der Hairpin komplett aus dem Rennen beförderte.
In der Folge wurde das Rennen vom großartigen Kampf zwischen Jason Plato und Tom Ingram um den Sieg geprägt. Plato hatte das deutlich schnellere Auto, aber Ingram verteidigte nach allen Regeln der Tourenwagen-Kunst und war dem dreimaligen Champion ein mehr als ebenbürtiger Gegner. Rundenlang versuchte Plato immer wieder, sich beim Anbremsen der ersten Kurve innen neben den Toyota zu setzen. Aber Ingram gelang es regelmäßig, die Spur zuzumachen, was angesichts der enormen Breite des Rockingham-Ovals zu sehr merkwürdig anzusehenden Fahrlinien führte.
Seinen Höhepunkt erreichte das Duell in Runde 12, als es Plato doch mal gelang, sich innen erfolgreich neben den Toyota zu bremsen, Ingram aber am Kurvenausgang immer noch Seite an Seite mit Platos VW lag, sich auch in den nächsten Kurven nicht abhängen ließ und die Führung in einem tollen Konter zurückholen konnte. Zwei Runden später gelang es dann aber doch: Soweit innen wie nur möglich bremsten sich Ingram und Plato in die Hairpin hinein und dieses Mal schaffte es Plato, Ingram hinter sich zu halten. Rang 2 bedeutete aber am Ende dennoch das bislang beste Resultat in der Karriere von Tom Ingram, vor dem sich die Gegner meiner Meinung nach warm anziehen sollten, wenn er irgendwann mal in einem besseren Auto sitzt.
Der spektakuläre Kampf um die Führung ließ die vielen Kämpfe dahinter ein wenig aus dem Blickwinkel geraten. Wie schon im zweiten Lauf gab es hinter der Spitze wieder viele Positionskämpfe. Hinter Colin Turkington, der sich den dritten Rang sicherte, landete Matt Neal auf P4, überraschend gefolgt von Sam Tordoff, der sich in der besten BMW-Vorstellung des Wochenendes Platz um Platz nach vorne gearbeitet hatte. Hinter Árón Smith und Rob Austin kam Gordon Shedden „nur“ auf P8, gefolgt von Andrew Jordan und Josh Cook.
Mit Shedden und Plato haben die beiden wahrscheinlichsten Meisterschaftskandidaten also jeweils einen Sieg aus Rockingham mitnehmen können. Auf den vorderen Positionen in der Meisterschaft sieht es aktuell folgendermaßen aus:
1. Gordon Shedden, 286 Punkte
2. Jason Plato, 280 Punkte
3. Matt Neal, 259 Punkte
4. Colin Turkington, 253 Punkte
5. Andrew Jordan, 240 Punkte
6. Sam Tordoff, 225 Punkte
Das sind meiner Meinung nach die Piloten, die für den diesjährigen Titel infrage kommen. Angesichts des doch schon recht großen Abstands zu P3 und 4 und der offensichtlich sehr guten Form, die Shedden und Plato derzeit haben, wird es, wenn ich noch ein wenig tiefer in meine Kristallkugel schaue, am Ende mit einiger Wahrscheinlichkeit auf einen Zweikampf zwischen den beiden hinauslaufen.
Matt Neal scheint in der Performance das ganze Jahr etwas hinter seinem Teamkollegen zurück zu hängen, was sich vor allem in der Quali bemerkbar macht. Und Turkington wirkt im Vergleich mit Plato manchmal etwas zahnlos. Aber man hat auch schon Pferde vor der Apotheke in der BTCC die eine oder andere verrückte Wendung erlebt und so sollte man niemals nie sagen. Ein ungünstiger Ausfall von Shedden und/oder Plato kann das ganze nach Silverstone und vor dem Saisonfinale in Brands Hatch schon wieder anders aussehen lassen.
Außenseiterchancen, und mit der Betonung tatsächlich eher auf Außenseiter als auf Chancen, hat immer noch Andrew Jordan. Seine Methode muss weiterhin lauten, so viele Punkte wie möglich zu holen. Aber solange sich die vier vor ihm platzierten Rivalen nicht ständig gegenseitig aus dem Rennen nehmen, sind die Chancen des MG-Piloten eher rechnerischer Natur.
Ähnliches gilt für Sam Tordoff. Der BMW hat zwar das Zeug zum Siegen, ist aber insgesamt in diesem Jahr viel zu unkonstant – Rockingham ist ein gutes Beispiel dafür. Und der Abstand auf die Spitze ist doch auch schon so groß, dass Tordoff mehr als nur ein Wunder braucht, um ernsthaft im Kampf um die Meisterschaft noch ein Wörtchen mitzureden.
Konkrete Rechenspiele sparen wir uns an dieser Stelle noch. Die gibt es dann frühestens in der Vorschau auf das Saisonfinale. Der gesamte Stand in der Meisterschaft kann hier auf den offiziellen Seiten der BTCC eingesehen werden. Mathematische Chancen haben noch alle Piloten bis Platz 11. Auf die Independentmeisterschaft gehe ich an dieser Stelle nicht extra ein, da diese ziemlich sicher entweder an Plato oder Turkington gehen wird. Als einziges der Top-Teams gilt BMR ja nicht als Manufacturer. In der Jack Sears-Trophy, die in diesem Jahr an den besten Rookie gehen wird, führt ziemlich überlegen Josh Cook, der – wenn ich mich jetzt nicht irre – den Titel auch schon sicher hat.
Wie üblich wird an diesem Wochenende auf dem kürzeren National Circuit von Silverstone gefahren und dabei die alte Start-Ziel-Gerade genutzt. In den letzten Jahren war Silverstone vor allem für die MGs ein gutes Pflaster. Jason Plato konnte sich, damals noch in MG-Diensten, in den letzten beiden Jahren insgesamt vier Siege hier holen. Vielleicht lässt das Andrew Jordan etwas zuversichtlich auf das Wochenende schauen. Vielleicht stellt sich aber auch heraus, dass Silverstone eher für Jason Plato als für die MG ein gutes Pflaster war/ist.
So oder so sehe ich mit Blick auf den Meisterschaftskampf die VW mit Plato und Turkington tatsächlich etwas stärker als die Honda. Allerdings dürfte das größte Problem, das Shedden und Neal in den vergangen Jahren in Silverstone hatten, nämlich der Mangel an Top Speed auf den langen Gerade, in diesem Jahr durch die Anpassung des Ladedrucks ausgeglichen sein. Insofern lassen wir uns also mal überraschen, wer am Ende tatsächlich die Oberhand hat. Ein Auge sollte man einmal mehr auf Mat Jackson haben. Der Ford-Pilot spielt zwar keine Rolle in der Meisterschaft, konnte im letzten Jahr aber ein Rennen in Silverstone gewinnen.
Die Übertragungszeiten der drei Läufe könnt ihr wie gewohnt unserem TV-Planer entnehmen. Viel Spaß!