Jetzt wird es ernst, denn der nächste entscheidende Schnitt im Chase steht auf dem Programm und das ausgerechnet in Talladega. Die Situation in der Fahrerwertung ist zusätzlich zum Faktor Superspeedway ohnehin schon höchst instabil und das Rennen am Sonntag hat eindeutig Potenzial, alles komplett durcheinander zu würfeln.
Für die NASCAR wird dieses Wochenende Gold wert sein: Nicht nur zählen der Talladega Superspeedway und auch die Restrictor-Plate-Rennen im Allgemeinen zu den beliebtesten Events im Kalender, sondern zusätzlich endet auch noch Runde zwei im Chase und vier weitere Fahrer müssen am Ende den Weg zurück zu den normalsterblichen Kollegen antreten. Punkt drei für Glücksgefühle bei den Offiziellen dürfte die momentane Wetterlage in Texas darstellen, denn dort soll mehr oder weniger zeitgleich der F1-GP der USA in Austin über die Bühne gehen. Eine komplexe meteorologische Situation sorgt jedoch zurzeit für Niederschläge in ungeahnten Mengen und die Formel 1 habe ich im Gegensatz zur NASCAR noch nie an einem Montag fahren sehen. Das riecht nach einem Hauch von Exklusivität für die Stock-Cars am Sonntagabend bei 0 % Regenchance in Alabama.
Und damit zurück zum Talladega Superspeedway, dem mit 2,66 Meilen Asphaltband längsten und bei 33 Grad Banking steilsten Oval in der NASCAR. Die Teams kramen bei diesen Dimensionen dem Reglement entsprechend die Restrictor-Plates aus dem Keller und halbieren ihre Motorleistung zum Fahren im großen Pulk. Dabei lauert stets der gefürchtete Big-One auf seine Chance, das halbe Feld aus dem Rennen zu nehmen. Die enge Meisterschaftssituation, in der mehr als ein Fahrer dringend einen Sieg zum Verbleib in den Playoffs benötigt, erzwingt dieses Szenario geradezu. Die Offiziellen haben nach den schweren Unfällen in den vergangenen Schlussphasen von Talladega und Daytona Konsequenzen gezogen und die Anzahl der Green-White-Checkered-Verlängerungen auf eine einzige limitiert.
Nach 188 Runden müssen sich vier weitere Fahrer aus der Entscheidung in der Meisterschaft verabschieden und mit Matt Kenseth steht (erneut) ausgerechnet ein großer Favorit auf den Titel vor dem frühzeitigen Aus. Nach seiner Blockade-Scharade mit Joey Logano in Kansas kann Kenseth bei 35 Punkten Rückstand auf Platz acht in der Tabelle quasi nur noch über die Victory-Lane in die Runde der letzten Acht einziehen. Hoffen wir, dass er sich eine etwaige Retourkutsche zu Ungunsten von Logano lieber für das ungefährlichere Martinsville aufspart. Zudem kann Kenseth in Talladega mit so einer Nummer natürlich nur selbst verlieren und außerdem ist Logano nach seinen Siegen in Charlotte und Kansas schon mehr als fest im Sattel für Runde drei der Playoffs. Will Kenseth besonders fies sein, wartet er also auch aus diesem Grund bis zur nächsten Woche auf den Shorttrack in Virginia.
Ein weiterer Wackelkandidat ist gleichzeitig auch Favorit am Sonntag: Dale Earnhardt Jr liegt nur vier Zähler vor Kenseth in der Meisterschaft und benötigt daher ebenfalls dringend einen Sieg für den Verbleib im Chase. Im letzten Jahr befand sich Junior in der gleichen Situation und fuhr am Ende tatsächlich in die Victory-Lane. Sollte er diese Leistung am Wochenende wiederholen können, würde er mit seinem Vater gleichziehen und ebenfalls drei von vier Restrictor-Plate-Rennen in derselben Saison gewinnen. Nur im Daytona 500 stand die #88 schlussendlich nicht ganz vorne im Tableau. Mindestens gute Resultate müssen derweil Kyle Busch (-6) und Ryan Newman (-8) abliefern, die sich nur denkbar knapp hinter den Top-8 befinden, doch auch oberhalb der Cut-Linie geht es eng zu.
Die Top-8 trennen sagenhaft winzige 25 Punkte und die hat man besonders in Talladega natürlich sehr schnell gewonnen oder verloren. Wie gesagt: sicher ist nur Joey Logano! Denny Hamlin (+18), Kurt Busch (+13) und Carl Edwards (+12) stehen noch mit am besten da, während Kevin Harvick (+7), Jeff Gordon (+7), Brad Keselowski (+7) und Martin Truex Jr (+8) nahezu punktgleich um jede Position beim engen Restrictor-Plate-Schach kämpfen müssen. Man kann davon ausgehen, dass am Sonntag eine Menge Tränen fließen und zudem acht zufriedene oder auch überraschte Gesichter zu sehen sein werden. Es ist schon ziemlich verrückt, was da mit dem neuen Chase-System in der NASCAR gerade abgeht. Ob man es mag oder nicht, im Moment produziert es eine Menge Spannung, auch wenn durchaus verdiente Piloten kurzfristig frühzeitig ausscheiden müssen.
Die Entry-List offenbart nur eine „Überraschung“, denn Michael Waltrip tritt in der #98 von Premium Motorsports aufs Gaspedal. Hoffentlich tut er das auch in der Qualifikation, denn ansonsten darf er am restlichen Wochenende lediglich den Transporter des Hinterbänkler-Teams nach Hause fahren. Da auch Ryan Blaney in der #21 der Wood Brothers mitmischt, kämpfen also 45 Piloten um die 43 Startplätze.
Ob das auch im nächsten Jahr so sein wird, darüber scheiden sich aktuell die Geister, denn quer durch die Garage rumort das angestrebte Franchise-System der NASCAR. Die Teambesitzer wünschen sich mehr Wert für ihre Entries und wieder garantierte Startplätze, zudem wird über eine Verkleinerung des Feldes auf 40 Fahrzeuge (36 davon mit festem Startrecht) nachgedacht. Spruchreif ist da aber noch lange nichts und ich hoffe, es setzt sich nicht durch. Zum einen sollten die Offiziellen sich nicht die Zügel aus der Hand nehmen lassen, sonst hat man ganz schnell eine mächtigere Gegenlobby als einem lieb ist und zum anderem würde die NASCAR so das Salz in ihrer Suppe verlieren. Die Serie lebt doch geradezu davon, dass ich als Enthusiast – mit dem nötigen Kleingeld – mit einem regelkonformen Auto und einem zertifizierten Fahrer an der Rennstrecke auftauchen kann und meine Chance bekomme, die Großen zu ärgern. Es wäre sehr schade, fiele dieses Merkmal einfach weg.
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die die Entry-List und ein Zeitplan für das TV-Programm am Wochenende. Nicht zu vergessen ist in Deutschland natürlich die Zeitumstellung in der Nacht von Samstag auf Sonntag, denn die Uhren werden um 3 Uhr eine Stunde nach hinten gedreht. Da die Amerikaner erst in der nächsten Woche nachziehen, findet das Talladega-Rennen sowie das Rahmenprogramm aus Martinsville mit nur fünf Stunden Zeitunterschied zu uns statt. In den folgenden Uhrzeiten ist das alles aber schon berücksichtigt:
Freitag, 23.10.
19:00 Uhr, Truck Series Practice, FOX Sports 1
20:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, NBCSN
21:00 Uhr, Truck Series Final Practice, FOX Sports 1
22:30 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, NBCSN
Samstag, 24.10.
16:30 Uhr, Truck Series Qualifying, FOX Sports 1
19:00 Uhr, Truck Series Rennen (fred’s 250), FOX
22:00 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, NBCSN
Sonntag, 25.10.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (CampingWorld.com 500), NBCSN & Motorvision TV ab 18:30 Uhr