Der Auftakt zur zweiten Formula E-Saison ist gelaufen – und geglückt. Auch wenn die Strecke um das Olympiastadion und die zugehörige Schwimmhalle in Peking alles andere als das Highlight der Saison ist – auch die Fahrer äußerten sich zurückhaltend bis kritisch – so entwickelte sich doch ein sehenswertes Rennen. Dieses bot mit einem dominanten Gewinner Sebastien Buemi möglicherweise auch einen Ausblick auf die bevorstehende erste Saison mit technisch unterschiedlichen Fahrzeugen.
Denn Renault scheint mit seinem neuen Powertrain, der im Heck des e.dams-Boliden steckt, am besten aufgestellt zu sein: Buemi und sein Teamkollege Nicolas Prost sicherten sich im Super Pole-Qualifying die erste Startreihe, was Buemi drei Bonuspunkte einbrachte. Der Schweizer zog am Start davon und ward nicht mehr gesehen, bis er schließlich nach 26 Rennrunden das Ziel mit gut elf Sekunden Vorsprung durchquerte. Kurz vor Schluss sicherte er sich auch die schnellste Rennrunde (und damit weitere zwei Zusatzpunkte) – mit knapp neun Zehntelsekunden Vorsprung. Es war ein perfektes Wochenende für Buemi: Da Pole und schnellste Runde in der Formula E mit Extra-Punkten belohnt werden, lohnt sich ein solcher „Grand Slam“ hier um so mehr.
Sein Teamgefährte Prost hätte ihm möglicherweise folgen können, doch nachdem er am Start mit durchdrehenden Reifen zwei Plätze verloren hatte, schoss er bei seiner Aufholjagd über das Ziel hinaus. Nach mehreren Ausrutschern und Verbremsern hing – aus bislang nicht bekannten Gründen – sein Heckflügel schief und sein hinterer rechter Kotflügel lag auf der Rennstrecke. Dass ihm in der Folge die „Spiegelei“-Flagge (Boxenstopp wegen eines technischen Defekts) gezeigt wurde, war richtig, auch wenn Prost das Auto schließlich fluchend in der Garage abstellte.
So konnte Lucas di Grassi im Abt-Boliden sicher auf Rang 2 fahren. Er machte einen sehr starken Eindruck – verwunderlich ist nur, dass Daniel Abt so weit abgeschlagen war (Rang 11 in Quali und Rennenaufgrund einer nachträglichen 10 Sekunden-Strafe für einen Unsafe Release). Bei den Testfahrten waren di Grassi und Abt mit dem Schaeffler-Powertrain die schnellsten, aber am Renntag fällt Abt wieder deutlich hinter seinen Teamkollegen zurück.
Rang 3 ging an Nick Heidfeld im Mahindra. Er startete zwar auch von diesem Rang, musste jedoch hart um den Platz kämpfen. Eine Full Course Yellow zur Rennmitte sorgte für Wirbel, denn es befanden sich gerade all jene Piloten in der Box, die eine Runde länger mit dem Energievorrat ihres ersten Autos haushalten konnten. Durch die Verlangsamung der auf der Strecke befindlichen Fahrzeuge wurden sie nach vorn gespült. Dies kam u.a. den beiden Dragon-Piloten Loic Duval und Jerome d’Ambosio zugute, die auf den Rängen 5 und 6 (bzw. nach Prosts Aufall 4 und 5) lagen und auf Nick Heidfeld aufschlossen, dessen Akku zur Neige ging. Der jedoch wehrte in den letzten drei Runden alle Überholversuche geschickt ab und überquerte die Ziellinie mit weniger als 1 Prozent nutzbarer Akkuleistung. Der Kurs in Peking scheint dem Deutschen zu liegen…
Überraschender Sechster wurde der Brite Oliver Turvey. Er und WM-Titelverteidiger Nelson Piquet jr. quälten sich in Quali und erster Rennhälfte im hinteren Teil des Feldes herum – der NEXTEV-Antriebsstrang scheint der langsamste in der Formula E zu sein. Doch beide konnten in der ersten Rennhälfte Energie sparen und so auch mit ihren späten Fahrzeugwechseln von der bereits genannten Gelbphase profitieren. Turvey wurde dadurch bis auf Rang 6 vorgespült und konnte sich dort auch halten. Piquet lag zeitweise auf Rang 8, verlor dann aber zwei Runden mir technischen Problemen.
Auslöser für besagte Full Course Yellow zur Rennmitte war ein Zwischenfall, der das Formula E-Debüt von Ex-F1-Champion Jacques Villeneuve unterbrach: Er geriet im Zweikampf mit Antonio Felix da Costa aneinander; die Situation wurde in den TV-Bildern nicht vollständig aufgelöst, aber wahrscheinlich schob der Spanier den Kanadier unsanft beiseite, was beide das Rennen kostete. Villeneuve konnte zwar nach einiger Zeit weiterfahren, erreichte jedoch mit einer Runde Rückstand nur Rang 14. Gestartet war Villeneuve von Rang 11, weiter nach vorn war er auch im Rennen nicht gekommen.
Das Rennen, in dem es im Mittelfeld viele spannende und harte Zwei- und Dreikämpfe gab, deutete an, dass es in diesem Jahr aufgrund der verschiedenen Powertrains, die die Fahrzeuge antreiben, größere Abstände und klarere Rangfolgen geben könnte. Im vergangenen Jahr siegten in elf Rennen sieben verschiedene Piloten aus sechs verschiedenen Teams. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir in diesem Jahr eine stärkere Performance einiger weniger Hersteller zu sehen bekommen. Nach dem ersten Rennen rechne ich mit einem Zweikampf zwischen e.dams-Renault und Abt-Schaeffler; Mahindra und Dragon könnten sich hier am ehesten noch einmischen.
Gleichzeitig haben die Fahrzeuge aufgrund ihrer unterschiedlichen Powertrain-Konfigurationen unterschiedliche Stärken. Dragon scheint auf eine Runde weniger Speed zu haben, ist aber im Rennen solide und sparsam unterwegs; e.dams-Renault scheint insgesamt am besten aufgestellt zu sein und war in Quali und Rennen top. Abt-Schaeffler schwächelte zwar im Qualifying (und Daniel Abt insgesamt), doch in der zweiten Trainingssession führten die beiden das Feld an und di Grassi fuhr die zweitschnellste Runde des gesamten Wochenendes. NEXTEV Team China Racing scheint die größten Probleme zu haben und wird über Effizienz und unterschiedliche Taktik im Rennen arbeiten müssen; dies war aber auch schon im Vorjahr eine der Stärken von Nelson Piquet jr.
Der nächste Lauf findet in zwei Wochen in Putrajaya in Malaysia statt. Dort wird sich zeigen, ob sich diese Annahmen bestätigen – oder ob Buemis dominante Vorstellung doch wieder nur guter Tagesform oder schlicht dem Zufall geschuldet war.
Bilder: Formula E Media