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NASCAR: Analyse Talladega Oktober 2015 – Ein kontroverses Finish

von KristianStooss
3 Kommentare

Es war zu erwarten, dass die Restrictor-Plate-Schlacht von Talladega für Gesprächsstoff sorgen würde, doch irgendwie kam alles ganz anders als gedacht. Es gab kaum Cautions, keinen wirklichen Big-One, einen gewagten Spritpoker, verzweifelte Chase-Teilnehmer und ein Green-White-Checkered-Drama, das an Kuriosität nicht zu überbieten war.

TS_NSCS_Logano_Flag_102515Meine Güte, was war das denn bitte für ein Unsinn, der da im Finale von Talladega über die Mattscheibe lief? Ich fühlte mich ein bisschen in die besten Tage von Driven zurückversetzt, das muss ich ganz ehrlich so sagen. 185 Runden mussten wir warten, bis die große Entscheidung in den Vordergrund trat. Bis dahin gab es nur eine einzige Caution, weil das Chevrolet-Triebwerk von Justin Allgaier sein Leben aushauchte. Weil dies ausgerechnet in Umlauf 133 passierte, rückte das Rennende in den Bereich des Fuel-Windows von circa 50 Runden. Die finalen Boxenstopps unter grüner Flagge sparte sich prompt Greg Biffle und gondelte in einem kleinen Pack mit ein paar Überrundeten ungefähr 30 Sekunden vor dem Hauptfeld, wo Joey Logano und Dale Earnhardt Jr. beinhart um die Führung kämpften.

Drei Runden vor dem Ende war das aber auch schon wieder Makulatur, denn bei Jamie McMurray verabschiedete sich ein weiterer Hendrick-Motor in einem weißen Feuerwerk. Die große Sorge bestand nun eher darin, ob Greg Biffle überhaupt genug Sprit für den – aus Sicherheitsgründen – einzigen Green-White-Checkered-Anlauf an Bord haben konnte oder ob das Feld dahinter in einem riesigen Big-One untergehen würde, wenn in der #16 das Gaspedal vergeblich durch das Bodenblech gefallen wäre. Glücklicherweise entschied sich Biffle aber für einen zeitigen Boxenstopp noch während der Caution. Nun begann das unsinnige Finale, denn Kevin Harvick meldete, dass sein Aggregat wohl als nächstes das Haltbarkeitsdatum überschreiten würde. Immerhin ging er für den Restart aber aus der Linie heraus, um die nachfolgenden Piloten nicht zu behindern.

Ich will Kevin Harvick hier überhaupt keinen Vorwurf machen, denn er wurde durch das unselige Chase-System der NASCAR in diese Situation gebracht. Er verfügte da über was? Zehn Punkte Vorsprung vor dem Cut? Jeder wäre an seiner Stelle auf der Strecke geblieben, da geht es halt bestenfalls um Millionen von US-Dollars. Ein Trip in die Garage wäre selbstredend sicherer für alle Beteiligten gewesen, aber das hätten die Offiziellen halt von oben mit einer schwarzen Flagge verordnen müssen. „Don’t hate the player, hate the game!“, wie es so schön heißt. Harvick war dann auch gar nicht der Auslöser der ersten Kaskade an Auffahrunfällen. Joey Logano stieg so spät aufs Gas, das hinter ihm die Meute drängte und Jimmie Johnson und Kyle Larson den Brummkreisel machten. Da die Ziellinie noch nicht mal überquert war, zählte die NASCAR diesen Versuch nicht.

Auch hier muss man sagen, dass die Offiziellen die richtige Entscheidung trafen und die einzige Green-White-Checkered-Verlängerung erneut ansetzten. Spätestens hier hätte man allerdings Kevin Harvick aus dem Feld entfernen müssen, da die Situation wirklich offenkundig war. Im zweiten Anlauf ging die #4 nämlich zu spät aus der Reihe, weil Harvick klar war, dass eine schnelle Caution seine Hoffnungen auf einen Chase-Verbleib sichern würden. Erst jetzt muss man darüber nachdenken, ob hier bewusst ein Unfall herbeigeführt werden sollte, denn Harvick hätte ebenso früh wie zuvor aus der Linie ausscheren können. Einige Fahrer warfen ihm das anschließend auch direkt vor und diese Frage muss er sich gefallen lassen. Die ausgelöste Massenkarambolage beendete das Rennen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Hätten die Offiziellen erst wenige Meter später die gelbe Flagge herausgeholt, um die Reihenfolge final zu egalisieren, wäre Dale Earnhardt Jr. an Joey Logano vorbei gewesen und hätte sein Ticket für die nächste Chase-Runde gelöst. Stattdessen gewann Logano das dritte Rennen in Folge, was mir persönlich schwer stinkt. Nun gut, es war fair und damit muss und kann ich durchaus leben, immerhin kann man der NASCAR nicht vorwerfen, dass sie wieder einen Earnhardt-Bonus verteilt hat. Ich möchte an dieser Stelle eher meine Verwunderung darüber ausdrücken, dass das Publikum nicht annähernd so viele Bierdosen auf die Strecke geworfen hat wie beim legendären Sieg von Jeff Gordon, als dieser 2004 ebenfalls einen Junior schlagen konnte. Das hat mich wirklich überrascht!

Dieses echt bekloppte Ende ist allein auf die Regeln der NASCAR zurückzuführen. Man sollte sich überlegen, ob man für die Restrictor-Plate-Rennen nicht gänzlich auf die Green-White-Checkered-Verlängerungen verzichtet. Genau hier muss man nämlich die rote Linie zwischen Sicherheit und mehr Action für die Fans ziehen und es wird zu diskutieren sein, welchen Weg man gehen will. Mit Kevin Harvick darf man nicht zu hart ins Gericht gehen, denn auch er wurde durch äußere Umstände regelrecht zu diesem Verhalten gezwungen. Das aktuelle Chase-System ist ganz großer Quatsch und im letzten Jahr hat man mit einem verdienten Champion in eben seiner Person nur sehr viel Glück gehabt. Nach 2015 werden sich die Offiziellen auch zu diesem Thema Kritik gefallen lassen müssen. Vor allem Talladega ans Ende einer Playoff-Runde zu setzen, grenzt schon an komplette Idiotie.

Dale Earnhardt Jr. hätte es unterdessen verdient gehabt, das Rennen zu gewinnen, zumal er sich nach einigen selbst verhagelten Boxenstopps immer wieder aus eigener Kraft an die Spitze zurückfahren und seine Qualitäten auf dem Superspeedway ein weiteres Mal unter Beweis stellen konnte. Die Videoanalyse mit dem Caution-Licht zum Ende war jedoch zu eindeutig und sollte auch den Zweiflern den Wind aus den Segeln nehmen. Hinter Joey Logano und Junior rundeten Jeff Gordon, Brad Keselowski und Carl Edwards die Top-5 ab. Die Top-10 komplettierten Paul Menard, Martin Truex Jr., Clint Bowyer, Ricky Stenhouse Jr. und Kurt Busch.

Wie verhext erschien es, dass die aus der Entscheidung in der Meisterschaft eliminierten Fahrer ausgerechnet nach einem Restrictor-Plate-Rennen dieselben waren, die sich vor dem Wochenende ohnehin auf den Raketenplätzen befanden: Ryan Newman, Denny Hamlin, Dale Earnhardt Jr. und Matt Kenseth spielen im Kampf um den Titel 2015 keine Rolle mehr. Besonders bitter dürfte dies im Falle Hamlin gewesen sein, da eine lockere Dachausstiegsluke, die anschließende Reparaturpause sowie die Karambolage am Ende ihm vier Runden Rückstand aufbrummten. Nächste Woche geht es für die Top-8 in der Tabelle auf dem Martinsville Speedway um einen Platz im Finale von Homestead. Mal schauen, ob Kenseth sich noch bei Joey Logano bedanken wird.

Das gesamte Rennergebnis kann bei Jayski inklusive weiterer Statistiken noch einmal nachgeschaut werden. Es folgen wie gewohnt die Fahrerwertung und die Owner-Punkte.

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3 Kommentare

Andr3as 27 Oktober, 2015 - 09:13

Als Variante könnte man ja auf jedem Track auch auf der Gegengerade eine Art Ziellinie machen, die dann bei einer Caution als Ziel dient. Damit haben die Fahrer einen festen Punkt bis wohin das Rennen noch geht und nicht so einer Willkür der Rennleitung ausgesetzt sind. Wenn der Crash bei Start/Ziel stattfindet, wie jetzt in Dega, dann hat man noch ne halbe Runde Zeit um abzubremsen und in die Box zu rollen.

Walter 28 Oktober, 2015 - 07:53

Kennt jemand eine Seite, auf der das Punkteergebnis NACH dem Rennen in Talladega zu finden ist.
Ich habe bislang nur die neue Reihenfolge VOR dem nächsten Rennen gefunden.
Konkret möchte ich wissen, wie eng es bei den Punktabständen um Platz 8 zuging.

Ansonsten kann ich mich dem Artikel nur anschließen. Das jetzige Chase-Format verkommt immer mehr zur Zirkusveranstaltung. Aber genau das wollen die Verantwortlichen wohl auch erreichen.

KristianStooss 29 Oktober, 2015 - 15:23

@Andr3as: Dein Vorschlag klingt sehr gut, das könnte man so machen. Natürlich ist es etwas problematisch, wenn man die Rettungsmannschaften sofort auf eine immer noch mehr oder weniger aktive Rennstrecke schicken muss.

@Walter: Das Ergebnis NACH dem Rennen ist am Ende des Artikels verlinkt. Die Seedings für Martinsville hatte ich noch nicht gefunden, als der Artikel geschrieben wurde.

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