Die Abgasaffäre bei VW hat direkte Auswirkungen auf die Motorsportaktivitäten des Konzerns. Offenbar stehen bei einer Vorstandssitzung Ende November alle Beteiligungen auf dem Prüfstand.
Es steht nicht gut um den VW-Konzern. In der Abgasaffäre ist ein Ende nicht in Sicht, im Gegenteil. Gerade gestern musste VW eingestehen, dass auch bei einigen Benzinmotoren inkorrekte Angaben gemacht wurden. Gleichzeitig stoppte Porsche in den USA den Verkauf der Cayenne mit Dieselmotor. Die 3-Liter-TDI stehen ebenfalls im Verdacht manipuliert zu sein. Jede dieser Aktionen kostet VW viel Geld. Für die im September bekannt gewordene Manipulation der EA189-Motoren hat man sicherheitshalber schon mal 6,7 Milliarden Euro zur Seite gelegt. Für die gestern bekannt gewordenen Falschangaben bezüglich des CO2-Ausstoßes wird man weitere zwei Milliarden benötigen. Und dann ist noch gar nicht raus, wie hoch die Summe der Privatklagen sein wird. VW erwarten zudem Strafzahlungen in diversen Ländern in der EU und in anderen Teilen der Welt.
Zwar beträgt das Barvermögen etwas mehr als 20 Milliarden Euro, das wird allerdings nicht ausreichen. Sollten die Pessimisten Recht behalten, können sich die Summen der Strafzahlungen und Privatklagen auf bis zu 60 Milliarden belaufen. Aber selbst Optimisten glauben nicht, dass VW mit weniger als 25 bis 30 Milliarden Euro weg kommt.
Das sind mächtige Summen und die Frage, wann VW die ersten Entlassungen bekanntgeben muss, steht im Raum. Zuvor wird man jedoch alle Sparmöglichkeiten ausloten und dazu gehören auch die Summen, die man für den Motorsport ausgibt. Die Details:
WRC:
VW ist offiziell seit 2013 in der WRC dabei. Begonnen hat das Programm aber schon 2011. Die Kosten für die Einsätze sind schwer einzuschätzen. Ein Einsatzfahrzeug wird rund eine Millionen Euro kosten. Wie viel VW aber in die Entwicklung und in die weitere Saison steckt, ist dann eine andere Frage. Es ist davon auszugehen, dass man pro Saison im Bereich von 35 bis 50 Millionen Euro liegt.
Das ist nicht so viel für professionellen Motorsport, allerdings hat die WRC ein massives Marketingproblem. In Deutschland findet die Serie faktisch nicht statt, im Ausland auch nur am Rande. Es gibt Länder wie Portugal, Spanien, Finnland und Schweden, in denen die WRC mehr Begeisterung entfacht, aber weltweit gesehen ist die Reichweite der Serie sehr beschränkt. Es gibt wenig Gründe für VW, in der Serie zu bleiben.
Dazu kommt auch noch das Engagement bei der Rallye Paris-Dakar, das den Konzern ebenfalls eine mittlere zweistellige Summe kosten wird. Seitdem die Dakar aber nach Südamerika umgezogen ist, hat das Interesse in Europa merklich nachgelassen.
DTM:
Audi ist seit dem Neustart der DTM dabei. Die ITR hat immer wieder versucht, die Kosten nicht allzu sehr ansteigen zu lassen, indem die Motorentwicklung und vor allem die Weiterentwicklung in der Saison mehr oder weniger verboten ist. Was die Hersteller aber in der Winterpause treiben, ist deren Sache. Ein DTM-Fahrzeug dürfte preislich bei circa 1,2 bis 1,5 Millionen Euro liegen, wenn man die Entwicklungskosten für die Aerodynamik mit einrechnet. Der Gesamteinsatz für Audi dürfte bei ca. 30 Millionen liegen. Allerdings hat man starke Sponsoren zur Seite, die einen Teil der Kosten wieder auffangen. Auch werden Teams wie Abt ein Teil der Kosten tragen. So teuer ist das Engagement also nicht.
Zumindest so lange sich nichts ändert. 2017 sollten eigentlich neue Fahrzeuge und neue Motoren kommen, doch nach unseren Informationen wird der Einsatz des neuen 4-Zylinder-Turbomotors verschoben. Sowohl Mercedes als auch Audi haben sich nach den Erfahrungen in der F1 gegen die neuen Motoren entschieden. Bliebe alles beim alten, würden auch die Entwicklungskosten wegfallen, was einen weiteren Einsatz von Audi in der DTM ziemlich sicher macht.
WEC:
Der größte Brocken im Motorsportbudget von VW. Audi gibt circa 120 bis 150 Millionen pro Jahr für die WEC aus, bei Porsche war es in den ersten zwei Jahren deutlich mehr. Hier schwanken die Zahlen zwischen 200 und 250 Millionen. Mittlerweile dürfte die Summe geringer sein, da sich die Entwicklungskosten reduziert haben. Es bleibt allerdings immer noch eine Summe von 180 bis 250 Millionen Euro, die beide Marken angeblich in die Serie pumpen.
Bei so einem großen Brocken will man schnell den Rotstift ansetzen. Kann man die WEC in der Form weiter betreiben, wenn gleichzeitig Angestellte entlassen werden? Eher nicht, der mächtige Betriebsrat bei VW wird hier massive Einsparungen verlangen. Das Problem ist nur: Die WEC und die Auseinandersetzung der beiden Marken sorgt für erhöhte Aufmerksamkeit. Zumindest bis zum Rennen in Le Mans. Der Marketingeffekt der 24h von Le Mans ist schwer einzuschätzen, aber mal abgesehen vom Indy 500 und vom Grand Prix von Monaco gibt es kein Rennen, das weltweit derartig bekannt ist.
VW wird in der WEC verbleiben, die Frage ist nur, mit welcher Marke? Motorsport-Aktuell berichtet, dass Porsche schon mal das GTE-Team aus der WEC zurückzieht. Ein Hinweis darauf, dass man das LMP1-Team in der Serie belassen will. Aber was macht Audi? In den letzten zwei Jahren hat die Marke empfindliche Niederlagen einstecken müssen. 2014 gewann man zwar Le Mans, verlor beide WM-Titel aber an Toyota. 2015 verlor man in Le Mans und auch die WM gegen Porsche. Der Mythos Audi ist ein wenig angekratzt.
Dazu kommt, dass Audi in der WEC weiter auf die Diesel-Technik setzt. Doch Diesel sind gerade schwer in der Kritik. In den USA hat man die Verkaufszahlen des Diesel seit 2008 zwar verdreifachen können, wie das aber nach der Affäre aussehen wird, ist ungewiss. Im Moment hat VW fast alle Diesel vom Markt genommen. Weltweit gesehen werden Diesel, vor allem bei PKWs, eh selten eingesetzt. Nur in Europa liegt der Anteil des Diesel bei Neuwagen bei mehr als 50%. Ob der Diesel allerdings die neuen EU-Abgasregeln überleben kann, ist dann wieder eine andere Frage. Eigentlich macht die Weiterentwicklung des Diesels wegen der hochkomplexen Abgasreduzierung keinen großen Sinn. Und somit stellt sich auch die Frage, ob Audi den Diesel weiter in der WEC einsetzen will. Zumal man gleichzeitig ja auch noch gegen einen kleinen Benziner verliert.
Die Chance, dass Audi den Stecker bei der WEC ziehen wird, liegen also weitaus höher, als man vielleicht denkt. Mit Porsche hat VW eine gute Marke in der Serie, gleichzeitig setzt Porsche auf einen Benziner. Audi müsste sich schon etwas einfallen lassen, zum Beispiel den Einsatz eines Fahrzeuges mit Brennstoffzelle.
Kann sein, dass man 2016 noch mal antreten wird, eine Art „last hurra“. Kann sein, dass man ein Pause einlegt, um etwas ganz neues zu entwickeln. Aber ich bin skeptisch, dass VW beide Marken in den Serie lassen wird.
Formel Eins:
Offensichtlich war VW kurz davor, in die F1 einzusteigen, man interessierte sich für das Red Bull-Team. Nach der Abgasaffäre ist das Thema komplett erledigt, da wird sich nichts mehr tun.
Markenpokale / VLN / GT3
All dieses Dinge laufen bei VW, Audi und Porsche unter dem Thema „Kundensport“. Keine der Marken ist in irgendeiner Form werksseitig beteiligt. Man entwickelt die Fahrzeuge und verkauft diese dann. Mit den GT3 verdient man Geld, man verliert nichts. Es wird sich also nichts ändern.
Mein Tipp:
VW steigt aus der WRC aus und reduziert das Programm in der WEC massiv. Vermutlich wird man Audi aus der Serie zurückziehen, weil diese auch nach Außen enger mit der Marke VW verbunden ist. Porsche hat den Ruf als eigene Marke auch nach dem Aufkauf durch VW behalten können. Zudem steht Porsche auch traditionell mehr für Motorsport als Audi, die Motorsport im Marketing eher als Technologieträger sehen.
Die DTM bleibt unberührt, ebenso alle GT3-Einsätze. Bei letzteren wird Audi die eigene Präsenz (Hospis, VIP Betreuung etc.) vielleicht etwas zurückfahren.
VW wird Jahre benötigen, um sich von dem Skandal zu erholen. Selbst wenn es gelingt, die Produktion auf dem aktuellen Niveau zu halten, wird dies nicht reichen, um die entstanden Kosten zu decken. Einsparungen sind unumgänglich und der Motorsport gehört mit Sicherheit dazu.
4 Kommentare
Ich persönlich finde es immer sehr verstörenden, wenn wir Deutschen alles kaputt reden und nun einen Konzern, alleine durch die Berichterstattung womöglich an den Rand des Ruins treiben.
Selbstverständlich ist das Thema überall präsent, aber ernsthaft, bei wem lag die Kaufentscheidung für oder gegen ein Fahrzeug bei den Abgaswerten… wir haben uns hier im Kollegenkreis und auch im familiären Umfeld unterhalten und keiner würde wegen dieser Affäre nun keinen VW oder eine andere Marke des Konzerns kaufen. Eher gerade erstrecht und erstrecht einen Diesel. Wir selbst fahren zwei Diesel weil wir einfach von dieser Technik überzeugt sind. Und das Verhältnis Diesel zu Benziner ist in meinem Umfeld eher bei 2 : 1 angesiedelt.
Mir ist schon klar, dass alles, was hier passiert ist, natürlich bedenklich ist, aber es ist doch wirklich nicht so gravierend, wie anderes (z.B. bei einem Unfall löst keiner der Airbags aus oder so). VW hat sicher aus diesem Fehler gelernt und wird die entsprechenden Schritte in die Wege leiten um die Probleme zu korrigieren.
Meines Erachtens sollte man nun gerade an der Dieseltechnik forschen und zeigen, dass es doch möglich ist, entsprechende Grenzen einzuhalten. Dazu bietet sich Le Mans eigentlich idealtypisch an.
Ein Formel 1 Egagement sehe ich selbst auch eher kritisch, aber weniger wegen der Abgasaffäre sondern mehr wegen der Art der derzeitigen Formel 1. Das letzte Rennen hat ja mal wieder gezeigt, dass die Organisation der Formel 1 endlich aufwachen sollte und Regeln schaffen sollte, die ein Überholen ohne DRS wieder ermöglichen um spannenden Rennen sehen zu können…
Was mich wundert, auch wenn das jetzt eher in den BWL Bereich gehört, ist, dass ein Konzern von der Größe von VW „nur“ 20 Milliarden Barvermögen hat.
@ Chaos:
Selbst 20 Mrd. sind relativ viel. Wenn so viel Geld auf dem Konto liegen kommen die Hauptaktionäre gewöhnlich immer schnell an und wollen höhere Dividendenausschüttungen.
Mir kommt das GT3 Programm von Audi im Beitrag etwas zu knapp weg. Audi steckt da richtig viel Geld rein. Ja, es gibt ein Kundensportprogramm, aber das das ist ja nur die halbe Wahrheit. Audi hat um die 10-15 GT3 Werkspiloten die bezahlt werden, Audi finanziert die Einsätze von Phoenix und WRT am Ring und in Spa praktisch komplett, … . Ich denke mal den Werksanteil hier herunterzufahren und rein auf Kundensport zu gehen würde eine zweistellige Millionensumme sparen.
Auch sind die für die WEC genannten Summen m. W. deutlich zu niedrig gegriffen.
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