Alle Zutaten für das große NASCAR-Saisonfinale in Homestead sind vorbereitet, jetzt wird am Sonntag im großen Nudeltopf gekocht. Jeff Gordon, Kevin Harvick, Kyle Busch und Martin Truex Jr. werden sich im hoffentlich nicht verregneten Florida um die größte Trophäe in unser aller Lieblingssport streiten und ich gönne jedem den Titel!
Nach der Regenflaute von Phoenix wurden die vier punktbesten Piloten in der Meisterschaft auf 5000 Zähler gesetzt und nehmen jetzt gleichberechtigt die größte Mission ihrer Karriere in Angriff. Der Homestead-Miami Speedway bildet erneut die Kulisse für das zweite Finale im neuen Chase und das 1,5-Meilen-Oval ist mit Sicherheit nicht die Durchschnittsstrecke der Saison. Die Rennbahn in Florida kommt nämlich mit zwei 180-Grad-Kurven und einem variablen Banking von 18° bis 20° daher. Das ist jetzt zwar erstmal grundsätzlich etwas ganz anderes, doch will man sowas in einem Rennen haben, in dem es um alles oder nichts geht? Der NASCAR-Tross begibt sich 36 Mal im Jahr auf sehr verschiedene Kurse, auf denen sich jeder Fahrer irgendwie beweisen muss, um das Finale an diesem Wochenende zu erreichen. Da ist es natürlich nicht fair, dass eine einzige Konfiguration am Ende über Sieg oder Niederlage entscheidet.
Über das neue Chase-Format habe ich mich in der letzten Zeit schon sehr häufig aufgeregt und muss leider vermuten, dass sich daran auf einige Jahre leider nichts ändern wird. Es ist eigentlich schlimm genug, dass der Rennkalender dermaßen in Stein gemeißelt ist, dass wir auch in den nächsten fünf Jahren sehr wahrscheinlich keinen weiteren Rundkurs und vor allem nicht in den Playoffs sehen werden. Wie fair ist außerdem das System für Brad Keselowski, Joey Logano, Matt Kenseth und Jimmie Johnson? Allesamt Ausnahmefahrer, die viel zu früh aus der Entscheidung genommen wurden, ohne sich auf lange Sicht über volle zehn Rennen beweisen zu können. Gerade Logano wäre nach seinen drei Siegen in Folge ein würdiger Titelkandidat, da mag man zu ihm stehen wie man will. Gemeinsam mit Kenseth und Johnson führt er immerhin die Victory-Lane-Strichliste sehr dominierend an. Satte 16 von bisher 35 Saisonsiegen gingen auf das Konto dieses Trios, immerhin 45,7 %.
Nun gut, sei es, wie es ist: Im Finale stehen nun mit Jeff Gordon, Kevin Harvick, Kyle Busch und Martin Truex Jr. vier Fahrer, denen ich allesamt den Titel gönne – auch wenn sie (vielleicht mit Ausnahme von Harvick) nicht die nach Leistung würdigen Champions der Saison wären. Die Top-4 nach dem ganz klassischen, auf Konstanz basierendem Punktesystem ohne Chase wären übrigens Kevin Harvick (1278), Joey Logano (-20), Dale Earnhardt Jr. (-84) und Brad Keselowski(-104), aber das sei hier nur eine Randnotiz, da das spezielle Verfahren die Piloten natürlich von der Denkweise her völlig unterschiedlich agieren lässt. Ich gebe zu, dass man das nicht vollständig vergleichen kann. Sehen wir uns daher die tatsächlichen Finalisten an:
Jeff Gordon befindet sich auf seiner Abschiedstournee in den Ruhestand und liebäugelt wahrscheinlich schon mit seinem Sitzplatz zwischen Mike Joy und Darrell Waltrip im nächsten Jahr bei FOX. Ich bin jedenfalls schon sehr auf interessante Einblicke durch einen frisch zurückgetretenen Gordon gespannt, da die FOX-Crew doch schon einige Jährchen Abstand zum aktiven Geschehen aufweist. Für den Frührentner wäre ein Titelgewinn natürlich eine tolle Sache, immerhin könnte er seinen „Drive-for five“ damit nach 14 Jahren endlich beenden. Die letzte Meisterschaft holte Gordon sich nämlich 2001. Er ist anno 2015 sicherlich nicht der konstanteste Fahrer und ich würde ihn im Normalfall auch nicht in der Victory-Lane von Homestead erwarten, andererseits darf man nie unterschätzen, was diese außergewöhnliche Situation in ihm freisetzen wird. Ich denke aber, dass er leider auf das Pech der Konkurrenz hoffen muss.
Der größte Favorit ist meines Erachtens der wahnsinnig konstante, amtierende Meister Kevin Harvick, denn er schob sich mit drei Siegen, 22 Top-5-Ergebnissen und 27 Top-10-Resultaten punktemäßig auf dem ersten Platz ins Finale. Harvick ist ein Fahrer, den man an jedem Wochenende in der Victory-Lane erwarten muss. Nach seinem Wechsel zu Stewart-Haas Racing konnte er endlich aus dem Schatten des allmächtigen Dale Earnhardt Sr. heraustreten und sein Talent unter Beweis stellen. Zudem verfügt er nun in einer Hendrick-Partnerschaft über deutlich besseres Material als noch davor bei Richard Childress Racing. Für die #4 kann das Ziel am Sonntag nur der Titel sein, alles andere wäre eine herbe Enttäuschung und das Team sollte ganz klar so fortfahren wie bisher und „lediglich“ die Fahrt als Erster über den Zielstrich anstreben. Dann ist man auf der sicheren Seite.
Kyle Busch könnte am Sonntag den Titel gewinnen, er ist so einer dieser typischen Alles-oder-nichts-Fahrer. In den letzten Jahren brannte er immer mal wieder Leistungen in den Asphalt, bei denen man nur anerkennend staunen konnte. So gewann er 2008 zwar acht Saisonrennen, musste sich aber schließlich aufgrund seiner Inkonstanz mit Rang 10 in der Meisterschaft zufrieden geben. So richtig konnte er dieses Stigma bisher nicht abschütteln und zuletzt schlug ihm auch noch eine fast halbjährige Verletzungspause ein Schnippchen. Dass Busch überhaupt im Finale dabei ist, grenzt mehr oder weniger an ein Wunder – wenn auch mit großzügiger Nachhilfe der NASCAR-Offiziellen. Hätte ich das 2010 gesagt, hätte man mich für verrückt erklärt. Für Busch wäre ein Titelgewinn jedoch trotzdem verdient und ein weiterer Schritt auf der Leiter nach ganz oben. Wenn er denn am Sonntag bloß einen Alles-Moment wie nach der Rückkehr aus seiner Pause hat…
Für die Cinderella-Abteilung ist am Wochenende Martin Truex Jr. zuständig, der im Moment mit seinem Ein-Wagen-Team die Mutter-Mannschaft von Richard Childress Racing aber sowas von gehörig an die Wand fährt. Nach einem wahnsinnigen Run zu Beginn der Saison ging er etwas in den Top-10 unter, doch seine Konstanz ebnete ihm den Weg nach Homestead. Frühzeitig holte er verdient den ersten Sieg für Furniture Row Racing und damit überhaupt erst einen Platz im Chase. 22 Top-10-Resultate zeigen zudem, warum er noch mit dabei ist. Ich sehe Truex jedoch am Sonntag als absoluten Underdog, der ebenso wie Jeff Gordon ein wenig vom Pech der Konkurrenten profitieren muss. Natürlich kann er den Titel gewinnen, aber das wird er wohl leider nicht aus eigener Kraft schaffen. Verdient wäre es aber allemal, rechnet man die Anstrengungen der kleinen Truppe aus Denver, Colorado auf den Standard-Einsatz eines NASCAR-Moguls wie Rick Hendrick hoch.
Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen, denn für das Wochenende sind erneut Unwetter vorhergesagt. Stand Donnerstagabend erwarten die Meteorologen zu 80 % Gewitter am Sonntag. Samstag steht mit 60 % für einen Regenschirm und Freitag immerhin noch zu 30 % unter Wasser. Ich bitte den Wettergott daher an dieser Stelle ganz herzlich um Erbarmen, denn ich habe am Montag um 7:40 Uhr einen Arzttermin und muss um 9 Uhr auf der Arbeit sein.
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die die Entry-List und ein Zeitplan für das TV-Programm am Wochenende. Ich wünsche euch viel Vergnügen beim letzten NASCAR-Rennen des Jahres und erwarte euch dann voraussichtlich am Dienstag zur finalen Nachbesprechung.
Freitag, 20.10.
15:00 Uhr, Truck Series Final Practice, FOX Sports 1
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, NBCSN
19:30 Uhr, XFINITY Series Final Practice, NBCSN
22:00 Uhr, Truck Series Qualifying, FOX Sports 1
00:00 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, NBCSN
02:00 Uhr, Truck Series Rennen (Ford EcoBoost 200), FOX Sports 1
Samstag, 21.10.
16:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, CNBC
17:00 Uhr, XFINITY Series Qualifying, CNBC
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, NBCSN
20:30 Uhr, XFINITY Series Rennen (Ford EcoBoost 300), NBC
Sonntag, 22.10.
21:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Ford EcoBoost 400), NBC, NBCSN & Motorvision TV ab 20 Uhr