Die Saison mag vorbei sein, aber im Hintergrund gibt es jede Menge politischen Ärger in der Formel Eins. Grund dafür ist ein Beschluss, der Jean Todt und Bernie Ecclestone die Macht über die Serie gibt.
Fallende Zuschauerzahlen, mehrere Teams, die am Rande der finanziellen Möglichkeiten operieren, Streit um jede noch so kleine Änderung im Regelwerk. Die Situation in der F1 ist angespannt. Der Schritt zu den hochkomplexen Hybridmotoren, die im Grunde keiner so richtig leiden kann, hat für jede Menge Probleme in der Serie gesorgt. Dabei ist der mangelnde Sound der Motoren noch das kleinste Problem. Jetzt bahnt sich zwischen der FIA, Bernie Ecclestone, Mercedes und Ferrari ein Machtkampf an.
Vorspiel
Um den Machtkampf zu verstehen, muss man weit ausholen. 2008 eskalierten in der F1 die Kosten. Teams wie Toyota verpulverten bis zu 400 Millionen Euro im Jahr, und das trotz festgeschriebenem Motorenreglement. Nach dem Ausstieg von Honda Ende 2008 entschied Max Mosley zwei Dinge. Zum einen wollte er eine Kostendeckelung auf 45 Millionen Euro pro Saison, zum anderen entschied man, dass in Zukunft ein „Weltmotor“ für etliche FIA-Serien eingesetzt werden sollte. Ein 1.6 bis 2 Liter großer Turbomotor mit Hybridsystem. Mosley scheiterte mit seinem Kostendeckel, als beim britischen GP alle Teams, bis auf Ferrari, mit der Gründung einer eigenen Serie drohten. Der „Weltmotor“ kam, allerdings nachdem Ferrari interveniert hatte als V6-Motor und nicht als Vierzylinder.
Bernie Ecclestone war gegen den Motor. Er verstand zum einen, dass die Kosten für den Motor hoch waren, zum anderen entschied sich, abgesehen von Honda, kein weiterer Konzern für den Einstieg in die Formel Eins. Weder VW, auf die der Motor eigentlich auch zugeschnitten war, noch Ford, Hyundai oder Toyota waren zu einem Einstieg zu bewegen. Damit war klar, dass es auf absehbare Zeit nur drei Hersteller für die Motoren geben würde – und das waren allesamt Konzerne. Keine Hersteller, die von der F1 leben, sondern die sie als Marketing-Vehikel sehen. Unternehmen, die bei einem Wechsel an der Spitze plötzlich komplett andere Entscheidungen treffen können.
Dem neuen FIA-Präsidenten und langjährigen Ferrari Teamchef Jean Todt schien die Formel Eins egal zu sein. Lieber kümmerte er sich um seine „Road to safety“-Aktion und vor allem um den Wiederaufbau der Prototypen-WM. Dort tummelten sich Peugeot, Audi und Nissan, dazu die Werksengagements in der GTE. Hinzu kamen dann Toyota und Porsche, sodass der Rückzug von Peugeot verschmerzbar war. Die Le Mans-Serie entwickelte sich plötzlich prächtig, während die F1 mit dem Start der Saison 2014 in die Krise rutschte.
2014 – Der erste Ärger
Zum Start der Saison 2014 gab es, bis auf das Lager von Mercedes, lange Gesichter. Die Motoren klangen miserabel, sie waren so leise, dass man im Fernsehen die Gespräche der Fans auf den Tribünen hören konnte. Ferrari und Renault hatten total verwachst, ihre Motoren waren denen von Mercedes völlig unterlegen. Die hohen Leasingkosten für die Motoren trieben einige Teams kurz vor oder in den Abgrund. HRT war eh verschwunden, Caterham implodierte, Sauber kam nur mit viel Glück durch die Saison, Lotus häufte einen riesigen Schuldenberg an und am Ende der Saison war Marussia auch pleite. Im Herbst 2014 wusste niemand, wie viele Autos in der nächsten Saison an den Start gehen würden. Ecclestone handelt mit Ferrari, Red Bull, Mercedes und McLaren aus, dass diese Teams einen dritten Wagen an den Start bringen würden, der außerhalb der normalen Wertung fahren würde. Mercedes verpflichtete flugs Pascal Wehrlein als Testpiloten, um gewappnet zu sein.
Über den Winter regelte Ecclestone einige Probleme. Mit Steven Fitzpatrick fand er einen Investor für Manor, Lotus, Force India und Sauber und zahlte Prämien vor deren Fälligkeit aus. Nur Caterham war nicht zu retten. Immerhin bekam er 20 Autos an den Start, das sollte reichen. Lotus musste er allerdings während der Saison mehrfach unter die Arme greifen.
Das Problem der hohen Grundhaltungskosten für die Teams liegt bei den Motoren. 25 Millionen Dollar kosten die pro Saison – wenn denn alle Motoren halten. Schon im Winter schlug Bernie vor, dass man die Motoren rauswerfen und wieder V8-Motoren mit einem einfachen KERS nutzen sollte. Logischerweise wurde der Vorschlag von allen Herstellern einmütig abgelehnt.
Der Machtverlust von Bernie Ecclestone
Die Machtverteilung in der Formel Eins hatte sich plötzlich verschoben. Da Todt sich nicht um die Serie scherte, hatten im Grunde die drei Hersteller Mercedes, Ferrari und Renault das Sagen. In der sogenannten „Strategy Group“ der FIA bestimmen die fünf bestplazierten Teams im Grunde die Regeln. (Es ist etwas komplizierter, aber das würde hier zu weit führen.) Die drei Hersteller beliefern, bis auf McLaren, das gesamte F1-Feld. Man kann nicht gegen sie stimmen. Alle Vorschläge von Ecclestone und den anderen Teams wurden in der Gruppe abgeschmettert. Die Entscheidungen der Gruppe gehen wiederum zum „World Council“, einem Abnick-Parlament der FIA, das noch nie etwas anderes entschieden hat als das, was die Strategy Group vorgeschlagen hat.
Ecclestone mochte zwar weiter die Kontrolle über die Strecken, die Sponsoren und die anderen Finanzen haben, aber auf die Regeln in der Serie hatte er plötzlich keinen Einfluss mehr. Zudem hing das Gerichtsverfahren wegen Bestechung in München wie ein Damoklesschwert über ihm. Er entzog sich der Sache mit einer Strafzahlung, gegen die Konzerne konnte er aber nichts unternehmen.
Hinzu kamen die Änderungen bei Ferrari. Luca di Montezemolo hatte den internen Machtkampf gegen Fiat-Chef Sergio Marchionne verloren. Dabei ging es nicht um die Erfolglosigkeit des Formel Eins-Teams, sondern um die Frage, ob Ferrari an die Börse gebracht werden sollte oder nicht. Marchionne brauchte dringend Geld für den Fiat-Chrysler-Konzern, um die Kriegskasse für weitere Übernahmen aufzufüllen, di Montezemolo wollte „sein“ Ferrari-Unternehmen nicht dafür hergeben. Piero Ferrari, der Sohn von Enzo, dem noch 10% der Anteile am Unternehmen gehören, entschied sich aber für den Kurs von Marchionne, somit verlor di Montezemolo seinen CEO-Posten innerhalb von wenigen Tagen. Und das, obwohl er die Firma so profitabel wie nie gemacht hatte und das F1-Team mit der Verpflichtung von Sebastian Vettel neu aufstellen wollte.
Ecclestone und di Montezemolo mögen nie enge Freunde gewesen sein, aber nach knapp 40 Jahren gemeinsamen Erlebnissen im Motorsport hatte man viel Respekt voreinander. Bernie wusste, dass er mit dem Italiener rechnen konnte. Was für ihn wichtig ist, denn Ferrari besitzt als einziges Team ein Veto-Recht bei vielen Regelentscheidungen der FIA.
Dieses Veto ist ein sehr mächtiges politisches Machtinstrument, mit dem Ferrari im Grunde alle Änderungen nach Belieben sperren kann. Aber wie das halt so ist: Man sollte sich genau überlegen, wann man von so einer Holzkeule Gebrauch macht. Jean Todt hat es in seiner Zeit nie genutzt, Montezemolo nur sporadisch.
Mit Marchionne an der Spitze von Ferrari hatte Ecclestone zwar keinen direkten Gegenspieler, aber jemanden, der ganz anders über die Formel Eins denkt. Wo es bei di Montezemolo pure Leidenschaft war, ist es bei Marchionne reines Business-Kalkül. Jemand, der Marken wie Alfa-Romeo oder Lancia ausbluten lässt, um den Konzerngewinn zu retten, dem ist zur Not auch das F1-Engagement von Ferrari egal. Ecclestone verlor also einen wichtigen Verbündeten, stattdessen bekam er einen weiteren Konzernlenker entgegengesetzt, für den die F1 nur ein Spielfeld von vielen ist.
2015 – Todt schaltet sich ein
2015 änderte sich sportlichen Machtgefüge nur wenig. Mercedes hatte den Vorsprung über den Winter sogar ausgebaut, und auch wenn Ferrari nun besser da stand, im Grunde änderte sich nichts. Bei Red Bull ging es sogar noch einen weiteren Schritt zurück.
Ab hier wird es nun kompliziert und viel dreht sich um die Entscheidung von Red Bull, auf die Renault-Motoren verzichten zu wollen. Von Mai bis Ende August entwickelte sich ein Machtkampf, der auf mehreren Ebenen ablief und der Stoff für viele Verschwörungstheorien liefert.
Angeblich soll Niki Lauda seinem Landsmann Dietrich Mateschitz im Frühsommer per Handschlag die Lieferung von Mercedes-Motoren zugesagt haben. Lauda bestreitet dies. Mateschitz sagt dazu nichts. Marko und Horner äußern sich nur indirekt und nebulös. Der Mercedes-Vorstand schmetterte das Ansinnen von Lauda angeblich ab. Danach soll es Verhandlungen mit Ferrari gegeben haben, die aber auch niemand so richtig bestätigen will. Auch hier soll es erst eine Zusage, dann nur eine für 2015er Motoren gegeben haben. Jedenfalls stand Red Bull plötzlich ohne Motoren da und drohte mit Rückzug. Gleichzeitig hatte Red Bull den ehemaligen Mercedes-Motoren-Konstrukteur Mario Illien verpflichtet, der seit einigen Monaten offenbar damit beschäftigt war, eine Art Motorentechnologiezentrum für Red Bull aufzubauen.
Dann tauchte plötzlich Jean Todt wieder auf dem Parkett der Formel Eins auf. Auffallend häufig sah man ihn ab Juni bei den Rennen und auffallend häufig sah man ihn mit Bernie Ecclestone zusammen. Und beide redeten in Interviews sehr oft darüber, dass man etwas mit den Motoren machen sollte. Wohlgemerkt – der gleiche Jean Todt, der in der WEC den Herstellern komplette Freiheiten ließ, was Hybridsysteme und Kosten angeht, redet nun davon, dass die Motoren in der F1, die bei weitem nicht so komplex sind wie jene in der WEC, zu teuer seien.
Die erste Bombe platzte dann Ende September.
Bei einem Treffen der Motorenhersteller (noch eine FIA-Kommission) gaben Todt und Ecclestone bekannt, dass sie einen Plan zur Fertigung eines günstigen Motors einbringen wollen, wahlweise eine Kostenreduzierung der bisherigen Leasinggebühren um 50%. Der Plan wurde zunächst nicht abgelehnt, scheiterte dann aber am Veto von Ferrari. Warum Ferrari die Veto-Keule so früh rausholte, ist die Frage, um die sich nun alles weitere dreht.
Mark Hughes hat in einem langen Stück gemutmaßt, dass Ecclestone, Todt und Mateschitz sowohl Mercedes als auch Ferrari in einem Machtkampf ausgetrickst haben. Kurz zusammengefasst: Red Bull hat den Vertrag mit Renault nie gekündigt, die Absagen von Mercedes (die laut eigener Aussage nie zugesagt hatten) und Ferrari wurden von Ecclestone und Todt dafür genutzt, um die Idee eines „billigen“ Motors bzw. der Reduktion der Leasinggbühren um 50% und das Veto von Ferrari zu provozieren.
Andrew Benson von der BBC sieht es ähnlich, allerdings ohne die Verschwörungstheorie von Hughes zu verfolgen. Im Kern sind sich beide aber einig: Ecclestone und Todt wollen gegen die Macht der Hersteller vorgehen. Denn plötzlich konnten die Hersteller nicht nur Bernie überstimmen, sondern auch die gesamte Macht der FIA. Eine für die FIA unmögliche Situation. Die Bernie Ecclestone erwartet hatte.
Die zweite Bombe platzte dann Ende November.
Ohne vorherige Ankündigung hatte das World Council beschlossen, dass Todt und Ecclestone nur mit dem Mandat des Council über die Kommissionen aller in der Formel Eins beteiligten Teams, Sponsoren und Hersteller hinweg Entscheidungen bezüglich der technischen Regeln entscheiden können. Die Ohrfeigen, die die Hersteller an Ecclestone und Todt über den Sommer verteilt hatten, kamen nun doppelt zurück. Todt und Ecclestone verkündeten, dass die Hersteller bis zum 15. Januar 2016 Vorschläge für a) einen neuen, günstigen Motor oder b) zur Kostenreduzierung einbringen sollen. Beide würden dann bis zum 31.01.2016 entscheiden, was zu tun sei.
Todt und Ecclestone versuchen also, die Hersteller komplett mattzusetzen. Selbst auf die Gefahr hin, dass Ferrari und Mercedes die Serie verlassen. Das Timing ist dabei entscheidend. Im Moment geistert das Jahr 2017 als erstes Einsatzjahr für den neuen Motor rum. Das ist nicht zu schaffen und darf getrost als Verhandlungsmaßnahme gewertet werden.
Ein komplexes Spiel
Haben Ecclestone und Todt mit Red Bull nun gemeinsame Sache gemacht? Der neue Deal von Red Bull mit Renault wurde erst Anfang Dezember angekündigt. Viel zu spät für den Bau des nächstjährigen Chassis. Red Bull muss vorher schon gewusst haben, welchen Motor sie bekommen, die Frage war vermutlich nur, ob der Motor „Red Bull“ oder wie jetzt „TAG-Heuer“ heißen wird. Die Vermutung, dass man Red Bull als U-Boot genutzt hat, um die Hersteller auszumanövrieren, liegt also nahe.
Ob Mateschitz dabei aktiv mitgespielt hat oder ob Ecclestone und Todt die hausgemachten Problem von Red Bull dazu genutzt haben, um dem World Council der FIA klarzumachen, dass nicht mehr sie und die FIA, sondern die Hersteller die Serie kontrollieren, ist auf den ersten Blick nicht so wichtig. Gelingt es Todt und Ecclestone, Mercedes und Ferrari zum Einknicken zu bringen, haben sie wieder die komplette Macht. Misslingt das Spiel und Mercedes und Ferrari kündigen ihren Ausstieg zum Ende der Saison 2016 an, hat man a) über die Saison 2016 Zeit einen neuen Kompromiss zu finden – oder einen neuen Motorenhersteller. Zum Beispiel könnte man jene Motoren nutzen, die nun Red Bull dank Mario Illien überarbeitet.
Allerdings ist der Ausstieg nicht so leicht. Mercedes könnte sich als Marke zurückziehen und AMG nach vorne schieben, für Ferrari sieht die Sache anders aus. Die F1 ist das wichtigste Marketinginstrument von Ferrari. Selbst wenn sie zur WEC wechseln würden – zum einen haben sie da wieder mit der FIA und Todt zu tun, zum anderen ist die WEC, im Gegensatz zur F1, richtig teuer. In der F1 verdient Ferrari durch das Punktesystem und die Sonderausschüttungen an die Marke genug Geld, um den Einsatz zu finanzieren. In der WEC gibt es kein Geld. Es nicht vorstellbar, dass Fiat dreistellige Millionensummen da reinsteckt. Ob die F1 ohne Ferrari überleben kann, ist allerdings auch so eine Frage.
Es bleiben sowieso eine Menge offener Fragen am Ende…
6 Kommentare
Super Artikel Don !
Das liest sich ja wie ein mittelschwerer Kriminalroman, das sollte verfilmt werden!
Danke für den sehr lesenswerten Artikel, kannte die Zusammenhänge gar nicht so genau.
Ich hoffe die F1 schafft es, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um den Sport wieder zu Höhenflügen zu treiben.
Bei Ferrari kommen die Millionen von Marlboro dazu, wobei hier unklar ist wie hoch die Summe genau ist.
Und ich denke RB ist an weniger Macht der Hersteller auch interessiert, da sie bzw. jedes Kundenteam sonst keine Chancen haben vorne mitzufahren.
Danke für den Artikel Don!
Sehr lesenswerter Artikel wieder einmal, vielen Dank dafür!
Was ich ungefähr jedes Jahr sage: Ecclestone geht inzwischen schwer auf die 90 Lenze und damit unlängst auf eine natürliche Grenze zu. Selbst wenn er nicht eines Tages mal einfach umkippt, kann im Grunde jederzeit der Fall eintreten, dass er zu keiner weiteren Aktivität mehr in der Lage ist. Bei seiner Gewitztheit und seinen Besitzverhältnissen und Machtansammlungen wird es interessant sein zu sehen, wer ihn (so in den nächsten paar Jahren) mal vertritt bzw. überhaupt vertreten kann.
Brillianter Artikel. Vielen Dank!
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