Die ewige Nummer Zwei in der Red Bull-Hierarchie war selten so nah am großen Bruder dran wie in diesem Jahr. Schuld daran waren vor allem Max Verstappen und Carlos Sainz.
Ja, da muss ich Abbitte leisten. Ich war da zwar nicht alleine, aber auch ich hatte die Entscheidung von Red Bull, Max Verstappen mit 17 Jahren einen Formel Eins-Cockpit zu geben, hart kritisiert. Zu schnell, da verbrennt man mal wieder ein Talent – so ungefähr waren meine Worte in den Podcasts vor der Saison. Aber Helmut Marko und Franz Tost haben mit ihrer Entscheidung goldrichtig gelegen. Seit 2001, als Peter Sauber den damals 21-jährigen Kimi Räikkönen mit einer Ausnahmeregelung aus der F3 direkt in die F1 hievte, hat kein Fahrer mehr so sensationell eingeschlagen wie der Niederländer. Den notorisch unterentwickelten Toro Rosso zweimal in einer Saison auf P4 zu bringen, das ist seit Sebastian Vettel niemandem gelungen.
Natürlich hatte aber auch das Team gute Arbeit geleistet. Chefentwickler James Key hatte mal wieder eines seiner besseren Chassis hinbekommen, das vor allem auf den schnelleren Strecken überzeugte. Key wusste, dass der Renault-Motor nicht der potenteste sein würde, also kümmerte er sich um den Topspeed, der bei Toro Rosso dann nie schlecht war. In Kombination mit den Fahrern bedeute dies, dass man nur bei fünf der 19 Rennen keinen Punkte holen konnte. Für ein Team mit dem Budget von Toro Rosso war das schon eine ziemlich gute Leistung.
Es passte bei Toro Rosso viel zusammen in diesem Jahr. Das Auto, die Fahrer, das Management. Hätte man einen Mercedes- oder aktuellen Ferrari-Motor im Heck gehabt, dann wären die Erfolge vielleicht noch größer geworden. Aber das kann man vielleicht nächstes Jahr nachholen, denn die Gerüchteküche sagt, dass man 2016 auf Ferrari setzen wird.
Aber das Hauptaugenmerk lag in diesem Jahr auf den beiden neuen Fahrern. Verstappen stahl Carlos Sainz mit atemberaubenden Überholmanövern (Spa, Japan, Brasilien) die Show. Das sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Sainz ihn im Qualiduell schlagen konnte. Im Rennen sah die Sache etwas anders aus, Verstappen lag meist vor Sainz und holte immerhin 49 Punkte (Sainz: 18). Der Fairness halber muss man aber auch sagen, dass der Spanier siebenmal ausfiel, während Verstappen nur dreimal frühzeitig das Rennen beenden musste.
Aber über die gesamte Saison betrachtet war der Niederländer der bessere Mann. Er kam mit weniger Erfahrung in die Serie, kannte die Strecken oft nicht und war doch in der Lage, mehr Punkte zu holen. 2016 wird für ihn ein interessantes Jahr. Es ja schon öfter vorgekommen, dass ein Nachwuchspilot in seinem ersten Jahr überzeugen konnte, im zweiten Jahr dann aber Probleme bekam. Die Weiterentwicklung eines Fahrers funktioniert auch über die wachsenden Erfolge, was bei Toro Rosso aber sicher nicht so leicht sein wird. Vielleicht gelingt es Sainz, der diese Erfahrungen schon in der GP2 gemacht hat, seinen Kollegen dann besser in den Griff zu bekommen.