Es ging rund bei den Prototypen in Daytona. Die bisherigen Platzhirsche sahen sich ungewohnter Konkurrenz ausgesetzt und taten sich schwer, die Angriffe abzuwehren.
Seit 2004 hatte jedes Jahr ein Daytona Prototyp das Rennen gewonnen. Kunststück, waren es doch bis zum Zusammenschluss der GrandAm mit der ALMS die einzigen Prototypen, die zugelassen waren. Doch seit 2014 gibt es auch die LMP2 in der Klasse, die von der IMSA bisher aber künstlich eingebremst wurden. In diesem Jahr hatte die IMSA die BoP über den Winter kaum verändert. Dafür hatten aber OnRoak/OAK über den Winter das Ligier-Chassis verbessert und Honda war auch nicht untätig. Seit dem letzten Jahr hat man einen 3.5 Liter V6 entwickelt, den man nun in Daytona einsetzte.
Ganze 40 PS mehr soll der Motor leisten, dazu natürlich das bessere Drehmoment. Die verbesserte Aero und die Mehrleistung führten dann dazu, dass die beiden LMP2 im Feld, ESM und Michael Shanks, absolut tonangebend waren. Sehr zu Überraschung der sonst so dominierenden Teams mit den Daytona Prototypen. Zum ersten Mal konnten die ihre Vorteile, bessere Beschleunigung, besserer Topspeed, nicht einsetzen. Die LMP2 waren auf der Geraden schneller und kamen aus den Ecken auch nicht schlechter raus. Schuld daran war wiederum OAK, die dem Ligier beigebracht haben, wie man die knochenharten Continental-Reifen besser auf Temperatur bringt.
Ein Blick auf die schnellsten Rundenzeiten hilft dabei aber nicht allein. Die LMP2 waren mit warmen Reifen schon immer mindestens gleich schnell. Schaut man auf die mittleren Stintzeiten, sieht die Sache anders aus. Die LMP2 konnten bequem bei normalen Verkehr tiefe 1:40er Zeiten fahren. Die DPs mit Mühe niedrige 1:41er Zeiten. In der Regel nahmen die P2 den DPs etwas mehr als eine Sekunde ab. Das galt sowohl für die Ligier als auch für den BR01, der sein Debüt in den USA gleich mit einer Pole krönte. Allerdings dauerte der Spaß vorne nur bis zur ersten Kurve, dann war Schluss. Im Verlauf des Rennens stand der SMP-Prototyp dann mehr an der Box, als er fahren konnte. Aber die Ligier blieben weiter vorne, auch nach den ersten Stopps.
Denn in Sachen Spritverbrauch hatte Honda nachgelegt. War der alte Bi-Turbo V6 ein Schluckspecht, verbraucht der neue Motor offenbar deutlich weniger. DPs und LMP2 hatten ungefähr die gleichen Stintzeiten, nur die Ford waren etwas besser.
Dieses Setting hatte man vor dem Rennen so nicht erwartet und schon gar nicht, dass den DPs noch ein weiterer Gegner gegenüber stand: der Delta-Wing. Panoz hatte den Wagen über den Winter massiv überarbeitet und es war erstaunlich, wie schnell der Keil in Daytona war. Obwohl man aus Sicherheitsgründen die völlig verregnete Quali ausgelassen hatte und von hinten starten musste, lag man nach einer Stunde in Führung. Und zwar nicht, weil das Rennen den Wagen irgendwie nach vorne gespült hätte. Nein, die Führung war nicht geschenkt, sie war vor allem durch Katherine Legge hart erkämpft. Aber das Pech blieb dem Delta-Wing treu. Andy Meyrick hatte das Auto gerade von Legge übernommen, da rasselte er frontal in einen stehenden Wagen aus Prototype Challenge rein. Und das, obwohl er per Funk mehrfach gewarnt wurde. Davon abgesehen, dass man bezweifeln kann, dass der DW das Rennen durchgehalten hätte, war das ein starkes Statement. Und wenn die normalen knapp dreistündigen Rennen kommen, dürfte das interessant werden. Es steckt viel Leben im Delta-Wing.
Und dann waren da plötzlich auch die Mazda. Die Japaner hatten sich im letzten Jahr entschieden, den Diesel, der ab 2017 eh nicht mehr erlaubt ist, rauszuwerfen. Dafür holte man einen steinalten AER-Motor aus dem Regal, überarbeitete ihn und packte ein Hybrid-System (Flywheel) mit rein. Dazu stellte man das ebenfalls nicht mehr ganz taufrische Lola-Chassis in den Windkanal und modernisierte die Aerodynamik. Heraus kam ein erstaunlich schnelles Auto. Zwar stand die #70 schon nach elf Runden am Streckenrand und wurde nicht mehr gesehen, dafür setzte sich die #50 aber in den Top 5 fest. Zumindest bis zu dem Moment, an dem der Motor aufgab. Skeptiker können sagen „War ja klar“, aber bei den normalen Renndistanzen der USCC sollte man den Wagen im Auge behalten. Er ist auf gar keinen Fall der Backmarker, der er bisher war.
Das Rennen entwickelte sich zunächst für die P2 – aber nur für den Shanks Wagen, der das Rennen relativ klar anführte. Der ESM fiel wegen eines Problems mit der Heckverkleidung (der Shanks hatte sich verbremst) eine Runde zurück. Es dauerte lange, bis man die Runde wieder drin hatte. Die Runde kam über die Cautions wieder zurück, den Rest knabberte man sich mühsam Sekunde für Sekunde von den Führenden ab. Geschont wurde der Honda-Motor sicher nicht.
Der tonangebende Ligier von Michael Shanks blies vorne weg, die DPs in Lauerstellung. Und die profitierten in der Nacht dann von einem fatalen Motorschaden des LMP2 von Shanks, der sich zum Favoriten gemausert hatte. Aber ein Loch im Motor machte die Hoffnungen zunichte.
Es übernahmen die DPs: Beide Action Express, ein Ford-Riley, der Wayne Taylor- und der VisitFlorida-Wagen. Man gab sich wenig an der Spitze und es war Attacke angesagt. Bis zum frühen Morgen wechselte die Führung mehrfach hin und her, ein klarer Spitzenreiter setzte sich nicht durch.
Das lag vor allem aber auch daran, dass die beiden Ganassi-Ford mit ungewöhnlichen Problemen zu kämpfen hatten. Die Vorjahressieger übernahmen zwar wie gewohnt in der Nacht die Führung, aber beide Autos hatten mit Kleinigkeiten zu kämpfen, die sie einige Runden zurückwarfen. Sehr zum Frust von Alex Wurz, dessen Wagen zeitweise an der Spitze lag.
Nachdem die Ford raus waren, der Whelen-Action Express ebenfalls wegen technischer Probleme aus dem Kampf um die Spitze fiel, konzentrierte sich das Rennen auf den zweiten Action Express mit den Dauersiegern Fittipaldi/Barbosa, den Wagen der Familie Taylor und den neubesetzten VisitFlorida-Wagen, der sich aus allem rausgehalten hatte. Doch von hinten nahte, begünstigt durch diverse harmlose Cautions, der ESM Ligier.
Die Cautions kamen zwar oft, meist aber nur wegen Kleinigkeiten. Nur der Unfall des Delta-Wing und später eines BMW (mehr dazu im Bericht über die GTs) sorgten für längere Unterbrechungen. Ansonsten blieb das Rennen angenehm frei von schweren Unfällen. Am Ende fielen nur zehn Wagen aus, die meisten davon mit technischen Problemen. Die Cautions sorgten aber auch dafür, dass das Feld eng zusammenblieb und die Streckenposten genug Gelegenheiten hatte, die Strecke zu säubern.
Der späte Vormittag brachte dann weitere Klarheit bei den Prototypen. Der VisitFlorida-Wagen hatte einen längeren Aufenthalt an der Box. Dabei verlor man zwar keine Runde, aber knapp 60 Sekunden, was die Ambitionen auf den Sieg nachhaltig zerstörte. Als nächstes erwischte es den Action Express-Wagen, der in Führung liegend plötzlich in die Garage fuhr. Der Grund war eine kaputte Antriebswelle hinten links. Die wechselte man zwar in Rekordzeit, aber da hatte man fünf Runden verloren.
Übrig blieben der ESM-Ligier mit Scott Sharp, Ed Brown, Johannes van Overbeek und Felipe Derani und der Wayne Taylor-Wagen, die sich ein packendes Duell lieferten. Erst zwei Stunden vor Schluss setzte sich der ESM an der Spitze fest und konnte ein kleines Polster herausfahren. An der Box reagierte die ESM-Mannschaft ab diesem Moment dann einfach nur noch auf die Konkurrenz. Wenn die an die Box kam, kam man halt eine Runde später auch, um einem möglichen Nachteil durch eine Caution aus dem Weg zu gehen.
Dennoch blieb der Taylor-Wagen dran und machte die Sache spannend. Weitere Spannung entstand, als Pepe Derani aus dem Ligier Getriebesorgen vermeldete. Fast gleichzeitig klagte aber Jordan Taylor über Übelkeit im Wagen. Jordan hatte die Woche vor dem Rennen gesundheitliche Probleme, aber daran lag es nicht. Ein Loch im Auspuff sorgte für massiv schlechte Luft im Auto.
Während das Getriebe bei ESM etwas geschont wurde, verschlimmerte sich die Situation bei WRT. Für den völlig fertigen Jordan Taylor kletterte ungeplant 45 Minuten vor Schluss Max Angelelli wieder ins Auto. Der klebte zunächst dem ESM im Heck, doch Pepe Derani zog langsam weg. Grund dafür war aber auch, dass Angelelli mit den Auspuffgasen zu kämpfen hatte. Am Ende stellte er den Wagen in der Auslaufrunde ab und musste kurz von Ärzten versorgt werden.
So setzte sich etwas überraschend der ESM-Ligier am Ende tatsächlich durch. Der erste Sieg eines LMP2 in Daytona, der erste Sieg eines Honda-Motors in Daytona. Und der erste Sieg von ESM, wenn auch nicht von Scott Sharp, der 1996 für Doyle Racing gewinnen konnte. Einer seiner Fahrerkollegen damals: Wayne Taylor. Der musste sich mit seinem eigenen Team erneut mit P2 zufrieden geben. Und das nach einem heroischen Kampf über 24 Stunden.
Der letzte Auftritt der DPs bei einem 24-Stunden-Rennen endete also nicht mit einem Sieg. Doch als nächstes steht im März Sebring auf dem Programm. Und da kann dann wieder alles anders sein, zumal die DP-Teams vermutlich fordern werden, dass an der BoP Schraube gedreht werden muss.
Bilder: IMSA