Die Winterserie Formula E beendet ihre kurze Pause: Morgen, am Samstag, steht der erste ePrix des Jahres 2016 an. Der vierte Lauf der Saison 2015/16 wird in Buenos Aires ausgetragen. Die Strecke bot im Vorjahr ein gutes Rennen und bleibt unverändert; das Fahrerfeld bleibt jedoch unruhig: Jacques Villeneuve ist raus.
Der Formel 1-Weltmeister von 1997 setzt seine enttäuschende Post-F1-Karriere angemessen fort: Wieder einmal bricht er ein eigentlich dauerhaft angelegtes Engagement vorzeitig ab. Nach den Ankündigungen, in Le Mans anzutreten, bis er gewinne, in Vollzeit in die NASCAR einzusteigen oder ein Comeback beim Indy 500 zu versuchen, ist nun seine Formula E-Debütsaison nach drei enttäuschenden Rennen beendet. Ganz freiwillig mögen all seine gescheiterten Versuche nicht gewesen sein, aber die in diesem Fall von seinem Team Venturi GP geäußerten „Unstimmigkeiten über die zukünftige Richtung des Teams“ deuten nicht gerade auf ein harmonisches und engagiertes Arbeitsverhältnis hin.
Villeneuve ist raus, Mike Conway ist drin. Der Brite mit jahrelanger Erfahrung in IndyCars und Le Mans-Prototypen (Toyota-Werksfahrer seit 2014) ersetzt den Kanadier beim Venturi-Team an der Seite von Stephane Sarrazin. Der Franzose hat bislang immerhin in jedem Rennen Punkte gesammelt (u.a. Rang 4 in Putrajaya), Conway traue ich noch etwas mehr zu. Mit ihm dürfte das Team deutlich gestärkt in das Jahr 2016 gehen. Dragon Racing hat mit dem Venturi-Viergang-Antriebsstrang immerhin schon mehr als dreimal so viele Punkte und einen Podiumsplatz eingefahren.
Der zweite Fahrerwechsel wurde beim Aguri-Team vorgenommen: Mit den Leistungen des 26-jährigen Franzosen Nathanael Berthon (Rang 8 in Beijing, danach Ränge 15 und 14) war man nicht zufrieden, sein Teamkollege Antonio Felix da Costa fuhr immerhin bereits zwei sechste Plätze ein. Berthon wurde allerdings schon vom Team Jota Sport für die WEC-LMP2 engagiert. Salvador Duran, der bereits mehrere Läufe in der ersten Formula E-Saison bestritt (dabei aber auch nur dreimal die Punkte erreicht, bestes Ergebnis: Rang 6 in Moskau) wird Berthon ersetzen. Dieser Wechsel scheint zunächst weniger überzeugend als der beim Team Venturi.
An der Spitze des Feldes bleibt es stabil – und eng. Wir erinnern uns: Die drei im Vorjahr bereits absolvierten Läufe wurden von Sebastien Buemi im e.dams-Renault dominiert, in Putrajaya funkte jedoch die Technik dazwischen, sodass Lucas di Grassi, der diesen Sieg abstaubte und zweimal Zweiter hinter Buemi wurde, nur einen Punkt hinter diesem liegt. Machen die beiden mit vergleichbarer Konstanz weiter, wird es ein Duell um die Meisterschaft bleiben. Bereits jetzt haben sie (jeweils) mehr als doppelt so viele Punkte wie der Drittplatzierte, Jerome d’Ambrosio.
Überraschend war dagegen bisher, wie deutlich die beiden Teamkollegen, Daniel Abt bei Schaeffler-Abt und Nicolas Prost bei e.dams-Renault, hinter den Spitzenreitern zurückbleiben. Eine deutliche Steigerung wird nötig sein, um den Vorsprung in der Teamwertung zu halten; Dragon liegt mit zwei guten Piloten, d’Ambrosio und Duval, auf Rang 3. Abt und Prost sind aufgrund familiärer Verbindungen zu ihren Teams sicherlich nicht unmittelbar von einer Entlassung bedroht – dafür sind ihre Resultate immer noch zu ordentlich – aber der Leistungsunterschied zu Buemi und di Grassi ist in diesem Jahr doch sehr deutlich. In Buenos Aires haben sie die Chance, sich erneut zu beweisen und besser ins Jahr 2016 zu starten.
Vom letzten Austragungsort, Punta del Este, ist die Hauptstadt Argentiniens „nur“ einen Sprung über den Rio de la Plata weit entfernt; das sind aber immerhin gut 300 km. Die Strecke liegt im Stadtviertel Puerto Madero, einer früheren Hafengegend. Diese wurde erst seit den 90er Jahren revitalisiert und ist heute das jüngste Viertel der Stadt und vom Nebeneinander moderner Bauten und alter Lagerhäuser geprägt, hierzulande vergleichbar mit der Hamburger HafenCity, aber mit mehr Hochhäusern – und mehr Grünflächen. Eine dieser Grünflächen ist der Parque Micaela Bastidas – Frauen sind die Namensgeber der meisten Straßen und Parks in Puerto Madera.
Die Strecke, die um diesen Park herumführt, war für mich eines der Highlights der letzten Saison. Sie bietet einen Mix aus schnellen und langsamen Kurven, mehrere Überholmöglichkeiten (insbesondere die Kurven 1, 4 und 7) und mit der Kombination aus der 90 Grad-Links Kurve 4 und der kurz darauf folgenden Haarnadel auch eine Möglichkeit für unmittelbare Konter. Die Schikane (Turns 8+9) sorgte im Vorjahr für viel Durcheinander: Bei Karun Chandhok brach die Aufhängung (die einige Rennen später für alle Autos verstärkt wurde) beim Überfahren des Kerbs, Sebastien Buemi touchierte in Führung liegend die innere Mauer, was ebenfalls zum Ausfall führte. Und Lucas di Grassi schied schließlich – ebenfalls in Führung liegend – mit dem gleichen Defekt wie Chandhok unverschuldet aus. Es gewann schließlich Antonio Felix da Costa.
Beide diesjährigen Top-Piloten haben also schlechte Erfahrungen mit dem Puerto Madero-Straßenkurs gemacht – schlechtes Omen oder umso größerer Anreiz? Es wird sich am Samstag zeigen, wenn um 16 Uhr Ortszeit – 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit – der Buenos Aires ePrix gestartet wird. Eurosport will ab 20:15 für 45 Minuten einsteigen (ob live oder aufgezeichnet ab dem Start ist unklar), sofern es beim live übertragenen Biathlon keine Verzögerung gibt. ITV4 überträgt im Vereinigten Königreich wie gewohnt ausführlich live – mit Vorberichten ab 19 Uhr deutscher Zeit.
(Bilder: Formula E Media)