Die NASCAR läutet am Wochenende mit lautem V8-Gebrüll das Ende ihrer Winterpause ein, doch dabei sind die letzten Formalitäten gar nicht geklärt. Last Minute kam es zu einigen Änderungen, die sich allerdings schon über längere Zeit angekündigt haben. Wir werfen einen Blick unter die Motorhaube und schauen, was 2016 alles neu ist.
Es steht natürlich fest, dass in Daytona gefahren wird, allerdings ist der Qualifikationsmodus nach wie vor ein großes Rätsel und damit meine ich nicht die komplizierte Orgie aus Einzelzeitfahren und den Duels an sich. Dazu steigen wir gut anderthalb Jahre früher ein und betrachten die Gründung der Race Team Alliance unter Vorsitz von Rob Kauffman, dem (ehemaligen) Mitbesitzer des mittlerweile geschlossenen Michael Waltrip Racing. Im Juli 2014 überlegten sich die Teamchefs der namhaften Mannschaften, dass es eine gute Idee sei, mit einer gemeinsamen Stimme gegen die NASCAR-Organisation zu sprechen. Weitere Anliegen dieser Vereinigung sind u. a. gemeinsame Reiseplanung von Crew-Mitgliedern sowie Absprachen zur Kostenreduktion.
Die NASCAR-Führung in Person von Brian France und Mike Helton zeigte sich davon zwar nicht sonderlich begeistert, allerdings reagierte man eher verschnupft als drastisch, wie man es aufgrund der Ereignisse in der Vergangenheit vielleicht vermutet hätte. France beschrieb die Race Team Alliance als „worst thing we could ever do“, nahm aber im Gegensatz zu seinem Großvater anno 1961 Abstand davon, Rob Kauffman und möglicherweise weitere Teamchefs zu suspendieren. Möglicherweise wird sich diese Entscheidung bald als ganz großer Fehler herausstellen, aber das kann natürlich nur die Zukunft zeigen. Ich persönlich denke jedenfalls, dass die „wohlwollende Diktatur mit offenen Ohren für die Anliegen aller Beteiligter“, wie ich sie gerne nenne, als optimale Herrschaftsform im Motorsport anzustreben ist.
Sobald Teams oder Hersteller zu viel Mitspracherecht bekommen, gelangen wir schnell zu einer Situation wie in der Formel 1 oder der DTM, wo Vorstöße zu notwendigen Änderungen am technischen und sportlichen Reglement ständig am Widerstand der unnötigerweise Beteiligten scheitern. Am Ende verliert hier nur der Fan, da bin ich mir sicher. Dazu fällt mir das passende Zitat von Bruno Schönlank ein: „Will man den Sumpf austrocknen, läßt man nicht die Frösche darüber abstimmen.“ NASCAR ließ die Frösche abstimmen und schuf damit im eigenen Schatten einen mächtigen Konkurrenten im Kampf um die Richtungsvorgabe. Rob Kauffman ist zudem nicht nur ein Motorsportenthusiast, der selber schon in Le Mans und Daytona mit den Sportwagen unterwegs war, sondern eben auch ein millionenschwerer Investor – so verlässliche Leute, deren Fähnchen mit dem Wind weht, aber dazu gleich mehr.
Die Abstimmung des Froschteichs ergab im letzten halben Jahr die Einführung eines Franchise-Systems innerhalb des Sprint Cups, dessen finale Modalitäten erst vor wenigen Tagen festgezurrt wurden. Für 2016 wird nun das Starterfeld auf 40 Fahrzeuge verkleinert, davon haben 36 ein festes Startrecht. Dieses sogenannte Charter kann alle fünf Jahre an einen anderen Besitzer verkauft oder ohne Zeitbeschränkung zwischenzeitlich geleast werden. Die übrigen vier Startplätze machen nun die unglücklichen Teilzeitteams unter sich aus und werden damit ein noch größeres Opfer dieser wieder verschärften Zweiklassenpolitik, die ich eigentlich mit der Abschaffung der Top-35-Regel vor einigen Jahren vergangen wähnte. Leider ist nun eine Woche vor dem Daytona 500 und wenige Tage vor dem Pole-Day am Sonntag, an dem üblicherweise die erste Startreihe für das Great American Race ermittelt wird, völlig unklar, wie diese vier Starter festgelegt werden.
Der logische Schluss wäre, dass im Zuge des verkleinerten Starterfeldes die Nachrücker aus dem Pole-Qualifying ab diesem Jahr wegfallen und in jedem der beiden Duels weiterhin die beiden bestplatzierten noch nicht qualifizierten Teams einen Platz im Daytona 500 erhalten. Zumindest an dieser Front bliebe dann alles beim Alten und sicherlich legen die Duels auch 2016 noch die Startreihenfolge des übrigen Feldes fest. Problematisch ist hier das Champions-Provisional, welches ja geradezu nach einer ungeraden Anzahl an Startern verlangt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man diese Regelung vor dem Wochenende abschaffen wird. Möglicherweise steht das Format beim Erscheinen dieses Artikels auch schon fest, eine Entscheidung soll am Donnerstag, den 11.02. fallen.
Die Liste der vergebenen Charter kann bei Jayski eingesehen werden und hier fallen zwei pikante Details ins Auge: Michael Waltrip Racing verfügt trotz der eigenen Auflösung über zwei garantierte Startplätze, während die vierten Teams von Stewart-Haas Racing (#41 – Kurt Busch) und Joe Gibbs Racing (#19 – Carl Edwards) noch nicht lange genug im Sprint Cup an den Start gegangen sind – Stichjahr ist hier 2013. Um nun wie versprochen wieder auf Rob Kauffman zurückzukommen: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass gerade er bei einem Verkauf der Profiteur dieser ganzen Geschichte ist. Der Wert eines Charters wird aktuell im mittleren einstelligen Millionenbereich verortet. Für Kauffman natürlich eine hübsche Nebeneinkunft, nachdem er seine Anteile bei MWR verkauft hat, um bei Chip Ganassi Racing als Mitbesitzer einzusteigen – typisch Investor eben!
Nach seiner Bemerkung, wieviel Geld er fruchtlos in das Team gepumpt hat, würde ich aber eher nicht davon ausgehen, dass Michael Waltrip ebenfalls finanziell kompensiert wird. Das sind aber passenderweise natürlich nur Spekulationen. Mittlerweile sind die Schacher-Deals nahezu abgeschlossen, sodass auch Stewart-Haas Racing und Joe Gibbs Racing in voller Besetzung bei jedem Saisonrennen dabei sein werden. Zudem plant Premium Motorsports den Verkauf seines Charters an das zweite Team von HScott Motorsports neben Clint Bowyer mit Michael Annett im Fahrersitz. Interessant wird die Situation im nächsten Jahr, wenn Furniture Row Racing mit einem weiteren Wagen plant und auch für die Wood Brothers ist diese Ankündigung sicherlich ein schlechter Witz vor der ersten Vollzeitsaison nach Jahren, eine Presskonferenz in Daytona befindet sich bereits in Planung.
Nicht nach Plan läuft derweil die Abschiedssaison von Tony Stewart, der sich bei einem Off-Road-Event in Kalifornien beim Überschlag eines Buggys an der Wirbelsäule verletzte. Ein kompliziert gebrochener Lendenwirbel sorgt bei Smoke voraussichtlich für eine Pause bis in den Monat Mai. Mal schauen, ob NASCAR auch hier eine Ausnahmegenehmigung für den Chase erteilt, falls er die Top-30 und eine Fahrt in die Victory-Lane nach seiner Seuchensaison 2015 denn mal packt. Alles andere als eine Sonderregel wäre für mich ein schlechter Witz für die neue Show-NASCAR / Auto Sports Entertainment, gerade im letzten Jahr eines beliebten, ehemaligen Meisters. Wir wünschen ihm jedenfalls alles Gute und schnelle Besserung, allerdings sollte er so eine schwere Verletzung lieber vollständig auskurieren und kein unnötiges Risiko eingehen. Als Vertretung für Daytona wird derzeit Brian Vickers gehandelt, in den weiteren Rennen ist das Cockpit bisher noch nicht besetzt.
Widmen wir uns nun lieber erfreulicheren Themen, denn endlich startet die NASCAR in die neue Saison und wir müssen uns am Wochenende keine Alternativbeschäftigungen mehr suchen. Auch auf der technischen Seite kommen einige Neuerungen auf uns zu, denn ab 2016 gilt das letztjährig in Kentucky und Darlington erprobte Aero-Paket auf allen Strecken mit Ausnahme der Superspeedways. Dazu zählen u. a. ein kleinerer Heckspoiler und ein kürzerer Frontsplitter. In Daytona und Talladega kommt zudem ein weiter reduzierter Restrictor-Plate zum Einsatz. Zusätzlich ist das digitale Dashboard ab sofort Pflicht und wird die analogen Anzeigen im Cockpit ablösen. Diese und weitere kleine Änderungen könnt ihr einer Infografik bei Jayski entnehmen. Achso, es übernehmen nun auch XFINITY Series und die Trucks das unsägliche Chase-Format mit dem Lotto-Gewinner im letzten Rennen, aber dazu sage ich nichts mehr.
Parallel dazu schlug natürlich ebenfalls die Silly-Season wieder kräftig zu. Der prominenteste Fahrertausch ist sicherlich die Übernahme der legendären #24 durch Chase Elliott nach dem Karriereende von Jeff Gordon, den wir ab 2016 bei FOX als Kommentator wiederhören. Clint Bowyer übernimmt nach dem Ausstieg von Michael Waltrip Racing die #51 von Justin Allgaier, wird allerdings mit seiner alten Startnummer #15 antreten. Nach diesem Übergangsjahr beerbt er Tony Stewart nach dessen Rücktritt bei Stewart-Haas Racing. Richard Petty Motorsports tauscht ebenfalls Startnummer und Fahrer, denn Brian Scott (#44) ersetzt den erneut glücklosen Sam Hornish Jr. (#9).
Auch die kleinen Teams waren nicht untätig, sodass David Ragan nach dem MWR-Ende bei BK Racing in der #23 ein neues Zuhause gefunden hat. Cole Whitt wandert von dort in die #98 bei Premium Motorsports. Tommy Baldwin Racing benannte mit Regan Smith einen Ersatz für Alex Bowman in der #7 und Front Row Motorsports tritt 2016 mit Chris Buescher (#34) und Landon Cassill (#38) an. Zudem bestreiten die Wood Brothers seit langem wieder eine Vollzeitsaison mit Ryan Blaney am Steuer. Alle Besetzungen inklusive Sponsoren und Crew-Chiefs für das neue Jahr könnt ihr bei Jayski nachlesen.
Die NASCAR-Saison startet traditionell mit dem Sprint Unlimited eine Woche vor dem großen Daytona 500 und dieses Einladungsrennen sticht durch seinen speziellen Modus heraus. Das Rennen besteht aus zwei Segmenten (25 und 50 Runden), die durch eine Competition-Caution unterbrochen sind. FOX startet mit der Übertragung um 2 Uhr in der Nacht von Samstag auf Sonntag, Motorvision TV zeigt das Sprint Unlimited leider nicht. Teilnehmen dürfen daran nur die in der Entry-List genannten 25 Fahrer, deren Zusammensetzung sich wie folgt ergibt:
- alle Polesitter des Jahres 2015
- bisherige Sieger des Sprint Unlimited und seiner Vorgänger
- alle bisherigen Polesitter des Daytona 500
- die Teilnehmer am Chase 2015
- aufgefüllt auf 25 wird mit der Fahrerwertung von 2015
Da für das Daytona 500 bisher noch kein Qualifying-Reglement festgelegt wurde und auch keine Entry-List bekannt ist, muss ich an dieser Stelle leider passen und schließe diesen Artikel mit einem Zeitplan für die Daytona Speedweek ab:
Freitag, 12.02.
23:00 Uhr, Sprint Cup Series (Sprint Unlimited) Practice, FOX Sports 1
00:30 Uhr, Sprint Cup Series (Sprint Unlimited) Final Practice, FOX Sports 1
Samstag, 13.02.
16:30 Uhr, Sprint Cup Series (Daytona 500) Practice, FOX Sports 1
19:30 Uhr, Sprint Cup Series (Daytona 500) Practice, FOX Sports 1
02:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Sprint Unlimited), FOX
Sonntag, 14.02.
19:15 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, FOX
Mittwoch, 17.02.
17:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, FOX Sports 1
18:10 Uhr, Sprint Cup Series Practice, FOX Sports 1
Donnerstag, 18.02.
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, FOX Sports 1
19:30 Uhr, Truck Series Practice, FOX Sports 1
22:00 Uhr, Truck Series Final Practice, FOX Sports 1
01:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Can-Am Duel #1), FOX Sports 1
03:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Can-Am Duel #2), FOX Sports 1
Freitag, 19.02.
16:30 Uhr, XFINITY Series Practice, FOX Sports 1
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, FOX Sports 1
19:00 Uhr, XFINITY Series Practice, FOX Sports 1
20:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, FOX Sports 1
21:00 Uhr, XFINITY Series Final Practice, FOX Sports 1
22:30 Uhr, Truck Series Qualifying, FOX Sports 1
01:30 Uhr, Truck Series Rennen (NextEra Energy Resources 250), FOX Sports 1
Samstag, 20.02.
16:00 Uhr, XFINITY Series Qualifying, FOX Sports 1
18:15 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, FOX Sports 1
21:30 Uhr, XFINITY Series Rennen (PowerShares QQQ 300), FOX Sports 1
Sonntag, 21.02.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Daytona 500), FOX & Motorvision TV ab 18 Uhr