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Formula E: di Grassi schlägt in Long Beach zurück

von StefanTegethoff
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_79P6887Die Schmach von Mexico City ist ausgeglichen: Lucas di Grassi siegt ungefährdet in Long Beach, während sein ärgster Konkurrent Sebastien Buemi nach erneut schwacher Quali durch eine ungestüme Aktion im Rennen die Chance auf große Punkte verspielt. So holt der Brasilianer 23 Zähler auf und übernimmt – mit einem Zähler Vorsprung – die Meisterschaftsführung.

Qualifying

Die Qualifikation war davon geprägt, dass die Strecke sich im Verlauf des Tages kontinuierlich verbessert hat. Das hat Auswirkungen auf das in vier Gruppen aufgesplittete Zeitfahren. Aus der ersten Runde konnte sich nur Sam Bird – mit einer grandiose Runde von 56.821 Sekunden – für den Super Pole-Shootout qualifizieren, Buemi kam mit 57.189 Sekunden nicht weiter. Stephane Sarrazin reichte eine 57.136, um als einziger aus den Gruppen 2 und 3 weiterzukommen. Die letzte Gruppe füllte schließlich mit Antonio Felix da Costa (57.079), Nick Heidfeld und Lucas di Grassi (57.129 bzw. 57.131) die Super Pole-Runde auf.

_FER2211Bis auf Sam Bird, der auf der kurzen, schnellen Strecke eine Viertelsekunde herausholen konnte, war das Vorderfeld eng beisammen, die Plätze 3 und 8 trennten nur 0,06 Sekunden – und Sebastien Buemi war der langsamste dieser Gruppe. Er erklärte, beim Herausbeschleunigen aus der Haarnadel am Start der Runde ein Problem mit dem Hochschalten gehabt und dann die Schikane am Ende von Start/Ziel nicht richtig erwischt zu haben.

In der Super Pole konnte Sam Bird seine Rundenzeit aus der Gruppenphase nicht erreichen – die 57.261 hätte in der Gruppenphase (wo die Reifen noch frischer waren) nur für Rang 9 gereicht. Hier reichte sie nun für Rang 2 hinter Antonio Felix da Costa, der mit 57.198 (was in der Gruppenphase ebenfalls nur für Rang 9 gereicht hätte) die Pole holte. Doch die Freude beim Aguri-Team währete nur kurz: am linken Hinterrade wurde ein Reifendruck von 0,05 psi unter dem vorgeschriebenen Minimum festgestellt.

_MG_8805Wie viel dies ausgemacht haben mag – auch di Grassi erklärte, die 1,8 kg Untergewicht in Mexico hätten keinen Performance-Unterschied gemacht – kann dahingestellt bleiben, die Bitten um mehr Toleranz mögen emotional nachvollziehbar sein, sind aber unsinnig: Ist ein Minimum (oder in anderen Fällen ein Maximum) reguliert, muss dieses auch durchgesetzt werden. Würde eine Toleranz von beispielsweise 0,10 psi (oder 2,5 kg) zugelassen, wird automatisch dieser neue Wert zum Zielwert der Teams und damit zum Streitgegenstand. Gewonnen wird damit überhaupt nichts, weder für Fahrer und Teams, noch für die Rennleitung oder die Fans.

Rennen

Die Pole erbte Sam Bird – nicht unverdient im Hinblick auf seine grandiose Runde in der Gruppenphase der Qualifikation. Er konnte sich auch beim gesitteten Start vorn halten. Robin Frijns sorgte in der Anfahrt zur ersten Schikane beinahe für Chaos, konnte sein beim Bremsen ausgebrochenes Auto jedoch noch einmal abfangen und rechtzeitig verzögern. Bird, di Grassi, Sarrazin lautete die Reihenfolge an der Spitze in den ersten Runden, die Abstände blieben gering, da der DS Virgin-Bolide nicht das schnellste Auto im Feld ist.

_FER2040Sebastien Buemi schickte sich an, von seinem siebten Startplatz aus (einen Platz gewann er durch da Costas Quali-Disqualifikation) eine Aufholjagd im Stile von Buenos Aires zu vollführen. Nach wenigen Runden schob er sich in der Haarnadel geschickt an Daniel Abt vorbei auf Rang 5. Das gleiche Manöver wollte er kurz darauf gegen Robin Frijns versuchen, doch dabei kam es zu einem Auffahrunfall: Buemi hatte nicht einmal die Möglichkeit, sich neben den Niederländer zu setzen, möglicherweise wurde er von einem früheren Bremspunkt überrascht, jedenfalls fuhr er Frijns voll ins Heck. Beide Autos waren beschädigt, sodass die Piloten verfrüht zum Fahrzeugwechsel die Boxengasse ansteuern mussten. Damit war das Rennen für Frijns und Buemi gelaufen. Buemi sollte später auch noch für die Kollision bestraft werden.

Während die Aufmerksamkeit noch auf diesem Zwischenfall lag, schnappte sich Lucas di Grassi in Runde 12 von 41 am Ende der Gegengeraden Sam Bird und eroberte mit einem sauberen Manöver in Turn 5 die Führung. Von dem Zeitpunkt an war di Grassi – ähnlich wie Nelson Piquet jr. im Vorjahr an selber Stelle – nicht mehr zu stoppen. Daran konnten auch die Fahrzeugwechsel und eine späte Safety Car-Phase nichts mehr ändern. Dass er erneut den FanBoost gewann (zu dem Thema habe ich mich bereits in meiner Vorschau ausgelassen), tat diesmal somit zum Glück nichts mehr zur Sache.

Sam Bird lag weiterhin auf Kurs für einen tollen zweiten Platz, bis er kurz nach dem Boxenstopp in Runde 23 in eben jener Kurve, in der er die Führung verloren hatte, nun auch noch das Auto verlor, da seine Bremsen massiv blockierten. Er konnte zwar mit leicht beschädigtem Frontflügel die Fahrt fortsetzen, büßte jedoch einige Plätze ein. Wie stark er an diesem Tag war, zeigte der Brite jedoch, indem er Bruno Senna den Rest des Rennens im Kampf um Platz 5 eng verfolgte – doch vorbei kam er nicht mehr.

_L0U0751Antonio Felix da Costa hatte ebenfalls nach seiner Rückversetzung eine starke Leistung gezeigt und sich bis auf Rang 8 vorgekämpft – dann jedoch musste er das Auto mit technischen Problemen abstellen. Etwas heftiger war der Abschied des amtierenden Weltmeisters Nelson Piquet jr.: Er hat die zweifelhafte Ehre, in diesem Rennen als einziger in der Mauer ausgangs der Schikane nach Start/Ziel gelandet zu sein, nachdem er die Kerbs zu heftig überfuhr und nicht mehr rechtzeitig Bodenkonktakt bekam, um zu lenken. Damit hat Long Beach nun auch seine „Wall auf Champions“, nachdem im Vorjahr u.a. der spätere Rallycross-Meister Scott Speed an dieser – zugegebenermaßen ungünstig platzierten – Wand scheiterte.

Strafen gab es derweil auch noch: Nicolas Prost hat die Boxenstopp-Minimalzeit knapp unterschritten, Salvador Duran verbrauchte im ersten Fahrzeug mehr Energie als erlaubt. Die Strafe für Prost half den Dragon-Piloten d’Ambrosio und Duval nach vorn: Von den Plätzen 9 und 16 gestartet wurden sie am Ende Siebter und Achter. Insbesondere von Loic Duval ist das eine bemerkenswerte Leistung, auch wenn seine Aufholjagd kaum im Bild zu sehen war.

_L0U0502Solide und ruhige Rennen ohne viel Spektakel fuhren auch Stephane Sarrazin, Daniel Abt und Nick Heidfeld, die auf den Rängen 2 bis 4 landeten – erfreuliche und wichtige Resultate für alle drei. Sarrazin konnte so vor dem anwesenden Venturi-Team-Mitbesitzer Leonardo di Caprio brillieren, Abt brachte endlich mal wieder ein Podiums-Resultat ins Ziel (das zweite nach Miami 2015) und Heidfeld setzt eine solide Saison fort, in der ihm allerdings die Punkte aus der verletzungsbedingten Nicht-Teilnahme in Punta del Este fehlen. Simona di Silvestro und Mike Conway holten auf den Rängen 9 und 10 ihre ersten Punkte in der Formula E.

Meisterschaft

Mit den 25 Punkten durch den Sieg und Buemis selbstverschuldetem Totalausfall übernimmt der Brasilianer nun um einen Punkt die Meisterschaftsführung. Von zwei Punkten für die schnellste Runde abgesehen half Buemi kräftig mit, aber die Disqualifikation ist damit quasi ausgeglichen und wir gehen mit dem Stand 101:100 in den Schlussteil der Saison. Sam Bird bekam drei Punkte für die Pole zugesprochen und ist mit 71 Zählern noch in Schlagweite, muss allerdings auf weitere Patzer beider Konkurrenten hoffen; in Long Beach patzte er selbst, sonst könnte der Abstand zehn Punkte kleiner sein. Jerome d’Ambrosio liegt bei 61 Punkten, ist aber schlichtweg zu unkonstant, um ernsthaft ein Wörtchen mitreden zu können.

_L5R3537Auch in der Teamwertung ist es mit den zwei Podiumsplätzen für das Abt Schaeffler-Team deutlich enger geworden: Die deutsche Mannschaft liegt nun nur noch sechs Punkte hinter der französischen Konkurrenz von e.dams-Renault (138:132). Neben Buemis Ausfall fuhr auch Prost aufgrund seiner Pitstop-Strafe (ein Fehler des Teams) keine Punkte ein. Dragon Racing ist mit 112 Zählern das einzige weitere Team, das noch ansatzweise mithalten kann.

Wie geht es weiter?

Es beginnt nun der Europa-Teil der Formula E-Saison, Frankreich, Deutschland, Russland und Großbritannien sind die verbleibenden Stationen. Als nächstes steht der erste Lauf in Paris auf dem Programm, gefahren wird dort um das Hôtel des Invalides herum. Mit der Strecke werde ich mich in der Vorschau näher befassen, aber zumindest die Kulisse ist nett. Der Termin für den ersten Paris ePrix ist der 23. April.

(Bilder: Formula E Media)

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