In diesem Jahr haben sich etliche Vorzeichen für die von der SRO Motorsports Group organisierte paneuropäische GT-Serie verändert. Die Sprint- und die Endurance-Kategorie haben nun den Zusatz „Cup“ und können auf stark angewachsene Teilnehmerlisten setzen. Zudem wurden Teile des Kalenders abgeändert.
Wenn man die letzten Saisons der Blancpain GT Series Revue passieren lässt, denkt man wohl hauptsächlich an das Highlight der 24 Stunden von Spa. Auch andere Aspekte der Langstreckenvariante könnten wohl in den Untiefen des Gedächtnisses zum Vorschein kommen. Nur die Sprintausgabe mit gerade so gefüllten Feldern fiel teilweise etwas ab. Das dürfte sich jedoch 2016 grundlegend ändern. Ganze 39 Boliden sind momentan auf der Nennliste für den Auftakt des Sprint Cups im italienischen Misano Adriatico – über 20 Fahrzeuge mehr als im letzten Jahr. Das klassische Sprintformat von einer Stunde und mit Fahrerwechseln bleibt unangetastet und bewahrt damit die Zwei-Fahrer-Struktur. Doch bevor wir in die Teildisziplinen und ihre Teilnehmer genauer einsteigen, sollte das reformierte Konstrukt kurz skizziert werden. Der Überbau der Blancpain GT Series wurde ebenfalls beibehalten, aber die Aufspaltung in die Sprint bzw. Endurance Series wurde aufgegeben, da die Nachteile der Teilung überwogen. Zum einen wurde somit den Teams eine Teilnahme an beiden Wettbewerben durch harmonisierte Kategorien erleichtert und zusätzlich verband man die Zulassung in der Pro-Klasse für das Traditionsrennen in den Ardennen mit einer Teilnahme an allen Langstreckenveranstaltungen sowie im Profibereich des Sprint Cups, was aber beispielsweise einen Porsche-Werkseinsatz verhindert. Im Detail gesehen gibt es jetzt gleiche Fahrerkategorien und Punktesysteme in den beiden Cup-Wertungen. Mit 31 GT-Rennern nimmt ein großes Feld diese Herausforderung der Gesamtmeisterschaft in Angriff.
Kalender:
Während sich die bekannten Eckdaten für die Langstreckenrennen nicht verändert haben, gab es einige Standortwechsel im Sprintbereich. Nogaro, Zolder, Moskau, Portimão und Zandvoort mussten für eine zusätzliche Veranstaltung auf dem Nürburgring (hier auf der Kurzvariante), Budapest und Barcelona weichen. Offenbar nimmt man jetzt Abstand von riskanten Unternehmungen wie einer City Challenge Baku (unterschiedlicher Kurs im Vergleich zur Formel 1) oder eines nie durchgeführten Stadtrennens im Herzen Moskaus (man fuhr stattdessen wegen diversen Problemen auf dem Moscow Raceway). Als Folge dieser Anpassungen haben die aus der Formel 1 bekannten Strecken einen noch größeren Anteil eingenommen, was man durchaus bedauern kann.
Veranstaltung | Rennstrecke | Datum | Besonderheiten |
---|---|---|---|
Sprint 1 | Misano World Circuit Marco Simoncelli | 08. - 10. April | Nachtrennen (Sa.) |
Endurance 1 | Autodromo Nazionale Monza | 23. - 24. April | 3h-Rennen |
Sprint 2 | Brands Hatch Circuit | 07. - 08. Mai | GP-Variante |
Endurance 2 | Silverstone Circuit | 14. - 15. Mai | 3h-Rennen |
Endurance 3 | Circuit Paul Ricard | 24. - 25. Juni | 1000km-Rennen |
Sprint 3 | Nürburgring | 01. - 03. Juli | Kurzanbindung |
Testtag | Circuit de Spa-Francorchamps | 05. Juli | |
Endurance 4 | Circuit de Spa-Francorchamps | 28. - 31. Juli | 24h-Rennen |
Sprint 4 | Hungaroring | 26. - 28. August | Truck-GP-Wochenende |
Endurance 5 | Nürburgring | 17. - 18. September | 3h-Rennen |
Sprint 5 | Circuit de Barcelona-Catalunya | 01. - 02. Oktober |
Blancpain GT Series:
Die Entry List der Allesfahrer liest sich wie eine Übersicht der GT3-Größen unseres Kontinents. Neun Audi R8 LMS werden vom Belgian Audi Club Team WRT (fünf), Phoenix Racing (einer), Sainteloc Racing (zwei) und I.S.R. Racing (einer) eingesetzt. Die Quereinsteiger von M-Sport bringen zwei Bentley Continental GT3 in die Serie. Freunde der Bayerische Motoren Werke können sich auf zwei Rowe Racing M6 GT3 und einen dritten Boliden der Belgier von Boutsen Racing freuen. Zu diesem Team gibt es auch eine unschöne Geschichte, die sich in den letzten Wochen ergab. Im Zuge der diesjährigen Fußballeuropameisterschaft hat man eine „Belgian Red Devils“-Lackierung in Anlehnung an die belgische Nationalmannschaft geplant. Doch da das Länderspiel wegen der Anschlagsreihe verlegt wurde, konnte die geplante Präsentation nicht stattfinden und somit wurde dieses Projekt eingestellt.
Das GRT Grasser Racing Team aus Österreich wird drei Lamborghini Huracán GT3 an die Strecken bringen und Attempto Racing plant ebenfalls drei Renner, wobei der dritte Italiener sich die Meldung mit einem Porsche 911 GT3 R teilt. Selbiger ist übrigens der einzige Zuffenhausener auf der Liste. Die Briten vom Nissan GT Academy Team RJN haben zwei Nissan GT-R Nismo GT3 angemeldet. McLaren wird mit zwei 650S GT3 vom neu gegründeten Team namens Garage 59 repräsentiert. Als Ersatz für Von Ryan Racing muss man sich jedoch den Vorwurf eines getarnten Werksteams gefallen lassen. Ferrari wird durch das deutsche Team Black Pearl Racing, die Markenspezialisten AF Corse (jeweils ein Ferrari 458 Italia GT3) und vom ebenfalls aus Deutschland stammenden Rinaldi Racing (ein Ferrari 458 bzw. 488 GT3 im Laufe der Saison) vertreten. Trotzdem sollte man davon ausgehen, dass sowohl AF Corse als auch Rinaldi Racing von Beginn an auf das neue Modell setzen werden. Zu guter Letzt darf man sich auf vier neue Mercedes AMG GT3 freuen. Zwei davon werden von den Markenrückkehrern von HTP Motorsport eingesetzt und die anderen beiden Fahrzeuge betreiben die Franzosen um AKKA ASP ausschließlich in der Pro-Am-Wertung.
Blancpain GT Sprint Cup:
Im Gegensatz zur Meisterschaftsnennliste ist die Entry List (Update vom 08.04.2016) für das erste Rennen in der Provinz Rimini etwas detailreicher. Bei 39 gemeldeten Einsätzen liegt der Fokus beim Betrachten der Konstellationen dieses Jahr auf Fahrerpaarungen mit einer Favoritenrolle für Rennsiege und Titel. In den Reihen des Meisterteams WRT lassen sich etliche Spitzenfahrer der Szene finden. Fast alle Duos haben exzellente Führungspiloten (Laurens Vanthoor, Filipe Albuquerque, Robin Frijns, René Rast und Christopher Mies). Die genannten Platinfahrer haben Fahrzeugkollegen an ihrer Seite, welche an guten Tagen auf ziemlich hohem Niveau agieren können. Das Duo um Rast und den ehemaligen F1-Piloten Will Stevens im #28 Audi R8 LMS dürfte viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Neben den sonst weniger bekannten Co-Fahrern aus der Silverkategorie wird eher der #1 Audi R8 LMS mit Laurens Vanthoor (sein Bruder Dries ist Co von Frijns) und Frederic Vervisch (Gold) ein Titelfavorit sein. Bei Phoenix Racing setzt man auf die Teams Markus Winkelhock (Platinum) – Niki Mayr-Melnhof (Silber) in der #5 und Markus Pommer (Silber) – Nicolaj Møller Madsen (Silber) in der #6. Vor allem das „Juniorenteam“, welches im neu erstellten Silver-Cup antritt, könnte für Überraschungen sorgen. Des Weiteren gibt es bei Sainteloc Racing mit Christopher Haase (Platin) und Mike Parisy (Gold) eine beachtenswerte Kombination. Im Schwester-Audi werden der 24h-Nürburgring-Sieger Edward Sandström (Gold) und der Franzose Romain Monti (Silber) Platz nehmen.
Gewohnt stark ist die Selektion der Bentley Boys. Im Meisterschaftsduo erhielt Vincent Abril (Gold) mit Steven Kane (Gold) einen neuen und sehr erfahrenen Routinier an der Seite. Maximilian Buhk (Platin) ist hingegen HTP Motorsport treu geblieben. Die zweite Paarung der Briten umfasst den Spanier Andy Souček (Platin) und Maxime Soulet (Gold). Somit ist man auch in dieser Saison für eine mögliche Titelverteidigung sehr gut aufgestellt. Zur altbekannten Audi-Armada (12 R8 LMS) im Sprint Cup wird sich wie in vielen GT-Serien auf dieser Welt ein Lamborghini-Lager dazugesellen. Sieben italienische Kampfstiere werden am Heimrennen teilnehmen. Drei davon werden vom GRT Grasser Racing Team eingesetzt. Jeroen Bleekemolen (Platin) und Stefan Rosina (Gold) werden die Speerspitze der Österreicher bilden, wobei man die anderen Besatzungen mit einem Fokus auf junge Talente nicht aus den Augen verlieren sollte. Bei Attempto Racing hat man Davide Valsecchi reaktiviert, der sich nach dem GP2-Titel oft beim italienischen Ableger von Top Gear beteiligt hat. Während der Italiener im Pro-Am Cup antreten wird, sollen seine anderen jungen Teamkollegen (z.B. der ehemalige GP3-Fahrer Patric Niederhauser (Gold) zusammen mit dem ehemaligen F3.5-Piloten Daniel Zampieri) zeigen, dass junge Formelpiloten in den GT-Rängen durchaus eine neue Heimat finden können.
Beim Nissan GT Academy Team RJN nutzt man die Struktur des Silver-Cup für den Absolventen Ricardo Sanchez, welcher vom britischen Talent Sean Walkinshaw unterstützt wird. Die Hauptpaarung um Alex Buncombe und Mitsunori Takaboshi (beide Gold) dürfte viel Potenzial haben, aber nur an guten Tagen bei der Musik sein. Die japanischen Autos haben in den Langstreckenrennen letztes Jahr auftrumpfen können, aber suchten bisher noch Anschluss im kürzen Wettbewerb. Wenn man von den FIA-Ratings ausgeht, müsste der erste Garage-59-McLaren die nominell stärkste Kombination innehaben, da sich Rob Bell (Platin) und Álvaro Parente (Platin) das Sportgerät teilen werden. Relativ kurzfristig wurden außerdem der Platin-Pilot Martin Plowman und Craig Dolby (Gold) in das zweite Auto berufen, was ebenfalls von sehr hoher Qualität zeugt. Da die englische Marke bereits in Australien überzeugen konnte, sollten sie auch in Europa eine gewichtige Rolle spielen können.
Ebenso war man auch nicht sparsam mit Talent in München. Bei Rowe Racing teilt sich der Porsche Mobil 1-Supercupmeister Philipp Eng (Gold) einen Boliden mit dem gleich eingestuften Alexander Sims. Wenn das Setuppaket für den bulligen Bayern stimmt, sollte man die GT-Spezialisten im Hinterkopf bewahren. Im zweiten M6 sind ebenso Gold-Piloten namens Stef Dusseldorp und Nick Catsburg anzutreffen. Rowe Racing ist somit im Fahrerbereich ziemlich wettbewerbsfähig. Im Hause Boutsen Racing sind der Belgier Maxime Martin (Platin) und Matias Henkola, der das Team in die Pro-Am-Kategorie herunterstuft, für den einen BMW gelistet. Stärkster Vertreter des Cavallino Rampante wird dieses Jahr nicht automatisch Rinaldi Racing sein, die Marco Seefried (Silber) und Norbert Siedler (Gold) das Vertrauen schenken. Deren FIA-Einteilung scheint im Übrigen ein Sinnbild für Untertreibung zu sein, da beide Piloten extrem renommiert sind. Außerdem tritt Kessel Racing wieder im Rahmen des Pro-Am Cup an. Im Ferrari-Duell muss man jedoch nun zwei AF Corse im Speziellen stellen. Stärkeres Duo ist die Nummer 90 mit dem Argentinier Ezequiel Perez Companc (Silber) und Raffaele Giammaria (Gold). Der zweite rote Renner ist hingegen ein reiner Amateureinsatz. Porsche wird nur mit einem 911 GT3 R vertreten sein, welcher vom Wesslinger Tuningspezialisten Team a-workx eingesetzt wird. Letzte der neun Marken ist Mercedes. Die Schwaben haben mit HTP Motorsport in der neuen Saison einen bewährten Partner zurückgewonnen, der im großen Umfang den Stern repräsentieren wird. Ein aussichtsreiches Duo ist die Kombination aus dem bereits erwähnten Buhk und Dominik Baumann (Gold). Außerdem teilte man Clemens Schmid (Silber) Jazeman Jafaar (Gold) sowie Jules Szymkowiak (Silber) Bernd Schneider (Gold) zu. Neben den anfangs vorgestellten Pro-Am-Projekten, von denen jedoch kurzfristig eine Paarung für Misano zurückgezogen wurde, haben die Franzosen von AKKA ASP ein extrem starkes Paket zusammengeschnürt. Der ehemalige IndyCar-Fahrer Tristan Vautier und der hochtalentierte Schwede Felix Rosenqvist (Platin), der parallel in der IndyLights fährt, werden um Erfolge im Profibereich kämpfen. Selten war eine Suche nach Favoriten im Sprintbereich so schwierig. Alle neuen GT3-Fahrzeuge müssen auf den Strecken, obwohl einige bekannt sind, ein passendes Setup finden und die Fahrerzusammenstellungen tragen auch ein enormes Potenzial für Überraschungen in sich. Selbst die Renndynamik wird unter dem Einfluss des riesigen Feldes eine andere Richtung einschlagen, denn in den Jahren zuvor konnte man als Letztplatzierter noch gut in die Punkte fahren, was diese Saison höchst unrealistisch erscheint. Knappe Abstände, der richtige Mittelweg zwischen Risiko und Risikovermeidung, sowie perfektionistische Konstanz werden definitiv Schlüsselpunkte sein.
Da die Akteure und Faktoren für das kommende Wochenende nun bekannt sind, lohnt sich noch ein kleiner Ausblick. Der Misano World Circuit Marco Simoncelli liegt nur wenige Kilometer von der Adria entfernt im Dunstkreis Riminis. Die 4,226 Kilometer lange Strecke ist eher aus dem Motorradsportbereich bekannt, was die langwierige Diskussion um Autorennen auf solchen Strecken wieder in sich trägt. Im letzten Jahr gewann Rinaldi Racing beide Rennen und besonders die Lamborghinis konnten überzeugen. Laurens Vanthoor wird an die Stelle seines dramatischen Unfalls zurückkehren, der ihm unter anderem die Teilnahme in Macao geraubt hat und seine Meisterschaftsrolle in Gefahr brachte. Spannenderweise ist durch die Verschiebung auf den Saisonstart nur ein gutes halbes Jahr seit der letzten Veranstaltung dort vergangen. Ob die Bedingungen trotzdem ähnlich sind, wird eine spannende Frage der kommenden Tage. Wie gewohnt findet das Qualifikationsrennen in der Samstagsnacht ab 20:50 Uhr statt. Das Hauptrennen beginnt Sonntag gegen 14:15 Uhr. Sämtliche Informationen zum Rahmenprogramm, Streamlinks und vieles mehr findet Ihr bei TV-Zeiten auf unserer Seite.
Für die 3h Monza wird es im GT3-Report eine eigene kleine Vorschau geben, da hier mit der Gesamtnennliste eine wichtige Grundübersicht gegeben ist. Abschließend wünschen wir Euch viel Spaß mit den ersten beiden Rennen und weisen gerne nochmals auf den morgendlichen Saisonstart der Super GT am Sonntag hin, denn auch hier hat die neue GT3-Generation eingeschlagen, was in der folgenden Vorschau gewohnt detailliert aufgeschlüsselt werden wird.
Bilderquelle / Copyright: Blancpain GT Series
Änderungen:
Update der Sprint-Cup-Nennliste am 08.04.2016
2 Kommentare
Vielen Dank für diesen GT3-„Rundumschlag“.
Dein Artikel hat mich in vielen Bereichen (Serienänderungen, Teams, Fahrer, Strecken) wieder auf den aktuellen Stand gebracht. Gerade bei den GTs verliere ich da gern mal den Überblick. Mal schauen ob ich es schaffe am Wochenende zum Rennen einzuschalten.
Vielen Dank für Deine Rückmeldung.
Die Überarbeitung der Serienstruktur und die größten Ausläufer des GT3-Fahrzeugsbooms bieten tatsächlich einen guten Punkt zum Wiedereinstieg. Wenn Du die Rennen verpassen solltest, kann ich Dir den offiziellen YT-Account „GTWorld“ ans Herz legen. Dort konnte man die Rennen der letzten Saison nachschauen (unter anderem auch die 12h von Sepang oder den GT Sports Club).
Jedenfalls wünsche ich viel Spaß mit der neuen Saison.
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