Der Europa-Auftakt der zweiten Formula E-Saison steht an, das siebte der elf Saisonrennen wird in Paris ausgetragen. Was bisher nur in Videospielen – wie der Gran Turismo-Serie – möglich war, wird nun in der Realität umgesetzt: Motorsport im Herzen einer der größten Metropolen Europas, reich an Sehenswürdigkeiten und Atmosphäre. Hier werden Sebastien Buemi und Lucas di Grassi ihren Kampf um die Meisterschaft fortsetzen.
Der Lauf in Paris ersetzt in diesem Jahr den Monaco ePrix. Dort kann nur alle zwei Jahre gefahren werden, abwechselnd mit dem Historischen Grand Prix, der in diesem Jahr wieder an der Reihe ist. Doch ein Motorsport-Event in der französischen Hauptstadt ist wahrlich kein enttäuschender Ersatz. Denkbare Streckenführungen in attraktivem Umfeld lassen sich im Pariser Stadtgrundriss en masse finden – die Variante, die es geworden ist, scheint durchaus gelungen. Gefahren wird rund um das Hôtel des Invalides herum, das Invalidenheim, das der Sonnenkönig Ludwig XIV. im späten 17. Jahrhundert für kriegsversehrte Soldaten errichten ließ. Hierzu gehört auch der im – für diese Zeit in Frankreich prägenden – klassizistischen Barock errichtete Invalidendom, der das Grab Napoleons sowie weiterer französischer Persönlichkeiten (vor allem aus dem militärischen Bereich) beherbergt. Einige hundert Meter westlich steht der Eiffelturm, nördlich jenseits der Seine liegt das Grand Palais an der berühmten Avenue des Champs-Élysées.
Die Streckenführung besteht aus zwei langen, baumbestandenen Geraden entlang der Seitenfassaden des Hôtels des Invalides, während vor den Fronten im Norden und Süden kurvige Bereiche konstruiert wurden. Die erste Kurve ist eine 90°-Rechts, die nach der 470m langen Start/Ziel-Geraden die erste Überholmöglichkeit darstellt. Danach geht es zu zwei Dritteln um den halbkreisförmigen Place Vauban (das Herz des Festungsbaumeisters ruht ebenfalls im Invalidendom) und im Zickzack zur spitzwinkligen Kurve 7. Aus dieser beschleunigen die Boliden auf die zweite Gerade, den Boulevard de la Tour-Maubourg heraus. Nach 450 Metern ist dort eine Schikane eingerichtet, die in das zweite Kurvengeschlängel überleitet. Boxenein- und -ausfahrt sind an der Außenseite des Halbbogens um den Place des Invalides angeordnet – hoffentlich in zweckmäßiger und sicherer Weise. Die stumpfwinklige Kurve 14 scheint eine interessante Zufahrt auf die Start-Ziel-Gerade zu sein. Die kurvigen Passagen dürften die Fahrer in den recht schweren Spark-Boliden fordern, die Gerade dürften eine günstige Länge zum Überholen haben – eine scheinbar gelungene Rennstrecke im attraktiven Umfeld also.
In Paris wird Sebastien Buemi zeigen müssen, ob er sich zurück in die Erfolgsspur fahren kann, nachdem er durch seinen selbstverschuldeten Unfall in Long Beach die Meisterschaftsführung an Lucas di Grassi verloren hat. Buemi schien zu Saisonbeginn im starken e.dams-Renault der dominante Fahrer des Feldes zu sein, doch er hat diese Dominanz nicht konstant in Ergebnisse umsetzen können. Vor allem in der Qualifikation patzte oder schwächelte er mehrfach. In Mexico entdeckte sein Team ein Problem mit der Bremsanlage, das für die Quali-Verbremser verantwortlich sein könnte; nach dem Lauf in Long Beach forderte Buemi daher, seinen Spark-Renault auseinanderzunehmen und alle Komponenten gründlich zu überprüfen.
Die Resultate des Schweizers sind im Lichte dieser Probleme noch sehr ordentlich: zwei erste und zwei zweite Plätze; der technisch bedingte zwölfte Platz in Putrajaya war nicht seine Schuld, der Ausfall in Long Beach schon. Ohne Technik-Problem in Malaysia und die schlechte Quali in Buenos Aires hätte er locker die ersten vier Rennen in Folge gewinnen können. Lucas di Grassi dagegen ist dreimal auf dem Platz hinter Buemi ins Ziel gekommen (als Zweiter in Beijng und Punta del Este, als Dritter in Buenos Aires), hat aber bei den beiden punktlosen Läufen seines Konkurrenten jeweils gewonnen – hinzu kommt der Lauf in Mexico City, wo ihm der Sieg aberkannt wurde. Davon abgesehen hat er so mit mehr Konstanz das meiste aus seiner Saison gemacht: Buemi folgen wie ein Schatten – und zuschlagen, wenn dieser patzt.
Der Paris ePrix ist das Heimrennen für das e.dams-Renault-Team um Alain Prost und für gleich vier Piloten: dessen Sohn Nicolas Prost, Jean-Eric Vergne (der leider dieses Jahr nicht in Tritt kommt), Loic Duval und Stephane Sarrazin. Duval und Sarrazin stehen jeweils bei 48 Punkten und fahren recht konstante Saisons mit vielen Punkte-Resultaten; Sarrazins Highlight ist der zweite Platz in Long Beach, an den er anzuknüpfen versuchen wird. Das Dragon-Team von Duval und Jerome d’Ambrosio schwächelte dort, doch die Streckencharakteristik scheint eine andere zu sein, das Paris-Layout ist kurvenreicher und wahrscheinlich weniger buckelig.
Ansonsten gab es wenig Neues aus der Formula E, was auch schon eine Seltenheit ist, da es in den vergangenen Monaten meist irgendwelche Entwicklungen zum zukünftigen Kalender oder zur technischen Entwicklung der Serie in den nächsten Saisons zu berichten gab. Diesmal waren die wichtigsten News die neue Single des „Formula EJ“ (der bei den Rennen für die musikalische Untermalung sorgt), ein Stuntman, der per Rückwärtssalto einem herannahenden Formel E-Auto ausweicht und eine spezielle Earth Day-Livery, die an den F1-Honda aus dem Jahre 2007 erinnert. Fast so etwas wie Saure-Gurken-Zeit also im April in der Formula E… Mit Spannung erwartete News wie etwa der Kalender für die Saison 2016/17 lassen noch auf sich warten.
Freuen wir uns also auf‘s Rennen, das erste in Paris, das den Saisonendspurt, der sich sich in Europa abspielen wird, einleitet. Rennstart ist am Samstag um 16 Uhr, die Qualifikation wird um 12 Uhr mittags ausgetragen. Eurosport überträgt ab 16 Uhr live, ITV4 berichtet ab 15 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit.
(übrige Bilder: Formula E Media)