Der allererste Wertungslauf des Michelin GT3 Le Mans Cup in Imola konnte zumindest das Potenzial der neu geschaffenen Serie aufzeigen, war aber durch die geringe Fahrzeuganzahl schnell entschieden. Wie in Monza war auch das zweite dreistündige Rennen des Blancpain GT Series Endurance Cup auf dem Traditionskurs in Silverstone von einem ansehnlichen Duell um den Sieg geprägt.
Michelin GT3 Le Mans Cup:
Die erste Pole-Position der Geschichte konnte sich der #7 BMS Scuderia Italia Ferrari 458 Italia GT3 (Lucchini / Cressoni) sichern. Auf dem zweiten Rang beendete der #88 Mentos Racing Porsche 911 GT3 R (Perfetti / Bachler) die Superpole-Sitzung. Drittbestes Fahrzeug am Samstagmittag war der #34 TF Sport Aston Martin V12 Vantage GT3 (Yoluc / Hankey), der in der British GT zu den Meisterschaftsfavoriten zählt. Um 17:00 Uhr traten schlussendlich nur zehn GT3-Renner die zwei Stunden in der Emilia-Romagna an.
Nachdem das Feld den immer gefährlichen Highspeed-Knick überstanden hatte, sollte es in der ersten Schikane zu einem schwerwiegenden Kontakt kommen. Der Norweger Egidio Perfetti versuchte, seinen Porsche neben den erstplatzierten Ferrari zu schieben, wurde aber durch die zu hohe Kurvengeschwindigkeit mit den rechten Reifen in den Dreck und auf die hohen Randsteine gedrückt. So rutschte der weiße 911 unkontrolliert Richtung Scheitelpunkt und dementsprechend auch in seinen Konkurrenten aus Italien. Der 458 Italia GT3 der BMS Scuderia Italia flog dadurch in das Kiesbett ab und konnte nur mit Glück wieder auf die Strecke zurück. Auf den ersten Blick schien der Porsche das Auffahren unbeschadet überstanden zu haben, aber bereits nach wenigen Kurven stand man den nachfolgenden Boliden im Weg. Einige vergebliche Maßnahmen in der Box später wurde der #88 Porsche 911 GT3 R zurückgezogen. Somit konnte sich Klaus Bachler voll und ganz auf das Rennen der European Le Mans Series am Sonntag konzentrieren. Glücklicherweise entstand ein Dreikampf um die frei gewordenen Topplatzierungen, den der #34 TF Sport V12 Vantage GT3 anführen sollte. Sein größter Verfolger war der chinesische #55 FFF Racing Team by ACM McLaren 650S GT3 (Hamaguchi / Quaife-Hobbs), der mehrmals im Windschatten herauszackte, aber sonst chancenlos blieb. In der Abstauberposition dahinter befand sich der #51 AF Corse Ferrari 488 GT3 (Flohr / Castellacci). Nach diesen ereignisreichen ersten 20 Rennminuten fand der Lauf schnell in einen Rhythmus und größere Verschiebungen in und außerhalb der Boxengasse blieben aus. Somit konnten die Briten von TF Sport ihre Siegesserie in diesem Jahr auch in Imola fortführen. Solide und problemlos verwaltete man den geerbten Platz eins. Der FFF Racing Team by ACM McLaren 650S GT3 freundete sich schnell mit dem zweithöchsten Platz auf dem Podium an und ließ den Aston Martin ziehen. Einen Sprung auf Rang drei schaffte der #26 Classic & Modern Racing Ferrari 458 Italia GT3 (Misslin / Vaxivière). Matthieu Vaxivière, der 2015 Vizemeister der Formel Renault 3.5 war, konnte durch einen starken Schlussstint sein französisches Team belohnen. Der Saisonauftakt des Michelin GT3 Le Mans Cup hatte durchaus seine Höhepunkte und spannenden GT3-Rennsport zu bieten, aber die Kürze der Nennliste machte sich schnell bemerkbar. Vor dem Wochenende waren kurzzeitig zwölf Autos möglich gewesen. Ein Herrenfahrer musste aber wegen beruflicher Umstände absagen und der Lamborghini Huracán GT3 des FFF Racing Team by ACM wurde durch einen heftigen Unfall im Training zu stark beschädigt. Grundsätzlich ist das auf Bronze-Fahrer ausgelegte Konzept eine gute Idee, da in einem professionellen Umfeld Erfahrung gesammelt werden kann.
Mit der Hilfe lobenswerter TV-Übertragung, die vom ELMS-Personal übernommen wurde, konnte das gesamte Rennen ausgiebig verfolgt werden. Größtes Problem bleibt die Fahrzeugmenge. Der erste Lauf hatte jegliche Spannung schnell verloren, da auch durch die unterschiedliche Qualität der ergänzenden Profifahrer große Abstände zu sehen waren. Wie bereits in der Vorschau kritisch angemerkt, stellt sich die Frage, ob das Highlight von GT3-Maschinen in Le Mans und eine Meisterschaftsprämie in der Form einer Einladung zu den 24 Stunden (GTE-Am) dauerhaft überzeugen kann. Die nächste Veranstaltung des Michelin GT3 Le Mans Cup zusammen mit zusätzlichen Startern aus der LMP3 (“Road to Le Mans“) findet bereits auf dem legendären Circuit des 24 Heures in Le Mans statt. Dort wird ein einstündiges Rennen ausgetragen. Der Le-Mans-Samstag (18. Juni) hat somit ein sehenswertes Rahmenprogramm erhalten, welches hoffentlich den Erwartungen gerecht werden kann.
Blancpain GT Series Endurance Cup:
Das Rennwochenende auf dem britischen Silverstone Circuit fand einen absurden Anfang, denn in der Pre-Qualifikation kam es auf der ‘International Pit Straight‘ zu einem merkwürdig anmutenden Unfall. Nicolas Armindo im #77 Attempto Racing Porsche 911 GT3 R (Clément Mateu- Jürgen Häring-Nicolas Armindo) kollidierte mit Andy Souček im #8 Bentley Team M-Sport Continental GT3 (Maxime Soulet-Wolfgang Reip- Andy Souček), nachdem letzterer jedoch Platz gemacht hatte. Der Franzose im blauen Porsche zog plötzlich nach rechts, berührte den britischen Boliden und schlug heftig in die Mauer ein. Während dadurch die Front komplett zerstört wurde, konnte der Continental GT3 nahezu unbeschädigt an die Box zurückfahren. Was den erfahrenen Profi Armindo dazu gebracht hat, ist bis jetzt nicht geklärt. Im Laufe des Samstags wurde der Schaden als irreparabel eingestuft. In der dreiteiligen Hauptqualifikation war der #16 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 (Rolf Ineichen- Jeroen Bleekemolen- Mirko Bortolotti) das beste Fahrzeug. Darauf folgte bereits der beste Pro-AM-Bolide durch den #74 ISR Audi R8 LMS GT3 (Henry Hassid- Philippe Giauque- Franck Perera). Das tschechische Team überzeugte schon beim vergangenen Sprint-Cup-Wochenende in Brands Hatch, was auf eine gute Abstimmungsarbeit hindeutet. Rang drei sicherte sich Rowe Racing mit seinem #99 BMW M6 GT3 (Alexander Sims- Philipp Eng- Maxime Martin), der wiederholt gute Leistungen im Qualifying zeigen konnte. Erwähnenswert ist außerdem die vierte Platzierung des #84 HTP Motorsport Mercedes AMG GT3 (Dominik Baumann- Jazeman Jaafar- Maximilian Buhk), der knapp den Sieg im Norden Mailands verpasst hatte.
Relativ geordnet durchfuhr das nur noch 52 Boliden starke Feld ‚Copse Corner‘ (man gastierte in der alten Boxengasse), aber im weiteren Verlauf der ersten Rennrunde kamen sich etliche Fahrzeuge zu nahe, was eine Handvoll Reifenschäden provozierte. Beispielsweise ereilte dieses Schicksal den #23 Nissan GT Academy Team RJN GT-R Nismo GT3 (Lucas Ordoñez- Mitsunori Takaboshi- Alex Buncombe), was das schwierige Wochenende der Japaner noch verschlimmerte. Auch Bentley erwischte einen denkbar schlechten Start in den Lauf. Zuerst ging die Nummer 8 wegen technischen Problemen an die Box und wenige Sekunden später wurde der #7 Bentley Team M-Sport Continental GT3 (Vincent Abril- Guy Smith- Steven Kane) durch den #85 HTP Motorsport Mercedes AMG GT3 (Luciano Bacheta- Indy Dontje- Clemens Schmid) gedreht. Trotz Untersuchung gab es keine Strafe für den Österreicher Schmid. Kurz vor Ablauf der ersten 15 Minuten verlor der #99 Rowe Racing BMW M6 GT3 etwas an Pace und wurde von den beiden HTP Motorsport AMG GT3 einkassiert. Franck Perera schaffte es in seinem #74 R8 LMS GT3, durchgängig Druck auf den führenden #16 Lamborghini Huracán GT3 von Bortolotti aufzubauen. Da natürlich die Amateure der Besetzung noch ausstanden, war die Nummer 74 ein kleiner Fremdkörper an der Spitze. Eine weitere Überraschung war die Top-10-Platzierung des #14 Emil Frey Racing Jaguar G3 (Stéphane Ortelli- Lorenz Frey- Albert Costa) in den ersten eineinhalb Stunden, auf welche leider ein schwerwiegenderes Problem folgte. In der ersten halben Stunde konnte der #1 Belgian Audi Club Team WRT R8 LMS GT3 (Frédéric Vervisch-Dries Vanthoor-Laurens Vanthoor) von Startplatz elf aus bis auf Rang acht vorfahren, was für den weiteren Rennverlauf sehr wichtig sein sollte. Dadurch nämlich konnte der belgische Ingolstädter durch sehr schnelle Arbeit in der Boxengasse auf Platz zwei vorfahren. Das Belgian Audi Club Team WRT hat extrem
hart an der Durchführung der Boxenstopps gefeilt, was sich nun auszahlen sollte. Jedoch agierte man teilweise nahe an der vorgeschriebenen Pflichtzeit, sodass es im weiteren Ablauf für andere WRT-Boliden Strafen hageln sollte. Die Nummer eins, welche von Dries Vanthoor übernommen wurde, eröffnete sofort die Jagd auf Rolf Ineichens #16 Huracán GT3. Hinter dem R8 LMS GT3 hatte sich der #84 AMG GT3 positioniert, der in Stunde zwei in den Händen des Malaien Jazeman Jaafar war.
Rolf Ineichen gehört zu den ziemlich guten Herrenfahrern, die im Duell mit Profis zumindest mithalten können. An guten Tagen, wie zum Beispiel im zweiten Wertungslauf der ADAC GT Masters in Oschersleben, ist er sogar siegfähig. Der Druck des jüngeren Vanthoorbruders auf ihn war jedoch zu groß, da dieser geschickt den Verkehr nutzte, um den Schweizer zu überholen. Auf ähnliche Art und Weise konnte nur wenige Sekunden später auch Jaafar seinen HTP-Motorsport-Mercedes vorbeisteuern. Im tendenziell noch zunehmenden Verkehr witterte Jaafar sogar die Chance auf die Übernahme der Führungsposition und attackierte erfolgreich den Audi mit der Nummer eins. Kurz nach der Rennhalbzeit erfolgte eine Full-Course-Yellow-Phase, die aufgrund von Trümmerteilen in unterschiedlichen Sektoren erforderlich war, aber nur eine knappe Minute andauerte. Die zügige Wiederfreigabe überraschte Jaafar, der sich schnell wieder fing und die Führung verteidigen konnte. Bis zur nächsten Boxenstoppphase, welche im Blancpain GT Series Endurance Cup charakteristisch um die Stundengrenze herum gelegen ist, kehrte zunehmend Ruhe ein. Nachdem das Feld zum zweiten und letzten Mal in der Pitlane betreut wurde, gab es im Kampf um den Laufsieg keine Verschiebungen. Die Abstände hatten sich sogar noch mehr gefestigt. Deswegen kam wohl die Safety-Car-Phase 40 Minuten vor Schluss für die verzweifelten Verfolger wie gerufen. Im dichten Getümmel des hinteren Mittelfelds kam es zu einem harten Kontakt, welcher den Amateur-Ferrari von CMR with Sport Garage mit der Nummer 42 (Romano Ricci-Nyls Stievenart-Thomas Nicolle) mit gebrochener Aufhängung direkt neben der Fahrbahn stranden ließ. Die ursprüngliche Neutralisierung sollte auch wegen der schielenden Hinterradaufhängung etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. Nach zwölf Minuten kündigte die Rennleitung das Hineinkommen des Pace Car an, was jedoch kurz vor knapp zurückgenommen wurde. Begründet wurde diese irritierende Maßnahme mit Unzufriedenheit bezüglich der Ordnung des Feldes. Solche Abbrüche sind grundsätzlich bekannt und nicht selten, aber das, was darauf folgen sollte, war um etliches gefährlicher. Der Abbruch des zweiten Neustarts wurde so kurzfristig kommuniziert, dass die Spitze bereits Abstand aufgebaut hatte und nach Start-Ziel auf den R8 der Rennleitung zuflog. Glücklicherweise konnte durch aufmerksames Fahren ein Unfall umgangen werden: keine Glanzleistung der Race Control. Schlussendlich gab man sich irgendwann zufrieden mit der Ordnung und hob die Neutralisierung endgültig auf. Obwohl sich Maximilian Buhk im #84 HTP Motorsport AMG GT3 und Laurens Vanthoor im #1 WRT Audi R8 LMS ein sehenswertes Duell um Topzeiten lieferten, entstand kein direktes Duell auf dem Asphaltband mehr. Die Mercedes-Truppe aus dem Rhein-Lahn-Kreis sicherte sich trotz BoP-Anpassung den wohl verdienten Sieg, welcher in Monza nur knapp verpasst wurde. Ihre damaligen Konkurrenten im #58 Garage 59 McLaren 650S GT3 (Côme Ledogar-Shane Van Gisbergen-Rob Bell) kamen im Übrigen auf Rang sechs ins Ziel. Als Dritter überquerte Jeroen Bleekemolen die Ziellinie, was trotz der Pole ein tolles Ergeb
nis für das GRT Grasser Racing Team war, die in den ersten Wochen der Saison eine Achterbahnfahrt erlebt hatten. Die enorme Vorarbeit von Perera sollte nicht für den Pro-AM-Klassensieg des #74 ISR Audi R8 LMS GT3 gereicht haben. Stattdessen reüssierte der #56 Black Falcon Mercedes AMG GT3 (Oliver Morley-Miguel Toril-Maro Engel). Abseits der TV-Kameras kam es zu einem engeren Schlusssprint in dieser Wertung, welcher von der Meuspather Truppe am besten angegangen wurde. Die Siegerehren des AM-Cups gingen an den #488 Rinaldi Racing Ferrari 488 GT3 (Stef Vancampenhoudt-Pierre Ehret).
Vor dem Saisonhighlight der 24 Stunden von Spa werden sowohl im Sprint als auch Endurance Cup ein Wochenende veranstaltet. Weiter geht es mit dem 1000-Kilometer-Rennen im südfranzösischen Le Castellet am 25. Juni. Auch wenn die Strecke aufgrund der langen Auslaufzonen zu Recht unbeliebt ist, dürfte das Zeitfenster zwischen 18:00 und 0:00 Uhr tolle Bilder des Sonnenuntergangs in der Umgebung des Massif de la Sainte-Baume liefern. Außerdem kommen Freunde von Nachtrennen auf ihre Kosten. Der Sprint Cup gastiert als nächstes vom 01. bis 03. Juli auf der GP-Schleife der Nürburgrings.
GT Asia:
Das Auftaktwochenende der panasiatischen GT-Serie mutierte zu Bentley-Festspielen, da das Bentley Team Absolute beide Wertungsläufe auf dem Korea International Circuit für sich entscheiden konnte. Auf dem leicht verwahrlost wirkenden ehemaligen F1-Kurs waren Keita Sawa und Jonathan Venter schlicht unschlagbar, was die zwölf Sekunden Vorsprung in Lauf eins eindrucksvoll belegen. Das etwa 15 Boliden starke Feld liefert der Serie ein solides Fundament, was die Rennen durchaus sehenswert sein lässt. Der thailändische Chang International Circuit öffnet seine Pforten vom 10. bis 12. Juni für das zweite Rennwochenende der GT Asia.
Abschließend werfen wir wie immer einen Blick auf das kommende Wochenende. Nach dem selbstorganisierten Auftakt in Austin steht auf dem Canadian Tire Motorsport Park in Mosport das nächste Wochenende als Hauptserie für die Pirelli World Challenge an. Dort debütiert das neue Sprint-X-Format, welches Kollege Max in seiner Vorschau wie folgt beschreibt:
„Die Sprint-X kann man als eine Art nordamerikanische Blancpain Sprint Series sehen. Es werden sowohl Fahrerwechsel als auch Reifenwechsel erlaubt sein und die Rennen dauern 60 Minuten. Dadurch können dann auch Fahrer an den Rennen teilnehmen, die einen alleinigen Einsatz sonst nicht finanziell bewältigen können.“
Aktuell sind nur acht Boliden für die zwei Sprint-X-Rennen gemeldet, aber die Liste könnte im Verlauf der Woche noch auf 15 Renner anwachsen. Positiverweise sind Maschinen nach GT- und GTS-Reglement zugelassen, was vielleicht in Zukunft für bessere Starterfelder sorgen kann. Neben diesen beiden Läufen werden alle anderen Klassen nach gewohnter Aufteilung zwei Rennen austragen. Zeiten und Formalitäten, wie z.B. der offizielle Stream, findet Ihr in den TV-Zeiten. Außerdem fährt die International GT Open zwei Rennen auf dem legendären Circuit de Spa-Francorchamps, was per se schon für spannenden Rennsport stehen sollte, welchen wir Euch am gesamten Rennwochenende wünschen.
Bilderquelle / Copyright: European Le Mans Series; Blancpain GT Series, Pirelli World Challenge