Das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring ist mit Abstand das größte Motorsport-Event des Jahres in Deutschland. Und für viele GT3-Piloten das wichtigste Rennen des Jahres.
„To finish first, you have to finish first.“ Der abgedroschene Satz, der angeblich zum ersten Mal von Ron Dennis 1997 ausgesprochen wurde, hat auf kaum einer anderen Strecke so sehr seine Richtigkeit wie auf der Nordschleife. Die knapp 25 Kilometer 24 Stunden lang unfallfrei zu überstehen, ist schon mal eine Sache. Verkompliziert wird das Unterfangen durch Konkurrenten, langsame Fahrzeuge aus anderen Klassen, Slow-Zones und natürlich das Wetter. Die Eifel wäre nicht die Eifel, wenn in diesem Jahr das Wetter mal keine Rolle spielen würde. Stand Donnerstag soll das die 44. Ausgabe des Rennens ziemlich verregnet werden. Spätestens ab Samstagabend soll der Regen Einzug halten – und bis Sonntagabend anhalten. Auf der anderen Seite vertraut man in der Eifel keinem Wetterbericht, der älter als zwei Stunden ist. Kann sich also alles noch ändern. (Dennoch: Wir empfehlen Gummistiefel und Sonnencreme.)
SP9/GT3
Das Wetter wird auch dafür sorgen, dass in der SP9, also der GT3-Klasse, schon vor dem Start für ein paar Teams der Gesamtsieg eher in weitere Ferne rückt. Dazu gehören dann vermutlich auch die BMW M6. War der Z4 quasi für den Regen gebaut, stehen hinter dem M6 einige Fragezeichen. Bisher hat man den Wagen weder in Europa noch in den USA bei einem Regenrennen im Einsatz gehabt. Es fehlen also Erfahrungswerte. Dazu kommt, dass den M6 weiter Setup-Probleme plagen, die vor allem die Hinterachse betreffen. Zwar konnte BMW beim letzten VLN-Rennen einen ziemlich dominanten Sieg feiern, aber naturgemäß wird beim letzten Rennen vor den 24h mit angezogener Handbremse gefahren. Die schnellste Rundenzeit des M6 mit um die 8:05 min sah nicht schlecht aus, aber vor allem die Audi und die AMG dürften da noch nachlegen können. Was den M6 ebenfalls einbremst, ist sein Durst. Mehr als acht Runden im Trockenen wird man kaum auf die Beine stellen können.
In Sachen Fahrern muss man sich natürlich nicht verstecken. Schubert hat in der #17 Jonathan Edwards, Jens Klingmann, Lucas Luhr, Martin Tomczyk und in der #18 Augusto Farfus, Jesse Krohn, Jörg Müller und Marco Wittmann genannt. Bei Rowe (sind von Mercedes zu BMW gewechselt) hat man sich ebenfalls im Werkskader bedient. In der #23 sitzen Klaus Graf, Richard Westbrook, Nicky Catsburg, Markus Palttala in der #24 Alexander Sims, Philipp Eng, Maxime Martin und Dirk Werner. Sehr ausgewogene Fahrerpaarungen also und mit Maxime Martin hat man einen absoluten Regenexperten dabei. Dennoch – bei Regen sind die BMW nicht gerade die ausgewiesenen Favoriten auf der Strecke.
Da muss man dann schon die Audi erwähnen. Drei Siege in den letzten vier Jahren sprechen eine deutliche Sprache und der seit 2015 eingesetzte neue R8 LMS hat seine Standfestigkeit mehrfach unter Beweis gestellt. Der R8 ist gutmütig und hat jede Menge mechanischen Grip, dazu ist er schnell und zuverlässig. Alles Dinge, die man bei einem 24h-Rennen sehen will. Und natürlich wirft Audi alles an den Ring, was man zu bieten hat. Den Anfang macht der Vorjahresieger, der WRT Audi mit der #1, in dem Laurens Vanthoor, Christopher Mies, Nico Müller und Pierre Kaffer sitzen. In der #2 finden sich mit Stuart Leonard, Robin Frijns, Edward Sandström und Frederic Vervisch nominell schwächere Fahrer. Frijns und Leonard fahren zusammen in der Blancpain, sind da dieses Jahr aber nicht über Platz 13 hinausgekommen.
Phoenix setzt auf die Gesamtsieger von 2014. Christopher Haase, René Rast, Markus Winkelhock und Frank Stippler müssen in der #6 zu den Favoriten auf den Sieg gezählt werden. Das zweite Auto (#5) ist laut Nennliste nur mit Stippler und Anders Fjordbach besetzt. Vermutlich ein „Ersatzwagen“ sollte der #6 frühzeitig etwa passieren.
Auf gar keinen Fall vergessen sollte man den Land-Motorsport R8 mit #28. Da sitzen nämlich Marc Basseng, Connor De Phillippi, Mike Rockenfeller und Timo Scheider am Steuer. Alle vier sehr erfahren, alle vier sehr erfolgreich und bis auf de Phillippi alle schon Gesamtsieger am Ring. Audi ist also mit einer sehr starken Mannschaft am Start, allein drei Wagen sind in der Lage, den Gesamtsieg zu holen.
Den hätte auch gerne Mercedes, die das letzte Mal 2013 erfolgreich waren, damals noch mit dem alten SLS. Der neue AMG GT3 ist laut Aussagen der Fahrer ein deutlicher Schritt nach vorne, aber dem Wagen fehlt es bisher noch etwas an Standfestigkeit. Schuld daran soll das neue Transaxle-Getriebe sein, das schon mal etwas zickig sein soll. Aber schnell ist der AMG, keine Frage, und vor allem im Regen könnte der mit viel Abtrieb gesegnete GT3 das Feld anführen.
Black Falcon setzt bei seinen Fahrern auf Erfahrung. In der #4 nehmen Platz: Bernd Schneider, Maro Engel, Adam Christodoulou und Nordschleifenexperte Manuel Metzger, der 2011 immerhin die VLN Gesamtmeisterschaft holen konnte. Im zweiten Auto werden Hubert Haupt, Yelmer Buurman, Maro Engel und Dirk Müller sitzen.
Auf dem Papier eine sehr starke Mannschaft, was allerdings auch für die Haribo-Mannschaft gilt. Spaß dürfte man mit der #8 Uwe Alzen, Lance David Arnold, Maximilian Götz und Jan Seyffarth haben. Alzen ist immer für eine schnelle Runde und viel Entertainment gut, wie man ja aus den letzten Jahrzehnten schon weiß, der Rest der Mannschaft ist extrem erfahren und sehr schnell.
Doch die Reihe der möglichen Gesamtsieger für AMG hört damit nicht auf. Denn HTP-Motorsport ist ja auch am Start. Dort sitzen in der #29 Christian Vietoris, Marco Seefried, Christian Hohenadel, Renger Van der Zande und in der #30 Dominik Baumann, Stefan Mücke, Maximilian Buhk und Thomas Jäger. Kann man sich dann aussuchen, wen man da als Favoriten sehen möchte. Fahrerisch tun sich die Mannschaften da nichts.
Und dann wäre da noch der Zakspeed AMG, der bisher in diesem Jahr etwas unter dem Radar geblieben ist, aber bei Zakspeed muss auch damit rechnen, dass die Nordschleifen-Experten bisher eher mit Sandsäcken im Auto unterwegs waren. Die Besetzung ist mit Kenneth Heyer, Sebastian Asch, Luca Ludwig und Daniel Keilwitz mit Sicherheit nicht schlecht. Asch und Ludwig sind immerhin ADAC GT Masters-Meister und wissen auch, wo es auf der Nordschleife lang geht. Der Zakspeed könnte so eine Art „Dark Horse“ im Rennen sein und für eine Überraschung sorgen.
Und Porsche? Manthey bringt zwei Autos an den Start und wird auf Regen hoffen. Bekanntermaßen mag der 911er schlechtes Wetter, weil Heckantrieb und Motor auf der Hinterachse für den nötigen Abtrieb und Grip sorgen. Bisher sind die Porsche in den VLN-Rennen weniger aufgefallen, was typisch für Manthey-Racing ist. Gerüchteweise experimentiert man bei Manthey auch schon mit Material des neuen RSR, aber gesichert ist das natürlich nicht. Aber Manthey und die Nordschleife ist eine Kombination, die ja immerhin schon für fünf Siege gut war.
Porsche hat zwei extrem schnelle Mannschaften am Start. In der #911 sitzen Nick Tandy, Kevin Estre, Earl Bamber und Patrick Pilet. Bei Regen darf man sich vor allem auf Tandy freuen, der bekanntermaßen im Nassen recht flott unterwegs ist, aber auch der Rest gehört zum Besten, was man GT-Fahrern finden kann. Nicht minder schlecht ist die #912 besetzt: Richard Lietz, Jörg Bergmeister, Michael Christensen und Fred Makowiecki. Man geht ganz klar auf den Gesamtsieg und man sollte sich nicht wundern, wenn nach zwei, drei Stunden die Porsche plötzlich vorne liegen.
Nur wenig Chancen auf den Gesamtsieg hat das Frikadelli-Team, aber die Mannschaft vom Ring gehört ja zu Fan-Favoriten. Klaus Abbelen, Sabine Schmitz, Patrick Huisman und Norbert Siedler werden die schnellste Frikadelle der Welt hoffentlich durch die 24 Stunden bringen. Mit ein bisschen Glück wird es dann auch für die Top 5 reichen, aber bei der Konkurrenz muss da schon einiges passieren.
Etwas besser dürfte der Falken Porsche unterwegs sein, der mit Peter Dumbreck, Wolf Henzler, Martin Ragginger und Alexandre Imperatori sehr gut besetzt ist. Hier wird aber die Frage sein, wie gut die Falken-Reifen im Nassen Grip aufbauen.
Sonstige Teams:
Bentley sah bei den bisherigen Läufen der VLN nicht schlecht aus, war aber auch nicht zwingend schnell. Abt setzt zwei Wagen ein, einmal mit Christopher Brück, Steven Kane und Christer Jöns (#37) und dann Christian Menzel, Guy Smith, Marco Holzer und Fabian Hamprecht (#38). Wenn der Bentley durchhält, wird man die Top Ten anpeilen, mehr ist nicht drin.
Auch Aston Martin setzt zwei Werkswagen ein. Einmal mit Nicki Thiim, Darren Turner, Marco Sorensen und Altmeister Pedro Lamy (#7) und einmal mit Jonny Adam, Fernando Rees, Mathias Lauda und Richie Stanaway (#27). Im Gegensatz zur WEC, wo die Aston Martin zu den schnellsten Wagen gehören, sieht es in der GT3 anders aus. Es mangelt dem Wagen vor allem an Antrieb, was im Nassen halt dann ein Nachteil ist. So gut die Fahrer auf den Fahrzeugen sind, das Material wird nicht für einen Gesamtsieg reichen.
Das gilt auch für die beiden Nissan GT-R, die bisher auf der Nordschleife nur wenig Speed zeigten. Die wuchtigen Fahrzeuge tun sich auf der Strecke schwer, dazu fehlt es an Topspeed auf den langen Geraden.
Für die Fans gibt es dann noch die Fahrzeuge der Scuderia Glickenhaus. Zwei SCG003C und ein P4/5 werden die 24 Stunden angehen, aber keine Chance auf die Top 20 haben. Dazu fährt natürlich auch der Opel Manta wieder mit.
Strategie:
Mit der Strategie ist das bei den 24 Stunden so eine Sache. In Sachen Boxenstopps können die BMW nicht mehr als acht Runden gehen. Audi, Porsche und AMG könnten neun Runden gelingen. Im Trockenen, wohl gemerkt. Davon ausgehend, dass es am Wochenende eher nass wird, verschiebt sich das ein wenig. Dazu kommt, dass das Wetter auf der langen Runde sich ja mal gerne ändert. Auf Start-Ziel kann es trocken sein, auf der Hohen Acht dafür nass. Wer eine Runde zu spät kommt, verliert viel Zeit. Wer Intermediates statt Regenreifen oder andersrum wählt, kann ebenfalls viel Zeit verlieren.
Gleichzeitig ist das Rennen in diesem Jahr in der SP9 so eng wie nie zu vor. Selten waren so viele schnelle Teams am Start, selten hat man so viele ausgewogene Fahrerpaarungen gesehen. Das bedeutet, dass das Tempo von Start weg sehr hoch sein wird und zwar egal, ob es nass oder trocken ist. Regen bedeutet aber auch, dass die Unfallhäufigkeit zunehmen wird und damit steigt auch die Gefahr für die GT3, in eine Kollision verwickelt zu werden.
Es könnte sich also auszahlen, wenn man zunächst das Risiko minimiert und sich in einer aussichtsreichen Position bewegt. Ein Rückstand von zwei bis drei Minuten ist aufholbar, wenn die Reserven da sind. So entgeht man der Hatz an der Spitze und kann sich auf das Rennen in Ruhe einstellen.
Ansonsten besteht die Strategie vor allem aus einer Sache: Glück!
Infos:
Entry-List 24H Nürburgring 2016 (pdf)
Livestream 24h Nürburgring I: https://goo.gl/h8bL9g
Livestream 24h Nürburgring II: https://goo.gl/S5EvB4
Livestream Onboard-Kanäle:
#1 Team WRT Audi R8 LMS GT3: https://goo.gl/QZsYxu
#6 Phoenix Racing Audi R8 LMS GT3: https://goo.gl/u0Nm94
#8 Haribo Racing Mercedes-Benz AMG GT3: https://goo.gl/IquHR4
#28 Land-Motorsport Audi R8 LMS GT3: https://goo.gl/A8dQcu
#29 HTP-Motorsport Mercedes-Benz AMG GT3: https://goo.gl/IrvXlO
#35 Team RJN Nissan GT-R GT3: https://goo.gl/LLqEyx
#37 Team Abt Bentley Continental GT3: https://goo.gl/p0mMHv
#44 Falken Motorsports Porsche 991 GT3 R: https://goo.gl/dlURVh
#62 GetSpeed Porsche 991 GT3 Cup: https://goo.gl/Jqgxrr
#100 Schubert Motorsport BMW M6 GT3: https://goo.gl/mzXk4q
#912 Manthey Racing Porsche 991 GT3 R: https://goo.gl/mnsZug
Live Radio (Offiziell, deutsch)
Radio Le Mans (Offiziell, englisch)
Streckenposten mit Nummern (ist von 2006, sollte aber noch ungefähr richtig sein)
Twitter Hashtags: #24hNurburgring, #nring, #24h und #n24h
Bilder: Felix Töllich
3 Kommentare
War das nicht: „To finish first, you first have to finish.“ ??
;)
@ Stefan:
Über den Wortlaut dieser Phrase gibt es wohl verschiedene Meinungen. Ich kann mich daran erinnern, auch schonmal mit jemandem darüber diskutiert zu haben. Ich favorisiere die von Don verwendete Variante, weil sie noch subtiler ist – aber als geschrieber Satz deswegen eher auch nur dem Insider verständlich: hier kommt es nämlich auf die Betonung an :D
Ron Dennis hat zu Häkkinen-Zeiten auch mal gesagt „to finish first, first you have to be Finnish“…
Unabhängig davon ist die cleverste Version definitiv die von Don zitierte. Erst so wird der Satz markant und prägnant.
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