Seit 2012 boomt die LMP2-Klasse, und das, obwohl der Kampf der Werke mit ihren Hybrid-Prototypen einen Großteil des Rampenlichts vereinnahmt. 23 Fahrzeuge sind in diesem Jahr gemeldet – Rekord! – und es ist schwieriger denn je, klare Favoriten herauszufiltern. Das liegt zum Teil daran, dass auf technischer Seite die Varianz zurückgegangen ist – fast alle Teams treten mit Dunlop-Reifen und Nissan-Motor an, die meisten setzten auf die neuen Coupé-Chassis von Onroak (unter dem Ligier-Banner) oder Oreca. Aber es hat auch damit zu tun, dass sich die Fahrerbesetzungen vielfach auf einem sehr guten Niveau bewegen – achten sollte man vor allem auf angehende Stars wie einen „Pipo“ Derani, der nach Gesamtsiegen in Daytona und Sebring in diesem Jahr ein bemerkenswertes „Triple“ erreichen könnte.
Es ist das letzte Jahr der LMP2 mit dem aktuellen Reglement: Ab 2017 sind gezwungenermaßen alle Teams mit Zytek-getunten Einheitsmotoren unterwegs und es wird nur noch vier Chassis zur Auswahl geben, deren Hersteller von der FIA-Kommission in einem Auswahlverfahren bestimmt worden sind. Dies werden Oreca, Onroak, Riley-Multimatic und Dallara sein. Die guten Produkte der beiden französischen Firmen sind bekannt und werden auch in diesem Jahr beste Siegchancen haben; um die LMP2s des Joint Ventures aus Riley und Multimatic (die den Ford GT aufbauen) sowie von Dallara ist es bisher still geblieben.
Die Bilanz in diesem Jahr sieht wie folgt aus: Drei Teams setzen auf Michelin-Reifen (Paniz Barthez, Pegasus Racing und Krohn Racing), alle anderen auf Dunlop. Zwei Boliden werden von Judd-Motoren angetrieben (SO24! By Lombard und Race Performance), einer von einem Honda (Micheal Shank Racing aus den USA). Von 23 Startern vertrauen neun auf den Ligier JS P2 von Onroak und sieben auf das Oreca 05-Coupé, SMP Racing setzt (letztmalig in Le Mans) seine Eigenkonstruktion BR01 ein. Zwei der altehrwürdigten offenen Gibsons sind gemeldet (G-Drive und Strakka Racing), ebenso zwei alte Oreca 03R (Race Performance und Murphy Prototypes) und ein offenes Morgan-Chassis, ebenfalls eine Konstruktion aus dem Hause Onroak mit anderem Marken-Deal und daher anderer Benennung (Pegasus Racing).
Rein vom technischen Aspekt her sind die neuen Coupés zu favorisieren, wobei das Oreca-Chassis noch etwas stärker als das von Onroak (Ligier) zu sein scheint – doch die LMP2 ist insgesamt recht ausgeglichen. Vieles hängt von der Harmonie und Ausgeglichenheit der Fahrerbesetzung ab. Insbesondere entscheidend sind die Schnelligkeit, Konstanz und Fehlerfreiheit der „Amateur“-Fahrer (Kategorie Silber oder Bronze, eingestuft nach bisherigen Erfahrungen und Erfolgen), von denen auf jedem Auto mindestens einer gemeldet sein muss. Da das ebenso der klassische „Gentleman Driver“ (ein reicher Geschäftsmann, der mit mehr oder weniger Erfahrung und Erfolg Autorennen fährt) wie ein junger Nachwuchs-Profi sein kann, ist hier die Spannweite sehr groß. Ich werde im Folgenden versuchen, die 23 gemeldeten Teams nach ihrer Stärke einzuschätzen. Wie gut das gelingt, wird sich am Wochenende zeigen.
Die Top-Teams
Wer WEC und ELMS in diesem Jahr bislang nicht verfolgt hat, wird vielleicht das britische Team Jota Sport vermissen, das 2014 mit einer gewaltigen Aufholjagd den Klassensieg in Le Mans erreichte und in der ELMS die letzten Jahre stets vorn dabei war. Jota Sport ist dieses Jahr Einsatzteam für das russische Team G-Drive Racing, das mit einem Oreca 05 in der Weltmeisterschaft antritt und mit seinem traditionellen Gibson 015S (ehemals bekannt als Zytek) in der europäischen Kontinentalserie.
Für den neuen Oreca-Nissan in der WEC hat man eine neue Besatzung zusammengestellt, die bisher aus Roman Rusinov, Rene Rast und Nathanael Berthon bestand; Berthon und das Team haben sich allerdings Anfang Juni ohne nähere Angabe von Gründen getrennt. Will Stevens, bisher für Manor unterwegs, wird ihn in der #26 ersetzen. Dem Ex-F1-Piloten mangelt es noch an LMP2-Erfahrung und in Le Mans ist er auch noch nie angetreten, doch bei den vergangenen WEC-Läufen gehörte er zu den schnellsten Piloten in der Klasse. René Rast ist sogar noch schneller und tritt bereits zum dritten Mal in Le Mans an. Roman Rusinov ist einer der flottesten Silber-Piloten im Feld und hat bereits sechs Le Mans-Teilnahmen auf dem Konto, im Vorjahr erreichte er mit G-Drive (damals noch mit OAK Racing als Einsatzteam) sogar das Klassenpodium. Bislang kam es für dieses Auto in der WEC nicht so recht zusammen, doch Le Mans könnte den Durchbruch darstellen.
In der ELMS dagegen führt die #38 des G-Drive-Teams die Tabelle nach zwei Läufen recht deutlich an: Simon Dolan, Harry Tincknell und der neu hinzugekommene Giedo van der Garde siegten in Silverstone und wurden im Regen von Imola Zweite. Tincknell tritt in Le Mans allerdings für das neue Ford-Werksteam an; sein Ersatzmann ist das 20-jährige britische Nachwuchstalent Jake Dennis, Dritter der Formel 3-EM im Vorjahr. Dennis trat bei den 6h von Spa erstmals für G-Drive an, als sich dieser Wagen gegen das WEC-Feld versuchte, doch anders als in früheren Jahren lief es dieses Mal nicht rund. Die schnellste Runde von Jake Dennis am Spa-Wochenende war sogar gut eine halbe Sekunde langsamer als die des inzwischen sehr erfahrenen Nicht-Vollprofis Simon Dolan. Der Testtag in Le Mans machte jedoch Hoffnung, dass Dennis noch Potenzial hat. Giedo van der Garde ist sehr schnell, zeigte jedoch beim Saisonauftakt in Silverstone, dass er sich noch den im Langstreckensport nötigen Teamgeist aneignen muss. Wie bei der #26 gilt auch hier: Findet das Team zusammen, ist ein Podium drin. Es kann aber auch schnell schief gehen, wenn einer der beiden Youngster zu viel will oder sich nicht auf die spezifischen Anforderungen des 24 Stunden-Rennens einstellen kann.
Alljährlicher Mitfavorit ist außerdem das französische Team Thiriet by TDS Racing mit dem Oreca-Nissan #46, doch zum Sieg reichte es bisher noch nicht: Zweiter wurde Pierre Thiriet, Sohn eines Tiefkühlwarenfabrikanten, 2012 und 2014, jeweils mit unterschiedlichen Partnern. Sein diesjähriger Co-Pilot Mathias Beche war 2012 bereits dabei, trat dann allerdings drei Jahre lang für Rebellion Racing in der LMP1 an. Mit dem Japaner Ryo Hirakawa, in den letzten Jahren in Super GT und Super Formula in seinem Heimatland unterwegs, hat das Team einen Le Mans-Neuling dabei; beim ELMS-Lauf in Imola vor einem Monat siegte das Trio. Hirakawa ist mangels Erfahrung sicherlich der Schwachpunkt des Teams, doch wenn er einen soliden Job abliefert, könnte für das Team das nächste Le Mans-Podium in Reichweite sein.
KCMG Racing ist der Titelverteidiger, nachdem das Team aus Hong Kong 2015 in Le Mans dominant gesiegt hat. Fragezeichen bringt allerdings die Tatsache mit sich, dass KCMG 2016 aus kommerziellen Gründen auf eine volle LMP2-Saison verzichtet. Der Auftritt in Le Mans stellt für den Oreca-Nissan mit der #47 eine einmalige Sache aufgrund der durch den Vorjahressieg erworbenen Einladung dar. Matthew Howson und Richard Bradley, die beiden Überraschungspiloten des Vorjahres, sind wieder dabei, diesmal unterstützt vom Japaner Tsugio Matsuda, seines Zeichens jeweils zweifacher Champion der Super GT (2014/15) und der Formula Nippon (2007/08). Matsuda war 2014 bereits zweimal für KCMG in der WEC am Start (einmal Zweiter, einmal Erster) und wurde 2015 als Nissan-Werkspilot auserkoren, bis sich dieses Projekt erledigte. Mit ihm dürfte das Team wieder gut aufgestellt sein – fraglich ist, wie eingespielt sie bei diesem One-Off sein werden.
Nachdem Morand Racing in den letzten Jahren mit eigenen Teams in Le Mans und der ELMS am Start war (das 2015er Kooperations-Projekt mit dem japanischen SARD-Team fiel ins Wasser), spielen die Schweizer um Benoit Morand in diesem Jahr das Einsatzteam für das Projekt von Ricardo Gonzalez, RGR Sport by Morand Racing. Den Ligier-Nissan mit der #43 steuern neben Teambesitzer Gonzalez, der bei drei Le Mans-Teilnahmen bereits einen LMP2-Klassensieg (2013 mit OAK Racing, auch WEC-Titel) holte, mit Ex-F1-Pilot Bruno Senna und Audi-Werksfahrer Filipe Albuquerque (zwei Le Mans-Teilnahmen im dritten R18, der in diesem Jahr nicht antritt) zwei bekannte Namen. Nach dem WEC-Auftaktsieg in Silverstone und Rang 4 in Spa muss man dieses neu zusammengestellte Team für Le Mans auf der Rechnung haben, denn das Piloten-Trio ist erfahren, kennt sich in Le Mans aus und ist recht ausgeglichen auf einem hohen Niveau mit einem der besten Silber-Piloten.
Die zweite Garde
Einen Geheimfavoriten stellt das Team Extreme Speed Motorsport mit dem #31 Ligier-Nissan. Nachdem es für die US-Mannschaft im letzten Jahr nicht ordentlich lief, hat man sich OAK Racing als erfahrenes und kompetentes Einsatzteam für die zwei Boliden ins Boot geholt. Doch die Fahrerbesetzungen sind von unterschiedlicher Schlagkraft. In der #31 hat man mit Ryan Dalziel einen früheren Le Mans-Klassensieger (2012 mit Starworks in der LMP2) und mit Luis Felipe, genannt Pipo, Derani einen der aufgehenden Sterne im Prototypen-Sport an Bord. Derani siegte bereits im Vorjahr mit G-Drive beim WEC-Lauf in Spa auf dem Weg zu Rang 3 in der Meisterschaft; und in diese Saison startete er perfekt, als er mit seinem Team zunächst die 24h von Daytona gewann und dann in Sebring mit zwei grandiosen Überholmanövern in der Schlussphase des 12h-Rennens auch dort den Sieg errang. Mit Chris Cumming ist ein Bronze-Pilot als dritter Mann dabei, der sicherlich nicht zu den schnellsten gehört, aber genug Erfahrung hat, seine Stints sauber und konstant abzuspulen.
Greaves Motorsport, seit 2006 in Le Mans dabei und damit eines der dienstältesten LMP2-Teams, hat für seinen geleasten Ligier JS P2-Nissan mit der Startnummer #41 dieses Jahr ein neues Team zusammengewürfelt, das sehr schwer einzuschätzen ist, aber viel Potenzial haben dürfte. Mit Memo Rojas ist ein vierfacher Grand Am-Champion und dreifacher Daytona 24-Sieger dabei. Franzose Julien Canal ist der Silber-Pilot im Team, hat aber bereits drei Le Mans-Klassensiege auf dem Konto (2010 bis 2012 für Larbre Competition in GT-Boliden), im Vorjahr gehörte er zum WEC-Meister-Team G-Drive Racing, das in der Saison vier Klassensiege und vier zweite Plätze einfuhr. Als dritter Pilot ist kurzfristig der bei G-Drive entlassene Nathanael Berthon engagiert worden, der bereits zweimal für Murphy Prototypes in Le Mans antrat und im Vorjahr den fünften Klassenrang erreichte, als er zu den schnelleren Piloten seiner Klasse zählte.
Signatech Alpine, der Langestrecken-Arm von Philippe Sinaults Signature-Team, fuhr in den letzten Jahren in der ELMS und in der WEC immer wieder gute Ergebnisse und einzelne Siege ein, ein Sieg in Le Mans oder der richtige Durchbruch gelangen jedoch bisher nicht. Hinter dem Alpine A460 versteckt sich das starke Oreca 05-Coupé, angetrieben vom allgegenwärtigen Nissan-Motor. Das Technik-Paket ist gut und mit dem früheren Peugeot- und Toyota-Piloten Nicolas Lapierre ist einer der Topo-LMP2-Piloten für das Team am Start. Der Le Mans-Klassensieger des Vorjahres (mit KCMG) wird unterstützt vom ähnlich schnellen, aber noch viel jüngeren Gustavo Menezes und Stephané Richelmi, der nach GP2 und Blancpain GT nun bei den LMP2s angekommen ist. Wenn alles zusammenkommt, kann das Team vorn mitfahren, wie beim Klassensieg bei den 6h von Spa.
Eurasia Motorsport, gemeldet mit der #33 und unter philippinischer Flagge, ist ein weiteres schwer einzuschätzendes Team, dessen Fahrer in den vergangenen anderthalb Jahren viel Potenzial gezeigt haben, ohne dass bisher einmal alles richtig zusammengekommen ist. In ihrer Debütsaison in der ELMS 2015 lieferten Pu Jun Jin und Nick de Bruijn im alten Oreca 03R einige gute Vorstellungen ab; mit neuem Material (einem Oreca 05) und neuem Fahrer-Kollegen (Tristan Gommendy) erreichten sie in Imola vor einem Monat Rang 5. Gommendy ist bereits sechsmal in Le Mans angetreten, sein größter Erfolg war der zweite Rang in der LMP2 mit Thiriet by TDS vor zwei Jahren. Er ist fähig zu sehr schnellen Zeiten, und auch Pu und de Bruijn können eine sehr ordentliche Pace gehen. Aus diesem Potenzial gilt es etwas zu machen und vielleicht kann Le Mans 2016 den Durchbruch für das Team bringen.
Die Russen von SMP Racing setzen weiter auf ihren von Paolo Catone (Peugeot 908) entwickelten Eigenbau BR01 – voraussichtlich zum letzten Mal in der LMP2, denn das von Geschäftsmann und Putin-Freund Boris Rotenberg finanzierte Team hat keine der vier Lizenzen für die Chassis-Produktion ab 2017 ergattern können. Ob man zu den LMP1-Privatiers hinzustößt oder sich ein anderes Geschäftsmodell überlegt, ist noch unklar und mag auch von den US-Sanktionen gegen Russland abhängen, die immer wieder auch die SMP Bank betrafen.
Sowohl die #27 mit Nicolas Minassian (ehemals Peugeot-Werkspilot), Silber-Fahrer Maurizio Mediani und dem vielseitigen Mikhail Aleshin, der vor wenigen Wochen noch beim Indy 500 an den Start ging, als auch die #37 mit dem früheren F1-Piloten Vitaly Petrov sowie Victor Shaitar (GTE-Am-Meister in der WEC 2015 einschließlich Klassensieg in Le Mans) und Kirill Ladygin (GTC-Champion in der ELMS 2013) sind recht solide besetzt. Großtaten sind gegen ein recht starkes LMP2-Feld jedoch nicht zu erwarten.
Das Mittelfeld
Das zweite Auto von Extreme Speed Motorsports, der Ligier-Nissan mit der #30, ist nicht ganz so stark besetzt wie die #31, dürfte jedoch mit OAK Racing als erfahrenem Einsatzteam auch Chancen auf ein gutes Ergebnis haben. Scott Sharp, Johannes van Overbeek und Ed Brown haben in diesem Jahr bereits die Langstreckenrennen in Daytona und Sebring gewonnen, dort hatten sie jedoch die Unterstützung eines überragenden Pipo Derani, der in Le Mans das Schwesterauto verstärkt. Auch die anderen drei sind solide Piloten, jedoch nicht auf dem Niveau eines Derani oder Dalziel. Platin-Pilot Sharp und Bronze-Pilot Brown sind die Gründer des ESM-Teams; Sharp und der frühere GT-Pilot van Overbeek sind im Vorjahr nach längerer Le Mans-Abwesenheit mit dem Team an die Sarthe zurückgekehrt – ein guter Mittelfeld-Platz könnte allemal drin sein.
Die frühere Formel 1-Mannschaft um John Booth ist nach dem Ausstieg aus der Königsklasse mit dem Manor-Namen in die WEC gewechselt. Das Team setzt auf das Oreca 05-Coupé, wohl das stärkste LMP2-Chassis, mit Nissan-Motor. Den stärksten Piloten der #44, Will Stevens, hat man allerdings für Le Mans an G-Drive Racing entliehen; er wird ersetzt durch einen anderen früheren Manor-F1-Piloten, Roberto Merhi, der in der WEC ansonsten im zweiten Manor-Boliden antritt, der aber nicht für Le Man gemeldet ist. Merhi dürfte ähnlich stark wie Stevens sein. Er wird unterstützt durch die Silber-Piloten Tor Graves (44, zwei Le Mans-Teilnahmen mit ADR-Delta vor wenigen Jahren, Klassenrang 6 in 2012) und Matthew Rao (22, schloss im Vorjahr die Formel 3-EM ohne Punkte ab).
Murphy Prototypes ist das sympathische kleine Team des irischen Industriellen Greg Murphy, der in den letzten Jahren immer wieder jungen Talenten eine Chance in seinem LMP2-Team gegeben hat, allen voran Brendon Hartley. Auch Nathanael Berthon trat zweimal für ihn in Le Mans an. Ein sechster und ein fünfter Klassenrang (2013 bzw. 2015) waren bisher die Highlights, oft schlug das Pech zu. Mit Ben Keating, Jeroen Bleekemolen und Marc Goossens hat Murphy diesmal eine ganz andere Besatzung zusammengestellt, die eher auf Erfahrung setzt. Keating (44, Silber) und Bleekemolen (34, Platin) waren im Vorjahr mit einer GTE-Viper in Le Mans erfolglos am Start; der Niederländer ist seit 2006 jährlich in Le Mans dabei und wurde 2008 bereits LMP2-Klassensieger. Goossens (46, Gold) ist seit 1996 mit Unterbrechungen Le Mans-Pilot, 1997 wurde er Gesamt-Vierter in einem Courage-Prototypen. Auch das Oreca 03R-Chassis ist eher von der erfahrenen Sorte. Mit so viel geballter Erfahrung ist ein guter Mittelfeld-Platz sicher drin, es fehlt allerdings die Frische, um gegen neuere Autos und jüngere Piloten um den Klassensieg mitfahren zu können.
Strakka Racing gehörte vor einigen Jahren zu den Top-Teams der LMP2; 2010 wurde das Team um Nick Leventis in Le Mans Klassensieger und Gesamt-Fünfter (!); Rang 6 holte man 2013 als LMP1-Privatier. Doch das missglückte Projekt, mit Dome ein LMP2-Coupé zu entwickeln, hat das Team zurückgeworfen. Ersatzweise hat man sich ein altes Gibson-Chassis besorgt, mit dem Nick Leventis, Jonny Kane und Danny Watts (der zu den schnellsten LMP2-Piloten gehört), die seit Jahren zusammen antreten, die WEC seit letztem Sommer bestreiten. Doch so recht ist man mit dem alten offenen Chassis auf keinen grünen Zweig gekommen; mehr als fünfte Plätze waren in der WEC bislang nicht drin und alles andere als ein solider Mittelfeld-Platz wäre für die #42 auch an diesem Wochenende eine Überraschung.
Baxi DC Racing Alpine ist das zweite Alpine-Team in der Klasse, auch hier versteckt sich hinter dem Branding ein Oreca 05-Nissan. Signatech Racing unterstützt diesen Einsatz. Die unter chinesischer Flagge startende #35 wird pilotiert von den beiden Chinesen David Cheng und Ho-Pin Tung; beide kennen Le Mans, gehören jedoch nicht zu den schnellsten Piloten. Sie werden unterstützt vom französischen Platin-Piloten Nelson Panciatici, der in vier Jahren bei Signatech sein Potenzial gezeigt hat; 2013 schaffte er es mit dem Team in Le Mans bereits aufs Klassen-Podium. Für eine solche Top-Platzierung ist das Baxi DC-Team jedoch zu unausgeglichen.
Auf dem Team Algarve Pro Racing, unterwegs im Ligier-Nissan mit der #25, wird einiges Augenmerk der Presse und der Fans liegen, denn für dieses Team bestreitet der mehrfache Bahnrad-Olympiasieger Sir Chris Hoy sein Le Mans-Debut. Hoy bestritt zur Vorbereitung 2015 eine LMP3-Saison (und wurde prompt Meister), lernt aber noch das Handwerk. Er ist aber schneller und hat mehr Potenzial als Gentleman Driver Michael Munemann, der eher zu den langsameren seiner Klasse gehört. Auch der dritte Fahrer, Andrea Pizzitola, ist „nur“ in der Silber-Kategorie eingestuft; er, Meister des Markenpokals Renault Sport Trophy 2015, gehört aber zu den jungen Piloten, die noch Potenzial nach oben haben. Die Le Mans-Teilnahme ist Teil seines Preises von Nissans Konzern-Schwester Renault; in der ELMS war er bislang noch nicht für das Team am Start, sodass es auch noch Kommunikations- und Zusammenfindungsprobleme geben könnte.
Tracy Krohn ist inzwischen ein Le Mans-Urgestein: Seit 2006 tritt der texanische Öl-Unternehmer mit seinem Team Krohn Racing (anfangs in Kooperation mit anderen Teams) in Le Mans an, immer im Gespann mit dem Schweden Niclas Jönsson. Bei GT-Einsätzen sprangen dabei bisher drei Podiumsplätze heraus, doch der Umstieg in die LMP2 zum Jahr 2015 scheint Tracy Krohn etwas überfordert zu haben. Zwar konnte das Team in der ELMS 2015 mit konstanten Mittelfeld-Ergebnissen am Ende guter Meisterschaftsvierter werden, doch in Le Mans produzierte Krohn selbst unzählige Fehler und Dreher und gehörte zu den langsamsten Piloten der Klasse. Letzteres war auch beim Saisonauftakt 2016 der Fall, doch zumindest die Fehler sollte Krohn in diesem Jahr hoffentlich abstellen können. Mit Greaves Motorsport hat man sich ein erfahrenes Team als Unterstützung für den Einsatz des Michelin-bereiften Ligier-Nissan mit der #40 hinzugeholt und der zweifache 24h von Daytona-Gesamtsieger und Le Mans-LMP2-Klassen-Dritte von 2011 (mit Level 5) Joao Barbosa sollte eine starke Unterstützung sein. Ein Top Ten-Ergebnis wäre für das Team dennoch als Erfolg zu werten.
SO24! By Lombard Racing startet mit einen Ligier-Judd und der #22; beim ELMS-Saisonauftakt in Silverstone konnte das französische Team mit Rang 3 positiv überraschen. Nun ist allerdings der stärkste Pilot und Sohn des Teambesitzers, Olivier Lombard, durch den Gentleman Driver Erik Maris ersetzt worden, da man dessen mitgebrachtes Geld zur Finanzierung des Einsatzes benötigt. Beide Bronze-Piloten, Maris und Jonathan Coleman, haben etwas LMP2-Erfahrung, jedoch nicht den nötigen Speed, um vorn mitzufahren. Den hat der dritte Mann im Team, Vincent Capillaire, zumindest in Ansätze, was ihm auch 2014 auf dem Weg zum vierten LMP2-Rang in Le Mans 2014 verhalf. Ein konstantes Rennen bei langsamerer Pace kann zur Zielankunft verhelfen, doch ein Top-Ergebnis ist hier eher nicht zu erwarten.
Die Mitfahrer
US-Teams haben es nicht immer leicht, sich bei ihrem ersten Auftritt in Le Mans erfolgreich zu etablieren. Einige haben das aber geschafft: Das Level 5-Team des inzwischen vor Gericht stehenden Zinswucherers Scott Tucker wurde 2011 Klassendritter, Starworks Motorsport konnte 2012 gar auf Anhieb den Klassensieg holen. Mein bisheriger Eindruck von Michael Shank Racing (#49) ist jedoch, dass sie nicht an diese Erfolge werden anknüpfen können. Der junge Platin-Pilot Laurens Vanthoor hat sich zwar bei seinem Le Mans-Debüt im Vorjahr als sehr schneller Pilot hervorgetan, doch er ist eher selten in Prototypen unterwegs; seine beiden Co-Piloten John Pew (Bronze) und Oswaldo Negri jr. (Silber) haben zwar mit Profi-Unterstützung 2012 für Michael Shank die 24 Stunden von Daytona gewonnen, aber sie haben gar keine Erfahrung in Le Mans; am Testtag hatte Negri zudem einen schweren Unfall, nach dem der Ligier-Honda neu aufgebaut werden musste.
Das schweizerische Team Race Performance (#34) ist nach einem Jahr Pause wieder in Le Mans am Start. Bis 2014 war es ein Team, das sich gern mal, ohne viel Aufsehen zu erregen, durch konstante Leistung im Laufe des Rennens im Klassement nach oben bewegt hat, während andere in Probleme gerieten. 2010 und 2011 wurden sie so Klassensechste, ein ordentliches Ergebnis für ein kleines Team in Le Mans. Doch der offene Oreca 03R ist inzwischen in die Jahre gekommen und auch der Judd-Motor ist nicht ganz ohne Grund ein Exot unter all den Nissans. Ex-F1-Mann und Platin-Pilot Shinji Nakano ist der große Name im Team und hat inzwischen bereits acht Le Mans-Teilnahmen zu verbuchen, doch zu den Allerschnellsten der Klasse gehört auch er nicht. Geschäftsmann Nicolas Leutwiler ist der amtierende Asian Le Mans Series-Champion, doch die Konkurrenz in der LMP2-Klasse war mit nur ein bis drei Gegner eher eingeschränkt. Und auch der Brite James Winslow hat wenig vorzuweisen, um das Team in dieser Einstufung heraufzusetzen.
Panis Barthez Competition (#23) ist die Kooperation des früheren F1-Piloten Olivier Panis und des ehemaligen französischen Nationaltorhüters Fabien Barthez, der auch selbst ins Steuer greifen wird. Genau das stellt auch den Schwachpunkt des Teams dar, denn Barthez ist noch dabei, Erfahrung in einem Le Mans-Prototypen zu sammeln. Er war bislang in der ELMS-Saison 2016 einer der langsameren Piloten seiner Klasse. Mit Timothé Buret und Paul-Loup Chatin unterstützen ihn zwei französische Youngster, wobei Chatin der deutlich stärkere ist: Der 24-jährige hat bereits zwei Le Mans-Auftritte auf dem Konto, darunter einen dritten Klassenrang mit Signatech Alpine 2014; im gleichen Jahr wurde er auch Meister in der ELMS-LMP2. Doch Chatin wird trotz der schnellen Zeiten, die er fahren kann, nicht allein den Michelin-bereiften Ligier-Nissan ins Vorderfeld bringen können.
Pegasus Racing (#28)ist ein (deutsch-)französisches Team, das aufgrund seiner Treue und Nationalität immer gern vom ACO nach Le Mans eingeladen wird, dort jedoch wenig Zählbares vorzuweisen hat. Der von Onroak gebaute offene Morgan war einmal das Chassis der Wahl (2013 holte OAK Racing damit einen starken Doppelsieg in der LMP2), ist inzwischen aber auch nur noch ein Gebrauchtwagen; die Michelin-Reifen scheinen ebenfalls wenig Vorteile gegenüber der in dieser Klasse zahlenmäßig überlegenen Dunlop-Konkurrenz zu bieten. Als einziges aller LMP2-Teams ist Pegasus ohne Gold- oder Platin-Piloten am Start, doch mit Inès Taittinger ist immerhin die einzige Frau des Starterfeldes auf diesem Auto gemeldet. Für sie wie für den 57-jährigen Rémy Striebig ist es der erste Le Mans-Auftritt; der erst 20-jährige Leo Roussel war dort schon zweimal für Pegasus am Start, 2014 reichte es für Klassenrang 10, 2015 sogar für Rang 9.
(Fast) alles ist möglich…
Gerade die letztgenannten Ergebnisse zeigen: Selbst die Teams, die eigentlich wenig Chancen auf eine Top-Platzierung in diesem großen Feld zu haben scheinen, können durch eine stetige Pace und das Vermeiden von Problemen nach 24 Stunden in den Top Ten stehen, während andere, darunter auch Top-Favoriten, auf der Jagd nach dem Sieg in Unfälle verwickelt werden oder die Technik überfordern. In der LMP2 sind viele Szenarien denkbar. Und gerade darum bietet sie uns seit Jahren immer wieder so spannende und unterhaltsame Rennen – in der ELMS, der WEC und eben auch bei den 24 Stunden von Le Mans.
Zu beachten ist für die Meisterschaftswertung der WEC, zu der dieses Rennen zählt, der Umstand, dass für die Punktevergabe nur die Teams betrachtet werden, die in der WEC für die volle Saison gemeldet sind. Das beste WEC-Full Season-Team bekommt, unabhängig von seiner Platzierung in der Gesamtbetrachtung der Klasse, 50 Punkte. 2014 gelang es SMP Racing, das auf dem zwölften Rang in der Klasse als einziges WEC-Team ins Ziel kam, die volle Punktzahl abzustauben und so am Saisonende – ohne weitere Siege – Meister zu werden. Auch im Hinblick auf die WEC-Meisterschaft gilt also: Alles ist möglich. Jedoch ist die LMP2 in der WEC anno 2016 – zum Glück – deutlich stärker besetzt als vor zwei Jahren, in ihrem deutlich schwächsten Jahr.
So dürfen wir uns also auch in dieser Klasse auf tolle Zweikämpfe und ein bis in die Schlussstunden spannendes Rennen einstellen. Es gilt vielversprechende Nachwuchspiloten – wie etwa einen Pipo Derani – zu beobachten und Teamwork bei Organisationen ganz unterschiedlicher Größe zu bewundern. Die einen wollen siegen, für die anderen ist dabei sein (fast) alles und das Erreichen der Zielflagge nach 24 Stunden bereits ein großer Erfolg. Auch diese Geschichten gehören zu den 24 Stunden von Le Mans.
(Bilder: WEC Media, ELMS Media)
1 Kommentare
Vielen Dank für die super Übersicht, wie immer bei Stefans Artikeln hervorragend geschrieben und auf den Punkt gebracht. Klasse!
Eine kleine Anmerkung: Morand war letztes Jahr (ab Spa) schon in der WEC dabei, aber nur mit einem Morgan statt den ursprünglich mit SARD geplanten zwei Wagen. Das Team hat für diese Saison das letztjährige G-Drive Auto von Gonzales übernommen und zusätzlich weitergehende (auch personelle) Unterstützung bei OAK gebucht. Gonzales hat da ein ordentliches Paket geschnürt, der gute Einstand in die WEC Saison ist also durchaus nicht vom Himmel gefallen.
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