Sebastien Buemi ist der zweite Champion der FIA Formula E-Weltmeisterschaft – und das, obwohl Lucas di Grassi alles daran gesetzt hat, ihm diesen wohlverdienten Triumph zu verwehren. Dabei griff der Brasilianer am Sonntag sogar zu unsportlichen Mitteln, sodass der zweite Lauf des Wochenendes, der letzte der Saison 2015/16, zur Kontroverse geriet. Doch Buemis Meisterschaft ist über jeden Zweifel erhaben: Mit drei Punkten für die brilliante Pole-Runde und zwei weiteren für die schnellste Rennrunde überholte er seinen Kontrahenten auf der Zielgeraden der Saison. Und dank der zwei Rennsiege seines Teamkollegen Nicolas Prost holte das e.dams Renault-Team mit deutlichem Vorsprung die Konstrukteursmeisterschaft.
Lauf 1, Samstag
Wie im Vorjahr brachte auch diesmal wieder Regen den London ePrix etwas durcheinander, was die Schwäche des Quali-Systems offenbarte. Simona de Silvestro, die der zweiten Quali-Gruppe zugelost worden war, drehte sich auf ihrer schnellen Runde in die Wand und brachte die rote Flagge heraus. Während der Unterbrechung begann es zu regnen, sodass die folgenden Fahrer benachteiligt waren. Zum Glück hatte das Los entschieden, dass die Meisterschaftsrivalen Lucas di Grassi und Sebastien Buemi beide in der dritten Gruppe an den Start gehen würden, sodass sie zwar gegenüber anderen Fahrern benachteiligt waren, aber immerhin nicht einer der beiden gegenüber dem anderen.
Auf nasser Strecke war Lucas di Grassi schneller als Sebastien Buemi, doch die beiden Dragon-Piloten Loic Duval und Jerome d’Ambrosio schoben sich vor beziehungsweise zwischen die beiden. Nachdem für Nelson Piquet jr. und Stephane Sarrazin noch Rückversetzungen ausstanden, fand sich di Grassi auf Startplatz 10 wieder, Buemi auf 12 – auf der engen, holprigen und an schwierigen Kurven reichen Strecke keine gute Ausgangsposition.
Der Start verlief für beide günstig, auch das übrige Feld kam ohne größere Probleme durch die ersten Kurven: Nicolas Prost blieb vorn und konnte seine Führung gegenüber Bruno Senna und Oliver Turvey im Laufe der ersten Rennhälfte auf mehrere Sekunden ausbauen, was bei der Energiemengenbeschränkung der Formula E und der damit erzwungenen sparsamen Fahrweise eine starke Leistung ist.
Weiter hinten machten sich di Grassi und Buemi auf die Jagd durchs Feld in die Punkteränge: Beiden gelang es, einige Piloten sauber zu überholen, sodass zunächst meist ein Fahrer als Puffer zwischen ihnen lag. An seinem Teamkollegen Daniel Abt kam Lucas di Grassi selbstverständlich ohne Probleme vorbei, danach fuhr der Deutsche sehr defensiv gegen Sebastien Buemi, der ihn jedoch schließlich auch passieren konnte. Nach den Boxenstopps lag di Grassi auf Platz 6 und hatte Buemi direkt hinter sich, beide konnten nacheinander auch Robin Frijns, der bis dahin gut unterwegs war, überholen.
Kurz darauf begann es leicht zu regnen; ob dies für den in Runde 20 (von 33) folgenden Crash, der sich unmittelbar hinter den beiden Titel-Kontrahenten abspielte, ursächlich war, ist unklar: In der schnellen Links-Rechts-Passage zu Beginn der Runde hatte Daniel Abt plötzlich einen deutlichen Geschwindigkeitsüberschuss gegenüber dem vor ihm fahrenden Robin Frijns, der möglicherweise wegen des Regens in der Beinahe-Vollgaspassage etwas mehr gelupft hatte als üblich (denn die Linie schien er eigentlich erwischt zu haben). Abt, der ohnehin nur knapp hinter ihm fuhr, versuchte sich instinktiv links neben ihn zu setzen und den Überschuss in ein Überholmanöver umzumünzen, doch dabei touchierte er am Kurvenausgang Frijns hinten links und wurde selbst erst in die äußere Mauer, dann zurück in Frijns Andretti-Boliden befördert. Der Unfall sah sehr unglücklich aus, beendete für beide das Rennen (und damit für Abt Schaeffler schon beinahe alle Hoffnungen auf den Team-Titel) und rief das Safety Car auf den Plan.
Zum dramatischsten Moment in diesem Rennen kam es jedoch in Runde 26, nach dem Restart. Di Grassi suchte einen Weg vorbei an Jean-Eric Vergne, selbst dicht gefolgt von Sebastien Buemi. An der Stelle, an der zuvor Abt und Frijns verunfallten, versuchte der Brasilianer sich ausgangs der schnellen Passage neben Vergne zu bremsen, doch er war nicht nah genug dran. Die Nase seines Abt Schaeffler-Autos war gerademal auf Höhe von Vergnes Cockpit, als dieser auf der üblichen Linie in die scharfe dritte Kurve („Prince Albert“) einzulenken versuchte. Unweigerlich kam es zur leichten Kollision. Beide konnten die enge Kurve gerade so durchfahren. Sebastien Buemi versuchte, sich am Kurvenausgang noch neben di Grassi zu setzen, doch der machte sich in der Straßenmitte breit, sodass die Reihenfolge so blieb wie sie es vor der Kurve war.
Lucas di Grassi hatte sich bei der leichten Kollision mit Vergne jedoch seinen Frontflügel beschädigt und verlor einige Kurven später den daran angedockten rechten Windabweiser. Sebastien Buemi reagierte mit Unverständnis darauf, dass er dafür keine schwarz-orangene Spiegelei-Flagge bekam; doch diese Flagge soll schließlich keine Strafe darstellen, sondern einen Fahrer dazu zwingen, ein potenziell gefährliches technisches Problem zu beseitigen. Wenn das Problem nach einige Kurven nicht mehr besteht, macht es auch keinen Sinn mehr, den betroffenen Piloten an die Box zu holen. Der Flügel selbst war weiterhin ordentlich befestigt und nachdem der Windabweiser sich vollständig gelöst hatte (was natürlich an sich schon eine gefährliche Situation hätte auslösen können), gab es keinen Grund mehr, di Grassi an die Box zu beordern. Das mag nicht ganz fair erscheinen, weil in anderen Fällen, in denen sich ein Problem eben nicht kurzfristig „von selbst“ löst, der betroffene Fahrer quasi bestraft wird, doch dies ist schlichtweg nicht der Zweck der Regel.
Di Grassi auf der anderen Seite schimpfte wie ein Rohrspatz, denn er fühlte sich von Jean-Eric Vergne über Gebühr behindert und unfair zurückgehalten. Sicher fuhr Vergne hart und defensiv, doch im Wesentlichen hielt sich dies im Rahmen des Reglements. Ähnlich hatte es sich früher im Rennen bei Daniel Abt verhalten, als dieser Sebastien Buemi mit defensiver Fahrweise hinter sich gehalten hatte – ebenfalls nicht zu dessen Freude.
Zu einer weiteren kontroversen Situation kam es kurz vor Schluss, als der gut liegende Oliver Turvey in der Millenium Chicane von Jean-Eric Vergne in die TecPro-Barriere gedrängt wurde. Die Streckenposten holten gerade die gelben Flaggen heraus, als Sam Bird zum Überholmanöver gegen Sebastien Buemi ansetzte. Von den Offiziellen kam in den verbleibenden zwei Runden keine Ansage, dass er den Platz zurückgeben müsse; die Situation war unübersichtlich, aber gleichzeitig bedeutsam für die WM. In den letzten Kurven vor der Zielflagge jedoch verlangsamte Bird, da sein Energievorrat stramm auf Null zuging, und ließ nicht nur Buemi, sondern auch Antonio Felix da Costa passieren.
So wurde Buemi Fünfter hinter Lucas di Grassi, auf den er damit „nur“ zwei weitere Punkte verlor, sodass der Abstand am Ende des ersten Renntages drei Punkte betrug. Vorn siegte Nicolas Prost im e.dams Renault souverän und ungefährdet: Auch nach der Safety Car-Phase konnte er sich wieder ein Polster von einigen Sekunden auf seinen engsten Verfolger Bruno Senna herausfahren. Dritter hinter den beiden wurde Jean-Eric Vergne, dahinter folgten die beiden Meisterschaftskontrahenten, die sich fast durch das ganze Feld gekämpft hatten und so ihre starken Leistungen in dieser Saison untermauern konnten. Die schnellste Rennrunde ging an Nelson Piquet jr., sodass diese zwei Punkte keine Relevanz für den Titelkampf hatten.
Der zweite Formula E-Triumph von Nicolas Prost nach Miami in der letzten Saison war besonders für seinen Vater – und Teamchef – Alain ein Grund zur Freude. Die Dominanz des Franzosen gab jedoch auch einen Fingerzeig für den Sonntag, denn e.dams Renault schien das deutlich stärkste und am besten abgestimmte Auto auf die Parkwege des Battersea Park gebracht zu haben.
Lauf 2, Sonntag
Die Startreihenfolge für den zweiten Lauf wurde – im Gegensatz zum Vortag – vollständig auf trockener Strecke ausgefahren. So machte es auch keinen Unterschied, dass Buemi und di Grassi in verschiedene Quali-Gruppen gelost worden waren. Beide schafften es in die Top 5, aber der Vorteil der Renaults war deutlich und insbesondere Buemi legte eine sehr saubere Runde hin, die fast eine Sekunde schneller war als die seines Teamkollegen Prost. Vor allem aber konnte er diese im Super Pole-Shootout replizieren und mit einer erneut sehr schnellen und sauberen Runde eine niedrige 1’21 fahren und sich die Pole vor Prost und di Grassi sichern. Diese waren deutlich wilder und unsauberer unterwegs, ebenso Nick Heidfeld, der Startplatz 5 hinter einem starken Oliver Turvey erreichte.
Mit der Pole holte sich Sebastien Buemi auch noch drei Punkte, sodass beide mit gleicher Punktzahl (und gleicher Anzahl an Siegen!) ins letzte Rennen gingen. Buemis Quali-Rundenzeiten und Prosts Performance im Samstags-Lauf gaben Anlass zu der Vermutung, dass Buemi im e.dams Renault die deutlich besseren Titelchancen haben würde, zumal er seinen Teamkollegen als „Wingman“ auf dem Grid direkt hinter sich hatte. Dass er bei dieser Ausgangslage die schlechteren Karten haben würde, dürfte auch Lucas di Grassi – der bislang außer dem Sieg beim Macau Grand Prix noch nie einen Titel, aber zahlreiche zweite und dritte Ränge eingefahren hatte – durch den Kopf gegangen sein.
Beim Start kam di Grassi minimal besser vom Fleck als Nicolas Prost, den er schnell passieren musste, um im direkten Zweikampf eine Chance gegen Buemi zu haben. Durch das schnelle Links-Rechts-Geschlängel kamen alle drei noch gut hindurch; ausgangs davon fuhr der führende Buemi auf der Ideallinie, Prost hielt sich dahinter etwas links von ihm in der Straßenmitte, auf der Innenlinie für die kommende „Prince Albert“-Linkskurve. Di Grassi muss seine einzige Hoffnung darin gesehen haben, sich hier außen neben Prost zu bremsen und irgendwie vor ihm aus dieser ersten „echten“ Kurve herauszukommen.
Alle drei Piloten gingen ausgangs der schnellen Rechts vom Gas, um im Regenerations-Modus den Energievorrat schon früh aufzupeppen, doch als die beiden e.dams-Renaults dann tatsächlich für die Linkskurve auf die Bremse traten, tat Lucas di Grassi dies nicht – und schoss seinem Meisterschaftskontrahenten Buemi so mit deutlichem Überschuss ins Heck. Beide rutschten in die Auslaufzone, Buemi ohne Heckflügel, denn di Grassis Auto war auf seiner Hinterradaufhängung aufgebockt, mit gebrochener eigener Vorderradaufhängung. Die Meisterschaft schien beendet – und di Grassi würde sie gewinnen, denn bei gleicher Punktzahl sowie gleicher Anzahl an Siegen und zweiten Plätzen konnte er einen dritten Rang mehr aufweisen.
Sofort begannen die Diskussionen, die sich auch nach Rennende fortsetzen sollten: War es ein Unfall oder war es Absicht? War di Grassi nur zu optimistisch gewesen oder wollte er in bester Schumacher- oder Senna-Manier den Titelkampf vorzeitig zu seinen Gunsten beenden? Di Grassi selbst erklärte hinterher, Buemi und Prost hätten deutlich früher gebremst als er es an dieser Stelle erwartet habe, etwa 50 Meter zu früh für seinen Geschmack. Ex-F1-Pilot Jaime Alguersuari, Experte für das britische Fernsehen, war nach dem Rennen zu 100% überzeugt, es könne sich nur um volle Absicht gehandelt haben. Einerseits sei der Geschwindigkeitsüberschuss zu groß gewesen und di Grassi habe mit dem von ihm gewählten Bremspunkt die enge Kurve nie bekommen können; andererseits habe di Grassi sein Auto genau so auf Buemis Heck zugesteuert, dass dessen Hinterradaufhängung hätte brechen müssen (sie war auch deutlich angeschlagen). Andere Experten zeigten sich weniger überzeugt von dieser These, sahen aber auch deutlichen Übermut und einen zu spät gewählten Bremspunkt beim Brasilianer.
Die Rennleitung entschied letzten Endes, di Grassi habe einen vermeidbaren Unfall verursacht; damit haben sie zumindest dessen Behauptung eines viel zu frühen Bremsens der beiden Renaults eine Absage erteilt. Die Strafe – eine nachträgliche Durchfahrtsstrafe von 50 Sekunden – ist jedoch auch keine Strafe für einen absichtlichen Abschuss des Kontrahenten, sondern für das Verursachen eines Rennunfalls. Was ihm durch den Kopf ging, weiß letztendlich nur di Grassi selbst; es ist wie beim Crash zwischen Schumacher und Hill in Adelaide 1994. Möglicherweise war es (so meine Einschätzung) eine Affekthandlung im Eifer des Gefechts, als er die Ausweglosigkeit seiner Situation erkannte – kein geplanter Abschuss, aber auch kein schlichter Verbremser. Buemis Einschätzung vom Vortag, der Brasilianer sei „willing to crash“ erwies sich in jedem Falle als geradezu prophetisch.
Doch der Kampf um die Meisterschaft war noch nicht vorbei: Beide Autos waren schwer beschädigt, aber noch ausreichend fahrtüchtig, um zurück an die Box zu gelangen – und für die schnellste Rennrunde werden bei der Formula E zwei Zähler vergeben, was bei dem gegebenen Punktgleichstand für Buemi ausreichen würde, um den Titel noch zu gewinnen. Während auf der Strecke das Safety Car das Feld anführte, wechselten beide Piloten die Autos: di Grassi ging schnell wieder auf die Strecke und setzte eine erste schnelle Runde, während Buemi noch wartete, während sein Team den e.dams-Renault auf Qualifying-Trim umbaute.
Als er schließlich auf die Strecke ging, wurde er jedoch zunächst von einem weiteren Safety Car, dann von Lucas di Grassi selbst ausgebremst – erneut eine sehr unschöne Fahrweise des Brasilianers, der sich länger vor seinem Kontrahenten hielt, um diesen daran zu hindern, seine eigene Zeit zu unterbieten. Buemi fuhr frustriert nochmal an die Box, um abzuwarten und eine Lücke im Verkehr abzupassen. Doch beim nächsten Versuch behinderte der langsame Ma Qing Ha den Schweizer bei der Zeitenjagd, der so langsam war, dass man zu ihm kaum eine ausreichend große Lücke lassen konnte, um eine Runde Vollgas zu fahren. Buemi beschimpfte sogar sein Team als „Amateure“, da er ihre Unterstützung brauchte, um eine passende Lücke auf der Strecke zu finden.
Schließlich gelang dies: Nach einigen Versuchen konnte Buemi in 1’24.582 eine neue schnellste Rennrunde fahren, mit der er di Grassi deutlich unterbot – doch auch der war noch auf der Strecke und versuchte zu kontern. Er setzte kurz vor Schluss absolute Bestzeiten in den ersten beiden Sektoren der drei Kilometer langen Strecke, doch es sollte nicht reichen. Sein letzter Sektor passte nicht, und so fehlte am Ende eine halbe Zehntelsekunde auf Buemis Runde. Doch auch der wollte auf Nummer sicher gehen und beendete das Rennen mit einer grandiosen 1’24.150 – und holte sich nach der Quali mit der dritten Fabelrunde des Tages verdient die notwendigen Punkte für den Titelgewinn.
Das eigentliche Rennen, das sich derweil auf der Strecke abspielte, geriet neben diesem Einzelzeitfahren um den Titel zur Nebensache. Erneut siegte Nicolas Prost mit deutlichem Vorsprung, der noch größer gewesen wäre, hätten nicht drei Safety Car-Phasen das Feld in der ersten Rennhälfte nah beieinander gehalten. Mit den insgesamt 50 Punkten konnte sich Prost, dessen Vater sich sichtlich über den Erfolg seines Sohnes freute, noch auf Rang 3 der Fahrerwertung nach vorn schieben. Hinter ihm kam am Sonntag Daniel Abt auf einem guten zweiten Platz ins Ziel, der den Fehler des Vortages jedoch nicht aufwiegen konnte, denn die Teamwertung ging mit 270:221 deutlich an e.dams Renault.
Der eigentlich drittplatzierte Jean-Eric Vergne bekam wegen zu hohen Energieverbrauchs eine nachträgliche Durchfahrtsstrafe aufgebrummt, ebenso wie Nick Heidfeld direkt hinter ihm war seine Anzeige vor dem Überqueren der Ziellinie auf 0% umgesprungen. So durfte Jerome d’Ambosio an einem für das Dragon-Team eigentlich eher mäßigen Wochenende noch aufs Podium klettern, sein Teamkollege Loic Duval rückte auf Rang 4 vor. Den dritten Platz in der Teamwertung verpassten sie trotzdem um einen Punkt gegenüber DS Virgin Racing, die am Vortag ein gutes Rennen absolviert hatten.
Saisonfazit und Ausblick auf die Off-Season
Es bleibt festzuhalten, dass Sebastien Buemi ein verdienter zweiter Titelträger und Nachfolger und Nelson Piquet jr. ist. Er dominierte zu Saisonbeginn, patzte dann zwar in mehreren Quali-Sessions, konnte jedoch stets im Rennen genug Positionen gutmachen, um im Titelkampf mit dem in dieser Phase starken di Grassi zu bleiben. Eine Ausnahme bildete Long Beach, als Buemi übereifrig Robin Frijns und sich selbst abräumte; hätte das Abt Scheffler-Team seinen Fahrer di Grassi nicht beim vorangegangenen Lauf in Mexico City in ein zu leichtes Auto gesetzt, hätte der Titelkampf schon zu diesem Zeitpunkt eine deutliche Wende zugunsten des Brasilianers gemacht. Doch die Disqualifikation kostete di Grassi diesen Sieg und in Berlin stand Buemi endlich wieder ganz oben – während di Grassi hinter seinem Teamkollegen ins Ziel kam und durch eine verpasste Teamorder drei Punkte verlor, die ihm am Ende den Titel hätten bringen können. Doch auf diese Weise wolle er nicht Champion werden, erklärte er noch in Berlin…
Die nächste Saison 2016/17 beginnt schon am 9. Oktober in Hong Kong. In der dreimonatigen Offseason wird es nach diesem kontroversen Finale einigen Klärungsbedarf zwischen den Piloten geben, denn zumindest einiges von dem, was in London passierte, war einer Weltmeisterschaft nicht würdig. Bei den beiden Top-Teams der nun vergangenen Saison bleiben die Fahrerbesetzungen unverändert: Abt / di Grassi bei Abt Schaeffler Audi Sport und Prost / Buemi bei e.dams Renauit. Sam Bird, der dritte starke Pilot im Feld, der jedoch auch durchaus mal übermütig sein kann, bleibt bei DS Virgin, die im Oktober voraussichtlich mit einem stärkeren Auto aufwarten werden als in dieser Saison, sodass Bird auch ein Titelkandidat sein könnte.
Dragon Racing hält ebenfalls an seinem Fahrerduo Duval / d’Ambrosio fest, setzt jedoch auf einen neuen, eigenen Antriebsstrang unter dem Namen „Penske“ (Teambesitzer Jay Penske ist der Sohn des berühmten US-Teamchefs Roger); dafür spannt man jedoch mit dem jungen US-Hersteller Faraday Future zusammen. Die Aguri-Lizenz (auch Antonio Felix da Costa wurde wegen zu viel verbrauchter Energie im Sonntagsrennen bestraft, sodass dem Team ein würdiger Abschied verwehr blieb) geht an das chinesische Investmentunternehmen Chinese Media Capital, das jedoch laut motorsport.com mit Renault-Antrieb und Nissan-Branding an den Start gehen will. Damit würde Renault seine Führungsposition weiter stärken.
Außerdem wird bekanntlich Jaguar werksseitig in die Formula E einsteigen – hier sind noch beide Cockpits frei, ebenso wie bei dem neuen chinesischen Renault-Partnerteam. Nachdem in diesem Jahr mit vielen unterschiedlichen Varianten im Antriebsstrang experimentiert wurde, ist für das zweite Jahr mit geöffneter Entwicklung wohl mit einer Konvergenz in diesem Bereich zu rechnen: Die Konzepte mit einem E-Motor und Zwei- beziehungsweise Dreiganggetriebe von Renault e.dams und Abt Schaeffler haben sich als die stärksten Konzepte erwiesen, während die Twin-Motoren mit Eingang-Getriebe von DS Virgin und NEXTEV übergewichtig und damit schwerfällig waren.
Somit sind sowohl bezüglich der Technik und der Fahrer als auch des noch unfertigen Kalenders (in dem Alejandro Agag unbedingt noch einen London ePrix in neuer Location unterbringen will) in den nächsten Wochen und Monaten noch einige Newsmeldungen abzuwarten – und spätestens zum Saisonstart wird es hier im Racingblog einen Überblick und eine Einschätzung geben. Dauerhaft ist dagegen der Abschied vom Battersea Park – sicher keine perfekte Rennstrecke, aber zwei denkwürdige Final-Doubleheader hat uns diese Strecke beschert.
(Bilder: Formula E Media)
1 Kommentare
Die Berichte über die Formel E gehören auf diesem Blog zu den absoluten Highlights. Danke dafür und bis zur neuen Saison!
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