Rund zwei Monate nach dem sprichwörtlich ins Wasser gefallenen Okayama-Auftritt und der traditionellen Le-Mans-Pause düst die Super Formula in die stets heiße japanische Hochsommerperiode. Auf dem Fuji Speedway kommt es zur nächsten Belastungsprobe für den neuen Serienausstatter Yokohama, dessen Reifen ab Motegi Nachwuchs erhält.
Nach dem Saisonauftakt in Suzuka war das Fahrerlager zweigespalten. Während die Abräumer des ersten Rennwochenendes wie Sieger Naoki Yamamoto, Yuji Kunimoto und Rookie-Ass Stoffel Vandoorne mehr als nur lobende Worte über den neuen, schnellen wie auch langlebigen Einheitsreifen von Yokohama übrig hatten, gab es auch prominente Kritik. So äußerte sich insbesondere André Lotterer sehr kritisch über den Pneu, den er als zu hart einstufte. Zwar sei es löblich, dass der Reifen über die gesamte Renndistanz halte. Da die Gummimischung jedoch zu hart ausfalle, sei das Überholen nahezu unmöglich geworden. Der Champion von 2011 demonstrierte dies eindeutig bei seinem sehenswerten Duell mit Tomoki Nojiri, als der deutlich schnellere TOM’s-Pilot keinen Weg am Dandelion-Honda vorbeifand. Der SF14-Bolide von Dallara, so Lotterer, benötigt viel Downforce, die durch die harte Reifenmischung jedoch nicht mehr gegeben sei. Laut Lotterer würde so das packende Racing, für das die japanische Formelserie bisher stand, zerstört werden.
Dies war bereits die zweite kritische Aussage gegenüber Yokohama, die seit Anfang des Jahres in die Fußstapfen des langjährigen Super-Formula-Partners Bridgestone getreten sind. Während der Pre-Season-Testfahrten entpuppte sich der neue Regenreifen als nicht griffig genug. Zahlreiche Fahrer beschwerten sich darüber, dass selbst bei niedriger Wassermenge sich die Fahrzeuge wie auf Eis anfühlen. Zahlreiche Dreher und Unfälle waren das Resultat. Yokohama gelobte Besserung und brachte eine neue Regenmischung nach Okayama. Das Ergebnis: Besser, aber noch immer nicht griffig genug. Ob dieser Umstand auch Anteil am vorzeitigen Rennabbruch an gleicher Stelle Anfang Mai führte, sei jedoch dahingestellt. Wegen der hohen Wassermenge, bei der sich selbst kleinere Bäche auf der Strecke bildeten, blieb der Rennleitung letztlich keine andere Wahl, als in der achten Runde das hinter dem Safety Car gestartete zweite Saisonrennen vorzeitig abzubrechen und halbe Meisterschaftspunkte zu verteilen. Einen zweiten Anlauf an gleicher Stelle wird es am 10. Sowie 11. September 2016 geben. Der ehemalige Grand-Prix-Kurs von Okayama ist Ersatz für das eigentliche am gleichen Wochenende angesetzte Rennen in der Autopolis, das nach den beiden schweren Erdbeben von Kumamoto Mitte April vorzeitig abgesagt wurde. Die Strecke liegt rund 50 Kilometer von der Stadt Kumamoto entfernt, die am schwerste von beiden Erdbeben getroffen wurde, das mindestens 49 Todesopfer und über 3000 Verletzte forderte. Neben zahlreichen eingestürzten Häusern wurden auch viele der Zugangswege in der näheren Umgebung zerstört. Sowohl der Kurs als auch einige der Gebäude im Paddock der Autopolis-Anlage erlitten mehrere Risse, die repariert werden müssen. Die Wiederöffnung ist für Oktober geplant, weshalb sowohl Super Formula wie auch Super GT ihre beiden Auftritte in Kyūshū absagten. Beide Dachorganisationen (JRP und GTA) seit seither in mehrere Spendenaktionen für die Opfer der Naturkatastrophe involviert. Wohl auch als Kompensierung für den ins Wasser gefallenen Auftritt Anfang Mai, werden im September auf dem Okayama International Circuit zwei Läufe ausgetragen. Anders als beim Finale in Suzuka jedoch nicht am gleichen Tag. Stattdessen geht das erste Rennen am Samstag, den 10. September über 30 Runden, während die Hatz am darauffolgenden Sonntag über 51 Runden laufen wird.
Yokohama nahm sich die Kritik der Fahrer zu Herzen und wird ab dem nächsten Lauf am Twin Ring Motegi Ende August eine zweite, weichere Reifenmischung anbieten. Diese wurde bereits bei Testfahrten im Sportsland Sugo von James Rossiter, William Buller, Tomoki Nojiri und Stoffel Vandoorne erprobt. Die erste Bilanz war durchaus positiv. So bietet der „S Tyre“ getaufte Reifen spürbar mehr Grip und Fahrbarkeit als sein härteres Gegenstück, was die Rundenzeiten um etwas über eine Sekunde senken ließ. Wie auch beim Regenpneu möchte Yokohama auf Basis der gesammelten Daten weitere Verbesserungen vornehmen. Eine überarbeitete Variante des S-Reifen soll am Montag nach dem Fuji-Wochenende getestet werden, ehe der Gummi dann in Motegi seine Premiere feiert. Bislang ist allerdings unklar, ob die Teams frei zwischen den beiden Mischungen wählen dürfen, oder ob beide Reifensätzen, ähnlich Formel 1 und IndyCar, mindestens einmal pro Rennen genutzt werden müssen. Da bei den Super-Formula-Rennen, die in der Regel eine Distanz von 250 km haben, jedoch nur ein Boxenstopp nötig ist, darf man wohl davon ausgehen, dass man den Teams freie Reifenwahl geben wird. Letzteres dürfte dem Racing auf jeden Fall helfen, da so auch abseits der Benzinmengen unterschiedliche Strategien möglich sind. Zunächst muss sich am Fuße des japanischen Wahrzeichens der harte Yokohama-Gummi jedoch erst seiner nächsten Belastungsprobe stellen.
Der Fuji Speedway ist durch die Formel 1 in den 70er Jahren, insbesondere aber durch die beiden Grand Prix in den Jahren 2007 und 2008 bekannt. Der Kurs wurde extra für die Rückkehr der Königsklasse von Herman Tielke umgebaut und an die Sicherheitsstandards angepasst. Im Gegensatz zu anderen Strecken hat er die Strecke mit der längsten Geraden im kompletten Super-Formula-Kalender (1,5 km), auf der die Boliden über 310 km/h erreichen, aber nicht „vertielkt“, auch wenn die Abstinenz einiger Kiesbetten und die fast vollständige Eliminierung des „Bankings“ in einigen Bereichen der Strecke sehr bedauerlich sind. Der Kurs selbst liegt in der Shizuoka-Präfektur, nahe des kleinen Städtchens Oyama und nicht weit von der Großstadt Fuji-chi (übersetzt einfach nur Fuji oder Fuji Stadt) am Fuße des Fuji-san (so der japanische Name des berühmten Berges), sprich man hat nicht nur von der Rennstrecke einen malerischen Blick auf das bekannteste Naturwahrzeichen des Landes. Ebenfalls in der Nähe befindet sich der Fluss Fujikawa, der von der Präfektur Yamanashi bis nach Shizuoka fließt. Die Japaner lieben es, Wörter abzukürzen oder neue Komposita zu bilden, weshalb oftmals einfach nur vom Rennen „in Fuji“ spricht.
Die Strecke hat nach der Neueröffnung im Jahr 2005 eine Gesamtlänge von 4,563 km und insgesamt 16 Kurven. Nicht nur aufgrund der langen Start- und Zielgeraden, die in der Vergangenheit Schauplatz mehrere spektakulärer Windschattenduelle war, gilt der Kurs als flink. Die Piste beinhaltet zum Ende hin jedoch auch einige mittelschnelle und langsame Kurven. Nach der schnellen 300R folgt die Dunlop-Kurve, die ins Geschlängel der 13. und der Prius-Kurve mündet. Ein gutes Gasfußgefühl wie auch ein gut liegendes Auto sind in diesem Streckenabschnitt Pflicht. Essentiell für eine gute Runde ist das Herausbeschleunigen aus der finalen Panasonic-Kurve, um auf der Start- und Zielgeraden den nötigen Top-Speed aufzubauen. Im Folgenden eine Onboard-Runde mit André Lotterer aus dem Jahr 2014, in der er mit 1:22.572 Minuten einen neuen Rundenrekord aufstellte.
Für zahlreiche Top-Piloten muss die Wende bei der Highspeed-Schlacht von Fuji erfolgen, ansonsten dürfte der letzte Zug in Richtung Meisterschaftsambitionen abgefahren sein. Darunter Prominenz wie Kazuki Nakajima, Kamui Kobayashi, André Lotterer und Joao Paulo de Oliveira. Abgesehen von Lotterer (2,5 Punkte) erlebten sie alle keinen Auftakt nach Maß und blieben selbst nach dem vorzeitig abgebrochenen zweiten Saisonlauf punktelos. Besonders hart traf es den Impul-Piloten Joao Paulo de Oliveira, der in Okayama von Platz zwei hinter den Safety Car das Rennen aufnahm, zwei Runden vor Fallen der roten Flagge jedoch mit einem Elektronikproblem strandete. Entsprechend frustriert äußerte sich der Brasilianer, der hoffte, dass die Rennleitung keine Meisterschaftszähler aussprechen würde. Wie erwähnt gab es letztlich halbe Punkte. Ähnlich erging es auch Kamui Kobayashi, der ebenfalls mit Elektronikproblemen mehrfach die Boxengasse ansteuerte und gar sein Lenkrad auswechseln ließ. Das schwache Abschneiden der Super-Formula-Prominenz überrascht, zumal sie alle, insbesondere aber die beiden TOM’s-Piloten Lotterer und Nakajima, keine genaue Erklärung für die Ursache haben. Die Baustelle ist zumindest identifiziert: Im Gegensatz zu den Probefahrten mangelt es überraschenderweise an Grip, wodurch TOM‘s bereits in der Qualifikation, in der beide Fahrer es bislang noch nicht gelang ins dritte Segment (Q3) vorzustoßen. Wegen der Überholproblematik ging es in Suzuka – wegen der Regenabsage in Okayama kann lediglich der Auftakt als einig aktueller Gradmesser herhalten – dann nur bedingt vorwärts. Am Ende kamen sie auf den Plätzen sieben (Lotterer) und zwölf (Nakajima) ins Ziel. Am Fuji, wo Kazuki Nakajima 2015 den Silberrang hinter einem bärenstarken Joao Paulo de Oliveira erzielte, muss somit die Wende folgen. Letzterer gilt nicht nur wegen seines Vorjahreserfolgs als Favorit auf den Sieg. Traditionell ist der Brasilianer im Dienste des Traditionsteams der japanischen Motorsportlegende Kazuyoshi Hoshino während der Hochsommerperiode immer stark unterwegs. Ein oder gar zwei Siege könnten somit die Wende im Titelkampf bringen. Sein zweiter Qualifying-Rang in Okayama suggeriert zumindest, dass der zehnte Platz in Suzuka nur ein Ausrutscher des Champions von 2010 war.
Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch bei Titelverteidiger Hiroaki Ishiura ab. Während Teamkollege Yuji Kunimoto beim Saisonauftakt auf der zweiten Stufe des Podiums stand, kam der 35-jährige Japaner lediglich auf dem elften Rang ins Ziel. In Okayama dann die Wende. Just am gleichen Ort, wo er ein Jahr zuvor seinen Premierensieg feierte, gewann er erneut, auch wenn das Rennen wegen des Starkregens nach acht Runden vorzeitig abgebrochen wurde. Seine Leistung aus dem Qualifying konnte er bereits bestätigen: In der für dieses Jahr neuen einzelnen Trainingseinheit am Freitag erzielte er auf nasser Piste die Bestzeit. 2015 wurde Ishiura dritter beim Fuji-Auftritt. Das Straucheln der Top-Teams ist gleichzeitig natürlich auch die Chance für die kleineren Mannschaften. So waren in Okayama mit Koudai Tsukakoshi und Takuya Izawa erstmals beide Real-Racing-Piloten zusammen auf dem Podium. Generell scheint Tsukakoshi der harte Yokohama-Pneu gut zu liegen, denn bereits in Suzuka erlangte er mit seinem Honda-Boliden den fünften Platz. Für den einst für das GP2-Cockpit bei ART Grand Prix gehandelte Japaner, der 2012 nur knapp den Titelgewinn verpasste, darf der Saisonstart somit als mehr als nur gelungen bezeichnet werden. Gleichzeitig unterstreicht die Leistung Real Racings auch die gestiegene Performance von Honda, die nach zwei schwachen Jahren mit jeweils nur einem Sieg wieder den Weg an die Spitze gefunden haben.
So war es Naoki Yamamoto, der den Suzuka-Auftakt dominierte. Ironischerweise war man bei Mugen über den Triumph überrascht. Denn obgleich Yamamoto die Pole-Position herausfuhr, fand er sich bei den Trainingseinheiten noch mit mit Handling-Problemen am Ende des Klassements wieder. Die Renn- wie auch Qualifying-Performance des Meisters von 2013 bestätigte jedoch, dass Honda das Defizit auf den Konkurrenten Toyota wettmachen konnte. Dazu zählt auch die Performance von Docomo Dandelion Racing und insbesondere dem amtierenden GP2-Champion Stoffel Vandoorne, der mit dem Bronzerang in Suzuka sofort seine Klasse unter Beweis stellte. Der Gegenschlag seitens Teamkollege Tomoki Nojiri folgte jedoch zugleich: In Okayama war es der Japaner, der mit Platz vier nur knapp das Podium verpasste, während Vandoorne nach einer verpatzten Qualifikation lediglich auf Platz zwölf abgewunken wurde. Wie somit vor der Saison prognostiziert, entwickelt sich das Dandelion-interne Duelle beider Talente zu einem spannenden Schlagabtausch.
Eine große Unbekannte im Rennen werden erneut die Reifen sein. Der Grund: Bei den Vorsaisonprobefahrten wurde lediglich in Suzuka sowie Okayama getestet. Zwar war Toyotas Haus- und Teststrecke eine der ersten Anlaufstellen für die ersten Entwicklungsfahrten im Jahr 2015. Damals waren allerdings nur die Entwicklungsfahrer am Start, welche Daten für die Weiterentwicklung lieferten. Die Teams betreten dieses Wochenende somit Neuland. Der Highspeed-Charakteristik der Strecke bedingt, werden die Fahrzeuge auf weniger Downforce abgestimmt. Zusätzlich herrscht während des japanischen Sommers eine andere Luftdichte als noch im Frühling. Unklar ist somit, ob der harte Yokohama-Gummi genügend Grip auf dem Asphalt produzieren wird. Hingegen darf angenommen werden, dass wegen dem angesprochenen Härtegrad die meisten Teams beim Nachtanken auf einen Reifenwechsel verzichten werden. Viel taktischer Spielraum bleibt dadurch allerdings nicht übrig, weshalb erneut ein gutes Qualifikationsresultat Schlüssel zum Erfolg sein sollte. Zwar offenbaren vorhergesagte Temperaturen zwischen 24 und 27 Grad nicht den normalerweise üblichen heißen Hochsommer Nippons. Die extreme Luftfeuchtigkeit von bis zu 90% wird die Fahrer dennoch sehr ins Schwitzen. Obgleich Regenschauer in der gebirgigen Streckenumgebung stets unberechenbar sind (2014 würzte ein plötzlicher Regenschauer die finalen Runden), fällt das Risiko mit lediglich 20% am Rennsonntag eher gering aus. Wenn der diesjährige Sommerstart im Land der aufgehenden Sonne jedoch eines bewiesen hat, dann dass er unberechenbar ist. So herrschten in den letzten Wochen insbesondere in der Kanto-Region starke Temperaturschwankungen. Eine erste Prognose für die Taifun-Saison, die ihren Höhepunkt stets zwischen August und September erreicht, sagt weniger tropische Stürme in diesem Jahr voraus. Im Gegenzug sollen dafür die Temperaturen ansteigen.
TV-Zeiten Fuji
An der aktuellen TV-Situation hat sich nichts geändert, weshalb erneut auf die mehr oder weniger beliebte Graualternative im Internet zurückgegriffen werden muss. Der japanische Fernsehsender J Sports überträgt am Samstag ab 7:30 Uhr die Qualifikation live. Für den Sonntag hat J Sports 3 einen 9-stündigen Motorsport-Marathon im Programm. Bereits ab 1:15 Uhr deutscher Zeit wird man mit finalen Trainingseinheit der Super Formula auf Sendung gehen. Im Anschluss wird auch das gesamte Rahmenprogramm mit der japanischen Formel-3-Meisterschaft, dem N-One-Markenpokal sowie der GT Asia live übertragen. Höhepunkt ist natürlich die Super Formula, deren dritter Saisonlauf über 55 Runden um 7:00 Uhr deutscher Zeit startet.
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