Der GP von Ungarn hat oft für überraschende Ergebnisse gesorgt und auch in diesem Jahr könnte das Rennen abwechslungsreich werden. Dafür sorgen die Reifen und das Wetter.
Toto Wolff hat schon mal vorsorglich die Favoritenrolle an Red Bull weiter gereicht. Die würden in Ungarn, so der Mercedes-Verantwortliche, mit Sicherheit sehr flott unterwegs sein. In der Tat spricht einiges für die deutlich erstarkte Truppe. Dem Renault-Motor fehlt nur wenig Leistung auf die Mercedes und das kleine Defizit, das es noch gibt, spielt auf dem engen Kurs keine Rolle. Wohl aber will man viel Traktion haben, um aus den engen und mittelschnellen Kurven gut herauszukommen. Bekanntermaßen hat der RB12 davon jede Menge, was die Red Bull tatsächlich zu Anwärtern für den Sieg macht.
Wobei sich dann direkt die Frage stellt: Ricciardo oder Verstappen? Und die Frage ist nicht leicht zu beantworten. So richtig im Griff hat der Australier den Newcomer ja nicht, auch wenn der Niederländer in der Quali noch hier und da Fehler macht beziehungsweise Ricciardo schon mal eine sensationelle Runde raushauen kann. Ungarn ist aber eigentlich ein Kurs, auf dem man viel Erfahrung braucht, was für Ricciardo spricht. Also leichte Vorteile für den Australier, dem ein Sieg in dieser Saison auch wirklich zu gönnen wäre.
Die vermutlich gute Form der Red Bull bedeutet aber nicht, dass Mercedes hinterhergurkt. Bisher hat der Mercedes auf allen Strecken sein Potenzial bewiesen. Auch dem Chassis fehlt es nicht an Traktion, der Reifenverschleiß, der am Wochenende eine besondere Rolle spielen wird, ist auch sehr gut. Dazu kommt die bessere Leistung des Motors, die den Mercedes weiterhin einen kleinen Vorteil verschaffen sollte. Aber eng wird es in jedem Fall. Es wäre eine Überraschung, wenn Mercedes hier mehr als eine halbe Sekunde vorne liegen würde.
Spannend dürfte der Kampf zwischen Rosberg und Hamilton werden. Nach seinem Sieg in England (dem vierten in fünf Rennen) dürfte der Brite weiterhin Oberwasser haben. Auch die Strecke liegt Hamilton mehr als Rosberg. Während der Weltmeister hier schon vier Mal gewonnen hat, steht bei der Siegesbilanz des Deutschen eine glatte Null. Hier liegt der Vorteil auf dem ersten Blick also bei Hamilton. Auf dem zweiten Blick ebenso, denn Hamilton stand hier schon fünfmal auf der Pole, Rosberg bisher noch gar nicht. So gesehen wäre es also eine Überraschung, wenn der Deutsche in Ungarn einen Sieg einfahren könnte. Rosberg fährt nicht nur gegen Hamilton, sondern auch gegen die beiden Red Bull.
Die Wundertüte Ferrari ist schwer einzuschätzen. In Silverstone stand man sich selber im Weg, war aber an sich gar nicht so langsam. Ob dem seit Kanada umgebauten Ferrari allerdings der enge Kurs schmeckt, ist eine andere Sache. Überhaupt scheint man bei Ferrari in guter alter Tradition eher mit sich selber beschäftigt zu sein. Technikchef James Allison soll vor dem Abgang stehen, auch weil Ferrari-CEO Sergio Marchionne mit seiner Arbeit nicht zufrieden sein soll. Nach dem Rauswürfen von Pat Fry (jetzt Manor), Aldo Costa (jetzt Mercedes) und Nikolas Tombazis (ebenfalls Manor) wäre das der nächste hoch geschätzte Technik/Design-Guru, den man vor die Tür setzt.
Als Ersatz für Allison, der seinerseits schon mit Renault in Verbindung gebracht wird (da war er schon vorher), fällt mal wieder der Name Ross Brawn. Aber mal abgesehen davon, dass der Name Brawn immer fällt, wenn irgendwo bei einem Top-Team eine Stelle frei wird, kann ich mir nicht vorstellen, dass Brawn sich Ferrari in dieser Form antut. Es ist bekannt, dass der Brite sich jede Menge Freiheiten erbittet und Einmischungen von Außen (i.e. vom CEO) gar nicht schätzt. Das hat ihn von Mercedes weggetrieben. Zu seinen glorreichen Zeiten bei Ferrari hatte er zusammen mit Jean Todt komplette Handlungsfreiheit.
Und selbst wenn man Brawn bekommen würde: Für die Entwicklung des 2017er Auto käme er zu spät, dazu würde er mit Sicherheit den Laden mal wieder umbauen, was weitere Zeit in Anspruch nimmt. So gut der Name Brawn klingt, für Ferrari wäre das nicht die allerbeste Lösung. Wen sie allerdings statt Allison nehmen wollen, ist mir auch ein Rätsel.
Nach den eher mauen Rennen der letzten Zeit benötigt Ferrari dringend mal wieder ein Erfolgserlebnis. Immerhin konnte man ja auch das Rennen im letzten Jahr gewinnen. Aber ich bezweifle, dass das in diesem Jahr gelingen wird.
Immerhin dürfte der Abstand zum Rest weiterhin groß sein. Von Force India sollte man sich in Ungarn nicht viel erwarten, außer ein paar wenige Punkte. Da könnte eher McLaren für eine Überraschung sorgen, immerhin fuhr man auch im letzten Jahr in die Punkte. Sowohl Alonso als auch Button mögen die Strecke, das Leistungsdefizit des Honda spielt keine Rolle, weil die Geraden zu kurz sind, und im mittleren Leistungsbereich sind die Japaner schon fast dran an Renault. Das gute Chassis hilft ebenfalls, allerdings muss man wieder abwarten, ob dem Honda beziehungsweise den Piloten nicht mal wieder die erlaubten Ersatzteile ausgehen. Eine Rückversetzung in Ungarn ist ja eine doppelte Strafe.
Die Williams haben in diesem Jahr mehrfach eindrucksvoll dargestellt, dass ihnen langsame Kurse nicht liegen. Von daher wären Punkte ja schon eine kleine Überraschung. Das gilt nicht für Toro Rosso, deren alter Ferrari-Motor in Ungarn nicht negativ auffallen wird. Sainz ist ein Punktegarant, Kvyat braucht dringend mal wieder ein gutes Ergebnis, das er hier holen könnte.
Haas, Renault und Sauber sind eher nicht in der Nähe der Punkte zu suchen. Obwohl der Sauber auf engen Kursen bisher gut ging, dürfte der Entwicklungsabstand zum Rest zu groß sein. Dem Manor fehlt es an Abtrieb, der in Ungarn dringend benötigt wird, also wird das Team eher den Abschluss des Feldes bilden.
Strategie
Pirelli bringt Medium, Soft und Supersoft mit, also das Übliche. Die Medium will in Ungarn keiner, also haben fast alle Team große Kontingente der Supersoft und der Soft geordert. Die Fixierung auf die Supersoft könnte sich aber bei dem einen oder anderen als kleines Problem herausstellen, denn es soll ziemlich heiß werden. Angesagt sind mindestes 31 Grad am Sonntag und der Asphalt ist bekannt dafür, dass er die Reifen zum Graining bringt. Das gilt insbesondere für die Vorderreifen. Graining vorne führt dann zu Untersteuern, was man in Ungarn überhaupt nicht haben will. Die Kettenreaktion ist dann: ein rutschendes Auto und Graining an den Hinterreifen, also ein massiver Zeitverlust.
Was man in der Saison auch gut beobachten konnte, ist das Phänomen, dass manche Autos scheinbar auf den Soft schneller sind als auf den Supersoft. Das war in Österreich bei Mercedes so, das wurde aber auch schon bei Ferrari und Red Bull beobachtet. Der Grund dafür ist nicht, dass der Supersoft schlechter wäre, aber sein Peak Bereich ist kleiner und der Drop-Off am Ende größer. Bei großer Hitze spielt das eine zusätzliche Rolle. Ebenfalls ist aufgefallen ist, dass die Soft bei aufgummierter Strecke am Ende eines Rennens selbst im leicht angenagten Zustand nicht langsamer sind als neue Supersoft.
Bei den Temperaturen sollten zwei Stopps die Regel sein und die Wahl dürfte auf Supersoft (Start), Soft, Soft fallen. Die Soft sollten mindestens 25 Runden schaffen, vielleicht 30 gegen Ende des Rennens, aber das kommt auf den Verschleiß der Hinterreifen an. Eine Variante wäre natürlich der Medium, aber nur Force India hat davon überhaupt zwei Sätze geordert. Der Zeitenunterschied zwischen dem Soft und dem Medium müsste in Ungarn mindestens eine Sekunde betragen, man verliert auf einem Longrun also mehr Zeit, als man der Box für einen Stopp verliert. Macht also wenig Sinn, selbst für einen Zwischenstint nicht.
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Der Grund für die unterschiedliche Performance der Reifen ist der Temperaturbereich für den die designed worden sind. Die US, S und H sind für höhere Temperaturen ausgelegt als die SS und M.
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