Nach einem Jahr Pause gibt es endlich wieder ein Rennen in Deutschland. Das könnte allerdings so einseitig werden wie schon in den Jahren davor.
Nach dem Desaster rund um den Nürburgring kehrt die Formel Eins nach einem Jahr wieder nach Deutschland zurück. Es ist das letzte Rennen vor der Sommerpause und die kommt für einige Team gerade recht, um ein paar Sachen zu sortieren. Das gilt auch für Mercedes, denn dort hängt mal wieder der Haussegen schief. Schuld daran ist dieses Mal Lewis Hamilton, der in Ungarn, wohl ohne Absprache mit beziehungsweise Zustimmung des Team, Kontakt mit der Rennleitung aufgenommen hatte, um die Polerunde von Nico Rosberg untersuchen zu lassen (mehr dazu im Podcast). Was man so hört: Mercedes war „not amused“, konnte aber auch nichts dagegen machen. Zum einen wäre die Pole so oder so bei Mercedes geblieben, zum anderen hat Hamilton gerade einen Lauf.
Den wird er vermutlich auch in Deutschland haben, auch wenn die Bilanz zwischen Rosberg und Hamilton am Hockenheimring ausgeglichen ist. Beide konnten jeweils einmal gewinnen und beiden sollte die Strecke ungefähr gleich gut liegen. In der bisherigen Saison hat sich herausgestellt, dass Rosberg auf den eher mittelschnellen Strecken die Nase vorne haben kann. Die Strecke bietet also beiden die Möglichkeit, ihre jeweiligen Stärken ausspielen zu können. Das gilt auch für das Chassis von Mercedes, das vermutlich in Deutschland nicht zu schlagen sein wird.
Auch Ferrari wird über die Pause erfreut sein. Man hat den Anschluss an Mercedes verloren und musste dabei zu sehen, wie Red Bull immer näher kam. Jetzt ist auch noch Technik-Chef James Allison weg – die Hintergründe dazu sind nicht ganz klar, aber der Brite hat im Frühjahr seine Frau verloren, die nicht volljährigen Kinder leben in England, während Allison in Maranello arbeitet. Das hier private Ursachen für einen Abgang gesorgt haben, ist mehr als verständlich. Allison ist es aber auch nicht gelungen, ein Auto zu konstruieren, das zumindest in der Lage ist, Mercedes unter Druck zu setzen. Im Grunde hat man, verglichen mit den Erfolgen im letzten Jahr, sogar einen Rückschritt gemacht, obwohl der Motor besser geworden ist.
Für Allison übernimmt nun Matteo Binotto, der Leiter der Motorentwicklung. Der ist aber kein ausgewiesener Aerodynamiker und die Frage ist, wen Ferrari nun als Ersatz findet. Es wird keine leichte Suche, denn fast alle bekannten und gute Leute sind im Moment nicht zu haben. Schon gar nicht mitten in der Saison, wo alle Teams schon an den Autos für 2017 arbeiten. Für Ferrari doppelt blöd: Selbst wenn man einen guten Aerodynamiker abwerben kann, wird der nicht sofort arbeiten können, weil sich alle Teams mit Sperrklauseln absichern. Anders gesagt: Wenn man jetzt zum Beispiel James Key von Toro Rosso bekommen würde, dürfte der vermutlich nicht vor Januar bei Ferrari anfangen. Viel zu spät, um noch was am 2017er Chassis zu tun. Allison wird das sicher vorbereitet haben, die Detailarbeit muss Ferrari aber nun mit den verbliebenen Leuten erledigen. Muss kein Nachteil sein, kann es aber.
In Hockenheim sollte Ferrari aber wieder gute Chancen haben, der erste Verfolger der Mercedes zu sein. Das Chassis ist ja grundsätzlich nicht schlecht und funktioniert gut sowohl in engen Passagen (siehe Ungarn) wie auch auf schnellen Streckenabschnitten. Der Abstand dürfte aber mal wieder die üblichen 0,7 Sekunden betragen.
Red Bull wird aber nicht weit hinter Ferrari oder sogar auf Augenhöhe sein. Die lange Gerade schmeckt dem Renault nicht, dafür aber der gesamte Bereich des Motodrom, wo der Red Bull zu den stärksten Autos gehören sollte. Die Zeit, die man im hinteren Streckenteil verliert, holt man da wieder auf. Das ist vor allem für die Quali eine wichtige Sache, denn dort könnte man sich dann zwischen oder vor die Ferrari schieben. Liegt man dahinter, wird es schwer für die Red Bull, im Rennen weiter nach vorne zu kommen.
Dahinter werden sich Force India, Williams und McLaren einfinden. Für Force India läuft es, nach einem erneuten Umbau des Wagens, nicht schlecht und Punkte sollten auch in Hockenheim drin sein. Das sieht man auch schon an der Auswahl der Reifen (siehe unten), denn die Inder spielen wohl mit dem Gedanken, nur einmal zu stoppen. Was sich Williams in diesem Jahr nicht erlauben kann. Nach dem erwartbar schlechtem Rennen in Ungarn sollte die Mannschaft in Deutschland wieder besser aufgestellt sein. Die Hochgeschwindigkeitspassagen passen, das Motodrom aber nicht. Was wieder McLaren ins Spiel ins bringt. Für deren Geschmack ist die Gerade ein bisschen zu lang, da der Honda immer noch nicht über genügend Hybrid-Leistung verfügt, um einen vernünftigen Topspeed zu haben. Aber die Gerade ist wiederum kurz genug, dass das nicht so problematisch sein sollte. Der Rest der Strecke passt und bei den Fortschritten, die das Team gemacht hat, sind Punkte auf jeden Fall drin.
Schwer wird das für Toro Rosso, Renault, Haas, Sauber und Manor, die das Ende des Feldes bilden. Bei Manor und Sauber fehlen weiter die Updates und ganz grundsätzlich fehlt es beiden Chassis an Abtrieb, was man am Hockenheimring aber dringend benötigt. Renault und Haas kämpfen auf den mittelschnellen Strecken seit Anfang des Jahres mit Problemen. Einzig Toro Rosso könnte es je nach Rennverlauf gelingen, einen Fahrer in die Punkte zu bugsieren.
Strategie:
Das letzte Rennen auf der Strecke war 2014, ist also zwei Reifengenerationen her. Die Daten aus diesem Jahr und die Tatsache, dass Pirelli die üblichen Supersoft-, Soft-, Medium-Reifen mitbringt, deuten daraufhin, dass man es durchaus mit einem Stopp schaffen könnte. Das hängt aber auch ein bisschen davon ab, wie das Wetter wird. Im Moment sind für den Sonntag 27 Grad und kein Niederschlag angesagt. Damit hängt man im Reifenfenster genau zwischen zwei Strategien. Der Supersoft müsste, den Erfahrungswerten nach, rund 15 bis 20 Runden halten, dann wären es noch 47 Runden auf den Soft, was ein bisschen viel ist. Schleppt man die Supersoft bis in Runde 25, sind es nur noch 42 Runden. Derartige Stints hat man in diesem Jahr schon mal gesehen. Allerdings kamen die Fahrer dann in den letzten Runden in Probleme.
Da man in Hockenheim mindestens zwei recht gute Überholstellen hat, die allesamt nach einer Haarnadel kommen, ist das Risiko, auf abgenutzten Reifen ausbeschleunigt zu werden, also durchaus groß. Der Zeitunterschied zwischen alten Soft und halbwegs brauchbaren Supersoft dürfte am Ende des Rennen rund 1,5 Sekunden betragen. Bei einer Stoppzeit von circa 21 Sekunden reicht also ein Wechsel auf Supersoft in Runde 50.
Daher sehen die meisten Strategien vermutlich eine Zwei-Stopp-Strategie vor. Mercedes wird die Supersoft nur zum Start nutzen, um im Rennen die Soft zu nehmen, mit denen man besser klarkommt. Ferrari wird es anders versuchen, ebenso Red Bull. Hier wird dann die Frage sein, ob man über die Strategie etwas reißen kann. Aber es dürfte aufgrund der Zeitabstände schwer werden, die Mercedes über einen Undercut unter Druck zu setzen.