Nach sechswöchiger Sommerpause hat sich die BTCC in Snetterton mit den Saisonläufen 16, 17 und 18 zurückgemeldet. Colin Turkington, Mat Jackson und Gordon Shedden sorgten mit ihren Siegen für Markenvielfalt auf der obersten Stufe des Podiums. In Erinnerung werden aber auch zwei heftige Unfälle bleiben, in die gleich mehrere Autos verwickelt waren, die aber glücklicherweise glimpflich ausgingen.
Dabei begann der Renntag im ersten Lauf noch ganz ruhig und gesittet. Gordon Shedden (Honda) hatte sich knapp vor Colin Turkington (Subaru) und Adam Morgan (Mercedes) die Pole Position gesichert. Und man mag es kaum glauben, aber das war tatsächlich die erste Honda-Pole seit Donington 2013. Tom Ingram (Toyota) unterstrich mit Startplatz 4 seine tollen Fähigkeiten in der Qualifikation. Hinter Mat Jackson (Ford) auf P5 landete als Überraschung des Tages Hunter Abbott im Power Maxed-Chevrolet. Árón Smith (VW), Ash Sutton (MG), Matt Neal (Honda) und Sam Tordoff (BMW) komplettierten die Top Ten.
Erst dahinter qualifizierte sich Turkingtons Teamkollege Jason Plato, der ja eigentlich auch gerne mal im neuen Subaru gewinnen würde. Noch schlechter lief es für Rob Collard, der nach seiner starken Vorstellung in Croft immerhin der Drittplatzierte in der Meisterschaft ist. Für den BMW-Piloten reichte es nur zu Startplatz 16, was seine bekannte Schwäche in der Qualifikation einmal mehr unterstrich. Independent-Leader Andrew Jordan musste das Feld gar von ganz hinten aufrollen, da er wegen einer defekten Servolenkung keine einzige gezeitete Runde in der Qualifikation hinlegen konnte.
Lauf 1
Beim Start konnte Shedden seine Führung gegen Turkington, trotz dessen Heckantrieb-Vorteil, verteidigen. Dahinter kassierte Mat Jackson Ingram und Morgan, die sich auch von Ash Sutton überholen lassen mussten. Überraschungsmann Hunter Abbott startete leider miserabel und wurde weit nach hinten durchgereicht, während für Árón Smith schon im Verlauf der ersten Runde Schluss war.
In der Reihenfolge Shedden vor Turkington, Jackson, Sutton, Morgan, Ingram, Plato, Collard, Neal und Tordoff kehrte das Feld aus der ersten Runde zurück. Turkington begann sogleich, Druck auf Shedden aufzubauen, und auch wenn der amtierende Champion fast das gesamte Rennen über voll am Limit verteidigte, schaffte es Turkington in der achten Runde mit reichlich Lackaustausch vorbei am Honda.
Die Plätze waren damit bezogen und abgesehen von einer erfolgreichen Attacke von Plato auf Ingram passierte nicht mehr viel. Colin Turkington holte sich einen weiteren Sieg im neuen Subaru Levorg, Gordon Shedden und Mat Jackson komplettierten das Podium. Es folgten Adam Morgan, Jason Plato, Tom Ingram, Sam Tordoff, Matt Neal, Warren Scott (jaja, genau!) und James Cole.
Auch wenn die Subaru trotz des Turkington-Siegs bei weitem nicht so dominant wirkten wie noch in Croft und Oulton Park, waren plötzlich alle vier Subaru in den Top Ten ins Ziel gekommen. Eine absolut anerkennenswerte Leistung, wenngleich Cole und Scott von Reifenplatzern profitierten die nacheinander die beiden MG von Ash Sutton und Josh Cook ereilten und sicher scheinende Punkte zunichte machten.
Lauf 2
Beim Start zum zweiten Lauf stürmte Mat Jackson zunächst an Gordon Shedden vorbei und schnappte sich dann in der nach dem im vergangenen Jahr verstorbenen Justin Wilson benannten Haarnadelkurve auch Colin Turkington und damit die Führung. Weiter hinten brach ausgangs Turn 1 jedoch Chaos aus, als Warren Scott quer durchs Feld segelte und dabei unter anderem Árón Smith und Kelvin Fletcher ins Aus beförderte.
So richtig brenzlig wurde es aber erst einige Ecken später, als Dan Welch und Ollie Jackson beim Herausbeschleunigen auf die Bentley Straight aneinander gerieten und einen Massenunfall auslösten, in den unter anderem Hunter Abbott, Mark Howard, Alex Martin und Ash Sutton verwickelt wurden. Angesichts mehrerer kaputter Autos auf der Strecke und heftig ondulierter Leitplanken zückte die Rennleitung sofort die rote Flagge und brach das Rennen ab.
Wie es genau zu dem Unfall gekommen ist, lässt sich nur schwer rekonstruieren, da die Fernsehbilder fast nur den aufgewirbelten Staub zeigen. Klar ist, dass Ollie Jackson wohl etwas zu weit aus Williams herauskam und beim Wiedereinfädeln auf die Strecke und mit Dan Welch aneinandergeriet. Jackson segelte durch den Kontakt quer über die Strecke und schlug auf der gegenüberliegenden Seite sowohl in die Leitplanke als auch in Hunter Abbott ein. Welch blieb nach halbem Dreher quer auf der Strecke stehen, wo ihn Ash Sutton, der durch den aufgewirbelten Staub nichts sehen konnte, volle Breitseite erwischte.
Wie viele Schuztengel bei dem Unfall aktiv waren, zeigte sich hinterher am komplett zerstörten Proton von Dan Welch: Sutton war knapp hinter der Fahrertür eingeschlagen und hatte einen regelrechten Keil in die Karosserie geschlagen. Völlig krumm und schief wurde der Proton, der nur noch Schrottwert hat, anschließend vom Abschleppwagen abtransportiert. Recht schnell wurde übrigens noch am Sonntag ein Crowdfounding auf die Beine gestellt, um Dan Welch und sein Team beim Wiederaufbau von „Optimus“ zu unterstützen.
The @DunlopBTCC technical scrutineers say it’s prob the worst damage they have seen. Crowd funding details soon! pic.twitter.com/OidW3TZRFR
— BTCCDanWelch (@BTCCDanWelch) 31. Juli 2016
Man mag sich gar nicht ausmalen, was hätte passieren können, wenn Sutton nur einen halben Meter weiter links auf Höhe der Fahrertüre in den Proton geschossen wäre. So blieben glücklicherweise alle unverletzt und bis auf den Proton konnten sogar alle Fahrzeuge für den dritten Lauf wieder einigermaßen hergerichtet werden. Ollie Jackson erhielt anschließend noch als vermeintlicher Verursacher eine Geldstrafe und drei Strafpunkten auf seine Lizenz.
Nach den Aufräumarbeiten stand aber immer noch ein Rennen an. Beim Neustart konnte sich Mat Jackson erneut den Honda von Shedden schnappen und schaffte es im Infield dann auch wieder vorbei an Turkington. Die eroberte Führung ließ sich der Ford-Pilot anschließend nicht mehr nehmen und brachte einen sicheren Sieg nach Hause.
Dahinter ging es in der zweiten Runde turbulent zu: Gordon Shedden krachte bei dem Versuch einer Attacke in der Wilson-Hairpin in Turkingtons Subaru, was wiederum den dahinter liegenden Adam Morgan motivierte, seinerseits in Shedden zu krachen. Alle drei konnten zwar weiterfahren, aber beim Anbremsen auf Agostini torpedierte Morgan Shedden erneut, was diesen schließlich einige Positionen verlieren ließ.
Durch das dahinter aufgeschobene Feld entstand etwas Chaos und munter wurden die Positionen gewechselt. Colin Turkington behielt trotz des Honda-Rammstoßes seinen zweiten Platz; dahinter lag nun Adam Morgan gefolgt von Matt Neal, Jason Plato, Rob Collard (wo auch immer der plötzlich herkam), Tom Ingram, Sam Tordoff, Gordon Shedden und Rob Austin.
Insbesondere die beiden alten Haudegen Neal und Collard, der den ersten Lauf noch auf P16 beendet hatte, fuhren nun muntere Attacken. Während sich Collard an Plato vorbei schob, konnte sich Neal an Morgan für den dritten Platz vorbei arbeiten. Nur zwei Runden später war dann Collard seinerseits an Morgan vorbei und machte sofort Jagd auf Matt Neal. In der achten Runde setzte Collard vor Agostini eine Attacke auf den Honda und Seite an Seite gingen beide durch die folgenden Kurven, bis Neal seine Position auf der Bentley Straight doch noch behaupten konnte.
In ihrem Fight gingen die beiden ein so hohes Tempo, dass sie sogar wieder auf die Führenden aufschlossen. An den Positionen sollte sich aber nichts mehr ändern und Mat Jackson holte sich seinen zweiten Saisonsieg vor Colin Turkington, Matt Neal und Rob Collard. Es folgten auf den weiteren Positionen Adam Morgan, Jason Plato, Tom Ingram, Sam Tordoff, Rob Austin und Gordon Shedden.
Lauf 3
Im Anschluss an diesen Lauf wurde zum sechsten Mal in diesem Jahr die Startaufstellung für den dritten Lauf ausgelost – und zum insgesamt vierten Mal (!) ging die Pole Position an Sam Tordoff. Der Mann sollte definitiv mal einen Lottoschein ausfüllen. Mit der Pole hatte Tordoff, der sich mangels Grip an seinem BMW 125i in den beiden bisherigen Läufen eher in den hinteren Top Ten aufgehalten hatte, plötzlich beste Chancen, seine Führung in der Meisterschaft weiter auszubauen.
Wenige Sekunden nach dem Start zum dritten Lauf interessierte aber niemanden mehr, dass Tordoff seine Pole Position erfolgreich verteidigen konnte, denn weiter hinten im Feld sah man plötzlich den Chevrolet von Hunter Abbott in einem mehrfachen Überschlag, der ihn zunächst oben auf die Leitplanke und dann gegen den bei Start-Ziel aufgestellten Kameraturm krachen ließ. Der gut drei Meter hohe Gerüst-Turm brach samt Kameramann sofort zu Seite und kippte um.
Der Schock über das soeben Gesehene war nicht nur den Kommentatoren anzumerken. Die Rennleitung zeigte logischerweise sofort die rote Flagge und einige bange Sekunden vergingen, ehe man einen sichtlich mitgenommen Hunter Abbott neben seinem zerstörten Chevrolet stehen sah. Und wenig später meldete ITV, der Sender, der für die Übertragung verantwortlich ist, dass der Kamermann bei Bewusstsein und offensichtlich ohne größere Verletzungen davon gekommen war. Gleiches galt glücklicherweise auch für alle anderen am Unfall Beteiligten.
Gekommen war es zu dieser haarsträubenden Szene, als Mark Howard und Alex Martin in ihren gerade frisch reparierten Autos aneinander gerieten und rechts in die Boxenmauer einschlugen. Howard wurde von dort nach links zurück geschleudert, wo ihm Hunter Abbott nicht mehr ausweichen konnte, an dessen linkem Kotflügel aufstieg und sich in Richtung Leitplanke (und Kameraturm) überschlug. Ein echter Horrorunfall, der mit viel Glück gut ausging.
Während die Strecke aufgeräumt und die Wracks geborgen wurden, ließen sich mehrere Fahrer über die an diesem Wochenende schlechten Driving Standards aus. Natürlich mag die aggressive Fahrweise mit zu den beiden Unfällen geführt haben, aber gleichwohl ist auch bekannt, dass es um die Sicherheit bei britischen Rennstrecken nicht immer so optimal bestellt ist. Ein einfacher, fest im Boden verankerter Fangzaun vor dem Kameraturm, der quasi direkt an der Leitplanke stand, hätte zwar nicht den Überschlag, aber immerhin die fürchterliche Situation für den Kameramann verhindern können.
Mit einer Stunde Verzögerung sollte der dritte Lauf dann neu gestartet werden. Und um das Drama-Level gleich hochzuhalten, steuerte der Pole-Sitter und Meisterschaftsführende Sam Tordoff nach der Einführungsrunde die Box an und stellte seinen BMW mit technischem Deffekt unvermittelt ab. Diese Nullnummer tat natürlich besonders weh.
Tom Ingram als unverhofft neuer Pole-Mann wurde beim Start sogleich von Jason Plato und Rob Collard kassiert, ehe sich in der Wilson-Hairpin auch Adam Morgan innen neben den Toyota setzte. Gleichzeitig boxte sich Mat Jackson auf einer noch weiter innen liegenden Linie an beiden vorbei und schickte dabei sowohl Ingram als auch Morgan neben die Strecke. Aus dem entstandenen Chaos ging plötzlich Rob Austin als Vierter hervor, während Collard und Jackson versuchten, die Führung von Plato zu übernehmen. Hinter Austin reihten sich Colin Turkington, Aiden Moffat, die beiden Dynamcis-Honda in der Reihenfolge Shedden vor Neal und Adam Morgan ein.
In der zweiten Runde konnte der wieder mal sehr kämpferisch auffahrende Rob Collard vor der Hairpin die Führung von Plato übernehmen, für den es damit wieder mal nicht zu einem Sieg reichen sollte. In Runde 3 wurde es dann wieder richtig turbulent, als Shedden zunächst an Austin für P4 vorbeiging und kurz danach Mat Jackson den zweiten Platz von Jason Plato eroberte. Shedden und Austin gingen im Infield gleich mit am Subaru vorbei und durch den entstandenen Rückstau gelang es Andrew Jordan dahinter, auf der Bentley Straight die beiden Mercedes von Moffat und Morgan zu überholen. Unvermittelt war aber nun plötzlich Mat Jackson aus dem Rennen, der sich bei der Attacke auf Plato das Auto kaputt gefahren hatte.
Somit führte Collard nun vor Shedden, Austin, Plato, Turkington und Jordan. Während sich Collard an der Spitze absetzen konnte, erhöhte Andrew Jordan in den folgenden Runden den Druck auf Turkington und konnte diesen schließlich in der achten Runde überholen. In der letzten Runde wurde es dann an der Spitze noch mal spektakulär, als Gordon Shedden plötzlich direkt hinter dem mit abbauenden Reifen kämpfenden Rob Collard lag und diesen attackierte. Mit zwei leichten Kollisionen kämpfte sich Shedden sehenswert am BMW vorbei und sicherte sich den Sieg. Ein zufriedener Rob Austin, der endlich mal ein zählbares Resultat in seinem Toyota einfahren konnte, komplettierte das Podium. Es folgten Jason Plato, Andrew Jordan, Colin Turkington, Adam Morgan, Aiden Moffat, Josh Cook und Matt Neal.
Meisterschaft
Was heißt das alles für die Meisterschaft? Abgesehen vom zweiten Lauf, als er aufs Podium fuhr, zeigte Matt Neal mit P8 und P10 zu wenig. Sam Tordoff hatte nach den mittelmäßigen P7 und P8 in den ersten beiden Läufen beste Chancen, einen Sieg im letzten Lauf einzufahren, bevor ihm die Technik einen Strich durch die Rechnung machte.
So ist es nun Rob Collard, der mit drei Punkten Vorsprung auf Teamkollege Tordoff und sechs Punkten auf Matt Neal aus Snetterton abreist. Nach dem schwachen 16. Platz im ersten Lauf hätte Collard das wohl selber kaum geglaubt, wenn man es ihm gesagt hätte. Aber eine Setup-Änderung an seinem BMW und eine furiose erste Runde im zweiten Lauf, brachten den West Surrey-Piloten zurück an die Spitze. Dass es für den Sieg im dritten Lauf nicht ganz gereicht hat, ist angesichts der eroberten Tabellenführung zu verschmerzen. Und gleichzeitig zeigt es auch einen gewissen Reifeprozess des in der Vergangenheit oft ungestümen Rob Collard, der anstatt die Führung auf Biegen und Brechen zu verteidigen und einen Ausfall zu riskieren, die sicheren Punkte für P2 mitnahm.
Mit seinem Sieg im dritten Lauf und dem Podium im ersten hat sich Gordon Shedden in der Meisterschaft zurück an die Spitze gekämpft und liegt nun mit 25 Punkten Rückstand auf Tabellenplatz 4. Knapp dahinter ist mit 34 Punkten Rückstand nun Colin Turkington aufgetaucht. Angesichts der brillanten Leistungen, die er bei den letzten drei Saisonstationen mit dem Subaru gezeigt hat, muss man ihn wohl spätestens jetzt zum Kreis der ernsthaften Titelaspiranten rechnen.
Die gesamten Meisterschaftsstände sowie die Ergebnisse der drei Läufe aus Snetterton können hier abgerufen werden.
Die Notizen am Rande:
– Nach neun beeindruckenden Rennen ist die Saison für den Rookie Dan Lloyd schon wieder beendet. Weil ein Sponsor seinen Zahlungen nicht nachkam, konnte er das Cockpit im Eurotech-Honda leider nicht weiter finanzieren.
– Auch Chris Smiley ist seinen Platz im Toyota des Team HARD vorerst los. Für ihn hat in Snetterton Michael Caine übernommen.
Die nächsten BTCC-Rennen finden schon am übernächsten Wochenende statt, wenn mit dem tollen Kurs im schottischen Knockhill eines der Saisonhighlights auf dem Programm steht.
2 Kommentare
Irgendwas stimmt hier nicht.
Hab mir gerade alle drei Läufen auf der ITV Homepage angesehen und in keinem passieren die beschrieben Unfälle. Haben die versehentlich das falsche Rennen hochgeladen oder ist hier im Bericht was schief gelaufen??
@ Bluthund87:
Auf der ITV-Website wurden nur die jeweils neu gestarteten Läufe 2 und 3 hochgeladen. Die beiden abgebrochenen Starts wurden weggelassen.
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