Der aus Neuseeland stammende ehemalige Formel Eins-Fahrer Chris Amon ist heute im Alter von 73 Jahren verstorben. Amon war unter anderem Werksfahrer bei Ferrari.
Der Name Chris Amon sagt den jüngeren Fans heute kaum noch etwas. Dabei war der 1943 in Neuseeland geborene Amon in den 60er Jahren einer der schnellsten seiner Zunft. Seine Karriere begann er in der Tasman-Serie, wo er schnell von Bruce McLaren entdeckt und gefördert wurde. Zu Beginn der 60er Jahre rutschte er in die Formel Eins und galt als einer der schnellsten, zuverlässigsten und besten Piloten seiner Zeit. Zunächst fuhr er für den britischen Reg Parnell-Rennstall. In den 60er Jahren war das Fahrerlager noch voll mit privaten Rennteams, die ihr Glück in der Formel Eins versuchten. Werksteams gab es nur wenige, eine der wenigen Ausnahmen war das Ferrari-Team.
Chris Amon machte sich schnell einen Namen. Im unterfinanzierten und nicht immer mit dem besten Material ausgestatteten Parnell-Team ließ er nicht nur Teamkollegen wie Mike Hailwood und Lucien Bianchi hinter sich, sondern schlug in den ersten Runden auch die Konkurrenz. Mit dem schon etwas betagten Lola MK4-Chassis und einem nicht immer zuverlässigen V8 von BRM konnte er weder Podien noch Siege erringen, aber er verdiente sich den Respekt der Fahrerkollegen.
Reg Parnell starb 1964, sein Sohn Tim übernahm den Rennstall, steckte aber bald in finanziellen Schwierigkeiten. Schon damals bestimmte auch das Geld, wer in einem Cockpit saß, und Richard Attwood, damals bei BRM als Werkspilot unter Vertrag, übernahm das Cockpit von Amon, da er den neuen BRM V8 im Gepäck hatte. Amon wendete sich den Prototypen zu und fuhr für das CanAm-Team von Bruce McLaren. Während in der Formel Eins die Erfolge ausblieben, sah es bei den Sportwagen anders aus.
1966 trat Amon zusammen mit Bruce McLaren für Ford mit dem GT40 in Le Mans an. Das Finish gilt bis heute als eines der legendärsten, die es jemals in Le Mans gegeben hat. In der letzten Stunde lagen Dennis Hulme und Ken Miles mit einer Runde vor Chris Amon und Bruce McLaren. Stefan hat das Finish in seinem großartigen Artikel über die Rivalität zwischen Ford und Ferrari zusammengefasst:
Auch die Fords kamen nicht ungeschoren davon, doch zwei Shelby-GT40 lagen in der letzten Stunde an der Spitze: Ken Miles und Denis Hulme in der #1 und Bruce McLaren und Chris Amon in der #2 (es heißt, McLarens Wagen sei sabotiert gewesen, weil er beim Team weniger beliebt war). Henry Ford II. war anwesend und wies seine Piloten an, nebeneinander über die Ziellinie zu fahren; er wollte zwei Siegerautos: Miles wartete auf McLaren und die beiden erfüllten die Order ihres obersten Bosses. Doch der ACO akzeptierte kein Unentschieden: McLaren und Amon wurden zum Siegerteam erklärt, da sie aufgrund ihrer schlechteren Startposition in den 24 Stunden mehr Distanz zurückgelegt hatten. Ken Miles, langjähriger Testfahrer in Ford GT40-Programm, war untröstlich; wenige Monate später verunfallte er bei Testfahrten der nächsten Iteration des GT40, des sogenannten J-Car, tödlich.
Enzo Ferrari war zum einen über den Sieg der Ford nicht erfreut, andererseits hatte er in Le Mans und bei den sporadischen Einsätzen von Amon in der Formel Eins gesehen, was für ein guter Fahrer der Neuseeländer war. Kurzerhand bot er Amon einen Vertrag als Werksfahrer in der Formel Eins, den Amon dankend annahm.
Von 1967 bis 1969 fuhr er für den italienischen Rennstall. Die Konkurrenz war allerdings groß. Jack Brabham, Denny Hulme und vor allem Jim Clark im Lotus machten Ferrari das Leben schwer. Aber Amon ließ sich nicht einschüchtern. Mehrfach lag er in Führung oder in Reichweite des Podiums. Doch immer wieder schlug das Pech zu. Nicht Unfälle verhinderten seine Siege, es waren mechanische Defekte, die ihn ausbremsten. Amon hatte ausgerechnet jene drei Jahre der Scuderia erwischt, in denen überhaupt nichts zusammenlief. In den drei Jahren, in denen er bei Ferrari unter Vertrag war, gelang dem Rennstall exakt ein Sieg: 1967 konnte Jacky Ickx den GP von Frankreich gewinnen.
Das Pech von Chris Amon ist geradezu legendär. Er absolvierte mehr als 850 Kilometer an der Spitze, ohne jemals ein Rennen gewonnen zu haben. Das ist bis heute ein einsamer Rekord in der Geschichte der Formel Eins. Schon zu seinen Lebzeiten konnten die Fahrerkollegen kaum glauben, was Amon passierte. Mario Andretti witzelte, dass die Menschen aufhören würden zu sterben, sollte Amon sich dazu entscheiden, Bestatter zu werden. Und Mauro Forghieri, der legendäre technische Direktor von Ferrari, hat nach eigener Aussage nie mehr einen Rennfahrer getroffen, der so viel Pech hatte.
1970 wechselte Amon zum neugegründete Team March. Auch wenn es hier etwas besser lief als bei Ferrari, war Amon unzufrieden. 1971 erreichte ihn ein Anruf aus Frankreich. Das Matra-Werksteam war auf der Suche nach einem schnellen und zuverlässigen Piloten. Die Franzosen gehörten damals zur Spitze des Motorsports. 1969 hatte Matra mit Jacky Stewart die Weltmeisterschaft gewonnen, allerdings nur mit dem Chassis – der Motor kam vom Ford. Nun wollte man mit einem eigenen Motor und Team angreifen. Dass Matra das Zeug dazu hatte, ein gutes Chassis und einen fantastischen Motor zu bauen, bewies das Team mit seinen drei Siegen in Le Mans (72, 73, 74). Aber in der Formel Eins sollte es nicht so gut laufen, zu groß war die Dominanz des Cosworth-Motors.
1973 landete Amon bei Tecno, 1974 versuchte er sich mit einer Eigenkonstruktion. Der Amon AF101 war in Zusammenarbeit mit ehemaligen BRM-Ingenieuren entstanden und vor allem eins: langsam. Nach sporadischen Einsätzen im Jahr 1975 landete er ein Jahr später bei Ensign Racing. Tatsächlich blitzte das Talent des damals immerhin schon 33 Jahre alten Piloten noch einmal auf. Beim schwedischen GP knallte er die drittbeste Zeit in der Quali hin und lag im Rennen nur knapp hinter beiden Tyrrell P34. Aber wieder schlug das Pech zu. Ein Kühlerleck beendete sein Rennen.
Im gleichen Jahr trat er nach dem Unfall von Niki Lauda am Nürburgring vom Motorsport zurück, ließ sich aber 1977 noch mal von Walter Wolf überreden. Aber nach nur einem Rennen stieg er wieder aus. „Es macht mir keinen Spaß mehr“, sagte er Wolf, der daraufhin einen weithin unbekannten Fahrer namens Gilles Villeneuve ins Auto setzte.
Seine Karriere im Motorsport umfasste knapp 17 Jahre, von allzu schweren Unfällen blieb Amon verschont. Nach seiner Zeit als Rennfahrer lebte wieder in Neuseeland und wurde vor allem in den 80er Jahren eine TV-Persönlichkeit. Er war lange Markenbotschafter von Toyota und kümmerte sich um Nachwuchsrennfahrer. Bis heute gilt Chris Amon in seiner Heimat als einer der besten Rennfahrer, die das Land jemals hervor gebracht hat.
Bilder: Ferrari