Es bleibt spannend in der BTCC. Nach den drei Rennen im schottischen Knockhill liegen Sam Tordoff und Matt Neal eng beieinander an der Tabellenspitze. Das Verfolgerfeld, angeführt von Rob Collard und Gordon Shedden, bleibt allerdings in Schlagdistanz. Die Siege in Knockhill holten sich mit Jason Plato, Matt Neal und Mat Jackson drei verschiedene Fahrer auf drei verschiedenen Marken.
Dass mit Neal (Honda) und Jackson (Ford) zwei frontgetriebene Autos in Knockhill gewinnen konnten, war durchaus etwas überraschend. Der spektakuläre Kurs in der schottischen Grafschaft Fife ist eigentlich bekannt dafür, Hecktrieblern sehr entgegenzukommen. Folgerichtig war es wenig verwunderlich, dass sich zwei Subaru (Jason Plato auf Pole und Colin Turkington auf P5) und zwei BMW (Sam Tordoff P3, Jack Goff P4) unter den ersten fünf Startplätzen wiederfanden.
Nur Tom Ingram im Toyota gelang es als einzigem Fronttriebler, mit dem zweiten Startplatz die Subaru-BMW-Phalanx zu durchbrechen und seine bekannten Qualitäten in der Quali erneut unter Beweis zu stellen. In den Rennen ging es dann aber leider wie so oft nach hinten für Ingram. Im ersten Lauf lange auf Podiumskurs liegend musste er sich in der vorletzten Runde Colin Turkington geschlagen geben und wurde Vierter. Im nächsten Lauf folgte nach vielen verlorenen Positionen ein Ausfall, bevor ein gut erkämpfter zwölfter Platz im letzten Lauf den Renntag beendete.
Lauf 1
Die Story des Renntags schrieb zunächst Jason Plato, der pünktlich zu seinem 500. Rennen in der BTCC seinen Subaru souverän – und ohne Zusatzgewicht – auf die Pole Position gestellt hatte. Im Rennen ließ der Routinier dann auch nichts anbrennen, setzte sich solide ein paar Sekunden ab und ließ sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als die Verfolger durch eine späte Saftety Car-Phase wieder herangeführt wurden. Somit gewann Plato sein Jubiläumsrennen und holte zugleich den für ihn so wichtigen ersten Sieg im Subaru.
Jack Goff und Colin Turkington komplettierten das Podium, womit die erwartete Hecktriebler-Dominanz unterstrichen wurde. Während Goff, nachdem er den zweiten Platz zur Rennhalbzeit von Tom Ingram erobert hatte, ein relativ ruhiges Rennen hatte, war vor allem die Leistung von Colin Turkington bemerkenswert. Der Nordire hatte beim Start zunächst eine Position gegen Andrew Jordan verloren, folgte dem Ford-Piloten auf dem sechsten Platz liegend aber die erste Rennhälfte hindurch wie ein Schatten.
Mit einem starken Exit aus der Schikane schnappte er sich den Ford dann endlich in Runde 16 und versuchte sogleich, die Lücke zur Spitze zuzufahren. Als in Runde 20 das Safety Car herauskam, weil Dan Welch Warren Scott in Richtung Kiesbett entsorgt hatte, war Turkington gerade an der Heckstoßstange von Sam Tordoff angekommen, der es auf P5 liegend im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Goff nicht geschafft hatte, an Tom Ingrams Toyota vorbeizugehen.
Colin Turkington, der es trotz der ständigen Attacken auf Andrew Jordan verstanden hatte, klug seine Reifen zu schonen, störte sich daran wenig und überholte nach dem Restart kurz hintereinander sowohl Tordoff als auch Ingram. Andrew Jordan, der seinerseits noch versucht hatte, Tordoff anzugreifen, belegte am Ende P6. Dahinter landete als Überraschungsmann des Tages BTCC-Rückkehrer Dave Newsham. Der Schotte ersetzte in Knockhill Kelvin Fletcher, der Vater geworden war, im Power Maxed-Chevrolet und zeigte im Kampf mit den hinter ihm platzierten Dynamics-Honda von Neal und Shedden, dass er das Rennen fahren in der BTCC nicht verlernt hat. Zugleich wurde er zur Freude des Publikums auch bester Schotte im ersten Lauf.
Lauf 2
Im zweiten Lauf hatte Jason Plato – jetzt mit vollem Zusatzballast an Bord – dann schon mehr mit seinen Verfolgern zu kämpfen. Er, Teamkollege Turkington sowie die beiden BMW von Tordoff und Goff bildeten fast das gesamte Rennen hindurch ein spannendes Spitzen-Quartett. Hinter Plato wechselten mehrfach die Positionen und mal hatte er es bei der Verteidigung der Führung mit seinem Teamkollegen Turkington und mal mit Sam Tordoff zu tun.
Durch die Kämpfe an der Spitze hatte sich dahinter klammheimlich Matt Neal immer näher an herangeschoben. Der Honda-Pilot war im zweiten Lauf auf den leicht schnelleren Soft-Reifen unterwegs und hatte sich zuvor an den Ford von Andrew Jordan und Mat Jackson vorbeigekämpft. Neal witterte seine Chance, als Colin Turkington wenige Runden vor Schluss in der Hairpin Kampflinie gegen den hinter ihm liegenden Jack Goff fahren musste, und ging beim Herausbeschleunigen auf Start-Ziel an beiden Kontrahenten vorbei.
Der eroberte dritte Rang reichte Neal aber nicht und er blies sofort zur Attacke auf Sam Tordoff, den er sich zwei Runden später in der Haarnadelkurve schnappte. Genau eine Runde später war an gleicher Stelle auch Jason Plato fällig, der dem Honda mit seinen wegen des harten Verteidigens geschundenen Reifen nichts entgegenzusetzen hatte. Weil bei der Attacke von Neal auch Sam Tordoff gleich mit am Subaru vorbeischlüpfte, reichte es für Jason Plato „nur“ zu einem dritten Platz, nachdem er fast das gesamte Rennen angeführt hatte.
Hinter dem vom Podium verdrängten Colin Turkington landete sensationell Rob Collard auf Platz 5. Der Teamkollege von Tordoff und Goff war nach seiner kämpferischen Fahrt in Snetterton als Tabellenführer nach Knockhill gereist, zeigte aber mit Startplatz 18 wieder einmal seine altbekannte Schwäche in der Qualifikation. Im ersten Lauf ging dann im engen Mittelfeld kaum etwas und Collard landete außerhalb der Punkte auf dem schwachen 17. Platz.
Fast identisch zu Snetterton, wo der erste Lauf auch nichts einbrachte, explodierte Collard dann aber im zweiten Lauf. Position für Position kämpfte sich der BMW-Pilot nach vorne und war zwei Runden vor Schluss, nachdem er Mat Jackson überholt hatte, plötzlich Fünfter. In der letzten Runde versuchte Collard dann sogar noch eine Attacke gegen seinen ehemaligen Teamkollegen Turkington auf P4, musste sich am Ende aber mit dem fünften Rang begnügen.
Collards Teamkollege Jack Goff, der lange im Spitzen-Quartett gekämpft hatte, landete am Ende nur auf dem siebten Rang hinter Mat Jackson und knapp vor Andrew Jordan. Erst dahinter kamen die beiden „Local-Heroes“ Gordon Shedden und Aiden Moffatt als beste Schotten ins Ziel.
Lauf 3
Die Auslosung der Startaufstellung für den dritten und letzten Lauf schien zunächst klar für Rob Collard zu sprechen, der mit Startplatz 2 hinter Polesitter Mat Jackson plötzlich beste Chancen hatte, seine wegen des schwachen ersten Laufs verlorene Tabellenführung zurückzuholen. Doch wie das leider oft so ist, holt einen dann das Schicksal schnell wieder ein. Im Falle Rob Collards schlug es in Runde 8 zu und hatte die Gestalt eines großen weiß-blauen Subaru mit Colin Turkington am Steuer.
Collard hatte es zuvor beim Start nicht geschafft, am Ford von Mat Jackson vorbeizugehen und sich so die Führung zu sichern. Nach einer kurzen Safety Car-Phase um den in der ersten Runde abgeräumten MG von Ash Sutton zu bergen, setzte Collard zwar immer wieder Attacken gegen Jackson, musste aber seinerseits vorsichtig sein, weil ihm Colin Turkington direkt im Nacken saß.
In besagter achter Runde setzte Turkington dann in Clark’s Curve ein Manöver, das in den beiden vorherigen Läufen immer gut geklappt hatte, aber dieses Mal gründlich in die Hose ging. Am Kurvenscheitelpunkt berührten sich der BMW und der Subaru, Collard ging quer, schlug beim Gegenpendler ein weiteres Mal in Turkington und beide kreiselten mit lädierten Autos in Richtung Wiese.
Wie so häufig bei derartigen Zwischenfällen differierten die Ansichten der beiden Kontrahenten über das soeben geschehene erheblich. Collard sprach von einem „amateurish move“, der so niemals hätte klappen können, während sich Turkington beklagte, dass Collard beim Einlenken einfach die Tür zugeschmissen hätte, obwohl er schon deutlich neben dem BMW war.
Die Rennleitung teilte eher die Ansicht von Rob Collard und gab Turkington zwei Strafpunkte auf seine Lizenz. Sehe ich durchaus ähnlich, wobei man sagen muss, dass es Turkington zuvor gelang, ganz ähnliche Manöver an gleicher Stelle sehr sauber durchzuziehen. So oder so war die Kollision natürlich für beide ärgerlich, da die Nullnummer wichtige Punkte im Kampf um die Meisterschaft kostete.
Hinter dem nach wie vor führenden Mat Jackson formierten sich mit Sam Tordoff, Jason Plato und Gordon Shedden sogleich neue Verfolger, die den Ford-Piloten an der Spitze erheblich unter Druck setzten. Das Spitzenquartett lieferte sich rundenlang ein spannendes Duell Stoßstange an Stoßstange und es war offensichtlich, dass sowohl der BMW und der Subaru als auch der Honda schneller fahren konnten. Aber Mat Jackson verteidigte sich nach allen Regeln der hohen Tourenwagen-Kunst und ließ seinen Kontrahenten, die zweitweise immer wieder neben ihm auftauchten, keine Chance.
Im letzten Renndrittel schlossen dann noch die weiteren Verfolger bestehend aus Matt Neal, Rob Austin und Adam Morgan auf und machten aus dem Spitzen-Quartett ein Spitzen-Septett. Aber Mat Jackson ließ sich weiterhin nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn Tordoff zweitweise neben ihm über Start-Ziel fuhr. Jackson sicherte beim Anbremsen gekonnt immer wieder die Kurveninnenseiten ab und blockte beim Herausbeschleunigen ab. Dadurch bestand für alle Hinterherfahrenden die Gefahr, beim Versuch einer Attacke selber Opfer des unmittelbaren Verfolgers zu werden.
In der Reihenfolge Mat Jackson vor Sam Tordoff, Jason Plato, Gordon Shedden, Matt Neal, Rob Austin und Adam Morgan querte die schnelle Karawane schließlich die Ziellinie. Während sich Jackson damit seinen insgesamt vierten Saisonsieg holte, erreichte Jason Plato zum dritten Mal an diesem Wochenende das Podium und Sam Tordoff sicherte sich dank des zweiten Platzes die Tabellenführung in der Meisterschaft mit neun Punkten Vorsprung vor Matt Neal.
Meisterschaft
Hinter Tordoff und Neal liegt mit 32 Punkten Rückstand Rob Collard auf Rang 3 in der Meisterschaft vor Gordon Shedden (-40), Mat Jackson (-43) und Colin Turkington (-48). Einen großen Sprung nach vorne hat Jason Plato gemacht, der nach den drei starken Rennen nun mit 53 Punkten Rückstand direkt hinter seinem Teamkollegen liegt.
In der Independent-Meisterschaft führt weiterhin Andrew Jordan vor Teamkollege Mat Jackson, Tom Ingram, Adam Morgan und Rob Austin. Bester Rookie ist nach wie vor Ash Sutton, wenngleich die MG in Knockhill ihr bislang schwächstes Wochenende erlebten. Sowohl Sutton als auch Teamkollege Josh Cook kamen in Schottland auf keinen grünen Zweig und erlebten ein mit vielen Zwischenfällen gespickten Renntag.
Alle Ergebnisse aus Knockhill sowie die Meisterschaftsstände können hier abgerufen werden.
Die Meisterschaft geht mit noch drei ausstehenden Events allmählich in die heiße Phase. Können Sam Tordoff und Mat Neal ihre gute Ausgangslage beim Kampf um den Titel nutzen oder gelingt es einem oder mehreren Verfolgern, die Lücke zu schließen? Insbesondere die Subaru sollte man im Auge behalten. Es wäre durchaus denkbar, dass Colin Turkington und/oder Jason Plato bis zum Saisonfinale genug Punkte beisammen haben, um in der Meisterschaft ein ernste Wörtchen mitzureden. Weiter geht es mit der BTCC schon in weniger als zwei Wochen, wenn am 29.8. in Rockingham die nächsten drei Läufe auf dem Programm stehen.
Was war sonst noch in Knockhill?
Ein kleines Wunder vollbrachte die Truppe von Welch Motorsport, die es tatsächlich schaffte, mit Chassis aus dem letzten Jahr ein neues Auto aufzubauen und dieses in Knockhill an den Start zu bringen. Laut Dan Welch konnten aus dem in Snetterton völlig zerstörten Proton nur der Sitz, die Lenkung und ein paar kleinere Teile wiederverwendet werden. Dan Welch dankte es seiner Truppe und seinen Fans, die per Crowdfunding Geld zusammengetragen hatten, mit einem guten 14. Platz im dritten Lauf.
Auch bei den Jungs von Power Maxed Racing dürfte das Licht in der Werkstatt die eine oder andere Nacht durchgeleuchtet haben. Hunter Abbotts Chevrolet Cruze, der sich in Snetterton über die Leitplanke und in einen Kameraturm überschlagen hatte, war rechtzeitig zum Trainingsauftakt in Knockhill wiederhergestellt.
In Knockhill trauerte die BTCC-Gemeinde um Jack Sears, der am 8. August im Alter von 86 Jahren verstorben ist. „Gentleman Jack“ war 1958 auf einem Austin 105 der erste Meister in der BTCC und eine der frühen prägenden Figuren in der Meisterschaft. 1963 wiederholte er seinen Meistertitel am Steuer eines Ford Cortina und eines Ford Galaxie, bevor er sich kurz danach wegen der Folgen eines Unfalls aus dem aktiven Motorsport verabschiedete. Als Präsident des BRDC und Förderer seines Sohnes David Sears, Ex-Rennfahrer und Gründer sowie Teamchef von Super Nova Racing, blieb er der Renngemeinde immer eng verbunden und war sichtlich erfreut, als die TOCA vor einigen Jahren die Jack Sears Trophy ins Leben rief, die derzeit an den besten Rookie in der BTCC vergeben wird. In Knockhill wurde Jack Sears mit einer Schweigeminute vor dem Start zum ersten Lauf gedacht.