Am vergangenen Samstag absolvierte der Michelin GT3 Le Mans Cup sein erstes und letztes Saisonfinale als reine GT3-Serie. Im kommenden Jahr wird das Klassensystem der sogenannten Road to Le Mans mit zusätzlichen LMP3-Teilnehmern zum Standard. Warum GT3-Boliden weiterhin einen Platz in der Serie verdient haben, zeigte vor allem die erste Stunde des zweistündigen Laufs in Estoril. Nächsten Sonntag trägt die Australian Endurance Championship ein 101-Runden-Rennen im neuseeländischen Hampton Downs Motorsport Park aus.
Michelin GT3 Le Mans Cup:
Der Samstagmorgen nahe der portugiesischen Hauptstadt Lissabon war stürmisch und regnerisch. In nahezu regelmäßigen Abständen hämmerte Starkregen auf das in die Jahre gekommene Asphaltband des Circuito Estoril, welches der Michelin GT3 Le Mans Cup (bzw. Michelin Le Mans Cup) in den kommenden Jahren zunächst nicht mehr befahren wird. Während der erste Teil des zwei Segmente umfassenden Qualifyings selbst normale Regenreifen voll in Anspruch nahm, verhinderte der plötzlich noch intensivere Niederschlag eine ausgiebige Superpole-Zeitenjagd. Die erste ernsthafte Runde des #88 Mentos Racing Porsche 911 GT3 R (Perfetti/Bachler) reichte beispielsweise aus, um von der Pole-Position ins Finale zu gehen. Startplatz zwei sicherte sich der #55 FFF Racing Team by ACM McLaren 650S GT3 (Hamaguchi/Quaife-Hobbs). Nachdem das FFF Racing Team die GT Asia Series-Meisterschaft am Donnerstag einfahren konnte, wollte man auch auf europäischem Boden Erfolge feiern. Um die beiden Meisterschaftstitel der ACO-Veranstaltungsreihe duellierten sich jedoch andere Truppen. Die eine hörte auf den Namen SMP Racing und wird de facto von AF Corse getragen.
Die Bezeichnung SMP Racing hat seinen Ursprung in der russischen SMP Bank, welche von Boris Romanovich Rotenberg und seinem Bruder Arkady gegründet wurde. Boris Rotenberg ist der Hauptgeldgeber des Motorsportprojekts und übrigens auch Namenspate des BR Engineering BR01 LMP2. Der Vizepräsident der russischen Judo-Föderation steht aufgrund zwielichtiger Kontakte im Umfeld Gazproms sogar auf der Sanktionsliste der Vereinigten Staaten, was auch das Motorsportprogramm maßgeblich beeinflusst.
Die Piloten des #72 SMP Racing Ferrari 488 GT3 namens Victor Shaitar und Aleksey Basov, die 2015 zusammen mit Andrea Bertolini in Le Mans den GTE-Am-Klassensieg holen konnten, waren nur wenige Zähler vom Fahrertitel entfernt. Ihre Konkurrenten Salih Yoluc und Euan Hankey im #34 TF Sport Aston Martin V12 Vantage GT3 mussten dementsprechend über 20 Punkte aufholen, was bei zehn Fahrzeugnennungen und einem F1-Punkteschlüssel nur durch riesige Probleme SMP Racings zu erreichen war. Noch schwieriger wurde dieses Unterfangen durch den vierten Startplatz des britischen Boliden. In der Teammeisterschaft hingegen musste man nur vor dem brandneuen F488 GT3 mit den Farben der russischen Flagge ins Ziel kommen. Wegen der Einladung zu den 24 Stunden von Le Mans als Meisterschaftsprämie stand viel auf dem Spiel.
Die Wetterbedingungen zum Rennstart hin waren um etliches besser. Nur die verbliebene Feuchtigkeit auf den fast 4,2 Kilometern sollte eine große Herausforderung für die 20 Piloten darstellen. Nach einem teils ungeordneten fliegenden Start entwickelten sich verschiedene Kampfgruppen im Feld. An der Spitze wurde beispielsweise der #55 FFF Racing McLaren in den Händen des Japaners Hiroshi Hamaguchi nach hinten durchgereicht. Somit erbte der SMP Ferrari von Basov Platz zwei und musste diesen gegen Yolucs Aston Martin verteidigen. Relativ schnell verschob Basov seinen Fokus jedoch auf die Führungsposition und wagte eine Attacke auf den #88 Mentos Porsche, der sich in Folge einer Berührung wegdrehte. Nach umfangreichen Diskussionen entschied sich die Rennleitung gegen Disziplinierungsmaßnahmen: ein Bonus für Meisterschaftsanwärter. Damit belegten die beiden Hauptakteure Rang eins und zwei.
Wenn man nur die Duelle im Restfeld gesehen hätte, wäre man sicherlich davon ausgegangen, ein Ferrari-Cuprennen zu verfolgen. Denn vier alte Ferrari 458 Italia GT3 und zwei neue Ferrari 488 GT3 bekämpften sich gnadenlos und durch den BoP-bedingten Topspeed des Vorgängermodells ging es mehrmals hin und her. Auch deswegen machte die erste Rennstunde ungewohnt viel Spaß. In den weiteren 60 Minuten sank die Frequenz der Positionswechsel jedoch dramatisch. Aber auch die Ereignisse im Zuge der Titelvergabe waren dramatisch und sehenswert. So drehte sich Aleksey Basov in Führung liegend von der Strecke und musste durch das morastige Kiesbett pflügen. Trotzdem tauschte man nur die Positionen mit dem #34 TF Sport Aston Martin. Weitaus schlimmer war hingegen der zweite große Fehler kurz vor der Halbzeit seines Stints. Der sichtlich bockige Ferrari drehte sich wieder weg und beim Anfahren rollte der Russe zu nahe an eine Leitschiene heran. Nach dem Rangieren musste man sich auf Platz acht einordnen. Der Traum der Teammeisterschaft war damit so gut wie geplatzt und auch die Piloten mussten so langsam um ihre Chancen bangen. Da beide Fahrer jedoch als Spitzenpiloten der Serie gelten, war klar, dass sie durch das Feld fliegen würden, was schlussendlich auch so eintrat.
Wie bereits erwähnt war die zweite Rennstunde trotz leichten Regens zum Ende hin viel ruhiger. Euan Hankey im #34 TF Sport Aston absolvierte einen problemlosen Stint und sorgte somit für den zweiten Teamtitel 2016 (man reüssierte ebenfalls in der British GT). Aus diesem Grund darf man sich im kommenden Jahr auf einen Auftritt beim wichtigsten Autorennen der Welt freuen. Da das Team sehr enge Verbindungen zu Aston Martin hat, dürfte die Erstellung eines GTE-Am-Projekts problemfrei verlaufen. Und selbst wenn das nicht der Fall wäre, kann man auf 100.000 € Meisterschaftsprämie zurückgreifen. Neben den GTD-Champions der Scuderia Corsa ist nun ein weiterer bekannter Vertreter aus der GT3-Szene 2017 an der Sarthe. Mindestens eine weitere Truppe aus der Szene wird nach dem Ende der aktuellen Asian Le Mans Series-Saison feststehen. Los geht es im Übrigen am 30. Oktober auf dem Zhuhai International Circuit in China unweit von Macau. Stand Dienstag sind 15 der 30 Boliden dem GT-Bereich zugehörig.
Im Zuge des Boxenstopps und dank guter Rundenzeiten rettete Victor Shaitar noch einen zweiten Platz für SMP Racing, wodurch die Fahrermeisterschaft ungefährdet blieb. Der dritte Platz beim Saisonabschluss ging an den #88 Mentos Porsche, wodurch man in beiden Titelentscheidungen Endposition drei zementierte.
The #gt3lmc winning feeling and we now have the #LEMANS24 entry for 2017! #estorilround @24hoursoflemans pic.twitter.com/OkI8rtcu3C
— TF Sport (@OfficialTFSport) October 22, 2016
Here is the final classification for the first ever season of the GT3 Le Mans Cup! Congratulations @OfficialTFSport for clinching the title! pic.twitter.com/D5JWNGowvb
— Le Mans Cup (@LeMansCup) October 22, 2016
Bereits in diesem Jahr beendet der ACO das Missverständnis in der Form einer alleinigen GT3-Serie aus seinem Hause. Von Anfang an stagnierten die Teilnehmerzahlen im Bereich der Zehnermarke, was die Renndauer von zwei Stunden oft unerträglich lang erscheinen ließ. Nur einmal konnte der Serienneuling umfassend überzeugen und dies geschah am Samstagmorgen vor den ruhmreichen 24 Stunden von Le Mans. In Kooperation mit einer LMP3-Einladungsklasse bot man gutes Racing. Wie im Report häufig gefordert wird dies 2017 zur Regel. Die Synthese wird nun als Michelin Le Mans Cup bezeichnet. Scheinbar plant man für die LMP3 ein System, welches Sportfans aus anderen Bereichen bereits kennen: Auf- und Abstieg am Ende des Jahres. Dadurch soll eine Zirkulation zwischen ELMS und Michelin Le Mans Cup entstehen. Ob die Sinnhaftigkeit dessen tatsächlich vorhanden ist, wird eine noch zu klärende Frage sein. Der noch vorläufige Kalender für das Jahr 2017 sieht so aus:
13. Mai 2017: Autodromo Nazionale di Monza
17. Juni 2017: Road to Le Mans (Circuit de la Sarthe) mit nun 120 Rennminuten
22. Juli 2017: Red Bull Ring (Datentausch mit dem Lauf der WEC in Deutschland möglich)
26. August 2017: Circuit Paul Ricard
23. September 2017: Circuit de Spa-Francorchamps
21. Oktober 2017: Autódromo Internacional do Algarve (Portimão)
Mit diesen Neuerungen hat die Serie großes Potential erhalten, welches hoffentlich genutzt werden kann. Der GT3-Report wird die Entwicklungen auch zukünftig verfolgen.
Wochenendvorschau:
Der Umfang des GT3-Rennsports am kommenden Wochenende hängt stark von gänzlich neuen Streamingangeboten ab. Die Australian GT hat bereits ein internationales Paket verkündet, welches höchstwahrscheinlich umsonst sein wird. Mögliche Änderungen diesbezüglich können in unseren TV Zeiten gefunden werden. Bei der Asian Le Mans Series stand Dienstagabend noch überhaupt nichts fest. Immerhin ist ein Livestream zumindest möglich, was auch lange Zeit nahezu utopisch erschien. Auch hier verweisen wir auf die sehr engagierte Arbeit des Kollegen Felix (tbz).
Das Hampton Downs 101 der Australian Endurance Championship erfüllt viele Voraussetzungen für einen Klassikerstatus. Der überarbeitete Kurs im Norden Neuseelands hat nun eine Länge von vier Kilometern und kann durchaus mit internationalen Normen mithalten. Lange Geraden und in die Länge gezogene Kurven prägen die Strecke in der Nähe von Pukekohe. Dieses Profil verspricht meist guten GT-Sport. Für dementsprechendes Niveau werden etliche Stars aus Down Under in den 24 gemeldeten Rennern sorgen. Beispielsweise wird mit Garth Tander der kontrovers diskutierte Pilot des vergangenen Supercars-Wochenendes ins Volant des #2 JAMEC PEM Racing Audi R8 LMS GT3 (McLaughlan/Tander) greifen. Supercars-Urgestein Greg Murphy wird sich ebenfalls mal wieder ins Haifischbecken GT3 wagen, um sich möglicherweise auf die nächsten 12 Stunden von Bathurst vorzubereiten. Er wird zusammen mit Serienbesitzer Tony Quinn (ihm gehören auch Hampton Downs und der Highlands Motorsport Park) den #7 Darrell Lea Aston Martin Vantage V12 GT3 pilotieren. Zusätzlich werden Co-Piloten des Enduro Cups wieder ihrem normalen Tagewerk nachgehen. Steve Richards trägt beispielsweise zusammen mit Max Twigg seinen #100 BMW Team SRM M6 GT3 um die Kurven am Wochenende. Eine größere Neuerung ist die Nennung des #35 Nissan GT Academy Team Kelly Nissan GT-R Nismo GT3 (Simmons/Caruso), welcher zur neuen australischen Motorsportstrategie der Japaner zugehörig ist. Zu guter Letzt kann auch noch ein europäischer bzw. deutscher Fahrer am Sonntagmorgen angefeuert werden. Christopher Mies teilt sich als AGT-Meister den #1 JAMEC PEM Racing Audi R8 LMS GT3 mit Tony Bates.
Der avisierte Rennstart ist am Sonntagmorgen um 02:45 Uhr deutscher Zeit. Wir wünschen ein unterhaltsames Rennwochenende!
Bilderquelle / Copyright: ELMS