Während überall in Deutschland die Uhren um eine Stunde zurückgestellt wurden, trug die Australian Endurance Championship (Unterserie der Australian GT) ein 101-Runden-Rennen in Neuseeland aus. Auf dem umgebauten Kurs namens Hampton Downs Motorsport Park ging es ziemlich ruppig zu und einige Neutralisierungen waren erforderlich. Am kommenden Wochenende begeht mit der International GT Open die letzte größere europäische Sprint-Serie ihr Saisonfinale in Barcelona. Es gibt positive Nachrichten für die GT4-Szene: Ford hat den Mustang GT4 am Dienstag vorgestellt.
Hampton Downs 101 der Australian Endurance Championship:
Die Strecke, welche sich im Besitz des AGT-Machers Tony Quinn befindet, liegt in der malerischen Landschaft Waikato, die sich im Süden der 1,5 Millionen-Stadt Auckland über 25.000 km2 erstreckt. Dementsprechend ist der aus der Supercars-Serie bekannte Pukekohe Park Raceway, welcher am kommenden Wochenende von ebendieser befahren wird, nicht weit entfernt. Eine 20minütige Autofahrt trennt die beiden Anlagen voneinander.
Die endgültige Startaufstellung enthielt 24 Boliden, von denen nur noch 23 aktiv am eigentlichen Rennen teilnehmen konnten: eine akzeptable Menge. Die Pole-Position sicherte sich der #23 JBS Australia Lamborghini REX GT3 (Lago/Russell), der schon in den vorherigen Sessions sein Potential aufzeigt hatte. Platz zwei ging an das Vater-Sohn-Gespann des #95 Miedecke Motor Group Aston Martin Vantage V12 GT3 (A. Miedecke/G. Miedecke). Drittschnellstes Fahrzeug des Top 10-Shootouts ist der #35 Nissan GT Academy Team Kelly GT-R Nismo GT3 (Simmons/Caruso) gewesen. Bei Nissan hat man im Zuge der Vorstellung der Supercars-Pläne auch erklärt, dass man in der nationalen GT3-Serie umfangreicher auftreten möchte. Gleich dahinter positionierte sich mit Christopher Mies im #1 JAMEC PEM Racing Audi R8 LMS GT3 (Bates/Mies) der einzige Deutsche im Feld. Der AGT-Meister des vergangenen Jahres tat sich etwas schwer mit dem Qualifikationsformat und musste auf einen besseren Sonntag hoffen. Immerhin konnte er die Zeit der Supercars-Legende Greg Murphy schlagen, welcher zusammen mit Streckenbesitzer Tony Quinn den #7 Darrell Lea Aston Martin Vantage V12 GT3 pilotierte.
Pole Position for @Dave_Russell_22 with JBS #Gallardo R-EX in @AustralianGT Endurance Hampton Downs! https://t.co/2Hx7l28yRJ pic.twitter.com/0deQK8jOv8
— Reiter Engineering (@Reiter_Engineer) October 29, 2016
Wie schon am Samstag war das Wetter optimal für die Wiedereröffnung der revidierten Strecke. Aus diesem Grund waren die Naturtribünen gut gefüllt. Zur Feier des Tages wurde die Nationalhymne „God Defend New Zealand“ zweisprachig vorgetragen. Doch nicht nur die Sprache der Māori sollte geehrt werden. Man lud Gäste aus diesem Kulturkreis ein, die einen traditionellen Haka-Tanz auf der Start-Ziel-Geraden aufführten. Ein Haka wird meist nur als Kriegstanz interpretiert, aber die Māori nutzen die bekannten Choreographien zudem als Begrüßungsritual. Auch wenn in Hampton Downs der zeremonielle Charakter einer Begrüßung überwog, brach öfters im Rennen Krieg aus. Fünfmal musste das Safety Car auf die vier Kilometer lange Strecke beordert werden im Laufe der 101 Runden. Dies zerstörte mehrmals die Strategiepläne der Teams und wirbelte das Feld durcheinander. Bei den Langstreckenläufen der AGT gibt es zwei Pflichtboxenstopps und Stopplängen, die vom Fahrergrad der Piloten abhängen. Zwei nicht ganz irrelevante Beschränkungen, welche auch kritisch eingeordnet werden können. Man fühlt sich teils an Determinismus erinnert.
Vom Start weg war der #23 JBS Australia Lamborghini der beste Bolide. Während der ersten noch relativ gesitteten 20 Rennrunden lag der Renner ungefährdet auf Platz eins. Kurz nachdem man an der Box war, wo Teambesitzer Roger Lago von David Russell übernahm, wurde die erste Neutralisierung des Rennens ausgerufen. Größter Rivale im Kampf um den Sieg war ab diesem Zeitpunkt der #35 Nissan GT Academy GT-R, dessen Alumni am Steuer jedoch fast genau zur Rennhalbzeit einen fatalen Fehler machte. Im engen Verkehr, welcher durch eine zweite SC-Phase vorher ausgelöst wurde, kollidierte Mathew Simmons und beschädigte sich damit die Aufhängung. Die Evaluation des Schadens in der Box war niederschmetternd: Feierabend!
Der #23 JBS Australia Lamborghini nahm dieses Geschenk jedoch nicht an, indem er überambitioniert im geschilderten Verkehr agierte. Ein Kontakt mit dem #100 BMW Team SRM M6 GT3 (Richards/Twigg) mündete schlussendlich in eine Durchfahrtsstrafe. Drei weitere SC-Unterbrechungen im zweiten Teil brachten den von Reiter gebauten Lamborghini aber wieder in die Sphären des Podiums. Die letzte Gelblichtphase kurz vor Rennende positionierte den REX GT3 sogar direkt hinter dem führenden #88 Maranello Motorsport Ferrari 458 Italia GT3 (Edwards/Smythe), welchen man in Runde 98 überholen konnte. Dementsprechend euphorisch war die Stimmung bei Lago und Russell nach der Zieldurchfahrt.
🏆BOAWR could there have been a more dramatic finish!
CONGRATULATIONS Roger Lago / @Dave_Russell_22 in the JBS @Reiter_Engineer Lamborghini pic.twitter.com/sl8KiHmS2n— 🇦🇺 Australian GT🏁 (@AustralianGT) October 30, 2016
Die zweithöchste Stufe des Podiums belegte der #911 Walkinshaw GT3 Porsche 911 GT3 R (Martin/Padayachee). Der komplett weiße Porsche hielt sich im Laufe des Rennens aus allen Querelen heraus und konnte so den GT-Ableger des Supercars-Teams belohnen. Komplettiert wurde das Podium vom #2 JAMEC PEM Racing Audi R8 LMS GT3 (Bilski/Tander), der wie der Porsche eher vom Pech anderer profitieren konnte. In der letzten Runde verunfallte nämlich besagter #88 Maranello Motorsport Ferrari nach einem später mit 30 Sekunden bestrafen Manöver des #59 Tekno McLaren 650S GT3 (Denyer/Morcom). Trotzdem führen die beiden McLaren-Piloten in der Meisterschaft, die vom 11. bis 13. November im ebenfalls neuseeländischen Highlands Motorsport Park ihr Finalrennen austragen wird. Auch dieses wird 101 Runden lang sein. Christopher Mies beendete das Rennen am Sonntag im Übrigen auf Rang sechs.
News:
Amerikanischer Zuwachs in der GT4 – Ford Mustang GT4:
Am gestrigen Dienstag wurde der Ford Mustang GT4 auf der SEMA Show in Las Vegas vorgestellt. Er wird die GTS-Varianten in der IMSA Continental Tire SportsCar Challenge und in der GTS-Klasse der Pirelli World Challenge ersetzen. Außerdem kann man ihn dank des GT4-Reglements im kommenden Jahr auch in Europa sehen. In der GT4 European Series, welche 2017 einen Northern und Southern Cup haben soll, bietet der Kalender spannende Möglichkeiten für interessierte Teams. So sind beispielsweise Rennen in Pau, Zandvoort, Spa oder auf dem Nürburgring im kombinierten Kalender zu finden. Dank des Booms hinsichtlich GT4-Fahrzeuge gibt es natürlich noch viele weitere Alternativen auf der Welt in der näheren Zukunft.
Der Mustang GT4 wird von einem 5.2L-V8-Motor angetrieben, welcher dem Status „Muscle Car“ gerecht wird. Er stammt aus der Feder der Experten von Roush Yates Engines, welche auch maßgeblich an den NASCAR-Projekten sowie am GTE-Renner beteiligt waren und sind. Ein weiterer sehr bekannter Kooperationspartner bei der Entwicklung war ebenfalls wie gewohnt Multimatic Motorsports. Die Rennwagenschmiede aus Kanada arbeitet sehr eng mit Ford Performance zusammen. Dank der beiden Partner teilt der Mustang übrigens auch die Siegergene der GTE-Version des Ford GT. So wurde beispielsweise auch Aerodynamikwissen aus dessen Entwicklung für den Mustang genutzt.
Wahrscheinlich ist das Renndebüt des Mustangs beim ersten Saisonlauf der CTSCC im Rahmen der 24 Stunden von Daytona vom 26. bis 29. Januar.
Präsentation des Acura-Fahrerkaders:
Gestern verkündete der US-Ableger des Autobauers Honda seine Fahrer für das Jahr 2017 in der Pirelli World Challenge und der IMSA WeatherTech SportsCar Championship. Sie werden den neuen Acura NSX GT3 pilotieren.
In der PWC vertraut man weiterhin auf die Dienste von Ryan Eversley (Gold). Der Social Media-affine Fahrer aus Georgia kann durchaus als Fanliebling in der US-amerikanischen Sportwagenszene bezeichnet werden. Sein Teamkollege bei RealTime Racing wird der Niederländer Peter Kox (Gold), der maßgeblich an der Fahrzeugentwicklung beteiligt war. Teambesitzer Peter Cunningham wird sich aufgrund des Werkseinsatzes nicht mehr ans Steuer setzen.
Shank Racing wird im kommenden USCC-Jahr seine NSX-Renner an Andy Lally, Katherine Legge, Oswaldo Negri Jr. und Jeff Segal (alle Silber) übergeben. Informationen zu Fahrerpaarungen sind noch nicht bekannt, da Änderungen bei den aktuellen Fahrereinstufungen möglich sind. In der IMSA-Serie gibt es nämlich Kombinationsvorgaben, um die „Amateure“ in der GTD zu „schützen“. Dass Shank Racing und Acura das kaputte System natürlich hemmungslos genutzt haben, ist klar ersichtlich. Don’t hate the player – hate the game!
Bei allen vier Piloten hat man eine gute Wahl getroffen. Lally bewies bei Magnus Racing (z.B. Sieg bei den 24 Stunden von Daytona 2016) sein Können und gilt als sehr konstant. Legge verbrachte die letzten Jahre im DeltaWing, wo sie jedoch de facto außer Konkurrenz mit ihren Teamkollegen fuhr. Trotzdem wurden ihr sehr gute Leistungen nachgesagt. Negri Jr. hat seine Sporen über viele Jahre hinweg im LMP2 verdient und Segal ist Le Mans-Klassensieger. Nun darf man noch auf mögliche Ergänzungen bei den Langstreckenrennen gespannt sein. Der simpelste Schritt wäre wohl die Übernahme der PWC-Besatzung. Welche im Übrigen auch noch Unterstützung bei den Sprint X-Läufen bekommen könnte, falls Acura dort ebenfalls mit zwei Boliden teilnimmt. Weitere Neuigkeiten zu den Einstufungen werden in den nächsten Wochen erwartet. Der NSX GT3 wird sein Renndebüt voraussichtlich bei den 24 Stunden von Daytona (26. bis 29. Januar 2017) geben.
Asian Le Mans Series:
In der GT-Klasse gewann der #38 Spirit of Race Ferrari 488 GT3 (Marco Cioci-Nasrat Muzayyin-Rui Aguas) beim Saisonauftakt im chinesischen Zhuhai. Der von AF Corse vorbereitete Renner gewann mit nur 1,191 Sekunden Vorsprung auf den #61 Clearwater Racing Ferrari 488 GT3 (Matt Griffin-Kieta Sawa-Mok Weng Sun). Komplettiert wurde das Podium vom #6 VS Racing Lamborghini Huracán GT3 (Kei Cozzolino-Adrian Zaugg-Corey Lewis). Es gab tatsächlich einen Livestream, welcher hier nachgeschaut werden kann. Der nächste Saisonlauf ist vom 02. bis 04. Dezember in Fuji. Die Serie hat somit einen klassischen Winterkalender.
Wochenendvorschau:
Im GT3-Bereich gilt das Saisonfinale der International GT Open als Höhepunkt des kommenden Wochenendes. Wie gewohnt werden beide Renntypen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya zum Einsatz kommen. Der 70minütige Lauf am Samstag wird um 16:15 Uhr gestartet. Das 60-Minuten-Rennen am Sonntag beginnt zwei Stunden früher um 14:15 Uhr. Streams und weitere Formalitäten findet man wie üblich in unserer Kategorie TV Zeiten. Neben der GT Open werden auch die Fórmula V8 3.5, die Euroformula Open, das Championnat de France F4 und der Seat León Eurocup vor Ort sein.
Die Entry List war am Mittwochnachmittag noch nicht verfügbar, aber durch die späte Ansetzung des Finalwochenendes konnte man einige zusätzliche Mannschaften anlocken. Attempto Racing wird beispielsweise zwei Porsche und einen Lamborghini nach Katalonien bringen. Zusammen mit der normalen Stammbesatzung der GT-Serie kann man hoffentlich die 20er-Marke angreifen. In der Fahrermeisterschaft führen die Lamborghini-Piloten Fabrizio Crestani und Thomas Biagi mit jeweils 149 Punkten. Mit 29 Zählern Rückstand haben die BMW-Fahrer Fernando Monje und Gustavo Yacamán eine kleine Restchance durch ein umständliches Punktesystem. Dieses basiert auf der sehr detaillierten Klassenaufteilung, um Amateure anzulocken.
In der Teammeisterschaft ist das BMW Team Teo Martín mit 85 Punkten an der Spitze. Dahinter liegen Garage 59 (65 Zähler) und das Orange 1 Team Lazarus (62 Zähler). Da das BMW-Team aus Madrid die beste und konstanteste Truppe über das Jahr hinweg war, sollte durch zwei, sehr gut besetzte M6 GT3 nichts mehr anbrennen.
Wir wünschen ein spannendes erstes Novemberwochenende! Den Freunden der WEC sei abschließend noch der Audi R8 LMS Cup in Shanghai empfohlen.
Bilderquelle / Copyright: Blancpain GT Series; GT4 European Series; International GT Open