Matchball für Nico Rosberg. Gewinnt er das Rennen in Sao Paulo, ist er Weltmeister. Leicht wird das natürlich nicht, aber die Chancen stehen nicht so schlecht, da Hamilton mit der Strecke schon immer seine Probleme hatte.
Wenn es eine Strecke gibt, auf der Rosberg seinen Teamkollegen regelmäßig schlagen konnte, dann ist es das Autodromo Jose Carlos Pace. 2014 und 2015 gelang dem Deutschen das Kunststück, Lewis Hamilton nicht nur in der Quali, sondern auch im Rennen klar zu distanzieren. Natürlich hat der Brite sehr gute Erinnerungen an den Kurs, entriss er hier doch Massa 2008 den WM-Titel in der letzten Kurve. Aber gewonnen hat Hamilton ein Rennen in Brasilien bisher noch nicht. Wird sich das dieses Wochenende ändern?
Nach einem Durchhänger zum Start der zweiten Saisonhälfte hat sich der Brite wieder gefangen. Seine Siege in den USA und Mexiko waren eindrucksvoll, aber es war vor allem seine Performance in der Qualifikation, die überragend war. Er distanzierte Rosberg deutlich, was der Psyche ja immer gut tut. Wie immer gilt auch in Brasilien, dass die Pole für einen der Mercedes-Piloten entscheidend sein kann. Auf der Strecke sind beide gleich stark, es ist unwahrscheinlich, dass man den Kollegen da überholen kann. Da Mercedes in Sachen Strategie beide Fahrer absolut gleich behandelt, lässt sich auch nichts darüber erreichen. Dieses Wochenende könnte aber das Wetter eine Rolle spielen, dazu aber später mehr.
Eine andere Frage ist, ob Red Bull oder Ferrari die Mercedes-Party stören könnten. Damit sollte man in Brasilien eher nicht rechnen. Die Strecke liegt dem Mercedes, die lange Vollgaspassage liegt dem Red Bull nicht so, vor allem weil es auch noch bergauf geht. Im Infield kann der Red Bull zwar Zeit gewinnen, aber die Strecke ist zu kurz, um daraus wirklich Profit zu schlagen. Dazu kommt, dass der Mercedes in langsamen Ecke auch nicht schlechter ist. Der Vorteil der Red Bull liegt in langgezogenen, schnellen Kurven wie den Esses in Suzuka oder Austin, davon gibt es in Interlagos aber keine.
Ferrari ist schwer einzuschätzen. Seit dem letzten Update in Suzuka hat Ferrari aufgeholt und in den Longruns war man sogar schneller als die Red Bull. Das Rennen in Mexiko war ein gutes Beispiel für wieder gewonnene Stärke der Italiener. Allerdings ist man nicht immer in der Lage, die Vorteile auf der Strecke auch umzusetzen. Da Pirelli die härtesten Mischungen nach Sao Paulo bringt, sind die Chancen von Ferrari etwas eingeschränkter.
Tatsächlich wird man auf die Force India aufpassen müssen, die in Brasilien schon fast traditionell stark sind. Hülkenberg und Perez mögen die Strecke beide, dass Chassis ist stark auf der Strecke und der Mercedes-Motor liefert die nötige Leistung. Das wird Williams nicht schmecken, die in Mexiko aus einer guten Position mal wieder wenig machen konnten. Sie liegen nun 9 Punkte hinter Force India und so langsam wird eng im Kampf um P4 in der WM-Wertung.
Dahinter wird es eng zwischen McLaren, Toro Rosso, Renault und Sauber. Die Schweizer überraschten ein wenig in Mexiko, aber laut Ericsson scheinen die Updates, die man seit dem Sommer entwickelt hat, die ersten positiven Zeichen zu hinterlassen. Was etwas gegen die Sauber auf der Jagd nach P10 spricht, sind die langsamen Streckenteile. Die mag der Sauber nicht, hier fehlt dem Chassis der Grip. Aber man plant schon für 2017. Immerhin hat man sich den Audi-Ingenieur Jörg Zander geschnappt, der bisher Head of Technology des WEC-Einsatzes war und zuvor lange für verschiedene Teams in der F1 gearbeitet hat.
Interessante Bewegungen gab es auf dem Fahrermarkt. Force India überraschte am Donnerstag mit der Meldung, dass man 2017 Esteban Ocon ins Team nehmen wird. Erwartet hatte man eigentlich, dass Pascal Wehrlein den Zuschlag bekommt, doch offenbar hat Ocon das bessere Sponsorenpaket. Das ist schade für Wehrlein, der damit eine weitere Saison bei Manor verbringen muss. Alle anderen Plätze sind belegt, nachdem Renault Palmer bestätigt hat und Magnussen wohl Guiterrez bei HaasF1 ersetzen soll. Sauber hat zudem beide Piloten bestätigt.
Strategie:
Pirelli hat die Mischungen Hard, Medium und Soft nach Brasilien gebracht. Eine sehr konservative Entscheidung, allerdings ist die Belastung auf den rechten Hinterreifen in Interlagos auch sehr stark, wenn die Temperaturen hoch sind. Interessant ist, dass der Hard oder der Medium die Pflicht-Reifen für das Rennen sind. Das macht die Strategie allerdings dann auch wieder recht interessant, denn mit dem Hard kann man im Grunde das gesamte Rennen durchfahren. Doch gleichzeitig ist der Zeitunterschied zwischen den Hard und den Soft sehr groß, man spricht von mindestens 1,8 Sekunden auf der kurzen Strecke in Interlagos. Von daher ist eine Ein-Stopp-Strategie nur schwer zu etablieren, zumal man in Interlagos auch noch gut überholen kann.
Im letzten Jahr stoppten die Führenden gleich drei Mal, Ausnahme war Räikkönen, der zwei Mal stoppte. Die Anzahl der gewählten Reifen zeigt, dass die Teams wieder eher Richtung einer Drei-Stopp-Strategie gehen. Man startet auf den Soft, der Stopp sollte um Runde 13 bis 15 erfolgen. Der zweite Stopp kommt in Runde 35, der letzte um Runde 53. Wie immer kann man mit den Medium spielen. Eine Möglichkeit ist, sie direkt beim ersten Stopp aufzuziehen, damit lässt man sich die Möglichkeit für eine Zwei-Stopp-Strategie offen, wenn man die Soft im ersten Stopp etwas länger drauf lässt. Genau das war die Strategie, die Ferrari in Mexiko gewählt hat und die erfolgreich war. Die andere Variante ist, dass man sich die Medium für den Schlussstint aufhebt. Das hat einerseits den Vorteil, dass man sich einen Vorsprung herausfahren kann, andererseits läuft man dann Gefahr am Ende, unter Druck zu kommen, wenn die Konkurrenz auf frischen Soft unterwegs ist.
Die Entscheidung ist nicht leicht, zumal die Chance für ein Safety Car in Interlagos relativ groß ist. Das bedeutet, dass man auf Medium überrascht werden kann. Andererseits ist die Rennleitung mittlerweile dazu übergegangen, dass man eher ein Virtual Safety Car einsetzt, um das Rennen fair zu halten. Angesichts der knappen Entscheidung in der WM wird man versuchen, das auch in Brasilien zu machen.
Das Wetter spielt in Sao Paulo immer eine Rolle, so auch an diesem Wochenende. Am Donnerstag vermeldeten die Wetterstationen vor Ort für Sonntag eine Regenwahrscheinlichkeit von 55% für den Start des Rennens, die dann auf bis zu 70% ansteigen soll. Man hat allerdings in den vergangenen Rennen immer wieder gesehen, dass Regenwolken auch schon mal einen Bogen um die Strecke machen, die ja knapp 800 Meter hoch liegt. Wenn es beim Start nass ist, sind die Probleme überschaubar. Erklärt die Rennleitung ein „Wet Race“ werden sowieso alle auf den Intermediates oder den Full Wets starten. Trocknet die Strecke ab, wird man beobachten, wie sich die Zeiten gegenüber den frühen Wechslern entwickelt. Den Teams stehen mehr Sektorenzeiten zur Verfügung als die drei im offiziellen Livetiming.
Schwieriger wird die Lage, wenn man im Trockenen startet. Wenn es in Sao Paulo regnet, dann meistens aus Kübeln. Das bringt zwei Probleme mit sich. Einerseits muss man die Frage beantworten, wann man kommt, andererseits ob man Intermediates oder die Full Wets nimmt. Verliert man mit dem Intermediates zu viel Zeit? Oder schwimmt man mit ihnen durch den Regen? Die Strecke trocknet schnell ab, man kann also bei hektischen Wechseln mehr Zeit verlieren, als wenn man einfach mit den Intermediates abwartet. Es gibt also eine Menge Spannung.
Bilder: Daimler AG, Pirelli