18 Jahre dabei, 106 Siege, 13 Gesamtsiege in Le Mans und 2 WM-Titel. Zahlen die runtergehen wie Öl und welche lange Zeit wohl erstmal in Stein gemeißelt bleiben
All dies sind die Erfolge, welche Audi seit 1999 in der Le Mans-Szene einfahren konnte. Man gewann nebenbei noch die Titel in der ALMS, der ELMS sowie die Rennen in Sebring und auf der Road Atlanta, und doch kann man diese Zahlen an diesem Wochenende „nur“ noch auf einen 107. Sieg nach oben schrauben. In den 18 Jahren fanden viele dramatische und extrem spannende Rennen statt, wie 2008 und 2010 in Le Mans, das PLM 2011, als man wie entfesselt mit den Peugeots durch den Verkehr heizte. Am meisten wird mir persönlich aber ein Rennen in Erinnerung bleiben: Le Mans 2011. Als 50 Minuten vor Ende Simon Pagenaud auf den führenden Andre Lotterer aufholte, weil dieser einen schleichenden Plattfuß hatte, und beide Autos circa 45 Minuten vor Ende zum letzten Stopp reingekommen sind und Pagenaud aufgrund des folgenden Reifenwechsel des Audi fast die Führung im Rennen übernommen hätte. Seit diesem Augenblick lässt mich die Langstrecke und gerade Le Mans einfach nicht mehr los. Das Rennen in Bahrain markiert nicht nur den letzten Aufgalopp eines Audis in der der WEC, auch wird das letzte Mal in der Serie ein Diesel an den Start gehen und ein großer Mann des Langstreckensports wird nach diesem Rennen ebenfalls kürzer treten.
Die Rede ist von Dr. Wolfgang Ullrich, welcher 1998 das Le Mans-Engagement forcierte und das Team zu seiner zweiten Familie machte. Unter seiner Ägide kamen diese unglaublichen Erfolge zustande und er war auch in Krisenzeiten der größter Befürworter von Le Mans und WEC-Engagement. Ursprünglich war geplant, dass Dr. Ullrich Ende 2017 das Zepter an seinen Nachfolger übergibt, aber mit dem Ende der WEC wurde auch hier eine entsprechende Veränderung vorangetrieben. Am Ende des Jahres wird demnach Dieter Gass das Zepter bei Audi Sport vollends übernehmen und für die Engagements in der DTM und der Formula E verantwortlich zeichnen. Bislang hat Dieter Gass für die DTM die Verantwortung übernommen. 1999 ging das Audi-Team das erste Mal an den Start und man erreichte einen dritten Platz, nachdem man bereits bei den Tests erkannte, dass das Rennen für den R8 damals zu früh kam. 2000 konnte man dann den ersten Sieg mit dem R8 einfahren. Fast wäre es schon damals zum Duell zwischen Audi und Porsche gekommen, und nicht erst 2014, hätte nicht eine politische Entscheidung dies verhindert. 1999 entwickelte Porsche sowohl den Cayenne als auch den 9R3, einen offenen LMP1 mit einem V10, um im Jahre 2000 in Le Mans an den Start zu gehen. Da der Cayenne aber technisch eng mit dem VW Touareg verwandt ist, war Porsche zu diesem Zeitpunkt von VW uund insbesondere von Ferdinand Piech abhängig. Um eine wirtschaftliche Entwicklung und Produktion des Cayenne zu gewährleisten, musste man Zugriff auf die Plattform von VW haben. Diese hat VW Porsche dann auch gewährt, aber nur unter der Auflage, sich für mindestens zehn Jahre im Spitzensport vom VW-Konzern fernzuhalten. Infolgedessen gewann Audi Le Mans insgesamt 13 Mal, führte 2006 den Diesel ein und gewann zum ersten Mal mit einem Hybridauto die 24 Stunden von Le Mans und half der Langstreckenszene nach vielen Jahren wieder zurück auf die große Bühne einer WM. Es hat sich seitdem viel getan. Nur eine Handvoll Personen ist seit 1999 an Bord, das Team ist auf mittlerweile auf über 200 Leute angewachsen – entsprechend groß werden die Tränen sein, wenn am Samstag die schwarz-weiß karierte Flagge dieses Programm beendet.
Die große Frage lautet an mehreren Ecken: „Wie gehts danach weiter?“ In Sachen Audi Sport ist der zukünftige Weg eingeschlagen. Man wird in der Formula E werkseitig antreten und weiter in der DTM fahren. Für die Fahrer sieht die Sache teilweise anders aus. Lucas Di Grassi wird in der FE weiter für Audi fahren, aber die Frage ist, was machen die anderen? Oliver Jarvis wird mit Toyota in der Verbindung gebracht, welche in den ersten drei Rennen 2017 wohl drei Autos einsetzen. Marcel Fässler wird bei Corvette / Labre für den GTE-Pro-Einsatz gerüchelt. Loic Duval wird ebenso FE fahren. Die größeren Fragezeichen schweben aber neben dem 40-jährigen Benoit Treluyer und dem wohl schnellsten Piloten, den Audi hat: Die Rede ist von Andre Lotterer. Aus Japan kam Anfang dieser Woche das Gerücht auf, dass Lotterer neben seinem Super Formula-Engagement in2017 wieder in der WEC starten wird, nämlich bei Porsche. Eine Meldung, die ich offen und ehrlich gesagt immer noch sehr schwer einordnen kann. Die #2 von Porsche konnte über das ganze Jahr trotz dem Le Mans-Sieg und dem fast sicheren WM-Titel nie den Speed der #1 mitgehen. Von daher stehen hinter Marc Lieb und noch mehr hinter Romain Dumas mehrere Fragezeichen. Bislang hat Porsche einen Ersatzfahrer (Earl Bamber, denn Nick Tandy übernimmt den Drive von Mark Webber). Sollte ein Pilot nicht mehr in der #2 fahren, wird Earl Bamber diesen ersetzen. Sollte aber ein zweiter Pilot gehen, hätte Porsche unter anderem mit Frédéric Makowiecki (der ursprünglich 2015 im dritten 919 hätte fahren sollen, dann aber von Bamber in einem Test ausgestochen wurde) einen guten Piloten. Auf der anderen Seite würde man mit Andre Lotterer den vermutlich schnellsten LMP1-Fahrer der Gegenwart unter Vertrag nehmen können. Insofern wird man wohl noch die nächsten Wochen abwarten müssen, was wirklich aus diesem Gerücht wird.
Die andere spannende Frage für die Zukunt betrifft Joest Racing. Die Mannschaft von Reinhold Joest stellt knapp 50 Mann des Audi-Teams und hat für 2017 bis dato kein Betätigungsfeld. Ein erstes Gerücht besagte, dass man eventuell das Monocoque des 2017er R18 samt Aero als Basis für einen LMP1 nehmen wolle. Dies kann ich mir aber nur schwer vorstellen, denn Audi wird wohl kaum das Auto oder Teile davon rausrücken, dazu müsste Joest das Auto massiv umbauen. Man bräuchte einen neuen Motor, ein neues Getriebe, neue Verschraubpunkte am Monocoque, man müsste die Zentralhydraulik rauswerfen, dementsprechend ein neues Fahrwerk konstruieren und fertigen und das ganze innerhalb der nächsten paar Monate. Dazu müsste man den Tank um circa 20 Liter vergrößern, was auch kaum machbar sein dürfte, denn dieser ist in das Monocoque integriert. Ein Unterfangen, das eigentlich unmöglich ist, denn der 2017er R18, RP7 genannt, hätte in den Wochen vor Weihnachten sein Debüt auf der Teststrecke gefeiert. Am wahrscheinlichsten halte ich daher ein Engagement in der LMP2, denn dies wäre in der Kürze der Zeit und mit vertretbarem Aufwand zu stemmen, während in der LMP1 der Zug wohl schon abgefahren wäre, es sei denn man nimmt sich ByKolles als Maßstab, was aber ziemlich sicher nicht der Fall ist.
Grundsätzlich sollte die Strecke dem RP6 liegen, denn der Bahrain International Circuit zeichnet sich durch drei längere Geraden sowie einigen mittelschnelle und langsame Kurven aus. Eine Kombination, die dem Auto wie schon in Austin sehr entgegenkommen sollte, und es wäre der Mannschaft zu gönnen, wenn sie sich mit einem Sieg verabschieden könnte. Der schärfste Konkurrent dürfte wohl Porsche sein, denn der 919 hybrid war in Shanghai kaum zu schlagen und Bahrain hatte 2,3 mittelschnelle Ecken mehr als Shanghai vor zwei Wochen, was dem Porsche einerseits entgegenkommt, andererseits auch dem Toyota etwas weh tut, denn dieser profitiert normal stark von längeren Geraden und kaum vorhandenen mittelschnellen Kurven, in denen sein Abtriebsdefizit und sein fehlendes Abgasenergierückgewinnungssystem zum Tragen kommt. Von daher sollte es auch kaum mehr zu Verschiebungen in der Fahrermeisterschaft kommen, denn die Besatzung des #6 Toyota hat 17 Punkte Rückstand. Um diesen Rückstand zu egalisieren, müsste man das Rennen a) gewinnen und b) dürfte der Porsche mit der #2 nicht in die Wertung kommen. Dies ist zwar zum Beispiel durch einen Unfall oder einen Defekt möglich, allerdings war der Porsche bislang das zuverlässigste Auto im Feld der Werks-LMP1, wodurch sowohl ein Nuller als auch ein Sieg des Toyota relativ unwahrscheinlich ist. Das schnellere Auto bei Porsche war / ist aber der #1 mit Timo Bernhard, Brendon Hartley und Mark Webber. Für Letzteren geht auch eine Ära zu Ende, denn das WEC-Rennen in Bahrain ist nach drei Jahren bei Porsche sein letztes professionelles Rennen. Nach diesem Rennen ist Schluss für Mark Webber und er wird weiter Markenbotschafter bei Porsche bleiben. Ein Engagement etwa in einem GT3 schloss er aus, womit die WEC eines ihrer schillerndsten Gesichter verlieren wird.
Ebenfalls das letztes Rennen in der LMP1-Klasse wird Rebellion absolvieren. Aufgrund der bekannten Problematik in der LMP1-L wird man 2017 mit zwei Oreca07 in der LMP2 an den Start gehen. Immerhin war das Team seit 2012 ununterbrochen in der WEC am Start und konnte heuer zu Beginn zwei Podestplätze feiern, als man in Silverstone und Spa von den Problemen der Werksautos profitieren konnte. Allerdings will man nicht immer nur gegen sich selbst fahren und im schlimmsten Falle auch noch regelmäßig von den 2017er LMP2 gebügelt werden.
Die neuen LMP2 werden ab 2017 in der WEC fahren, was zugleich bedeutet, dass die jetzigen LMP2 ebenfalls ihr letztes Rennen in der WEC bestreiten werden. 2011 wurde die Klasse umfassend überarbeitet um ausurfernde Kosten wie beim damaligen HPD mit dem 3,4l V8 oder dem Porsche RS Spyder zu verhindern. Dies hat sich als absoluter Glücksgriff bewiesen. Der Cost Capp und die freie Wahl des Fahrzeugherstellers haben für volle und zuverlässige Starterfelder in einer Klasse gesorgt, welche vorher gerne den Ruf einer Bastelbude hatte. Ebenso gab es verschiedene Neuentwicklungen, welche mal mehr (Oreca, Ligier, teils der BR01 von SMP) oder mal weniger erfolgreich (Strakka-Dome) waren. Für 2017 werden die Autos aufgrund der gestiegenen Motorleistung deutlich schneller werden, aber auch die Vielfalt wie zum Beispiel den Zytek wird es so nicht mehr geben, denn dann sind nur noch Riley, Dallara, Onroak (Ligier) und Oreca als Lieferanten zugelassen. Die Entscheidung um die Meisterschaft ist derweil hier schon lange gefallen, denn Signatech Alpine steht als Meister fest.
In der GTE-Pro wird es ebenfalls zum Ende einer Ära kommen. Bislang wurden die GTE-Rennwagen aus Zuffenhausen vor allem durch ein Merkmal bestimmt: Der Motor ist immer hinter der Hinterachse. Seit Mittwoch ist auch dieses Zeitalter vorbei und der 2017er RSR vertraut nicht nur auf einen neuen 4,0 Liter-Direkteinspritzer, sondern auch auf einen Mittelmotor. Aus Gründen der Gewichtsverteilung und der verbesserten Aero (größerer Diffusor hinten möglich durch den gewonnen Platz) hat man sich dazu entschieden, beim neuen RSR den Motor vor der Hinterachse zu platzieren. Im Zuge dessen wird ein neues Getriebe notwendig und man hat auch die Aero überarbeitet und an die neuen GTE-Regeln angepasst. Dies sieht man unter anderem an der vorne tiefen liegenden Entlüftungen hinterm unteren Radkasten sowie den deutlich breiteren Schwellerverkleidungen, welche den Unterboden besser abschirmen sollen, sowie an der geänderten Heckflügelaufhängung, welche nun wie bei anderen GT-Modellen oben am Flügel ansetzt.
Insofern wird Bahrain das letzte Rennen sein, in dem Michael Christensen und Richard Lietz mit dem alten und chancenlosen RSR antreten müssen. Vorne an der Spitze sollte normal Ferrari die besten Karten haben. Nach den starken Vorstellungen der Ford GT und dem Hin und Her wegen der BoP in Bahrain bekommt diesmal der Ford eine auf den Deckel. Der GT muss 20 kg einladen und einen deutlich niedrigeren Ladedruck über das gesamte Drezahlband fahren. Damit wird man sich in Bahrain wohl hinter den Aston Martin und den Ferrari einordnen. Letztere sollten aufgrund der Kurven das schnellste Auto haben, während Aston Martin wohl gerade über die Stints von den Dunlop-Reifen profitieren sollte, welche für höhere Temperaturen entwickelt worden sind und sich in Mexiko und Austin als schnell und konstant herausgestellt haben. Dies spielt Ferrari insofern massiv in die Karten, da man 10 Punkte vor Aston Martin in der Herstellerwertung liegt und sich somit Ford wohl kaum dazwischen schieben kann. Auf der anderen Seite würde Ferrari die Fords brauchen, denn in der Fahrerwertung liegen Davide Rigon und Sam Bird 12 Punkte hinter Nicki Thiim und Marco Sorensen zurück. In der Teamwertung, in welche immer das beste Ergebnisse des besten Fahrzeuges an einem Wochenende einfließt, sieht es enger aus. Hier führt Aston Martin mit mickrigen 2 Punkten vor Ford und 10 Punkten vor Ferrari. Über alle drei Wertungen den Überblick zu behalten, dürfte im Laufe des Rennens eine Kunst für sich sein.
In der GTE-Am ist die Entscheidung eigentlich schon pro AF Corse und Collard/Perrodo und Rui Aguas gefallen. Sie haben genau 25 Punkte Vorsprung auf Pedro Lamy, Matthias Lauda und Paul Dalla Lana im Aston Martin. Diese könnten das Ruder nur herumreißen, wenn sie die Pole in der Klasse holen, gewinnen und der Ferrari einen technischen Defekt hat. Also ein äußerst unrealistisches Szenario. In der Klasse gibt es auch noch eine personelle Veränderung. Romain Brandela, der seine letzten Rennen bislang in der ELMS in einem LMP2 absolvierte, wird neben Ricky Tayler und Pierre Ragues in der Labre Corvette Platz nehmen. Diese Mannschaft wird wohl 2017 in die GTE-Pro aufsteigen, um dort die Corvette-Flaggen mit einem Auto hochzuhalten. Daher hat der ACO endlich mal angefragt, ob er für die GTE-Pro einen WM-Titel haben könnte, denn dann wären fünf Hersteller in der Klasse involviert und 2018 mit BMW deren sechs.
Das letzte WEC-Rennen für Audi steigt am Samstag ab 14:00 Uhr und ist live über den Eurosport Player kostenlos zu sehen, während der FIA WEC-Stream nach wie vor nicht kostenlos ist.