Showtime! Knapp 300 Kilometer Renndistanz trennen Nico Rosberg in Abu Dhabi von seinem ersten WM-Titel. Egal wie langweilig das Rennen sonst ist – die WM Entscheidung sorgt für Spannung.
Es werden drei anstrengende Tage für Nico Rosberg, der in der WM mit 12 Punkten führt. Drei Tage, in denen er hoffen wird, dass alles so wie immer in diesem Jahr läuft. Nach 20 Rennen und acht Monaten steht er endlich vor seinem großen Ziel: Weltmeister der Formel Eins. Und die Chancen, dass er den WM-Titel bekommt, stehen gut. Die Strecke des Yas Marina Circuit liegt dem Mercedes und ihm. In den letzten drei Jahren stand er hier auf der Pole, konnte also seinen Teamkollegen schlagen. Die Pole wird er auch in diesem Jahr wieder vor Augen haben. Denn das Beste ist natürlich immer, wenn man vorne mit etwas Abstand in Ruhe fahren kann. Wenn kein Hamilton oder Verstappen drängelt.
Die ideale Ausgangsposition wäre: Er holt die Pole, gewinnt den Start und hinter ihm ist Hamilton in einen Zweikampf verwickelt. Verstappen, Vettel, Ricciardo, Räikkönen – egal. Hauptsache, die Konkurrenz ist beschäftigt. Aber das Szenario ist eher unwahrscheinlich. Denn die Mercedes sollten in Abu Dhabi das Maß der Dinge sein. Mag sein, dass es in der Quali etwas enger wird, weil die Red Bull oder die mittlerweile gleich starken Ferrari im Quali-Trimm aufrücken. Aber im Rennen werden die Mercedes ihre Vorteile wieder ausspielen. So wie immer in den letzten Monaten. Von daher muss man eher damit rechnen, dass Lewis Hamilton entweder die Pole holt und wegfährt oder im Getriebe des Deutschen hängen wird. Wie geht Rosberg damit um?
Das klügste wäre vermutlich einen allzu aggressiven Briten vorbeizulassen. Die bisherigen engen Zweikämpfe in diesem Jahr gingen immer zu Lasten Rosbergs aus. Und ihm reicht in Abu Dhabi bekanntlich auch P3. Vom Rennen und der Strategie her gesehen sind die Probleme für Rosberg überschaubar.
Aber dann gibt es noch so etwas wie die Psyche. Es wäre sein erster WM-Titel, er wäre nach Damon Hill der zweite Sohn eines Weltmeister, der das schafft. Der erste, der seinen Titel mit seinem Vater gemeinsam feiern kann. Rosberg hat nicht die kometenhafte Karriere hinlegen können, die Hamilton hatte. Sein Einstieg in die Formel Eins war zäh, die Jahre bei Williams sicher lehrsam, aber auch schwer. Während Hamilton schon in seiner Saison zu einem Top-Star avancierte, krebste Rosberg im Mittelfeld rum, ohne Chance auf einen Sieg. Bis Mercedes kam.
Die letzten zwei Jahre müssen für Rosberg einen Demütigung gewesen sein. Hamilton hatte ihn fest im Griff. In Sachen Speed und auch in Sachen Psychologie. Klar, sein Talent sprach ihm keiner ab. Aber er machte nicht den Eindruck, dass er wie seinerzeit Alain Prost das schiere Talent von Ayrton Senna mit Psychologie und Geduld überwinden konnte. Bis zu dieser Saison.
Nun also noch eine Qualifikation, ein Rennen, 300 Kilometer. 55 Runden und vermutlich zwei Boxenstopps. Seine größte Sorge wird der Technik gelten. Hält der letzte Motor, der am Ende seiner Laufzeit ist? Gibt es irgendein Teil, das vielleicht angeschlagen ist? Oder lauert auf der Strecke irgendwo ein winziges Carbon-Teil, das in einem schlechten Moment einen Reifen aufschlitzt. Sehen ihn alle, die er überrunden wird? Nico Rosberg wird hoffen, dass sein Rennen möglichst langweilig ist.
Große Entscheidungen gibt es in der WM nicht. Bei der Fahrern könnte Verstappen Vettel von P4 verdrängen, dafür müsste er aber fünf Punkte mehr holen. Unmöglich ist das nicht. Red Bull hätte dann beide Fahrer vor den Ferrari-Piloten platziert, was die etwas zähe Saison von Red Bull sicher versüßen würde. In der Team-WM war zuletzt nur noch zwischen Force India und Williams bzw. Manor und Sauber etwas Spannung drin. Die Inder haben Williams mittlerweile hinter sich gelassen und liegen mit 27 Punkten Vorsprung auf P4. Da sollte nichts mehr anbrennen. Dass Manor im letzten Rennen noch mal den Spieß gegenüber Sauber umdrehen kann, ist äußerst unwahrscheinlich. Sauber wird sich auf P10 in den Winter retten.
Strategie:
Soft, Supersoft und Ultrasoft stehen auf dem Menü und das zum ersten Mal in Abu Dhabi. Erstaunlicherweise haben sich fast alle für sehr viele Ultrasoft entschieden. Sieben bis neun Sätze liefert Pirelli, je nach Team. Drei Sätze gehen in der Quali drauf und die Frage wird sein: Wie lange halten die Ultrasoft? Generell gab es in diesem Jahr die Tendenz, dass die neuen Ultrasoft eigentlich nur eine bessere Variante der Supersoft sind. Der Zeitunterschied ist gering, bisher machte die Ultras den Eindruck, dass sie eher länger halten als die Supersoft. Daher verzichten die Teams mehr oder weniger auf die Supersofts und nehmen stattdessen lieber die Soft. Das wird der Reifen fürs Rennen.
Der Asphalt in Abu Dhabi gilt als wenig aggressiv, es gibt kaum schnelle Passagen, in denen ein Reifen besonders belastet wird. Aber die hohen Temperaturen sorgen natürlich für eine höhere Belastung der Reifen, dazu kommt die meist staubige Piste. Allerdings ist es weniger Sand als zum Beispiel in Bahrain, was mit der Lage der Strecke zu tun hat
Man wird auf den Ultrasoft starten, was anderes macht keinen Sinn. Der erste Stint sollte bis Runde 12 gehen, der nächste Stopp folgt dann in Runde 30 bis 35. Abhängig davon, welche Reifen man beim ersten Stopp nimmt. Ein weiterer Stint auf den Ultrasoft bietet die Gelegenheit, einen Vorsprung herauszufahren. Auf der anderen Seite könnte man einen langen Stint auf den Soft einlegen, um Ende mit Ultrasoft anzugreifen.
Eine Ein-Stopp-Strategie ist eher nicht drin. Selbst wenn man auf den Soft startet, müsste man bis Runde 35 oder 40 fahren, um dann die Ultrasoft zu nehmen. Dies würde aber einen Zeitverlust bedeuten, den man mit den Ultras nicht mehr aufholen kann. Möglich ist eine Ein-Stopp-Strategie, sollte es im Rennen zu einer längeren Unterbrechung durch das Safety Car kommen. Aber auch das ist eher unwahrscheinlich, Abu Dhabi ist eher eine Sache für ein VSC.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Teams in Abu Dhabi auf eine sehr ähnliche Strategie setzen. Überraschungen sind also nicht zu erwarten. Das spricht nicht für die Spannung im Rennen. Aber genau das wünscht sich Nico Rosberg ja: Langeweile.