Der Winterschlaf der Formel Eins neigt sich so langsam dem Ende entgegen. 2017 wird es viele Neuerungen in der Serie geben, auch in geschäftlicher Hinsicht.
Technisch verändert sich in der Formel Eins vor allem die Aerodynamik. Die Autos und damit auch die Frontflügel wachsen um 200 Millimeter in die Breite, ebenfalls der Unterboden. Das bedeutet auch, dass der Diffusor breiter und länger wird. Der Heckflügel wächst auch um 150 Millimeter, wird aber gleichzeitig etwas abgesenkt. Dazu kommen die breiteren Reifen, die vorne um 60 Millimeter, hinten um 80 Millimeter wachsen. Die Autos werden also insgesamt breiter und durch den niedrigen Heckflügel flacher aussehen. Ziel des ganzen: Die Autos sollen um bis vier Sekunden pro Runde schneller werden, die Kurvengeschwindigkeiten werden allein durch die Reifen massiv ansteigen.
Die FIA erhofft sich durch die Veränderungen, dass Überholmanöver leichter werden und nicht mehr allein durch das DRS möglich sind. Die Experten sind da geteilter Meinung. Zwar entsteht hinter dem Auto jetzt ein größerer Windschatten, aber die Aerodynamiker werden alles dafür tun, damit der Luftstrom möglichst unsauber hinter dem Auto raus kommt. Bekanntermaßen sorgt die „Dirty Air“ hinter dem Auto dafür, dass die Anströmung des nachfolgenden Autos gestört ist. Auch die höheren Kurvengeschwindigkeiten werden da nicht helfen, im Gegenteil. Gerade hier ist die richtige Anströmung wichtig, um maximalen Abtrieb zu haben. Das Überholen wird dadurch nicht leichter, da man nicht mehr so dicht auffahren kann.
Der niedrige Heckflügel hilft allerdings wieder. Zwar werden die Teams versuchen, die Airbox so niedrig wie möglich zu halten, aber aus Sicherheitsgründen bleibt die Höhe des Überrollbügels natürlich wie gehabt. Und über dem Bügel strömt die Luft zum Motor. Die Airbox wird also nicht viel schrumpfen können, es sei denn, man findet andere Lösungen.
Die sportlichen Regeln haben sich nicht verändert, außer dass es bei nasser Strecke und einem Start hinter dem SC einen stehenden Re-Start geben wird, sobald der Kurs dafür freigegeben wird. Es gab Überlegungen so etwas generell nach jeder SC-Phase zu machen, das wurde aber zunächst verworfen.
Veränderungen in der Rangfolge?
Neue Regeln bedeutet meist auch Verschiebungen in der Hackordnung der Formel Eins. Wird es also einen Angriff auf Mercedes geben? Auf dem Papier ist das möglich, es kann ja auch mal sein, dass Mercedes sich in der Entwicklung verrennt. Aber grundsätzlich gehen fast alle davon aus, dass sich so viel nicht ändern wird. Die Änderungen an den Fahrzeugen sehen zwar nach viel aus, sind es am Ende aber nicht. Die Autos werden breiter, mehr nicht. Das verändert die Aerodynamik nicht so grundsätzlich wie zum Beispiel die Absenkung der Front 2014.
Zudem kochen alle mit demselben Wasser. Man hat seit letztem Februar mit den neuen Regeln experimentiert. Dass da jemand eine revolutionäre neue Sache entdeckt, ist eher unwahrscheinlich. Das schließt allerdings nicht eventuelle Lücken im Reglement ein. Wer hier die Grenzen des Gesetzes am besten interpretiert, könnte sich einen Vorteil verschaffen.
Bei den Motoren wird Mercedes das Maß der Dinge bleiben. Ferrari bleibt knapp dahinter, Renault sollte zumindest zu Ferrari aufschließen können. Hinter Honda steht mal wieder ein großes Fragezeichen. Angeblich hat man über den Winter den Motor komplett umgebaut und nutzt nun eine Konstruktion, wie Mercedes sie entwickelt hat. Renault und McLaren-Honda wären dann auch die einzige Teams, denen man in Sachen Finanzen und Möglichkeiten zutrauen kann, dass die zu den drei Top-Teams aufschließen können. Wenn denn alles mal gut läuft.
Politik & Geschäft
Die größte Zäsur in politischer wie geschäftlicher Hinsicht ist die Entmachtung von Bernie Ecclestone. Nicht mehr er, sondern Chase Carey, Ross Brawn und Sean Bratches haben nun das Sagen. Carey ist offiziell CEO und kümmert sich sowohl um die Politik als auch um Geld. Bratches übernimmt den Punkt Vermarktung und Sponsoring, Brawn die technische Seite der Formel Eins. Er wird vermutlich auch derjenige sein, der die Verhandlungen mit den Teamchefs führt.
Viel wird sich 2017 aber nicht ändern. Das Concorde Agreement und alle anderen Verträge laufen bis 2020 durch. Natürlich kann die FOM zusammen mit den Teams das alte Agreement kündigen und für 2018 ein neues aufsetzen. Ob das aber so schnell passieren wird, ist fraglich. Liberty Media wird zunächst abwarten und eigene Managementstrukturen etablieren wollen. Man wird ebenfalls sehen müssen, wie die Verträge laufen, wo Bernie eventuell Extra-Deals gemacht hat. Bekannt ist, dass Mercedes, Red Bull und Ferrari jeweils einen Sonderbonus bekommen. Wogegen Sauber und Force India unter anderem gerade klagen.
Die wichtigste und schwierigste Rolle hat Ross Brawn. Einerseits muss er mit den Teams über mögliche technischen und sportlichen Regeländerungen verhandeln, andererseits muss er schauen, dass sich die Show verbessert. Brawn ist aber eher der Tradition verhaftet und keiner, der etwas übers Knie bricht. Vielleicht wird es kleinere Änderungen schon in diesem Jahr geben, vielleicht erst 2018. Grundlegend neue technische Regeln sollte man vor 2020 nicht erwarten, schon gar nicht bei den Motoren.
Aber das gesamte System der Formel Eins ist mit dem Abgang von Ecclestone ins Rutschen geraten. Deals, wie sie früher gemacht wurden, sind nicht mehr möglich. Alle Teams können sich neu positionieren und sich eine neue Ausgangsposition verschaffen. Das wird manche Teams ärgern, einige Teams, wie Sauber und McLaren, die sich mit Bernie schwer getan haben, wieder freuen.
Natürlich werden die „Big Spender“ weiter die wichtigste Rolle spielen. Ohne Ferrari geht gar nichts, ohne Red Bull auch nicht. Mercedes wird ebenfalls versuchen, vor allem auf geschäftlicher Seite mehr raus zu holen. Die Frage wird sein, wie man mit Teams wie Williams, Sauber und Force India umgehen wird, die ja manchmal das Salz in der Suppe eines Rennens sein können.
Ein weiteres Problem, das Liberty Media angehen muss, sind die Kosten. Der Verlust von Manor in diesem Jahr mag auf den ersten Blick nicht schwer wirken, aber das Feld schrumpft auf 20 Autos. Und gleichzeitig gibt es weiter drei offene Stellen für Teams, die in die Serie wollen. Aber da ist weit und breit kein Nachrücker in Sicht. Auch hier gilt dann: Ab 2020 sollte das anders aussehen.
Strecken
Nach der Absage des GP von Deutschland sind es in diesem Jahr „nur“ 20 Rennen. Was den meisten schon ausreicht. Es gibt im Kalender aber weitere Wackelkandidaten. Dazu gehören vor allem Malaysia und Singapur. Auch China hat das Interesse verloren, hat aber noch einen gültigen Vertrag. Die Frage ist, wo Liberty Media die F1 hinsteuern will.
Einerseits hat man sich schon zur Tradition bekannt. Dass 2018 der französische GP wieder im Kalender sein soll, ist ein gutes Zeichen (ironischerweise in Paul Ricard, einer Strecke, die Ecclestone gehört). Gleichzeitig hat man auch schon angekündigt, dass man das US-Engagement der Formel Eins verbessern will. Dafür braucht es dann, neben dem Rennen in Austin, mindestens noch drei weitere Rennen in den USA. Vermutlich wird man hier Stadtkurse suchen, was aber auch nicht so leicht ist. Grade 1-Strecken hat die USA ansonsten aber auch kaum.
Dennoch ist auf lange Sicht möglich, dass sich die Formel Eins von Asien in die USA verschiebt, wenn es denn bei den 20 Rennen pro Jahr bleibt. Es gab auch schon Gerüchte, dass Liberty Media auf 25 Rennen pro Jahr erhöhen möchte. Hier sperren sich aber die Teams. Nicht mal wegen der Arbeitsbelastung für alle (das auch), sondern vor allem wegen der Kosten. 25 Rennen bedeuten, dass man mindestens, wie in früheren Zeiten, ein weiteres Einsatzteam vorhalten muss. Das erhöht das Budget schnell mal um 20 Prozent und mehr.
TV & Social Media
Die TV-Deals stehen, da wird man nichts dran ändern können. Das gilt auch für die Streaming-Rechte, die Ecclestone meist im Paket an die TV-Stationen verkauft hat. Die Deals laufen teilweise bis 2025 (SkyUK). Liberty Media wird sich genau überlegen, ob man da ran will, denn die Deals, die Bernie gemacht hat, machen rund 40% der Einnahmen der Serie aus. Wenn Liberty neu verhandelt, werden die TV-Sender die Preise drücken wollen, vor allem wenn Liberty die Streaming-Rechte selber haben will.
Die einzige Stellschraube, an der Liberty sofort drehen kann, ist Social Media. Eccelstone war bekanntlich kein Freund von Facebook und Co. Seine Einstellung dazu: „Warum soll ich Facebook etwas umsonst geben, damit die dann wieder Geld verdienen, ich aber nicht?“ Ich vermute, dass Liberty hier anders agieren wird. Man wird den Hahn in Sachen Bildmaterial auf YouTube und Facebook vermutlich aufmachen wollen.
Eine weitere Möglichkeit, das Produkt zu verbessern hat Liberty ebenfalls in der Hand: Die Qualität der TV-Übertragungen. Es wäre dringend an der Zeit, die On-Screen Grafiken zu verbessern, 360 Grad-Kameras einzusetzen usw. Hier wird sich die TV-Erfahrung von Carey und dem früheren ESPN-Mann Bratches hoffentlich schnell zeigen.