Der Formel Eins Weltmeister von 1964, John Surtees, ist heute im Alter von 83 Jahren verstorben. Surtees war mehr als nur ein Rennfahrer.
John Surtees wurde 1934 in Tatsfield, Surrey, geboren. Ein waschechter Brite, der schon früh mit dem Motorsportvirus infiziert wurde. Allerdings galt seine Liebe erst mal den Motorrädern. Was daran lag, dass sein Vater ein Händler für Norton-Motorräder war und Surtees seine ersten Gehversuche dort unternahm. Und Surtees war schnell ungewöhnlich erfolgreich. Nachdem er fast zum Werksfahrer bei Norton aufgestiegen war, entschied er sich für ein Engagement bei MV Augusta. Die Kombination Surtees/Augusta sollte eine der erfolgreichsten der 50er Jahre werden.
1956 gewann Surtees die damalige 500 ccm-Königsklasse, das Kunststück gelang ihm dann noch 1958, 1959 und 1960. Drei Jahre lang war er sogar Doppelweltmeister, weil er auch die 350 ccm-Klasse gewinnen konnte. Surtees war so dominant, er gewann in den drei Jahren 32 der 39 ausgetragenen Rennen. Und er konnte gleich dreimal die Isle of Man TT gewinnen. Mehr geht als Motorradfahrer kaum.
Surtees war zu der damaligen Zeit ein veritabler Star und so konnte er es sich erlauben, mehr oder weniger direkt von den Motorrädern zu den Formel-Autos zu wechseln. Etwas, das heute kaum vorstellbar ist. 1960, noch während der laufenden Motorradsaison, setzte er sich in einen Lotus und gleich bei seinem zweiten Rennen konnte einen zweiten Platz belegen. Seinen ersten Sieg konnte er aber erst 1963 ergattern, aber da gewann er immerhin das Rennen auf dem Nürburgring. Nach 15 Runden hatte er dem damals dominierenden Jim Clark mehr als eine Minute abgeknöpft.
Es war klar, dass Surtees ein außergewöhnliches Talent war. Auch wenn die Fahrer damals noch die Autos und Klassen wechselten und teilweise an jedem Wochenende in einem anderen Wagen saßen, so war Surtees doch von besonderer Natur. Davon zeugen auch seine Einsätze für Ferrari in Le Mans. Zwar konnte er das Rennen nie gewinnen, aber 1964 erlangte er den dritten Platz.
Dass die Formel Eins aber auch ihre Schattenseite hatte, erlebte John Surtees 1961 aus erster Hand. Beim GP von Italien lag er in seinem Cooper direkt hinter dem damals jungen Jim Clark und seinem Konkurrenten Graf Berghe von Trips. Surtees konnte das Duell der beiden beobachten, als sie auf die Parabolica zujagten. Beim Anbremsen versetzte der Ferrari von Trips leichte, die Räder verhakten sich und der Wagen des Deutschen wurde in die Zuschauer geschleudert. Neben Trips starben 14 Zuschauer. Surtees beschrieb den Unfall später als „unglücklichen Rennunfall“.
Auch Surtees blieb von schweren Unfällen nicht verschont. 1965 verunfallte er im kanadischen Mosport in einem Lola T70 schwer. Der Unfall hatte zur Folge, dass er nach der Ausheilung der Brüche auf einer Seite des Körpers knapp drei Zentimeter kleiner war. Was seine etwas schiefe Haltung dann auch erklärte.
Der Unfall passierte nach seinem erfolgreichsten Jahr in der Formel Eins. 1964 konnte er seinen Ferrari zum WM-Titel fahren, allerdings war das Ergebnis denkbar knapp. Graham Hill hatte eigentlich einen Punkt mehr auf dem Konto, aber damals gab es noch Streichergebnisse. Und da Surtees mehrfach ausgefallen war, hatte er kein Streichergebnis und konnte nach der Auswertung dann den WM-Titel mit einem Punkt Vorsprung gewinnen.
Auch 1966 hatte Surtees Chancen auf den WM-Titel. Aber Ferrari entschied sich, Surtees nicht in Le Mans einzusetzen, weil man Zweifel an seiner Fitness nach dem schweren Unfall in Mosport hatte. Der Brite verließ daraufhin das Team unter Protest und sollte sich erst sehr spät mit Enzo Ferrari aussöhnen.
Er wechselte zu Honda, wo er 1967 das Rennen in Monza gewinnen konnte. Es sollte der letzte Sieg für einen Honda für lange Zeit werden. Surtees gründete dann später sein eigenes Team, das in der F1, F2 und anderen Serien unterwegs war. In der F1 konnte er keine Erfolge sammeln, aber sein F2-Team gewann 1972 immerhin die Meisterschaft.
Surtees blieb dem Motorsport verbunden und musste am Ende seines Lebens erneut eine Katastrophe erleben. Sein hochtalentierter Sohn, Henry Surtees, starb 2009 bei einem Rennen der Formel 2 in Brands Hatch, als er völlig unverschuldet von einem Reifen getroffen wurde. John Surtees blieb dem Rennsport dennoch treu und tauchte immer wieder an den Rennstrecken dieser Welt auf.
Ich traf ihn 2012 im Rahmen des GP von Belgien in Spa. Ich werde diese Begegnung nie vergessen. Zitat aus dem Artikel:
„Wenn man schon jemanden wie Surtees am Tisch hat, dann kommt natürlich unwillkürlich die Frage, wie es damals war, als Surtees in Spa unterwegs war. Der Ex-Weltmeister beschrieb dann einfach eine Runde auf der alten Strecke. Und er konnte sich an jede Kurve, selbst an den Gang, den er eingelegt hatte, erinnern. Er berichtete sehr plastisch, wie es war, wenn man die ultraschnelle Kurve von Burneville im leichten Drift nahm, wie man vor der alten Stavelot zurückschalten musste.“
Mit Surtees stirbt einer der letzten Piloten, die noch in den 50er Jahren unterwegs waren. Auch wenn Surtees nie der „Haudegen“ war wie ein Danny Hulme oder Jack Brabham, auch wenn er nie die Popularität eines Jim Clark erreichte – Surtees war der erste und letzte Fahrer, der Weltmeister auf dem Motorrad und in der Formel Eins war. Eine besondere Leistung eines leisen und immer freundlichen Menschen, die ihm vermutlich niemand mehr nachmachen wird.
Bilder: Ferrari