In der Nacht auf Sonntag wird der vierte Lauf der Formula E-Saison ausgetragen, genauer in einer der größten Metropolen der Welt, Mexico City.
Drei Rennen, drei Buemi-Siege – die Bilanz der bisherigen Formula E-Saison liest sich eintönig, doch die Rennen waren abwechslungsreicher, als diese eine – die wichtigste – Statistik vermuten lässt. Zwar gewann der amtierende Champion alle bisherigen Läufe, doch er startete in keinem von ihnen von der Pole, sodass er sich zumindest in jedem Rennen nach vorn kämpfen musste. Das dauerte mal länger (Marrakesch), mal nur wenige Runden (Buenos Aires), doch es sorgte stets für Spannung.
Die selbstverständliche Art, in der Sebastien Buemi sich in jedem Rennen mit souveränen Überholmanövern an die Spitze fährt, ist schlichtweg beeindruckend. Der Schweizer ist der Star der Formula E, natürlich auch dank des seit der vorangegangenen Saison starken Renault-Antriebsstranges im Heck seines e.dams-Autos, aber aus dem Trio Buemi-di Grassi-Bird, das ich im Vorjahr als Triumvirat der Formula E gesehen hatte, hat er sich inzwischen schon abgehoben.
An den Mexico City ePrix 2016 werden sich sowohl Sebastien Buemi als auch Lucas di Grassi mit negativen Gefühlen erinnern. Di Grassi siegte auf der Strecke, wurde aber aufgrund eines zu leichten Autos disqualifiziert, während sich Buemi in der zweiten Rennhälfte einen unsauberen Fight mit Jerome d‘Ambrosio lieferte. Zunächst blockte der Belgier grenzwertig einen Überholversuch ab, beim nächsten Versuch kam es sogar zum Kontakt, Buemi schimpfte im Funk heftig. Beim dritten Versuch schließlich würgte sich Buemi mit Gewalt vorbei, verpasste aber die erste Schikane.
Er blieb vorn, hinter ihm verlor d’Ambrosio zwei weitere Plätze, was er offensichtlich inakzeptabel fand, die dritte Schikane schlicht ausließ, um sich wieder hinter Buemi zu setzen, der ihm dann nach Aufforderung dann auch seinen Platz zurückgab. Dieser (zweite) Platz sollte zum Sieg werden, nachdem di Grassi aus dem Resultat entfernt worden war – eine sehr wirre Auflösung eines einigermaßen abwechslungsreichen Rennens, die durch die Rennleitung überraschenderweise nicht weiter angetastet wurde (abgesehen von der Aberkennung von d‘Ambrosios schnellster Runde wegen des Abkürzens).
Wirklich zu begeistern vermag mich die Formula E-Strecke von Mexico City nach wie vor nicht, weil das Layout wenig einfallsreich ist. Es ist jedoch in der Lage, ein Spektakel zu produzieren. Gefahren wird auf einer Variante des kurzen Ovalkurses des Autodromo Hermanos Rodriguez, auf dessen langer Streckenvariante auch die Formel 1 ihren Grand Prix austrägt. Mit dem F1-Layout hat dieser Kurs allerdings wenig zu tun, außer dass vom Oval aus ein kleiner Abstecher in das ehemalige Baseball-Stadion Foro Sol gemacht wird.
Prägender für die Strecke sind jedoch die drei auf dem Oval eingestreuten Schikanen: Die erste Links-Rechts-Kombination am Ende der Start-Ziel-Gerade wird in einem Rechtsknick angefahren, was das Bremsen erschwerte, aber dadurch Fehler und Überholmanöver provoziert, auch da man sich gut „innen“ (bezogen auf die folgende Schikane, also in Fahrtrichtung links) neben den Vordermann bremsen kann.
Nach den dann folgenden ersten 180° des Ovals und ein paar Geradeaus-Metern, die geradezu zu riskanten Manövern einladen, geht es 90° nach rechts und dann scharf nach links in die ausladende zweite Schikane, in der di Grassi sich im Vorjahr den vermeintlichen Sieg sicherte. Schikane 3 ist eine flüssige und anscheinend recht herausfordernde Rechts-Links-Rechts in der Mitte der alten Peralta-Kurve (bzw. der zweiten 180°-Kehre, aus Oval-Sicht betrachtet). Überholen ist hier schwierig, aber Fahrfehler passieren.
Das mexikanische Publikum war schon im Vorjahr zahlreich und engagiert bei der Sache – in diesem Jahr bekommen sie noch einen Grund zum Jubeln bzw. zum Anfeuern: Techeetah, das chinesische Team mit Renault-Antrieb, ersetzt den leider erfolglosen Ma Quing-Hua durch den F1-Flüchtling Esteban Gutiérrez, der in drei Jahren in der „Königsklasse“ leider nur einmal – für Sauber in Japan 2013 – Punkte einfahren konnte, sowohl in dieser Saison als auch 2016 aber deutlich hinter seinen jeweiligen Teamkollegen (Hülkenberg bzw. Grosjean) zurückblieb.
Doch der Wechsel in eine andere Rennserie bietet für Piloten auch immer eine Chance, sich neu zu etablieren und vielleicht noch in die Erfolgsspur zu finden, sodass wir gespannt sein dürfen auf das Heim-Debüt von Esteban Gutierrez. Bessere Ergebnisse als Ma Quing Hua sollte er einfahren können, denn der Chinese blieb leider weit zurück hinter den Leistungen seines Teamkollegen Jean-Eric Vergne, der mit Renault-Antrieb in Buenos Aires die Pole und Rang 2 im Rennen holte; der Franzose liegt damit auf Rang 4 der Meisterschaft, wenn auch mit weniger als einem Drittel der Punkte des führenden Buemi.
Für Dragon Racing war Mexico City im Vorjahr einer der besten Läufe, neben d’Ambrosios Sieg sprang für Loic Duval ein vierter Platz heraus. In diesem Jahr blieb das Team bislang blass, die Ränge 6 und 8 in Buenos Aires stellten jedoch einen Auftakt ins Jahr 2017 dar, der hoffen lässt. Enttäuschend ist dagegen bislang die Debütsaison von Jaguar verlaufen – auch wenn man vorher tiefgestapelt hat: Ein zwölfter Platz als bestes Ergebnis nach drei Rennen kann nicht wirklich das sein, was man sich erhofft hatte. Die Briten sind das einzige Team, das bislang ohne Punkte ist.
Das Rennen startet nach mitteleuropäischer Sommerzeit um Mitternacht in der Nacht von Samstag auf Sonntag – Eurosport überträgt live.
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Der Berlin ePrix kehrt bekanntlich auf den Flughafen Tempelhof zurück, weil er am Strausberger Platz politisch nicht mehr gewollt war. Das ist schade, denn mir gefiel die Streckenführung dort. Am Montag wurde das neue Layout für das Flughafen-Rollfeld vorgestellt, es stellt sich deutlich anders dar im Vergleich zum Layout von vor zwei Jahren. Weniger Kurven, dafür aber eine sehr interessant wirkende „Schneckenkurve“ am Ende der Start/Ziel-Geraden… das könnte ein interessanter Rennstart werden. Da das Event in Brüssel inzwischen endgültig abgeblasen wurde, wird in Berlin sogar ein Doubleheader ausgetragen, gefahren wird je ein Lauf (jeweils komplett mit Trainings und Quali) am Samstag und am Sonntag.
Am Rande des Buenos Aires ePrix ging auch ein Roborace-Entwicklungsprototyp auf die Strecke und erreichte eine Geschwindigkeit von 115 mph (ca. 185 km/5). Die fahrerlosen Autos sollen ab einem noch nicht näher definierten Zeitpunkt im Rahmenprogramm der Formula E antreten – der Wettbewerb wird dabei in der Software-Entwicklung stattfinden, während die Hardware für alle Teams gleich ist; die Autos sind nicht ferngesteuert, sondern werden programmiert – die beste Programmierung soll zum Sieg führen.
Lieber als Rahmenrennen sehen würde ich eigentlich die unter dem Namen Formulino E präsentierte Nachwuchs-Elektro-Formel; das Auto wurde von Dallara und Punch Powertrain entwickelt, weder FIA noch Formula E sind in das Projekt involviert – leider. Das Auto soll mit nur 545 kg Gewicht etwa 300 kg leichter sein als die FE-Boliden. Ein Roborace-Auto wiegt dagegen übrigens nahezu eine Tonne!
DS Performance hat angekündigt, ab der Saison 2018/19 unabhängig von Virgin eigenständig mit Manufacturer-Status antreten zu wollen. Dass McLaren Interesse an der Formula E zeigt, mag vielleicht auch nur Ablenkung vom Formel 1-Desaster sein, das wird sich zeigen… Auf der Liste der für die Phase 2018-21 akzeptierten Hersteller stehen neben DS: Audi, BMW, Mahindra, Renault, Jaguar, NEXTEV, Venturi und Penske. Die Absichten von Mercedes bleiben zunächst weiter im Dunkeln.
(Bilder: Formula E Media)
1 Kommentare
Für 2018 ist Penske Autosport als Hersteller akzeptiert? Ist das „nur“ Dragon Racing von Jay Penske, das den Namen wechselt, oder steckt da das Team seines Vaters mit dahinter? Wäre ganz interessant zu wissen, da Jay bisher ja auf eigenen Beinen stand und den Namen Penske eigentlich so gut wie nur möglich vermieden hat.
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