Der GP von Russland dürfte zwar nicht das spannendste Rennen des Jahres werden, aber es da vorne extrem eng ist, kann man einen Sieger schwer vorhersagen.
Mercedes gegen Ferrari, Runde Nummer 4. Aber leider in Sotschi – neben Baku vermutlich der überflüssigste Grand Prix des Jahres, jedenfalls was die Strecke angeht. Aber es hilft ja nichts, da müssen alle jetzt ein Wochenende durch. Mercedes kommt die Strecke wegen ihrer langen Geraden einerseits entgegen. Andererseits tendiert Pirelli in diesem Jahr dazu, eher auf die weicheren Mischungen zu setzen, und da hat Mercedes eine kleine Schwäche. Die ist insgesamt gar nicht mal so groß, aber in diesem Jahr geht es um Kleinigkeiten, so eng liegen Mercedes und Ferrari zusammen. Was ja, nach drei Jahren der totalen Mercedes-Dominanz, auch mal wieder eine schöne Sache ist.
Tatsächlich setzt in den nächsten zwei Rennen aber die Neubewertung der Saison ein. Die Teams haben nach dem letzten Rennen noch zwei Testage in Bahrain drangehängt und hier hat vor allem Mercedes versucht, den Reifenverschleiß in den Griff zu bekommen. Ferrari hatte ein paar technische Probleme am Auto und verlor fast einen Tag bei den Tests. Aus den Tests ergeben sich dann verschiedene Fragen. Hat Mercedes eine Lösung für de Reifenprobleme gefunden? Welches Team bringt erste Updates mit nach Russland? Welche Updates werden wir in Spanien sehen? Wie man weiß, können schon kleine Veränderungen am Auto einen großen Unterschied machen.
Aber generell liegt der Vorteil in Russland eher bei Mercedes. Der schnelle Kurs mit seinen langen Geraden kommt dem Motor entgegen, der Reifenverschleiß ist eher niedrig und die Temperaturen liegen am Wochenende bei angenehmen 21 Grad. Das sind alles Faktoren, die dem Mercedes schmecken. Nicht, dass der Ferrari damit nicht auch klarkommt, aber die ersten Rennen machten den Eindruck, dass es vor allem Temperaturen von mehr als 30 Grad sind, die dem W08 nicht so entgegenkommen. Für Mercedes bedeutet dies mal wieder eine gute Chance auf die erste Reihe nach der Qualifikation. Allerdings ist der Rundown zur ersten Kurve sehr lang und der Windschatten kommt hier zum Tragen. Man kann durchaus vor der ersten Kurve schon überholen, wenn man die richtige Position findet.
Red Bull wird in Sotschi keine Rolle spielen, denen fehlen immer noch gut sieben Zehntel pro Runde bei den Longruns. In der Quali sieht es für das Team etwas besser aus, weil man die Vorderreifen schnell auf Temperatur bekommt. Immerhin hat man die Schwächen des RB13 mittlerweile erkannt: Es fehlt an Abtrieb rund um das Auto. Adrian Newey und seinem Team ist zwar eine gute Basis gelungen, aber die Fahrer beklagen sich über leichtes Untersteuern. Eventuell gelingt es Red Bull, einen Wagen in die zweite Reihe zu bringen, aber normalerweise sollten da die Ferrari stehen.
Dahinter bleibt es eng. Williams bleibt „best of the rest“, vor allem im Rennen. In der Qualifikation sah das aber in den bisherigen Rennen etwas anders aus. Vor allem Renault zeigt sich in der Qualifikation. Ob denen allerdings der Kurs in Sotschi liegt, darf bezweifelt werden. Offensichtlich funktionierte der R.S.17 auf der anspruchsvollen Strecke von Bahrain sehr gut, in China sah es allerdings nur in der Quali gut aus. Die Schwäche bei der Rennpace will der französische Rennstall in Russland mit einem neuen Frontflügel und weiteren Anbauteilen angehen. Das dürfte aber nicht reichen.
Toro Rosso hat sich in dieser Saison bisher unter Wert geschlagen, was vor allem mit den vielen kleinen technischen Problemen zu tun hat. Sainz konnte zwar einige Punkte sammeln, gleichzeitig beklagte man aber viele Ausfälle. Im engen Mittelfeld ist das schlecht, denn hier zählt jeder Punkt. Die im Moment eigentlich minimal schwächeren Kollegen von Force India machen es genau anders herum. Wenig Ausfälle, dafür die maximalen Punkte. Es wäre nicht verwunderlich, wenn dem Rennstall das auch in Sotschi gelingen würde.
Eine kleine Wundertüte ist HaasF1 in diesem Jahr. Es fällt schwer, die Leistung des Teams einschätzen zu können, weil Ausfälle immer wieder gute Ergebnisse zunichte machen. Die Fahrt von Magnussen im letzten Rennen ist aber ein Hinweis auf das, was der Wagen kann. Es fehlt aber die Konstanz, sowohl in der Quali als auch im Rennen. Ob das mit der Technik oder mehr mit den internen Abläufen im Team zu tun hat, ist nach den ersten Rennen nicht genau zu klären.
McLaren dürfte in Sotschi mal wieder froh sein, wenn man überhaupt mal ins Ziel kommt. Bisher gibt es nur eine Zielankunft in diesem Jahr: Stoffel Vandoorne in Australien, mit zwei Runden Rückstand. In allen anderen Rennen fiel man aus, wenn auch teilweise kurz vor Schluss wie in Bahrain. Dass das Chassis gut ist, hat man mittlerweile verstanden. Aber Sotschi ist eine Motorenstrecken, keine fürs Chassis. Immerhin bringt Honda ein Upgrade für das MGU-H mit nach Russland, nachdem das in Bahrain permanent kaputt ging. Ob der Fix hilft? Wie verfahren die Lage bei Honda ist, zeigte der Test in Bahrain. Am ersten Tag ging mal wieder nichts. Am zweiten Tag lief der Motor wie am Schnürchen. Schön für Honda, nur waren die selber verblüfft, weil sie mit den exakt gleichen Teilen unterwegs waren, die das gesamte Wochenende immer wieder kaputt gegangen waren. Man hatte keine Erklärung.
Dem neuen Management der Formel Eins ist der Auftritt der Japaner mittlerweile auch peinlich. Es zieht auch nicht gerade neue Hersteller an, wenn man sieht, welche Probleme Honda hat. Offenbar gibt es deswegen jetzt hinter den Kulissen einen Versuch Mercedes, Renault und Ferrari dazu zu bewegen, Honda mit Know-how in Sachen Hybrid unter die Arme zu greifen. Ebenfalls denken FIA und Liberty Media wohl darüber nach, die Motoren mittels Prüfstand auf ein Level zu bringen. Eine Art BoP in der F1 bahnt sich an, damit Honda nicht komplett das Gesicht verliert.
Dazu gehört dann auch die Meldung, dass Sauber im nächsten Jahr zu Honda wechseln wird. Das Gerücht hält sich schon seit letztem Sommer. Für Sauber kämen die Motoren vermutlich zum jetzigen Zeitpunkt zum Discount-Preis, was dem Team auch entgegenkommt. Das Risiko, dass die Japaner 2018 schon wieder komplett verwachsen… na ja, gut, das dachte man 2017 auch.
Strategie:
Ultrasoft, Supersoft, Soft. Das sind Reifen, die den Ferrari gefallen, den Mercedes nicht so. Aber die Strecke in Sotschi ist eher glatt, der Reifenverschleiß sehr niedrig. Dass man mit den Ultrasoft bis zu 20 Runden drehen kann, dürfte keine Überraschung sein. Selbst wenn man in Runde 15 stoppt, wird man die restlichen 38 Runden einigermaßen sicher auf den Soft zu Ende fahren können. Mit anderen Worten: Alles andere als eine Ein-Stopp-Strategie wäre eine Überraschung. Leider reduziert das natürlich mal wieder die strategischen Möglichkeiten. Zumindest, was den Wechsel angeht. Wann man den macht, ist dann halt die Frage. Ferrari war in Sachen Undercut dieses Jahr sehr aggressiv, Mercedes dagegen eher ängstlich, weil man nicht zu früh an die Box kommen wollte.
Aber jetzt kommen die Teamkollegen von Hamilton und Vettel ins Spiel. Bottas und Räikkönen müssen sich schon jetzt mit der Rolle der Nummer Zwei anfreunden. Will man aggressivere Strategien fahren, muss man einen Fahrer opfern bzw. darauf schauen, wie man ihn möglichst störend vorne einsetzen kann, ohne Punkte zu verlieren. Das ist keine leichte Aufgabe für die Strategen, die im Rennen dann spontan entscheiden müssen, was sie machen wollen. Es würde mich nicht überraschen, wenn Mercedes je nach Rennverlauf Bottas eventuell auf eine Zwei-Stopp-Strategie setzen würden. Wobei hier Ferrari auch die besseren Karten in der Hand hat, denn der Wagen geht mit den Supersoft einfach besser als der Mercedes. Aber es bedeutet auf jeden Fall, dass man im Rennen ein Auge auf die Strategie der einzelnen Fahrzeuge haben muss.
Interessanterweise habe die hinteren Teams bisher nur sehr selten auf die härteste Mischung beim Start gesetzt. Die paar Versuche, die es vor allem von Renault und Toro Rosso gab, haben nichts gebracht. Was daran liegt, dass man zum Beispiel auf den Soft in den ersten Runden zu viel Zeit verliert. Diese Zeit kann man dann später, wenn man in den letzten 20 Runden auf die Supersoft wechselt, nicht mehr wett machen, da das Überholen ja eher schwierig ist.