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Formel Eins: Analyse GP von Russland – Da fehlte doch was

von DonDahlmann
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Auch wenn es am Ende noch mal spannend wurde, der GP von Russland war eine ziemlich langweilige Angelegenheit. 

Dass das Rennen in Russland eher öde werden würde, hatten wir schon in der Vorschau befürchtet. Lange Geraden, 90 Grad Kurven, ein Asphalt mit wenig Abrieb – das sind alles Zutaten, die der Formel Eins im Jahr 2017 nicht guttun. Dazu kam der Safety Car-Start nach dem Crash von Palmer und Grosjean, der dazu führte, dass sich das Feld schnell auseinanderzog. Dabei lag das nicht mal an den Reifen. Die Ultrasoft hielten bis zu 40 Runden durch, die Fahrer mussten also nicht haushalten oder sehr vorsichtig agieren. Durch diesen Umstand war auch klar, dass es nur einen Stopp geben würde. Strategisch gab es dadurch keine Möglichkeiten etwas zu unternehmen, auch wenn Ferrari das versuchte.

Interessant war allerdings die Tatsache, dass Mercedes am Wochenende nicht das schnellste Auto hatte. Die Probleme des W08 konnte man schon am Freitag beobachten. Der Mercedes lag auf der Bremse schlecht, mehrfach brach das Heck aus und der Wagen lag unruhig. Dagegen schien der Ferrari wie auf Schienen um die engen Ecken zu fahren. Vor allem im letzten Sektor holte Ferrari einiges an Zeit raus. Das Phänomen beim Mercedes ist nicht ganz neu, eigentlich besteht es schon seit den Tests in Barcelona. Es scheint ein Grundproblem des diesjährigen Fahrzeugs zu sein, dass man auf Kursen wie in Australien oder Russland bei der Abstimmung Kompromisse eingehen muss, um das Auto stabil zu bekommen. Da man die Vorderreifen nicht so schnell auf Temperatur bekommt, muss dem Untersteuern entgegenarbeiten, was wiederum nur geht, in dem man mehr Last auf die Vorderachse legt. Was wiederum zu einem unruhigen Heck führt.

Ferrari hatte diese Probleme nicht und war in der Quali, trotz der immer noch bestehende Vorteile des Mercedes-Motors, dann vorne. Das Problem von Ferrari war allerdings die lange Anfahrt zur ersten Kurve. Wie schon in den Jahren zuvor, hat man größere Chancen vorne zu sein, wenn man hinter dem Pole-Sitter startet. Da die Strecke an der Stelle recht breit ist, kann man vorne nur eine Linie blocken. Logischerweise entschließt man sich dazu, die Innenlinie abzudecken, das öffnete dann aber die Möglichkeit, außen vorbeizugehen. So war es dann in diesem Jahr. Weil Räikkönen etwas schlechter auf der schmutzigen Linie wegkam, öffnete sich eine Lücke für Bottas, der einen Blitzstart hatte. Ferrari konnte nicht beide Linien dicht machen, der Windschatten von Vettel sorgte für einen Vorteil für Bottas, der dann die Spitze übernahm.

Das war Teil eins der Entscheidung im Rennen. Teil zwei bestand aus dem fantastischen ersten Stint von Bottas. Interessanterweise konnte Vettel dem Finnen nicht folgen und verlor relativ viel Zeit. Eigentlich hatte man damit gerechnet, dass der Ferrari im Heck des Mercedes kleben würde, aber der Deutsche konnte das Tempo nicht halten. Ursachen gab es dafür keine, wie Vettel nach dem Rennen bestätigte. Bottas war einfach schneller. Es war auffällig, dass der Mercedes im Renntrimm etwas besser lief als noch in den Tagen zuvor. Auch setzte der Reifenverschleiß den Weltmeistern nicht zu. Offenbar hatten sich da die Tests in Bahrain ausgezahlt.

Die 5 Sekunden Abstand von Vettel machten einen Undercut sinnlos, zumal Bottas auch mit alten Reifen vernünftige Rundenzeiten hinlegte. Immerhin splittete Ferrari sehr klug die Strategie. Man holte Räikkönen als ersten rein. Einerseits um den etwas früheren Wechsel von Bottas abzudecken, andererseits um einen Wagen vorne zu haben, sollte Vettel von einem Safety Car überrascht werden. Ab diesen Zeitpunkt spielte Ferrari dann etwas mit der Strategie. Man beobachte die Zeiten des Deutschen, aber auch von Bottas und Räikkönen auf den frischen Supersoft. Mit dem Ergebnis, dass Vettel die Zeiten halten konnte. Je nach Verkehr war er sogar etwas schneller. Er konnte den Abstand auf jeden Fall konstant halten. Die Idee dahinter: Mit frischeren Reifen könnte Vettel dann im letzten Drittel des Rennens voll angreifen.

Das funktionierte dann auch und brachte ins öde Rennen immerhin etwas Spannung. Allerdings musste man auch realistisch sein, denn es wäre für Vettel sehr schwer geworden, am Mercedes vorbeizukommen. Er reduzierte seinen Rückstand schnell auf eine knappe Sekunde, blieb dann aber stecken. Er kam in den letzten Runden einfach nicht näher, auch wenn es mal keinen Verkehr gab. Es schien, als fahre Vettel gegen eine unsichtbare Wand. Das konnte man allerdings bei allen Fahrern im Feld beobachten. Es gab keine knappen Abstände. Offensichtlich sorgt die Aerodynamik auf speziellen Kursen dafür, dass man in „dirty air“ kommt und Zeit verliert. Nur einmal schaffte es Vettel, auf der Gegengeraden unter eine Sekunde zu kommen, fiel dann aber wieder minimal zurück.

Das Massa ihm dann etwas im Weg stand, war ärgerlich, aber Vettel war nach dem Rennen auch so ehrlich zu sagen, dass es vermutlich keinen Unterschied gemacht hätte. Bottas fuhr fehlerlos, war schnell und musste nicht mal Kampflinie fahren. Er fühlte sich also sicher. Und so holte Mercedes den nächsten Sieg in Russland.

Ein Wochenende zum Vergessen hatte Lewis Hamilton. Im Gegensatz zu Bottas bekam er die Abstimmung nicht so hin und hatte zudem mit Überhitzung des Wagens zu kämpfen. Unklar ist, warum der Brite damit Probleme hatte, Bottas aber nicht, obwohl der deutlich schneller war. Hamilton sprach nach dem Rennen davon, dass es eine Reihe von Faktoren gegeben hätte, man habe nicht rausfinden können, was genau es sei. Es lag aber offensichtlich an der Abstimmung, die Bottas besser hinbekommen hatte. Nachdem ihm Räikkönen auch noch nach dem Stopp wegfahren konnte, gab Hamilton auf und schonte den Motor.

Auf den Punkteplätzen tat sich auch wenig. Ricciardo war früh mit einer kokelnden Bremse raus, Verstappen hatte keine Chance. Der Red Bull verlor im ersten Stint mehr als eine Sekunde pro Runde, war aber seinerseits bequem schneller als der Williams von Massa. Ein langweiliges Rennen für Verstappen. Der Williams wäre leicht auf P6 gelandet, wenn Massa nicht einen schleichenden Plattfuß gehabt hätte. Das warf ihn dann hinter beide Force India zurück, die ein sauberes und ungestörtes Rennen fahren konnten.

Interessant war die Strategie von Renault, die Hülkenberg 40 Runden lang auf den Ultrasoft draußen ließen. Eine sehr ungewöhnliche Entscheidung, aber der Renault hatte in Russland weniger Probleme mit der Rennpace als noch in den Rennen zuvor. Die Franzosen hatten einen neuen Frontflügel und weitere Änderungen am Fahrzeug in Sotschi. Das scheint, zumindest auf der Strecke, geholfen zu haben und bestätigt die schnellen Fortschritte, die Renault mit dem Auto macht. Hätte Palmer nicht so eine miserable Saison, sähe die Punktesituation für Renault deutlich besser aus. Das gilt auch für Williams. Lance Stroll hat weiter viele Probleme. Sein Dreher in der ersten Runde brachte ihn in eine schlechte Position und da man in Russland nicht überholen kann, steckte Stroll im Verkehr fest. P11 ist immerhin mal eine Zielankunft.

Die hatte ausnahmsweise auch McLaren. Vandoorne lag vor den schlecht aufgestellten Sauber, hatte aber nichts zu melden. Und Alonso saß ein Eis verspeisend in der Box, weil sein ERS schon vor dem Start hinüber war. Die Geduld des Spaniers neigt sich deutlich dem Ende zu. Die Indy 500-Sachen überdeckt sicher einiges, aber dass er keine Lust mehr hat, ist deutlich zu sehen. Die Situation um Honda ist so schlecht, dass die FIA überlegt, wie man eingreifen kann. Dass Honda mit Sauber einen Deal für 2018 gemacht hat, zeigt zwar, dass Honda nicht aufgeben will, aber es muss etwas passieren. Hinter den Kulissen gibt es wohl Überlegungen, ob Mercedes Honda in Sachen Hybrid unter die Arme greifen soll. Es gibt zwar dafür keine Bestätigung, aber auch kein Dementi.

Der erste WM-Sieg von Bottas bringt Mercedes in der WM zwar in die Führung in der Team-WM wieder (1 Punkt Vorsprung), sorgt aber auch für Kopfzerbrechen, denn der Finne liegt nur noch 10 Punkte hinter Hamilton. Während Räikkönen klar in die Rolle der Nummer 2 rutscht, hat Mercedes da jetzt eher ein Problem. Bottas war in Bahrain auf der Pole, er war in Russland schneller. Was passiert, wenn der Finne weiter diese Pace zeigt? Macht man Hamilton dann zur Nummer 2? Das Problem von Mercedes wird sich im Rennen zeigen, denn während Ferrari Räikkönen für andere Strategien nutzen kann, wird man bei Mercedes das Problem haben, dass beide Fahrer um den Sieg und die WM kämpfen. Vermutlich wird man sich im Zweifel für Hamilton entscheiden – und Bottas mit einem neuen Vertrag trösten. Verdient hat er ihn auf jeden Fall bisher.

 

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1

Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Toro Rosso?
Die Teams stellen die PR-Bilder normalerweise zur Verwendung für Presseberichte mit einer speziellen Lizenz zur Verfügung. Diese ist zeitlich nicht limitiert und gilt weltweit. Red Bull hat sich entschlossen, Bilder nur noch für sechs Monate zu lizenzieren. Das bedeutet, dass wir die Bilder nach sechs Monaten löschen müssten, um nicht Gefahr zu laufen, eine Abmahnung, Rechnung etc. zu bekommen. Der Aufwand dafür ist nicht gerechtfertigt. Wir werden also in Zukunft leider keine Bilder mehr von Red Bull verwenden. Dies gilt auch für Bilder von Toro Rosso, da sie über die gleiche Plattform vermarktet werden.

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5 Kommentare

Andreas 1 Mai, 2017 - 17:32

Das Rennen war das ultimative Zeichen, dass in der Formel 1 etwas sehr sehr falsch läuft. Ein Autorennen, ohne dass jemand mal überholt wird, ist doch kein Autorennen mehr. Warum sollte man für so etwas Eintritt oder Pay-TV-Gebühren zahlen?

Erik 1 Mai, 2017 - 20:36

Was mich am meisten interessiert hat, war die Bemerkung, dass man bei Mercedes angeblich wohl in der Qualifikation Öl zum Verbrennen hinzugibt, um die Motorleistung zu erhöhen. Klingt für mich plausibel und würde gut die dramatischen Leistungsschübe der letzten Jahre vor allem am Samstag erklären.
Bin gespannt, was da rauskommt, wenn die FIA da mal nachhakt.

j82 1 Mai, 2017 - 21:33

@Erik
Die FIA hat den zulässigen
Ölverbrauch bereits begrenzt. Das Thema sollte erledigt sein oder?

Erik 2 Mai, 2017 - 14:06

@j82

Ich hab keine Ahnung, was und wann die FIA da bereits gemacht hat.
Nur brachte Sky das am Wochenende für mich zum ersten Mal auf den Tisch.

DonDahlmann 2 Mai, 2017 - 14:16

Das Thema geistert seit dem Winter durch die Gerüchteküche. Da die FIA bereits reagiert hat, dürfte dann auch was dran sein. Bedeutet aber immer noch, dass die Mercedes in der Quali das System nutzen können, auf einer Runde sollte das gehen. Auffällig ist, dass die Box das Wort „Boost Button“ nicht mehr genutzt hat, im letzten Jahr war das ja öfter der Fall.

Was die Überholmanöver angeht: Auf Strecken wie in Australien oder Russland scheint es mit der neuen Generation schwierig zu sein, weil die mittelschnellen Kurven fehlen. In Bahrain und China konnte man sehen, dass die neuen Reifen und die Aero andere Linien in den Kurven zulässt. Gerade in China sah man ja einige sehr gute Überholmanöver, die vorher so nicht möglich waren. Spanien dürfte, wie immer, wieder etwas schwer werden in Sachen Überholen, Monaco ist zu eng. Interessant dürfte Kanada und vor allem Silverstone werden.

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