In der Nacht von Sonntag auf Montag bot die NASCAR eines der besten Coca-Cola 600 seit Jahren auf, was nicht zuletzt auch an den vier Stages lag. Leider dürfte das gut anderthalbstündige Rain-Delay einige Zuschauer gekostet haben. Wer jedoch dranblieb, sah einen erstklassigen Spritpoker und die Rückkehr der #3 in die Victory-Lane.
Analyse Coca-Cola 600 2017
Wie oft wurde das Coca-Cola 600 – nicht nur von mir – als einer der größten Langweiler der Saison gescholten. In diesem Jahr hat die NASCAR mit der Einführung der Stages aber anscheinend alles richtig gemacht. Zum Anfang der Saison stellte ich mich noch gegen diese Maßnahme, um künstlich Spannung zu erzeugen. Doch mittlerweile hat sich das Konzept bewährt und die Rennleitung kommt teilweise sogar wieder ohne Debris-Cautions aus. Am Wochenende probierte man im längsten Rennen des Jahres sogar eine Variante mit vier Stages aus und lag damit goldrichtig. Das Feld wurde anders als beim dominanten Sieg von Martin Truex Jr. im Vorjahr oft zusammengeführt. Zudem gab es unterschiedliche Strategien, die letztendlich ein spannendes Finale brachten.
Die Grundlage dafür wurde in der letzten Stage gelegt, als der Großteil des Feldes unter grüner Flagge zum letzten Boxenstopp anrückte. Bis dahin hatten Martin Truex Jr., Kyle Busch, Denny Hamlin (jeweils ein Stage-Sieg) und Matt Kenseth das Rennen mehr oder weniger bestimmt. Unter anderem Jimmie Johnson, Ryan Newman und Austin Dillon wagten an dieser Stelle einen Poker und blieben einfach draußen. Sie wollten ihren Vorsprung von gut einer Runde auf die frisch bereiften Kontrahenten in einen niedrigeren Benzinverbrauch ummünzen und so am Ende die Nase vorne behalten. Das wirkte wie ein komplett verrückter Plan, denn mit 66 Runden nach dem letzten Restart war deutlich mehr als ein Fuel-Run zurückzulegen. Aus meiner Sicht war die bessere Strategie zu diesem Zeitpunkt, möglichst früh einen neuen Satz Gummis abzuholen, um auf der Strecke nicht zu viel Zeit zu verlieren.
Einige Crew-Chiefs belehrten uns aber eines Besseren und so wurde es zum Ende extrem knapp. Ryan Newman musste sich zuerst geschlagen geben, er konnte den Speed an der Spitze im Sparmodus nicht mal ansatzweise gehen und wurde von Martin Truex Jr. und Kyle Busch eingefangen. Die beiden Toyota-Piloten waren in der Nacht von Sonntag auf Montag die aussichtsreichsten Kandidaten auf eine Fahrt in die Victory-Lane. Jimmie Johnson ging an der Spitze lange Zeit ein Tempo, das gerade so ausreichte, um weder ohne Sprit auszurollen, noch von den rasenden Verfolgern eingeholt zu werden. Zudem machte hinter der #48 von Austin Dillon Druck, der nur auf seine Chance wartete. Diese war zwei Runden vor Schluss gekommen, als Johnson schließlich ohne Benzin an die Box kommen musste.
Wie Austin Dillon es geschafft hat, mehr als fünf Runden einzusparen, ist mir ein Rätsel. Im Endeffekt stand nun aber die #3 nach mehr als 15 Jahren Abstinenz endlich wieder in der Victory-Lane. Diese schöne Geschichte lässt mich daher auch gar nicht lange darüber nachdenken, wo Dillon auf der Strecke seinen Gasfuß nun wie weit durchgedrückt hat. Anders wird das Kyle Busch sehen, der sich nach einem erneut verpassten Sieg nicht nur enttäuscht, sondern schon fast kindisch zickig zeigte. Joe Gibbs Racing ist damit 2017 weiterhin ohne finalen Erfolg, nachdem man schon so einige Stages gewinnen konnte und auch bei diesem Rennen über Potenzial verfügte.
Martin Truex Jr. holte wie im letzten Jahr zwar die meisten Führungsrunden, musste sich aber mit Platz drei begnügen. Die Top-5 komplettierten Matt Kenseth und Denny Hamlin. In die Top-10 gelangten mit einem jeweils sehr soliden Rennen Kurt Busch, Erik Jones, Kevin Harvick, Ryan Newman und Dale Earnhardt Jr. Wäre alles mit rechten Dingen zugegangen und hätte der Benzinverbrauch keine Rolle gespielt, hätte sich mit ziemlicher Sicherheit ein Toyota in der Victory-Lane wiedergefunden. Über den besten Chevrolet im Feld verfügte eindeutig Jimmie Johnson, der mit trockenem Tank allerdings nur auf Rang 17 über die Ziellinie fahren konnte.
Das Rennen war auch vor der finalen Phase sehr spannend, denn Martin Truex Jr., Kyle Busch und Jimmie Johnson lieferten sich einige schöne Duelle auf der Strecke. Weil es jedoch nur fünf Cautions außerhalb der Stage-Unterbrechungen gab, zeigte sich wieder einmal die Clean-Air als äußerst wichtig. Ein positiver Faktor für die Qualität des Racing war das Harz, das die Betreiber vor dem Rennen ähnlich wie in Bristol auf der hohen Linie ausbringen ließen. So kamen Überholmanöver auch oben herum in den Bereich des Möglichen. Glücklicherweise war das Harz nicht wasserlöslich, sonst wäre es während der gut anderthalbstündigen Regenunterbrechung ebenso weggespült worden wie vermutlich viele Fernsehzuschauer, die dadurch ein tolles Finish verpasst haben.
Die Schrecksekunde des Rennens ereignete sich bereits früh in der ersten Stage: Jeffrey Earnhardt flog in Runde 21 der Motor um die Ohren und Metallteile wurden nach hinten weggeschleudert. Ryan Blaney und Chase Elliott sammelten einige davon auf, was zumindest bei der #24 zu einem fatalen Ölfeuer führte. Brad Keselowski konnte dahinter nicht mehr reagieren und rammte fast ungebremst auf den zügig ausrollenden Elliott. Dem Crash entkamen mit wilden Manövern auf dem ausgetretenen Öl die beiden späteren Favoriten Martin Truex Jr. und Jimmie Johnson. Was passierte noch? Kyle Larson nahm es mit der oberen Linie etwas zu entspannt und verunfallte. Ebenso verursachte Danica Patrick zwei Cautions nach Mauerberührungen. An Blaneys Auto brach beim Boxenstopp eine Achse, die man jedoch in nur vier Runden wieder reparieren konnte.
Race-Results
Driver-Standings
Owner-Standings
Vorschau Dover Juni 2017
Am nächsten Wochenende steigt ein Triple-Header mit Cup, XFINITY und Trucks auf dem Dover International Speedway. Das mit 24 Grad stark überhöhte 1-Meilen-Oval ist im Fachjargon als „Monster Mile“ bekannt und kann schon einmal kräftig zulangen. Auf der Betonbahn wird in diesem Jahr übrigens bereits die Halbzeit der Regular-Season eingeläutet – kaum zu glauben irgendwie. In der Meisterschaft hat Martin Truex Jr. nach dem Ausfall von Kyle Larson in Charlotte die Führung übernommen. Durch den Sieg von Austin Dillon haben wir einen weiteren sicheren Teilnehmer am Chase. Neun Piloten konnten sich in den ersten zwölf Rennen bereits direkt qualifizieren, was nur noch sieben weitere Plätze über die Punkte offen lässt. Sobald sich auch Joe Gibbs Racing endlich in der Victory-Lane blicken lässt, wird die Luft hier dünn.
Dover bietet dafür die besten Chancen, denn 2016 beendeten mit Matt Kenseth und Martin Truex Jr. zwei Toyota-Fahrer beide Ausgaben siegreich. In den drei Jahren zuvor standen ausnahmslos Chevrolet-Piloten von Hendrick Motorsports und Stewart-Haas Racing in der Victory-Lane. Allein Jimmie Johnson gewann seit 2013 drei Rennen auf der „Monster Mile“, daneben waren Jeff Gordon, Tony Stewart und Kevin Harvick erfolgreich. Auf der Entry-List befinden sich wieder nur 39 Fahrzeuge, da Premium Motorsports auf einen Start der #55 verzichtet. Mit Ross Chastain (#15 – Premium Motorsports) und Ryan Sieg (#83 – BK Racing) sind aber zwei Gaststarter im Feld, die ihr Cup-Debüt bestreiten werden. Chastain ist sogar bei den Trucks und in der XFINITY Series am Start und versucht sich am Wochenende an 800 Meilen Renndistanz über drei Tage.
Zeitplan & TV-Programm:
Donnerstag, 01.06.
20:00 Uhr, Truck Series Practice, nicht im TV
22:00 Uhr, Truck Series Final Practice, nicht im TV
Freitag, 02.06.
15:30 Uhr, XFINITY Series Practice, FS2
16:30 Uhr, Monster Energy Cup Series Practice, FS2
19:30 Uhr, XFINITY Series Final Practice, FS1
20:30 Uhr, Truck Series Qualifying, FS1
21:45 Uhr, Monster Energy Cup Series Qualifying, FS1
23:30 Uhr, Truck Series Rennen (Bar Harbor 200), FS1
Samstag, 03.06.
15:00 Uhr, Monster Energy Cup Series Practice, FS1
16:00 Uhr, XFINITY Series Qualifying, FS1
17:30 Uhr, Monster Energy Cup Series Final Practice, FS1
19:00 Uhr, XFINITY Series Rennen (OneMain Financial 200), FS1
Sonntag, 04.06.
19:00 Uhr, Monster Energy Cup Series Rennen (AAA 400 Drive for Autism), FS1