Die Rennen in Montreal waren selten langweilig. Die Strecke bietet Überholmöglichkeiten, lässt gleichzeitig wenig Fehler zu, und dann wäre da noch das Wetter, das gerne mal umschlägt.
Nach dem, aus Sicht von Mercedes, Debakel von Monaco möchte man natürlich gerne zurückschlagen. Ein Sieg von Hamilton wäre auch wichtig, denn der Abstand in der WM beträgt immerhin schon 25 Punkte und Ferrari könnte mit einem weiteren Vettel-Sieg auf 32 Punkte wegziehen. Aber es ist nicht gesagt, dass Mercedes in Montreal die Nase vorne haben wird. Schaut man sich das Rennen in Australien an, wo Ferrari ja gewinnen konnte, dürfte die Sache in Montreal äußerst knapp werden. Zudem scheint der Mercedes Probleme zu haben, die Vorderreifen auf Temperatur zu bekommen. Da die Strecke in Montreal als sanft in Sachen Reifen gilt, könnte dies eher für Ferrari sprechen. Auf der anderen Seite muss man abwarten, welche Updates Mercedes nach Kanada bringt. Nach der Update-Orgie in Spanien kommt man zum ersten Mal auf eine Strecke, auf der diese auch vernünftig arbeiten können.
Ferrari wird natürlich ebenfalls nicht untätig gewesen sein, auch hier kann man kleinere Updates erwarten. Nimmt man die Quali von Spanien als Vorlage, dürfte es an der Spitze sehr, sehr eng werden. Traditionell liegt der Kurs eher den Mercedes. Der letzte Ferrari-Sieg datiert aus dem Jahr 2004 (Schumacher), auch wenn es im letzten Jahr durchaus knapp war. Eine weitere Frage wird sein, wie Ferrari mit dem angesäuerten Räikkönen in der Zwischenzeit umgegangen ist. Zwar waren die taktischen Entscheidungen in Monaco nicht unbedingt falsch, aber der Finne machte schon den Eindruck, als ob er ziemlich angenervt war. Mit so einem Gesicht hat man ihn seit den Lotus-Zeiten nicht mehr gesehen. Wie man mit dem Finnen umgeht, sollte er erneut vor Vettel in der Quali landen, dürfte eine sehr interessante Sache sein. Immerhin ein Problem, das Mercedes nicht hat, da ist Hamilton klar die Nummer Eins.
Traditionell sind die Abstände auf dem relativ kurzen Kurs auf der Insel kleiner als in anderen Rennen. Was durchaus für die Red Bull sprechen kann, obwohl deren Performance bisher wenig überzeugend war. Das von Renault versprochene Update kommt wohl nicht und ist auf Silverstone oder später verschoben. Es bleibt also das Leistungsdefizit, das Ricciardo und Verstappen vor allem auf den langen Geraden in Kanada verspüren werden. Auf der anderen Seite hat der RB13 durchaus guten mechanischen Grip, den man in Montreal gut gebrauchen kann. Aber es müsste schon einiges passieren, damit das Team in die Reichweite des Podium gelangen kann.
Wer dahinter liegen wird, ist schwer zu sagen. Force India sieht stark aus, auf eine Runde war der Renault mit Hülkenberg aber durchaus konkurrenzfähig. Aber eigentlich ist es an der Zeit, dass Williams aus der andauernden Formkrise findet. Eigentlich stark gestartet haben sie im Verlauf der bisherigen Saison immer mehr an Boden verloren. Das kann auch mit den mangelnden Daten zusammenhängen, die Lance Stroll liefert (wenn er denn ankommt). Massa müht sich redlich, ist aber nicht ganz auf der Höhe seiner Möglichkeiten. Es zeigt sich, dass die Befürchtungen zu Beginn der Saison gerechtfertigt waren. Man benötigt zwei starke Fahrer, wenn man im Mittelfeld mithalten will. Das gilt einerseits für die Punkte, andererseits aber auch für die Weiterentwicklung. Erstaunlich ist auch, dass Paddy Lowe bisher kaum Akzente setzen konnte. Weder in der Entwicklung noch in der Strategie.
Schwierig sind auch HaasF1 und Toro Rosso einzuschätzen. In Monaco überraschte Toro Rosso, in Kanada dürfte ihnen das etwas schwerer fallen. Bei Haas pendelt man weiter zwischen guten und sehr schlechten Rennen. Warum der Wagen mal so und mal so reagiert, ist nicht auszumachen. Die Fahrer beklagen sich jedenfalls über eine schwierige Abstimmung und ein sehr spitzes Fahrverhalten.
Und McLaren? Alonso sollte nach seinem Ausflug gut gelaunt im Paddock auftauchen, jedenfalls hat er sich in Indy besser verkauft, als man erwarten konnte. Aber was kann der Honda-Motor in Kanada leisten? Ausgerechnet auf der Power-Strecke von Barcelona überraschte Alonso mit dem Einzug in Q3 und P7. Könnte das in Montreal wieder gelingen? Und was ist mit Stoffel Vandoorne, dessen Saison man nur mit „katastrophal“ bezeichnen kann. Dabei sind es nicht mal die Ausfälle, dafür kann er nichts. Aber der Abstand zu Alonso bleibt einfach zu groß.
Strategie:
Ultra-, Super- und Soft. Die in diesem Jahr vorherrschende Mischung wird auch in Kanada am Start sein. Wie man mehrfach sehen konnte, halten die Ultrasoft ein halbes Rennen, das sollte in Kanada nicht anders sein. Eine Ein-Stopp-Strategie klingt also vernünftig, allerdings hat Kanada so seine Besonderheiten. Das Boxenstopp-Delta wird mit 22 Sekunden angegeben, ist aber wegen der Ausfahrt etwas kleiner, da man mit mehr Schwung rauskommt. Das könnte zu einem zweiten Stopp verleiten, wenn denn die Supersoft auch vernünftige Rundenzeiten zulassen. Was, wie man in Monaco gesehen hat, problematisch sein kann.
Zwei Variablen sind zudem kaum vorherzusehen. Zum einen das Safety-Car, das eigentlich pro Rennen mindestes einmal rauskommt. Wann, ist halt die Frage. Zum anderen: das Wetter. Für das Wochenende sind 23 Grad mit leichten Schauern am Sonntag vorhergesagt. Das kennt man ja in Montreal, dass zwischendurch Regenwolken aufziehen und es einen kurzen Schauer gibt. Und sowas kann das Rennen natürlich komplett auf den Kopf stellen, denn die Frage ist dann: Wie nass ist es? Wann nimmt man Intermediates? Könnte also ein sehr unterhaltsamer Abend werden.
2 Kommentare
Der erste Satz sollte doch wohl „Nach dem, aus Sicht von Mercedes, Debakel von Monaco“ heißen, oder?
Jau, wir sind zwar gut, können aber noch nicht in die Zukunft sehen :) Danke für den Hinweis.
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