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24 Stunden von Le Mans 2017: Duell an der Sarthe

von StefanTegethoff
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Über die letzten drei Jahren haben uns die 24 Stunden von Le Mans sehr verwöhnt: Mit Audi, Toyota und Porsche waren drei Hersteller am Start, die allesamt große finanzielle und personelle Ressourcen in die Entwicklung ihrer High-Tech-Prototypen gesteckt und uns damit drei hochspannende Rennen beschert haben, nicht zuletzt im Vorjahr mit der dramatischen Schlussphase, als Kazuki Nakajimas führender Toyota drei Minuten vor Schluss auf der Start/Ziel-Geraden strandete.

Official picture of all the cars competing in the 24 Heures du Mans.

2015 war mit Nissan sogar ein vierter Hersteller werksseitig engagiert, die Zukunft der 24 Stunden von Le Mans wirkte plötzlich besonders rosig – doch der hochexperimentelle Fronttriebler in Verbindung mit einem vergleichsweise geringen Budget und vielen externen Zuliefer-Elementen erwies sich als grandioser Fehlschlag. Nun ist nicht nur Nissan raus, sondern im Zuge der Diesel-Affäre des VW-Konzerns musste auch Audi das Feld räumen, nachdem die Ingolstädter seit 2000 das Zugpferd des Rennens waren. Die Zukunft sieht plötzlich deutlich herausfordernder aus für die Organisatoren vom Automobile Club de l’Ouest (ACO).

Und doch besteht aller Grund, sich auch auf die diesjährigen 24 Stunden zu freuen, die am kommenden Wochenende ausgetragen werden: Es wird zwar „nur“ ein Duell zwischen Porsche und Toyota um den Gesamtsieg beim Klassiker geben, doch wird es ein hart umkämpftes Duell werden. Insbesondere für Toyota, denn die Japaner haben noch etwas nachzuholen. Schon 2014 waren sie in Führung liegend an einem technischen Defekt in den Morgenstunden gescheitert – der erste Le-Mans-Sieg lässt immer noch auf sich warten. Daher werden in diesem Jahr erstmalig im aktuellen Programm drei der bei TMG in Köln entwickelten TS050 Hybrid eingesetzt. Porsche dagegen – ohnehin Rekordsieger – wird seinen Titel verteidigen und Gesamtsieg #19 einfahren wollen.

Duelle von Werks-Prototypen in der Geschichte von Le Mans

Duelle sind intensiv. Sie bleiben im Gedächtnis haften. Im Kampf Eins-gegen-Eins gibt es kein Mittelfeld, man ist entweder der Gewinner oder der Verlierer. Auch unter den Fans führt das zu einer Polarisierung, wie man bei den üblichen Mannschaftssportarten gut beobachten kann – im Motorsport mit seinen vielen Teilnehmern ist diese starke „Wir-gegen-die“-Stimmung aufgrund der großen Teilnehmerfelder seltener zu spüren.

Aber auch solche Beispiele gibt es: Mn denke zurück an die Jahre der neuen DTM, in denen nur Audi und Mercedes am Start waren und wie dort mit harten Bandagen und teils sogar sehr unsauber gekämpft wurde. Ein weniger negatives Beispiel sind die australischen V8 Supercars, wo es jahrelang nur „Holden vs. Ford“ hieß und auch die Fans weitestgehend in zwei Lager gespalten waren.

Auch in Le Mans gab es über die Jahre einige hochklassige und intensive Duelle um den Gesamtsieg – wenn auch selbstverständlich immer noch ein Starterfeld mit um die 50 weiteren Fahrzeugen am Start war. Doch drei Duelle gab es, vor 50, 30 und zehn Jahren, die jeweils über mehrere Jahre gingen und ihre Ära geprägt haben: Ford vs. Ferrari, Porsche vs. Jaguar und Audi vs. Peugeot.

Vor 50 Jahren: Ferrari vs. Ford (1964-67)

Der jahrelange Zweikampf zwischen Ford und Ferrari ist das prägende Duell der Sportwagengeschichte schlechthin. Der Wettstreit dieser beiden Firmen, den ich im Vorjahr ausführlich aufgearbeitet habe, führte überhaupt erst zur Entwicklung dessen, was wir heute als Sportwagen-Prototypen verstehen: Ford GT40 und Ferrari 330P heißen die Großväter der heutigen LMP1-Geschosse. Nie zuvor wurde mit so viel finanziellem Aufwand und so einer Intensität ein Rennprototyp entwickelt, der nur den einen Zweck hatte, beim wichtigsten Rennen des Jahres den Prototypen des einen großen Gegners zu besiegen.

Der GT40 von Bruce McLaren und Chris Amon auf dem Weg zum Le Mans-Sieg 1966

Dieses Duell war vielleicht das größte der langen Geschichte dieses Rennens, was an dem persönlichen Zwist zwischen Henry Ford II. und Enzo Ferrari lag, der überhaupt erst dafür sorgte, dass Ford Unmengen von Geld in die Entwicklung des GT40 investierte, um Ferrari, Dauer-Sieger seit 1960, auf seinem Lieblingsspielplatz nicht nur zu besiegen, sondern vernichtend zu schlagen. Die ganze Geschichte gibt es hier zu lesen – oder in dem tollen Buch „Go Like Hell“ von A.J. Baime (um die vor wenigen Jahren beabsichtigte Verfilmung ist es leider still geworden). 1966 war Ford endlich am Ziel: Ein Dreifach-Sieg für Ford mit dem Mk. II-Modell, angeführt von Bruce McLaren und Chris Amon, markierte den Auftakt zu vier Ford-Siegen in Folge, doch nur der zweite war noch ein Werkseinsatz und ein Duell gegen Ferrari: 1967 schlugen Dan Gurney und A.J. Foyt im GT40 Mk. IV den Ferrari 330 P4 von Scarfiotti/Parkes.

1968 verzichtete Enzo Ferrari auf einen werksseitigen Start, weil ihm das geänderte Reglement nicht passte, das seine 330-P4-Prototypen vom Rennen ausschloss – und auch Ford überließ den Einsatz einiger GT40 Mk. I (mit kleinerem Motor) dem berüchtigten John Wyer und seinem JWA-Team. Das siegte 1968 ungefährdet und 1969 – als Ferrari mit dem 312P zurückkehrte, aber beide Fahrzeuge ausfielen – in einem engen Duell gegen Porsche, die seit Jahren im Aufstieg begriffen waren, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewonnen hatten. Aufgrund der dramatischen letzten Runden, in denen Hans Herrmann Jacky Ickx um den Kurs jagte, wurde diese Ausgabe bekannt als die „Ronde Infernale“ (die Zusammenfassung mit diesem Titel kann man z.B. bei Duke Video käuflich erwerben): Die beiden überholten sich mehrfach, der Porsche 917-Langheck war auf den Geraden im Vorteil, der Ford wiederum auf der Bremse. Am Ende behielt Jacky Ickx die Oberhand, der 24 Stunden zuvor beim letzten „echten“ Le-Mans-Start noch langsam zu seinem GT40 spaziert war.

Für den Ford GT40 war der Sieg 1969 der Abgesang, Porsche übernahm mit dem 917, mit dem sich Ferrari in den Jahren 1970-71 erfolglos duellierte, bevor man es 1973 mit Matra zu tun bekam; doch diese Jahre sind kaum als große Zweikämpfe in Erinnerung geblieben, weil Ferrari mit dem 312P und dem 512S bzw. 512P jeweils unterlegen war. Stattdessen war der Porsche 917 das prägende Auto der Jahre 1969-71 und ist bis heute die Legende schlechthin unter den Prototypen. Und Matra, das französische Aeronautik-Unternehmen mit Staatsunterstützung, wurde eher als alleiniger Dominator der Jahre 1972-74 bekannt, mit Henri Pescarolo als Frontmann.

Vor 30 Jahren: Porsche vs. Jaguar (1986-88, 1990)

In der Gruppe-C-Ära hatte Porsche mit den grandiosen, vielseitigen und kundenfreundlichen Modellen 956 und 962 lange die Oberhand. Das Auto wurde werksseitig und von zahlreichen Privatteams eingesetzt und war kaum zu schlagen, die 956er duellierten sich höchstens untereinander. Lancia, Nissan und Toyota traten zeitweise ebenfalls in der Gruppe C an, konnten aber nie wirklich mit Porsche mithalten. Nur Jaguar schaffte es in der zweiten Hälfte der 80er Jahre, an Porsche heranzukommen – und am Ende gelang es den Briten sogar, die Zuffenhausener zu überholen.

Nachdem Jaguar 1984 zunächst auf US-Initiative mit einem eher privaten Einsatz um Bob Tullius nach Le Mans zurückkehrte, begann das eigentliche Duell erst 1986. Entwickelt von Tony Southgate, gebaut und eingesetzt von Tom Walkinshaws Team TWR, mit dem Geld des Tabak-Sponsors Silk Cut, in dessen Farben Weiß-Lila-Gold man antrat, wurden die Modelle 8 und 9 der XJR-Reihe in diesen Jahren zu den primären Herausforderern von Porsche.

Jaguar-Boss John Egan stand voll hinter dem Einsatz und mit Tom Walkinshaw hatte er einen ebenso ehrgeizigen wie gewieften Teamchef gefunden, um Porsches seit 1981 andauernde Siegesserie zu brechen. Die beiden stellten ein All-Star-Team zusammen mit Fahrern wie John Watson, Jan Lammers, Eddie Cheever, Martin Brundle aus der Formel 1, Hans Heyer, Win Percy aus dem Tourenwagen-Bereich, Indy-500-Gewinner Danny Sullivan, Allround-Ass Brian Redman und dem damals jungen Nachwuchspiloten Andy Wallace.

Im ersten Jahr, 1986, fielen alle drei Jaguars aus, im zweiten schaffte es einer der XJR-8LM immerhin schon auf Rang 5: Nachdem sich Jaguar zeitweise in den Top 3 behaupten konnte, siegten am Ende doch Stuck, Holbert und Bell im Rothmans-962C zum zweiten Mal in Folge. Dann kam das Jahr 1988: Fünf Jaguar XJR-9LM standen auf dem Grid, doch Porsche holte mit Stuck, Bell und Klaus Ludwig (zusammen damals zehn Le-Mans-Siege!) die Pole. Das Rennen blieb die ganze Zeit über eng – was für damalige Verhältnisse aber keinen Sekundenabstand bedeutete, sondern dass zwischen dem lange führenden Porsche (dem Polesetter-Auto) und dem besten Jaguar nie mehr als zwei Runden Abstand waren. Die Jaguars litten unter Getriebeproblemen – doch am Ende verspielte Porsche den Sieg, als Klaus Ludwig ohne Benzin um den Kurs rollte und viel Zeit einbüßte. So konnten Jan Lammers, Johnny Dumfries und Andy Wallace den ersten Gesamtsieg für die britische Marke seit 31 Jahren holen.

Porsche und Jaguar waren nie die einzigen Werks-Prototypen auf der Strecke, so wie es in diesem Jahr Porsche und Toyota sein werden, doch trotz der zusätzlichen Konkurrenz von Nissan, Toyota und Sauber-Mercedes war dieses Werks-Duell für einige Jahre prägend für den Sportwagen-Rennsport und die 24 Stunden von Le Mans. 1989 stieg dann Mercedes werksseitig ein und gewann das letzte Rennen ohne Schikanen auf der Hunaudières-Geraden – ein Doppelsieg vor Porsche und Jaguar.

Sauber-Mercedes kehrte im Jahr darauf nicht nach Le Mans zurück, doch Porsche, Jaguar und Nissan führten ihren Kampf fort. Mit dem neuen, ebenfalls von Southgate entwickelten XJR-12 konnte Jaguar erneut gewinnen – es sollte der bisher letzte Sieg sein. Auf diesen Wagen setzte TWR auch 1991 noch einmal, da der neue, von Ross Brawn designte XJR-14 zwar pfeilschnell, aber nicht standfest genug für ein 24h-Rennen war. In diesem Jahr, in dem auch Mercedes (unter anderem mit Michael Schumacher) wieder am Start war, gewann jedoch bekanntlich Mazda mit dem kreischenden Wankelmotor-Prototypen 787B. An diesen bisher einzigen japanischen Sieg versucht Toyota seit Jahren anzuknüpfen.

Vor 10 Jahren: Audi vs. Peugeot (2007-11)

In den 90er Jahren wechselte das Bild in Le Mans von den Hersteller-reichen Jahren der Gruppe C zu einem Feld, in dem GT-Fahrzeuge um den Gesamtsieg kämpften; die GT1-Fahrzeuge von McLaren, Porsche und Co. waren selbstverständlich de facto Prototypen. Die Ära der modernen Prototypen aber begann im Jahre 1999, als ein besonders vielfältiger und bunter Mix an Prototypen an der Sarthe an den Start ging: Toyota brachte den wunderschönen GT-One, Mercedes den flugfähigen CLR, Panoz den frontgetriebenen LMP1-Roadster, Audi gleich zwei Varianten (einmal mit Dach, einmal ohne) und BMW den schlussendlich siegreichen V12 LMR.

Ein Jahr später… sah es plötzlich duster aus: Nur Audi setzte sein Werksengagement fort (den exotischen Panoz kann man nicht als ernsthafte Konkurrenz zählen). Vom Intermezzo der Konzernschwester Bentley abgesehen war Audi jahrelang die alleinige treibende Kraft, gelegentlich herausgefordert von Henri Pescarolo mit seinem Privatteam – bis sich 2007 mit Peugeot endlich ein großer Herausforderer offenbarte. Und dabei ging es nicht nur um die Vorherrschaft in Le Mans, sondern auch in der „modernen“ Diesel-Technologie.

Heute sind wir schlauer als vor zehn Jahren, was das Thema Diesel angeht, doch damals galt der Diesel – natürlich mit Rußpartikelfilter, den der Peugeot 908 HDI-FAP sogar im Namen trug! – als effiziente Technologie der Zukunft. Unter den Motorsport-Fans war er aufgrund des geringen Lautstärke umstritten, teils gar verhasst, durch die Foren geisterten Begriffe wie „Heizöl-Bomber“ (ich persönlich fand die mit leisem, tiefen Grollen vorbeihuschenden Audis und Peugeots sehr beeindruckend, weil die Kraft aus dem Nichts zu kommen schien).

Doch so sehr die Technik umstritten war, die Rennen, die uns Audi und Peugeot bescherten, an der Sarthe und anderswo, waren aller Ehren wert. 2007 war noch das Schnupperjahr für die Franzosen, der erste Fuß im Wasser, und Audi gewann recht souverän (wir sehen an allen drei Beispielen, dass es immer so läuft: Le Mans im ersten Jahr zu gewinnen, ist kaum möglich). 2008 kam es zum ersten grandiosen Schlagabtausch: Peugeot war deutlich schneller und führte lange gegen den inzwischen drei Jahre alten R10 TDI, doch Regen in der Nacht und am Vormittag bescherte Audi mit dem Trio Kristensen / Capello / McNish den – dann doch überraschenden – Gesamtsieg.

Für 2009 entwickelte Audi den R15, der sich jedoch als zu komplex und wartungsunfreundlich erwies – im dritten Jahr des Programms (wie bei Ford und Jaguar, die Parallelen sind bemerkenswert) holten die Franzosen einen deutlichen und verdienten Sieg. Doch es sollte der einzige bleiben, und 2010 wandte sich der Renngott ganz besonders grausam gegen Peugeot: Der Audi R15plus war ein deutlich stärkerer Herausforderer und – nachdem ein Peugeot schon früh mit Aufhängungsbruch ausgeschieden war – wurde es am frühen Morgen dramatisch.

Kurz nach 7 Uhr morgens spuckte das rechte Auspuffrohr des führenden Peugeot von Franck Montagny plötzlich Feuer und Rauch. Damit führten zwei Audis vor dem letzten Werks-Peugeot, in dem nun Anthony Davidson zur Jagd blies – doch auch seinen Motor ereilte wenige Stunden später derselbe Schaden. Der private Oreca-Peugeot versuchte, zur Ehrenrettung noch Rang 3 zu erreichen, doch schließlich spie auch sein Turbolader Flammen. In den Boxen von Peugeot und Oreca spielten sich dramatische, traurige Szenen ab, und Audi holte einen unerreichbar geglaubten Dreifachsieg.

Kaum jemand glaubte, dass es noch dramatischer werden könnte, doch so kam es: 2011 hatte Audi mit der ersten Inkarnation des R18 einen Prototypen entwickelt, der endlich auch vom Speed her mit dem Peugeot 908 mithalten konnte – es reichte sogar zur ersten Pole seit 2006 (vor Peugeots Ankunft). Doch nachdem in der zweiten Rennstunde Allan McNish und in der Nacht Mike Rockenfeller heftig verunfallten (jeweils beim Überrunden, beide blieben unverletzt), sah das Team um Dr. Wolfgang Ullrich seine Hoffnungen schwinden – doch das einzig verbliebene Auto, der R18 von Marcel Fässler, Benoit Treluyer und dem neuen Star Andre Lotterer konnte in einem Duell, in dem es um Stint-Längen, möglichst wenige Reifenwechsel und konstant schnelle Runden ging, am Ende die Spitze behaupten. Der Vorsprung betrug bei der Zieldurchfahrt 13 Sekunden.

Im darauffolgenden Winter stieg Peugeot aus konzernpolitischen Gründen aus, der 908 Hybrid verstaubte fertig entwickelt in der Garage. Toyota wurde für zwei Jahre zu Audis-Hauptgegner und unerwartet sofort ins Rampenlicht gerückt. Im ersten Jahr war der TS030 noch nicht so weit, im zweiten lieferte man sich schon ein härteres Duell, das am Ende Audi mit nur einer Runde Vorsprung gewann. 2014 – das Jahr der Porsche-Rückkehr und das dritte des Toyota-Programms – hätte der große Triumph der Japaner werden können und sollen, doch hier versagte, wie eingangs schon erwähnt, in den frühen Morgenstunden ein Cent-Bauteil und machte alle Hoffnungen zunichte.

Was bringt die Zukunft?

Nach drei Jahren mit Porsche, Toyota und Audi ist nun das erfahrenste Team und das siegreichste der Ära ausgestiegen, die Gründe sind nachvollziehbar, den Diesel weiter zu promoten, ist ebenso unsinnig, wie in der aktuellen finanziellen Lage des Volkswagen-Imperiums einen Benziner zu entwickeln, um gegen eine Konzernschwester anzutreten, während man in den Fabriken Mitarbeiter nach Hause schicken musste. Audi hat über die Jahre viel für Le Mans getan, hat in den 00er-Jahren zeitweise als einziges Werk Popularität und Standard des Rennens hochgehalten und uns mit seinen Prototypen begeistert. Diese waren oft nicht die schnellsten Autos im Feld, doch sie waren gut fahrbar, standfest und wartungsfreundlich, was für ein 24h-Rennen ebenso wichtig ist wie der reine Speed. Mit dem neuesten R18 brachte Audi 2016 ein radikales Auto an den Start – das uns sicher in diesem Jahr, voll ausgereift – viel Freude bereitet hätte, doch dazu sollte es nicht kommen.

Was also bringt die Zukunft für die 24 Stunden von Le Mans? Wird uns das diesjährige Duell Porsche vs. Toyota über mehrere Jahre begleiten und damit der nächste in der Liste der großen Zweikämpfe? Oder wird es ein kurzes Intermezzo? Der ACO ist bestrebt, Peugeot zurück nach Le Mans und in die WEC zu holen; drei Hersteller bedeuten mehr Stabilität und mehr Geld – dass mit Audi ein wichtiger Geldgeber weggefallen ist, muss man hier ebenfalls bedenken. Sportlich mag ein Duell noch eine Spur intensiver sein – wie eingangs beschrieben –, aber auch für den Zuschauer bringt ein breiteres Feld an der Spitze eher Vorteile mit sich – von neuen Zuschauern, insbesondere Fans des Herstellers, ganz zu schweigen.

Doch Peugeot will nur einsteigen, wenn die Kosten deutlich eingedämmt werden. Dafür muss das Hybrid-Reglement, seit 2012 das Markenzeichen der WEC und der 24 Stunden, beschnitten werden; zumindest ein weiteres Vorantreiben des technischen Fortschritts durch zusätzliche Hybridsysteme wäre kaum möglich. Damit könnten wiederum Porsche und Toyota das Interesse verlieren, die gerade wegen dieses Reglements an Bord sind. Es ist eine schwierige Gratwanderung für ACO und FIA. Auch ich möchte in Le Mans in der LMP1-Klasse die fortschrittlichsten Rennprototypen der Welt sehen, doch es sollte auch weiterhin mindestens zwei konkurrenzfähige Teams geben.

Wohin die Reise geht, wird im Laufe dieser Woche etwas deutlicher werden. Die Gerüchteküche brodelt bereits und der ACO wird am Freitag auf seiner jährlichen Pressekonferenz zur Lage der Sportwagen-„Nation“ offenbaren, was für die Zukunft geplant ist. Nicht nur die Frage, ob man beim LMP1-Reglement auf fortschrittlichste Technologie oder Kosteneffizienz setzt, ist dabei von Bedeutung, sondern auch der Umgang mit dem in den USA erfolgreichen DPi-Konzept der IMSA, bei dem LMP2-Boliden mit Werksmotoren und modifizierten Chassis und Aero-Paketen antreten.

Das Konzept kommt bei den Fans gut an und wäre auch für Le Mans eine gute Ergänzung, nachdem man – ohne erkennbare Not – in der LMP2 die Konstruktion eigener Fahrzeuge abgeschafft und den Einheitsmotor von Gibson eingeführt hat. Gleichzeitig ließ man die LMP1-Privatiers im Schatten der Werksteams versauern, sodass dieses Jahr nur ein Team, ByKolles, das Feld der fünf Werksautos ergänzt. Le Mans braucht die privaten Konstrukteure, für die sportliche Vielfalt und für den Fall, dass sich weitere Werke verabschieden. Wie man das hinbekommen kann, das werden sich die Veranstalter gut überlegen müssen – ich bezweifle, dass das für 2018 angekündigte DRS/Klappflügel-System für Privat-LMP1 ein ausreichender Anreiz ist…

Was gibt es sonst noch neues an der Sarthe?

Die Strecke selbst ist unverändert geblieben, allerdings hat man im Rahmen der Sicherheitsoffensive der letzten Jahre die asphaltierten Auslaufzonen in den Porsche-Kurven erweitert. Das ist nachvollziehbar und logisch, denn diese Passage ist heute eine der gefährlichsten der Strecke und hat in den letzten zehn Jahren für zahlreiche – teils heftige – Unfälle gesorgt, gerade weil das Überrunden in den aufeinanderfolgenden langen Highspeed-Kurven sehr riskant ist. Schön für den Charakter der Porsche-Kurven und der Strecke insgesamt ist es leider nicht, und auch einige Fahrer haben dies bemängelt.

Überarbeitet hat man außerdem die Slow-Zone-Prozedur, mit der man dankenswerterweise weiterhin Safety-Car-Phasen zu vermeiden versucht. Dabei hat man auf das gehört, was ich in der Rennanalyse 2015 im Lichte des Auffahrunfalls von Loic Duval gefordert hatte: Während Slow Zones bisher potenziell an jedem Streckenposten beginnen und enden konnten, um nur den in dem Fall gefährlichen Streckenteil abzudecken, gibt es nun nur noch neun feste Slow Zones. Diese beginnen immer an einem langsamen Punkt der Strecke, in der Regel also nach einer Kurve wie Mulsanne, Arnage oder den Schikanen. Einzige Ausnahme ist die Slow Zone Nummer 8, die nur die Porsche-Kurven abdeckt – man wollte hier vermeiden, eine sehr lange Zone von Arnage bis hinter die Ford-Schikanen zu schaffen.

Das ist auch nachvollziehbar, denn die Slow Zones können durchaus auch die Abstände im Rennen beeinflussen: Wird eine Slow Zone beispielsweise kurz nach Passieren des Führenden ausgelöst, können die Verfolger dadurch Zeit verlieren. Doch der Effekt dürfte insgesamt betrachtet immer noch deutlich geringer sein als bei Safety-Car-Einsätzen, wo im gesamten Feld Abstände durcheinandergewürfelt werden. Ich begrüße es, dass man an dem Konzept festhält und es kontinuierlich weiter verbessert. Bleibt zu hoffen, dass die „Ausnahme-Slow-Zone“ in den Porsche-Kurven sich nicht als unfallträchtig erweist, zumindest wissen alle Fahrer diesmal im Voraus, wo im Falle einer solchen örtlich begrenzten Gelbphase deren Anfangs- und Endpunkte sind.

Le Mans im Racingblog

Hier im Racingblog versuchen wir natürlich wieder, Euch, unseren Lesern, möglichst viel zu bieten. An die heutige Einstimmung schließen sich im Laufe der Woche Vorschauen für die einzelnen Fahrzeugkategorien an, es wird einen Preview-Podcast geben und das Rennen werden wir – wie gewohnt – mit einem 24-stündigen Liveticker begleiten. Im Forum wird es ein Tippspiel geben und nach dem Rennen selbstverständlich auch eine umfassende Analyse des Geschehens. Wir hoffen auf ein spannendes, aber auch für alle Beteiligten sicheres Rennen und auch, dass ihr mit uns zusammen viel Spaß an einem der größten Motorsport-Events des Jahres habt.

(Bilder: WEC, Audi, Porsche, Toyota, IMSA, Ford)

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1 Kommentare

Andr3as 12 Juni, 2017 - 08:17

Bei Amazon Prime gibt es den „24h Wars“ Film, wo es um Ferrari und Ford in Lemans geht. Ein sehr guter Film mit vielen Originalaufnahmen.

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