Rund einen Monat ruhten sie – nun heulen die Motoren der Super Formula endlich wieder auf. Dieses Wochenende begibt sich die höchste Formelserie Asiens auf den Fuji Speedway. Motorsport.tv wird das Rennen weltweit erstmals live im Internet übertragen.
Der Berg ruft: Nach der vorgezogenen Sommer- und Le-Mans-Pause reist die japanische Super Formula für ihren dritten Saisonlauf zum legendären Fuji Speedway. Die größte Neuigkeit: Erstmals wird Motorsport.tv die Serie weltweit außerhalb Japans in englischer Sprache live im Internet übertragen. Ein gewaltiger Schritt für die ehemalige Formula Nippon, die abseits des indonesischen Senders Wakuwaku-TV sowie vereinzelter Highlight-Sendungen auf einigen wenigen lokalen Sportsendern in den letzten Jahren lediglich exklusiv in Japan zu sehen war. Dass ein internationaler Partner die globale Popularität einer regionalen Rennserie steigern kann, haben bereits NISMO-TV und die Super GT bewiesen. Nun zieht die Super Formula nach. Zwar ist noch unklar, ob Motorsport.tv auch die restlichen Saisonrennen übertragen wird. Der Beschreibungstext auf der Webseite lässt jedoch darauf schließen, obgleich sich solche Engagements schlagartig ändern können, was der Sender mit dem Wegfall der IMSA-Übertragungen inmitten dieses Jahres demonstrierte. Es ist bereits die zweite übertragungstechnische Innovation für die Super Formula, nachdem seit Beginn des Jahres alle Rennen in Nippon erstmals sowohl im Pay-TV (J Sports) wie auch im Free-TV (BS Fuji) übertragen werden.
Des Weiteren gab JRP-Präsident Akira Kurashita zu Protokoll, dass der zukünftige Bolide noch schneller als das jetzige Modell von Dallara sein soll. Damit unterstreicht man abermals das Aushängeschild, die zweitschnellste Formel-Serie der Welt nach der Formel 1 zu sein. Für die Planung steht die leitende Japan Race Promotion im engen Kontakt mit den Teams. So soll beim zukünftigen Einheitsmodell selbstredend auch die Überholproblematik adressiert werden, die wegen des hohen Abtriebs zu schwierig ist. Hinzu gesellen sich die langlebigen Reifen von Yokohama, die nur geringe Verschleißerscheinungen aufzeigen und den Teams die nicht unwichtige strategische Komponente stehlen. Zwar hat die JRP immer mal wieder mit Regeln wie die Pflicht mindestens zwei oder mehrere Reifen zu wechseln versucht, dem entgegenzusteuern, allerdings erfolglos. Für die Zukunft ist weiterhin eine zusätzliche, weichere Reifenmischung vorgesehen. Ob dieser Gummi ähnlich letztes Jahr in Motegi allerdings heuer abermals bei einem der verbleibenden Saisonläufe erprobt wird, ist noch nicht bekannt. Der weichere Pneu soll mehr Grip besitzen, dafür aber auch deutlich schneller abbauen. Ähnlich der IndyCar Series oder Formel 1 müssten die Fahrer dann in den Rennen beide Mischungen verwenden, wodurch eine weitere strategische Komponente entstehen würde. Ähnlich dem neuen Boliden gibt es allerdings auch für den weicheren Yokohama-Gummi noch keinen festen Termin. Laut Kurashita plant man zumindest mit ersterem für das Jahr 2019. Zugleich ist der Hersteller des Autos noch nicht offiziell festgelegt. Laut japanischen Medienberichten hält man sich die Option für neue Partner offen. Der erstmalige Japan-Besuch des Dallara-Präsidenten Giampaolo Dallara beim Auftakt in Suzuka lässt jedoch darauf schließen, dass die Italiener auch den SF19 entwickeln werden.
Der Fuji Speedway ist durch die Formel 1 in den 70er Jahren, insbesondere aber durch die beiden Grand Prix in den Jahren 2007 und 2008 bekannt. Der Kurs wurde extra für die Rückkehr der Königsklasse von Herman Tielke umgebaut und an die Sicherheitsstandards angepasst. Im Gegensatz zu anderen Strecken hat er die Strecke mit der längsten Geraden im kompletten Super-Formula-Kalender (1,5 km), auf der die Boliden über 310 km/h erreichen, aber nicht „vertielkt“, auch wenn die Abstinenz einiger Kiesbetten und die fast vollständige Eliminierung des Bankings in einigen Bereichen der Strecke sehr bedauerlich sind. Der Kurs selbst liegt in der Shizuoka-Präfektur, nahe des kleinen Städtchens Oyama und nicht weit von der Großstadt Fuji-chi (übersetzt einfach nur Fuji oder Fuji Stadt) am Fuße des Fuji-san (so der japanische Name des berühmten Berges), sprich man hat nicht nur von der Rennstrecke einen malerischen Blick auf das bekannteste Naturwahrzeichen des Landes. Ebenfalls in der Nähe befindet sich der Fluss Fujikawa, der von der Präfektur Yamanashi bis nach Shizuoka fließt.
Die Strecke hat nach der Neueröffnung im Jahr 2005 eine Gesamtlänge von 4,563 km und insgesamt 16 Kurven. Nicht nur aufgrund der langen Start- und Zielgeraden, die in der Vergangenheit Schauplatz mehrere spektakulärer Windschattenduelle war, gilt der Kurs als flink. Die Piste beinhaltet zum Ende hin jedoch auch einige mittelschnelle und langsame Kurven. Nach der schnellen 300R folgt die Dunlop-Kurve, die ins Geschlängel der 13. und der Prius-Kurve mündet. Ein gutes Gasfußgefühl wie auch ein gut liegendes Auto sind in diesem Streckenabschnitt Pflicht. Essentiell für eine gute Runde ist das Herausbeschleunigen aus der finalen Panasonic-Kurve, um auf der Start- und Zielgeraden den nötigen Top-Speed aufzubauen. Im Folgenden eine Onboard-Runde mit André Lotterer aus dem Jahr 2014, in der er mit 1:22.572 Minuten einen neuen Rundenrekord aufstellte.
Letztes Jahr kämpften Kazuki Nakajima sowie Joao Paulo de Oliveira verbittert um den Sieg. Am Ende obsiegte letzterer, nachdem er einen Fahrfehler aus der Anfangsphase wieder wettmachte. Es war der Hattrick für den Brasilianer, der damit seit 2014 ungeschlagen am Fuße des heiligen Berges war. Dieses Jahr ist der Champion von 2010 nicht mehr in der Super Formula unterwegs, womit er den Weg für einen „neuen“ Sieger freigibt. Nach einem Sieg sowie einem zweiten Platz in Okayama zählt insbesondere Tabellenführer André Lotterer zu einem der Hauptfavoriten. Das Pech von den 24 Stunden von Le Mans sicherlich noch im Hinterkopf, visiert der gebürtige Duisburger seinen nunmehr siebten Erfolg auf der ehemaligen Grand-Prix-Strecke an. Vier dieser Erfolge erzielte Lotterer hintereinander von 2011 bis 2014, ehe Oliveira das Zepter des Bergkönigs übernahm. Sein einziger Nachteil: Wegen einer terminlichen Überschneidung mit den WEC-Probefahrten konnte der Deutsche nicht am Super-Formula-Vorsaisontest am Fuji teilnehmen. Ähnlich erging es Kazuki Nakajima, der nach einer dominanten Start- und Zielfahrt den Auftakt in Suzuka gewann, in Okayama aber punktlos blieb. Lediglich ein Zählerchen in der Meisterschaft hinter TOM’s-Teamkollege André Lotterer liegend, verpasste auch er die Probefahrten. Toyotas Flaggschiff-Mannschaft dürfte dennoch bestens vorbereitet sein, da für beide Piloten Ryo Hirakawa sowie Joao Paulo de Oliveira einsprangen, welche mit den schnellsten Rundenzeiten das Klassement beim Test im März anführten.
Nicht nur Lotterer und Nakajima dürften mit einer Portion französischen Frust in die Shizuoka-Präfektur reisen. Auch Kamui Kobayashi, der derzeit schnellste Mann an der Sarthe, dürfte das Drama um den „falschen Streckenposten“ sowie den zusammenbrechenden Toyota schnell wieder vergessen wollen. Der aus Amagasaki stammende Japaner sammelte in Okayama mit dem bisher besten Resultat für KCMG wertvolle Meisterschaftspunkte. Am Aufwärtstrend möchte die kleine Truppe, denen der Beitritt des ehemaligen Formel-1-Piloten spürbaren Aufwind verlieh, natürlich festhalten.
Letztes Jahr sah der Fuji Speedway die Geburtsstunde von Yuhi Sekiguchi, der mit dem Bronzerang erstmals auf dem Podium stand. Es sollte anschließend nur einen weiteren Monat dauern, bis der Impul-Pilot in Motegi die höchste Stufe des Treppchens erklomm. Nach dem Weggang von Oliveira übernahm der Japaner diese Saison die Rolle des Leitwolfs bei Impul. Nach einem suboptimalen, punktlosen Start zum Jahresauftakt, demonstrierte er in Okayama mit einem zweiten sowie ersten Platz abermals sein Talent, als er Hiroaki Ishiura sowie André Lotterer abhängte. Mit dem Sieg aus dem Mai im Gepäck, zählt auch Sekiguchi am Fuji zu einem der Hauptfavoriten. Dass er am Fuße des heiligen Wahrzeichens gewinnen kann, bewies Hiroaki Ishiura bereits Anfang Mai, als er den 500-Kilometer-Klassiker der Super GT zusammen mit Yuji Tachikawa gewann. In einem Formel-Wagen ist der Meister von 2015 jedoch noch erfolglos am Fuji. Damit ist Yuji Kunimoto seinem P.MU-Cerumo-Teamkollegen Ishiura somit einen Schritt voraus. Der amtierende Titelverteidiger obsiegte an jenem legendären Ort im Jahr 2013 beim nicht zur Meisterschaft zählenden JAF Grand Prix Fuji Sprint Cup.
Ein zentrales Thema wird auch dieses Wochenende wieder das Duell zwischen Toyota und Honda sein. Zwar konnten letztere in den vergangenen Läufen abermals die Lücke ein wenig schließen, noch immer scheinen die Toyota-angetriebenen Mannschaften jedoch einen kleinen Leistungsvorteil gegenüber dem Honda-Lager zu haben. Letzteres sorgte vergangene Saison für großes Aufsehen, als ausgerechnet Rookie-Sensation Stoffel Vandoorne die Pole-Position herausfuhr – die Erste für die Marke auf Toyotas Haus- und Teststrecke seit Loic Duval im Jahr 2010. Im Rennen hatte der jetzigen Formel-1-Pilot hingegen weniger Glück: Er flog im letzten Renndrittel wegen eines Bremsschadens ins Kies. Bester Honda-Pilot war anschließend Koudai Tsukakoshi auf Rang acht. Auch bei der diesjährigen Highspeed-Schlacht ist davon auszugehen, dass die Toyota-befeuerten Teams die Oberhand gegenüber der Honda-Konkurrenz behalten dürfte. Obgleich gewiss nicht in die Rolle des Underdogs gedrängt, dürften vor allem Dandelion und Mugen jene Teams sein, welche die Toyota-Mauer durchbrechen könnten. Erstere haben dank Takuya Izawa heuer zwar erst ein kleines Pünktchen auf dem Konto. Die bisherige Leistung von ihm sowie Teamkollege Tomoki Nojiri ist jedoch vermehrt auf Pech sowie technische Probleme zurückzuführen.
International werden viele Augen selbstredend auf Pierre Gasly gerichtet sein, der vergangenen Mai in Okayama mit dem siebten Platz seinen ersten Meisterschaftszähler errang. Im Mugen-internen Duell hängt der Red-Bull-Youngster gegenüber Stallgefährte Naoki Yamamoto 1:3 zurück. Letzterer ist als bester Honda-Pilot mit 10,5 Punkten derzeit auf dem dritten Tabellenrang. Ob Gasly am Fuji das gleiche Kunststück wie vor just einem Jahr Stoffel Vandoorne gelingen wird, darf angesichts des bisherigen Saisonverlaufs bezweifelt werden. Die Schlacht um die Rookie-Krone wird natürlich dennoch in eine weitere heiße Runde gehen. Diese Wertung führt derzeit der Neuseeländer Nick Cassidy auf dem insgesamt achten Tabellenrang an, nachdem er in Okyama sein erstes Super-Formula-Podium feierte. Es war ein gutes Wochenende für die Kondo-Racing-Piloten, nachdem beim zweiten der beiden Sprintläufe auch Kenta Yamashita in seiner Rookie-Saison erstmals aus der ersten Startreihe ins Rennen ging. Schnellster Frischling im Bunde war jedoch Felix Rosenqvist, der mit Abstand die schnellsten Rundenzeiten in den Okayama-Asphalt brannte. Am Ende verpasste der Schwede auf dem vierten Platz das Podium nur denkbar knapp. Eine dringende Wende benötigt derweil Jann Mardenborough. So blieb der britische GT-Academy-Absolvent bei zwei der bisherigen drei Rennen punktlos. Dass der Fuji Speedway dem Impul-Rookie liegt, hat er unter anderem mit einem Sieg in der GT300-Klasse der Super GT im Jahr 2016 bewiesen.
Ähnlich der Highspeed-Charakteristik der Strecke wird auch die Strategie der meisten Teams ausfallen. Ohne Reifenwechsel-Verpflichtungen muss lediglich einmal im Rennen nachgetankt werden. Eine optimale Einteilung des Gummis wie auch des Überholsystems OTS (Overtake System), welches fünfmal für jeweils 20 Sekunden pro Rennen aktiviert werden darf, ist daher Pflicht, um in der Windschatten-Schlacht die Überhand zu behalten. Beim Test im März wurde der schnellste Pilot mit rund 319 km/h geblitzt. Laut einigen japanischen Medienvertretern könnte dieses Wochenende auf der 1,5 km langen Start- und Zielgeraden gar die 320 km/h Marke geknackt werden, da unklar ist, inwiefern das Overtake System bei den Probefahrten Verwendung fand. Hintergrund: Lediglich in Suzuka sowie am Fuji beträgt der Benzinfluss 95 kg/h anstatt der üblichen 90 kg/h. Wird OTS verwendet, erhöht sich dieser um ganze zehn Prozent. Zudem bringt die neueste Asbaustufe der Nippon-Race-Engine-Formel (NRE) von Toyota und Honda ein wenig mehr Leistung auf den Asphalt. Mit plötzlichen Regenschauern (die Wahrscheinlichkeit liegt bei rund 30%) ist an diesem Wochenende eher nicht zu rechnen, wenn die Fahrer bei heißen 29 Grad und über 70% Luftfeuchtigkeit in ihren Cockpits schwitzen werden.
TV-Zeiten Fuji
Wie bereits eingangs erwähnt, wird erstmals Motorsport.tv den Super-Formula-Lauf auf dem Fuji Speedway live im Internet auf der eigenen Webseite in englischer Sprache übertragen. Für Langschläfer wird das Rennen laut Ankündigung zudem auch per Abruf als Video on Demand verfügbar sein. In Japan zeichnen sich die beiden TV-Sender J Sports sowie BS Fuji für die Übertragung verantwortlich. Erstere übertragen auf J Sports 4 die Qualifikation am Samstag ab 7:20 Uhr deutscher Zeit live. Am Sonntag geht J Sports 4 bereits um 6:40 Uhr auf Sendung. Der Rennstart erfolgt eine halbe Stunde später um 7:10 Uhr deutscher Zeit. Insgesamt stehen 55 Runden (250 km) auf dem Programm.
Copyright Photos: Japan Race Promotion