Das hatten sich die Roten anders vorgestellt. Trotz des dritten Platzes von Kimi Räikkönen war das Wochenende für Ferrari eine einzige Katastrophe. Mercedes hat gezeigt, was man kann.
Über Strategien in Silverstone muss man kaum reden. Das Rennen war einen einzige Demonstration von Mercedes. Von Freitag bis Sonntag hatte man Ferrari nicht nur um Griff, man hatte den Italienern gezeigt, dass sie im Moment keine Chance hatten. Das B-Chassis, das Mercedes in Spanien erstmals eingesetzt hat, ist in Sachen Setup fertig, der Motor ist dem von Ferrari überlegen, weil man mehr Leistung hat und diese über eine längere Zeit abrufen kann. In allen Belangen scheint Mercedes zur Zeit überlegen. Und dies, nachdem Ferrari eigentlich die besseren Karten hatte. Bis Mercedes halt mit dem B-Chassis kam. Es dürfte ein interessantes Debriefing in Maranello gegeben haben. Mercedes unschlagbar, WM-Führung fast weg, in der Team-WM wächst der Abstand immer weiter.
Das für Ferrari deprimierende ist: das Auto ging nach Aussagen von Räikkönen und Vettel am Wochenende richtig gut. Man hatte kaum Probleme, das Setup stimmte. Aber man war nicht schnell genug. Die Pace des Finnen war auch nicht schlecht. Er hielt den Abstand bis Runde 18 bei rund 4 Sekunden, kam Hamilton aber auch nicht wirklich näher. Ab Runde 19 stellte sich aber raus, dass Hamilton noch Reserven hatte. Die Stopps standen an, der Brite wollte ein größeres Polster haben. Bis Runde 23 baute er den Abstand auf knapp zehn Sekunden aus, ohne das Ferrari kontern konnte. Und da liegt vermutlich die größte Frustration der Italiener. Denn im Grunde hatte man keine Chance.
Einen weiteren Blick auf die wahre Stärke der Mercedes, gewährte Bottas, der wegen einer verwachsten Quali und einem Getriebewechsel von P9 starten müsste. Doch lang hielt sich der Finne nicht im Mittelfeld auf. Schon nach sieben Runden lag Bottas hinter Vettel, der seinerseits nicht an Verstappen vorbei kam. Hier spielte sich dann die einzige interessante strategische Entscheidung des Rennens ab. Vettel wurde von Verstappen klar aufgehalten, war aber nicht in der Lage den Niederländer zu passieren. Immer, wenn Vettel mal eine Sekunde verlor, war er nach einer Runde wieder dran. Ferrari entschloss sich in Runde 18 zum Undercut, der auch funktionierte. Das Problem für Vettel war nur, dass sein Rennen danach eigentlich durch war. In dem Moment, in dem er rein kam, gab Hamilton vorne Gas. Selbst mit den neuen Reifen konnte Vettel dem Briten keine Zeit abnehmen. Auch auf Räikkönen gewann Vettel nur wenig. Gleichzeitig musste Vettel die Reifen bis Runde 52 durchschleppen, was schon eine Herausforderung war. Die Überlegung, einen weiteren Stopp einzulegen um Bottas anzugreifen, scheiterte daran, dass man wieder hinter Verstappen gefallen wäre.
Mercedes hatte mit Bottas alles richtig gemacht. Vor der Quali war klar, dass der Getriebewechsel ihn zurückwerfen würde, also ließ man ihn in Q2 mit den Soft fahren. Man war sich sicher, dass man genug Speed im Auto hatte, dass Bottas das Mittelfeld schnell würde hinter sich lassen können. Danach konnte man Ferrari angreifen, in dem man den einzigen Stopp variabel auslegen konnte. Man musste nur den besten Zeitpunkt abwarten, um Bottas auf die Supersoft zu setzen. Und damit hatte man Ferrari im oben beschrieben Dilemma. Die Roten waren nicht schnell genug, um dem Abstand auf Bottas wenigstens zu konservieren. Mit den alten Soft hatte Vettel keine Chance gegen die neuen Supersoft auf dem Mercedes, der zu dem eh schneller war.
Die beiden Reifenschäden waren dann einfach Pech. Vettel hatte wohl irgendwo ein Stück Kohlefaser erwischt, bei Räikkönen delaminierte der in Silverstone eh hoch belastete rechte Vorderreifen. Warum nur ihm das passierte? Pirelli hat die Untersuchung des Reifens noch nicht abgeschlossen, es kann ein Konstruktionsfehler sein. Eine andere Erklärung, warum der Reifen einging, könnte im Setup von Ferrari liegen. Vielleicht ist man in Sachen Sturzwerte etwas zu aggressiv gewesen. Das würde auch erklären, warum Ferrari in Silverstone mit eher ungewöhnlichen Reifenproblemen zu kämpfen hatte.
Hinter den beiden Top Teams tat sich herzlich wenig. Bemerkenswert war allerdings die Leistung von Daniel Ricciardo. Der Australier startete von hinten, rutschte nach ein paar Runden, auf P12 liegend, raus und lag in Runde 5 wieder auf dem letzten Platz. Danach startete er einen Aufholjagd, die ihn, unterbrochen von seinem Stopp in Runde 32, dann bis auf P5 nach vorne brachte. Bemerkenswert: er lag am Ende nur 13 Sekunden hinter Verstappen. Mehr war da für ihn nicht drin. Was auch für Hülkenberg galt. Nach zwei eher schwachen Rennen, zeigte er mal wieder seine Klasse. Erst in Quali, dann im Rennen, wo er lange auf P6 lag. Erst zwei Runden vor Schluss konnte sich Ricciardo vorbei quetschen, aber Hülkenberg erbte P6 dann, als Vettel seinen Reifenschaden hatte.
Dahinter lagen die Force India, die überraschenderweise nicht an den Renault heran fahren konnten. Da hatte man die Inder schon etwas stärker erwartet. Immerhin lieferten sich Ocon und Perez ein schönes Duell und hatten wenig Druck von hinten. Da lag Massa, der nicht schnell genug war, um die Force India unter Druck zu setzen. Immerhin war P10 nach einer mal wieder katastrophalen Quali der Williams ein kleiner Erfolg. Stroll musste sich Vandoorne geschlagen geben, dessen Honda immerhin mal durchhielt. Alonso fiel mal wieder aus. Die neue Motor-Generation von Honda hat nicht das gebracht, was man sich erhofft hatte. Weder die Zuverlässigkeit, noch die Leistung stimmen, wie man in Silverstone deutlich sehen konnte. Im Sommer wird McLaren eine Entscheidung treffen müssen, was man mit Honda in Zukunft machen möchte.
Der dominante Sieg von Mercedes wird bei Ferrari für Hektik sorgen. Silverstone ist eine Strecke, die man zu Teilen in anderen Strecken in der zweiten Saisonhälfte wieder finden wird. Spa, Monza, Suzuka, Malaysia, Austin und Mexiko sind alles Strecken, die im Moment eher für den Mercedes sprechen. Ferrari muss sich also was einfallen lassen, wenn man weiter um den WM-Titel fahren möchte.
Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Toro Rosso?
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3 Kommentare
Ich denke, die seit Saisonbeginn eher laxe Interpretation des Regelwerks seitens der Rennleitung was Zweikämpfe angeht (zwecks Förderung von Spektakel) wird uns über kurz oder lang die eine oder andere Kontroverse und Regeldiskussion bescheren. Aktuell werden früher bestrafte Punkte wie „erratic driving“, „leaving the track and gaining an unfair advantage“ oder „forcing another car off the track“ praktisch garnicht mehr, „causing a collision“ sehr selten, und „unsafely rejoining the track“ nur bei anschliessendem Unfall durchgesetzt, und Blocking und Seitenwechsel beim Verteidigen spielen auch kaum noch eine Rolle. Ich finde nicht, dass das eine gute Entwicklung ist, weder in Sachen Sportlichkeit noch Sicherheit. Entweder man hat die Regeln und setzt sie unterschiedslos und nicht interpretationsabhängig durch (auch so ein Punkt – bestimmte Fahrer dürfen sich nachweislich mehr erlauben als andere…), oder man sagt gloves are off und schafft die Regeln ab und dann weiss wenigstens jeder dass Wildwest ist.
Frappierend finde ich das vor allem wenn man bedenkt, dass manche Fahrer noch Bewährungspunkte im Strafsystem mitschleppen, die noch aus dem letzten Jahr stammen, wo sowas noch bestraft wurde (ausser wenn man Verstappen heisst…). Eigentlich hätte angesichts dieser neuen Regelauslegungen der Punktekatalog vor Saisonbeginn genullt werden müssen.
Was das „nullen“ am Ende der Saison angeht, bin ich bei Dir. Die Regelauslegung ist eine andere Sache. Ich bin kein Freund von einer zu strengen Auslegung, weil sie das Racing unterbindet. So lange ein Zweikampf fair ist, so lange niemand gefährdet wird, sollte man dien Fahrer fahren lassen. Motorsport ist Kontaktsport. Das ist bei den Tourenwagen einfacher, als bei den Monoposto, aber ein harter Zweikampf gehört für mich zum Racing.
Wenn man das denn will (die Fahrer fahren lassen) dann muss man die Regeln eben abschaffen, anstatt sie mal so und mal so anzuwenden und zu interpretieren (was – und ich weiss, ich nerve damit schon seit Jahren – dadurch verschlimmert wird, dass es keine festen Stewards und (Ex-)Driver Consultants gibt, sondern immer wieder andere mit immer wieder anderen Vorstellungen, die teilweise auch noch seit ewig aus dem Sport raus sind anstatt am Puls der Zeit und echt keine Ahnung mehr haben).
Aktuell gibt es klare Regeln, aber schwammige Applikation und Durchsetzung derselben, und seit einiger Zeit wird immer wieder dadurch jemand unfair benachteiligt, ohne dass derjenige etwas dagegen tun könnte oder sich wehren könnte. Weder sportlich noch sportjuristisch. Das sollte nicht so sein, und führt nur dazu dass man die „Härte“ im Zweikampf ausufern lässt, bis man dann irgendwann doch wieder die Regeln greifen lässt und sich der wiederum andere dann unfair benachteiligt fühlt. Da herrscht derzeit mal wieder viel zu viel Durcheinander und Unklarheit, das hatte man mit den neuen „weichen“ Strafen bis letzte Saison viel besser im Griff.
Die weisse Linie am Streckenrand ist nicht zum Spass da, sondern auf der anderen Seite beginnt die Illegalität. Ist der Zweikampf noch „fair“ wenn diese Linie nichts mehr bedeutet? Wenn ich überholt werde und der andere hat dabei vier Räder neben der Strecke ohne bestraft zu werden, was soll ich dagegen tun? Protestieren? Bringt nichts. Beim nächsten mal das gleiche versuchen? Dann riskiere ich eine Strafe. Er fährt mich absichtlich von der Strecke, ohne bestraft zu werden? Mache ich dasselbe mit ihm als Retourkutsche, riskiere ich eine Strafe weil das formell eigentlich verboten ist, usw.usf.
Die Idealisierung „Motorsport ist Kontaktsport“ halte ich im Monoposto-Motorsport übrigens als Mantra schlicht für unwahr. Nicht jeder dumme kleine Kontakt darf bestraft werden, klar, aber bei Kontakt zum Nachteil eines Anderen sollte Gerechtigkeit möglichst wiederhergestellt werden, und gezielter/absichtlicher Kontakt sollte klar ausgeschlossen bleiben. Mit geschlossener Karosse mag das gehen, aber mit offenen Rädern ist das schlichtweg ein Unding.
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