Mercedes-Benz steigt zur Saison 2019/2020 in die Formel E ein und verlässt dafür die DTM. Welche Folgen hat diese Entscheidung für die DTM?
Überraschend gab Mercedes-Benz heute Abend bekannt, dass sie Ende 2018 aus der DTM aussteigen. Verantwortlich dürfte hierfür u.a. das neue Motorenreglement sein, das einen neuen 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbomotor vorsieht und damit hohe Entwicklungskosten zur Folge hätte. Alternativ gibt es noch die Idee eines Einheits-Turbomotors, der von einem Zulieferer kommt und damit einen wichtigen Identifikationsfaktor wegnimmt. Beide Möglichkeiten waren anscheinend für Daimler nicht attraktiv, sodass der Wechsel in die Formel E ein logischer Schritt für Mercedes-Benz ist. Dort kann man die Leistungselektronik sowie den Motor entwickeln und zudem werden die Fahrzeugwechsel in naher Zukunft abgeschafft. Damit sind alle drei (ehemaligen) DTM-Hersteller ab 2019 in der Formel E mit einem Werksteam vertreten und es stellt sich die Frage, wie es mit der DTM weitergeht.
They say it's #TheBestOrNothing! Coming to #FormulaE in Season 6 is… >> https://t.co/ETCZut7q2z pic.twitter.com/qlKtSHzkgu
— ABB FIA Formula E World Championship (@FIAFormulaE) July 24, 2017
Im Rahmen der Läufe am Moscow Raceway gab es schon Streitigkeiten zwischen der ITR, dem DMSB und den Herstellern. So wurde einfach das Reglement für die Performance-Gewichte geändert, ohne vorher dies mit den Herstellern zu besprechen. Zudem spricht sich die ITR deutlich gegen die Zusatzgewichte aus, die Hersteller wollen jedoch unbedingt an diesen festhalten, da hierdurch alle Marken auf ihre Saisonsiege kommen. Ein Abschaffen der Performance-Gewichte könnte zudem die Folge haben, dass die Entwicklungskosten weiterhin steigen und eventuell ein Hersteller die ganze Saison dominiert. So könnte eine Marke einen mittleren achtstelligen Millionenbetrag in die DTM investieren, ohne einen Sieg zu erzielen. Dies können und wollen sich die Hersteller nicht mehr leisten, vor allem in Anbetracht der aktuellen Problematik um die Dieselmotoren und mögliche Verletzung des Kartellrechts.
Zusätzlich könnte man zur nächsten Saison die ARD als Fernsehpartner verlieren und müsste einen ebenbürtigen Ersatz finden. Dies kann eigentlich nur einer der großen Privatfernsehsender sein, die eine ähnliche Einschaltquote erreichen können. Problematisch ist jedoch, dass die DTM-Quoten in den letzten Jahren schwächeln und im Durchschnitt nur knapp eine Million Zuschauer pro Lauf erreicht werden. Es ist also fraglich, ob ein Sender wie RTL zumindest den eigenen Sendeschnitt erreichen würde. Durch den Ausstieg von Mercedes dürften die Einschaltquoten noch weiter sinken und damit verringert sich der Erlös aus den Fernsehrechten. Eventuell läuft die Serie dann nur noch auf einem kleineren Privatsender wie beispielsweise Vox und dann wären die Saisonbudgets nur noch schwer zu rechtfertigen.
Es stellt sich also die Frage, wie es mit der DTM weitergeht? Audi und BMW werden kein Interesse haben, jeweils neun Fahrzeuge an den Start zu bringen, aber 18 Fahrzeuge bräuchte man mindestens für ein ordentliches Starterfeld. Die Kosten wären zu hoch und die Taktikspielchen würden noch mehr werden. Da alle drei Premiummarken in der Formel E ab 2019 vertreten sind, könnte man einfach diese zur ARD bringen und ein zweites Rennen in Deutschland anstreben. Die Reichweite wäre wohl ähnlich wie bei der DTM und diese würde dann zum Ende der Saison 2018 eingestellt werden. Alternativ bräuchte die DTM wohl ein neues Reglement, welches neue Hersteller anlockt und/oder Privatteams wieder Einstiegschancen gibt. Für beides wäre eine Kostensenkung nötig und dadurch würden die aktuellen Boliden verschwinden. Es ist aber fraglich, ob weitere Hersteller Interesse an einer deutschen Meisterschaft haben und sowohl BMW als auch Audi wollen wahrscheinlich das Premiumimage der DTM beibehalten.
Perfekt als Nachfolger der DTM wäre daher die aktuelle GT Masters. Alle deutschen Premiummarken besitzen ein GT3-Fahrzeug und eine BoP ist vorhanden. Die Kosten wären deutlich niedriger und ausländische Hersteller könnten sich mit einem Werksprojekt beteiligen. Durch die (teuren) Sportwagen wäre das Image ähnlich und auch die (scheinbare) Seriennähe wäre gegeben. Eventuell müsste man noch die Fahrerwechsel abschaffen, sodass es pro Fahrzeug nur einen Piloten gibt und dieser die komplette Stunde durchfährt. Dadurch würde man zwar etliche Amateure verlieren, aber mit einem guten Fernsehvertrag würde man genügend Werksteams und gute Privatiers bekommen.
Falls man bei Tourenwagen bleiben möchte, würde sich das aktuelle TCR-Reglement anbieten. BMW könnte in kürzester Zeit ein TCR-Fahrzeug auf Basis der 1er Serie bauen und man hätte sogar sehr seriennahe Fahrzeuge. Auch gäbe es hier wieder genügend Hersteller aus dem Ausland. Ein großer Schwachpunkt ist jedoch, dass die Fahrzeuge recht langsam sind und die Rennen dadurch nicht sehr spektakulär wirken. Daher wäre vielleicht zudem das Reglement der BTCC interessant, da diese Fahrzeuge etwas schneller sind und an die DTM der späten 1980er erinnert. Auch hier könnte man wieder mit Werksteams fahren und Privatteams hätten Siegchancen.
Egal wie die ITR sich entscheidet, sie muss schnell handeln. Man braucht bereits für nächstes Jahr einen neuen Fernsehvertrag und daher sollte man klären, welches Reglement ab 2019 genutzt wird. Ansonsten könnte bereits nach 2018 die (neue) DTM wieder Geschichte sein und die GT Masters würde zur wichtigsten Motorsportmeisterschaft in Deutschland aufsteigen.
Was ist Eure Meinung zu diesem Thema? Wie seht Ihr die Zukunft der DTM und hat sie überhaupt eine Zukunft?
10 Kommentare
Die DTM ist ein geskripteter Tri-Marken-Pokal für die sonntägliche Autowerbung im ÖR-TV. Ist nicht schade drum.
Richtiges Reglement wäre in Australien vorhanden, Autos mit richtig Leistung, wenig Aero und annähernde Serien Karosse. Muss ja kein V8 sein aber so 500 PS mindestens würde es brauchen, TCR mit den Frontler ist kein Ersatz
Bitte keine Aero-DTM mehr. Die sollen doch gerne das BTTC-Reglement nebst Wagen nehmen. Gab da soweit ich das sehen konnte immer wieder spannende Rennen. Und die Fahrer sind da echt coole Socken, die nicht gleich ins Mimimi verfallen und bei Mami petzen, wenn es mal kurz über den Rasen geht ;-)
Die Autos sind sicher, Fan-Identifikation der Marken ist eher möglich als mit Carbon-Boxen und damit ist echte Tourenwagen-Racing „door-to-door“ mit Lackaustausch auch für Privatteams machbar.
Bunter Mix, toller Sport, was will man mehr?
TCR nicht spektakulär genug, weil zu langsam?! Also mich unterhält ein TCR-Rennen mehr als ne halbe DTM-Saison. Von dem in Zandvoort vielleicht mal abgesehen.
DTM-Rennen schaue ich mir schon seit einigen Jahren nicht mehr an. Für mich war das schon länger kein richtiger Motorsport mehr gewesen, zu viele Regeln – reine Marketingveranstaltung am Sonntag.
Ich würde mir wieder eine echte Tourenwagen-Serie wünschen. Gibt ja einige Vorbilder dafür – BTCC ist sicherlich eine Richtung die zumindest mir sehr gut gefallen würde und die mich auch mal wieder dazu bewegen könnte ein Rennen vor Ort anzuschauen.
Bevor ich mir allerdings ein Formel E Rennen anschaue, gehe ich lieber auf die nächste Modellbaumesse und schaue mir dort ein Rennen auf der Carrera-Bahn an. Der Sound ist fast identisch.
Tja, „Sound“, die Zeit des lärmenden Verbrennungsmotors und des damit einhergehenden „PS-Proletentums“ neigt sich langsam aber sicher dem Ende entgegen. Elektrisch ist die Zukunft, auch wenn das Kartell der deutschen Autoindustrie mit ihrer Regierung so tut, als könnte man das einfach ignorieren…
Natürlich fährt Formel E eher langsam auf Micky-Maus-Kursen, aber das steht ja auch alles erst am Anfang der Entwicklung. Immerhin sind die Rennen spannend, ob es dabei lärmt oder nicht ist mir ziemlich egal. Und es wird da nicht von drei beteiligten Herstellern je einer ausgeguckt der gewinnen darf und dann tut man im Ersten so, als führe man „Rennen“…
„Bevor ich mir allerdings ein Formel E Rennen anschaue, gehe ich lieber auf die nächste Modellbaumesse und schaue mir dort ein Rennen auf der Carrera-Bahn an.“
Auf der Carrerabahn lachen über den Witz vielleicht sogar ein paar Kinder.
„Nur laut Brumm ist gut Brumm!“
Schwer vorstellbar dass die DTM in ihrer jetzigen Ausprägung in einer Rückkehr zu nur zwei Herstellern überleben könnte, zumal keiner der beiden Hersteller das Dickschiff Mercedes ist. Man hat gerade erst die Zahl der Starter reduziert, die müsste prompt wieder erhöht werden um ein einigermassen funktionierendes und ansehbares Feld zu bekommen, und das wird schon aus Kostengründen wohl kaum passieren. Ein dritter oder vierter Hersteller müsste mindestens her. Und da zeichnet sich kein Kandidat so wirklich ab, ein deutscher schon garnicht (was allerdings auch nicht sein müsste). Ausgeschlossen sind Wunder natürlich nicht…
Keine der genannten Optionen wie GT(-Masters) und TCR bietet sich unmittelbar als Alternativen für eine „neue neue DTM“ an, bestenfalls als Ausgangsbasis. Alle bräuchten mindestens eine grundlegende Anpassung des sportlichen und des technischen Reglements, um für Attraktivität, Identifikation und „Top-Sport“ zu sorgen, der einigermassen, nunja, „ehrwürdig“ und passend die Geschichte der alten und neuen DTM fortsetzen könnte, anstatt etwas komplett anderes zu sein. Letztlich wird sich die Frage stellen, ob so etwas wie eine Werks-/Hersteller-basierte DTM überhaupt noch Zukunft hat („Sinn macht“), oder ob man nicht gleich zu einer auf Halb- und Ganz-Privatteams basierenden Serie übergeht. Was den Unterhaltungswert angeht, kann man sich ganz klar so einiges bei der BTCC abschauen. (Dass anscheinend niemand die WTCC als Vorbild vorschlägt, sollte nicht überraschen… :)
Letztlich sind solche Wendepunkte und Herstellerentscheidungen allerdings auch ein subtiler Hinweis darauf, dass klassischer Verbrennungsmotorsport (egal welcher Ausprägung) sich so langsam anschickt, sich auf den Weg des Aussterbens zu machen. Natürlich noch nicht so bald, aber ganz so sehr viele Jahrzehnte wird es ihn möglicherweise nicht mehr geben.
(Und nein, Formel E sehe ich mir auch nicht an, da müsste ich schon erstmal als Beta-Tester-Zuschauer bezahlt werden… Das ist einfach unausgereifter Quatsch, der mehr falsch als richtig macht. Das ist kein Motorsport, das ist ein Gimmick. Und nicht alles was vier Räder hat und im Kreis fährt ist „attraktiver Rennsport“ – thanks, but no thanks. Vielleicht in viiiielen vielen Jahren mal, wenn es sonst nichts anderes mehr gibt und das ganze deutlich grösser, besser, gereifter und erwachsener daherkommt…)
Also ich finde den Grund wegen des neuen Reglements total schwachsinnig.
Mercedes hat doch super 2.0l Turbo Motoren wie z.B. im A45 oder CLA45.
Diese sind sogar deutlich stärker als z.B. im Audi S3. Ein so hoher Entwicklungsaufwand kann es dann ja nicht mehr sein, diese Motoren bereit für die DTM zu machen. Sehr schade.
Dürfte für die wie auch immer „neue DTM“ schwierig werden eine sinnvolle Lücke und dementsprechend ein Reglement zu finden.
Sofern man ab 2019 nur noch Kundensport mit den neuen 2 Liter 4 Zylinder Motoren macht, hat man quasi eine Kopie zur TCR Germany, was ja auch nicht sinnvoll ist.
Eigentlich bleibt nur ein Reglement wie das in der BTCC oder in Japan und das auch nur unter der Voraussetzung, dass BMW und Audi dabei bleiben. Ansonsten tut es mir Leid um die ITR und um Gerhard Berger, da die DTM gerade jetzt auf dem richtigen Weg war. Die Rennen in 2017 waren so spannend wie lange nicht und gerade jetzt hat mir die DTM wieder richtig Spaß gemacht.
Ist halt das Risiko, welches Rennserien tragen, die sich den Werken verschweigen. In der Historie des Motorsports ist ja zu sehen, dass Werke meist nur mit begrenzter Zeit ein Engagement machen. Gleiches erlebt momentan die WEC und Le Mans. Dort gab es zu Glanzzeiten 6-7 Hersteller, dieses Jahr waren es nur 2 und nächstes Jahr waren unter Umständen nur noch private Teams um den großen Sieg. Viele Rennserien hatten immer schon die verschiedenen Zyklen gehabt.
Werkssport ist für jede Rennserie außerhalb der Formel 1 eine fast tickende Zeitbombe. Sofern ein Vorstandswechsel ansteht, es einen ungeplanten Dieselskandal gibt (wohl auch demnächst bei Daimler und BMW) oder die Serienentwicklung in eine neue Richtung geht, gehen die Daumen oft nach unten. Do ist das Geschäft und gerade in einer Marketing-Serie wie der DTM nur allzu verständlich.
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