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ELMS: Analyse 4h von Le Castellet

von StefanTegethoff
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Dallara gewinnt sein erstes Rennen als LMP2-Konstrukteur und Ferrari setzt seine GT-Dominanz fort.

Es war heiß am vergangenen Wochenende in Le Castellet. Um die 30°C betrug die Lufttemperatur in Südfrankreich, als die ELMS zum vierten Saisonlauf antrat. Für Fahrer und Teams war es ein anstrengendes Rennen, doch nach vier Stunden ohne größere Zwischenfälle waren drei Klassensieger auserkoren und den Gesamtsieg holte zum ersten Mal ein Dallara: SMP Racing steht erstmalig ganz oben.

Das ist sowohl für Dallara als auch für das russische Team ein schöner Erfolg, da diesem die Weiternutzung seines Eigenbau-Chassis BR 01, das sich durchaus stark zeigte und im Vorjahr Klassenrang 3 in Le Mans einfuhr, durch das neue Reglement untersagt wurde. Erst beim letzten Lauf in Spielberg kehrte das Team mit einem Dallara-Chassis in die Serie zurück; im nächsten Jahr möchte die Mannschaft des russischen Oligarchen Boris Rotenberg in dieser Kombination die LMP1 in der World Endurance Championship unsicher machen.

Mit dem 19-jährigen Matevos Isaakyan und dem 21-jährigen Egor Orudzhev hat Rotenberg zwei junge Landsmänner für die ELMS gefunden, die durchaus talentiert sind: Isaakyan führt derzeit die Formula V8 3.5 an, Orudzhev hat letztes Jahr in dieser Serie fünf Siege und den dritten Gesamtrang geholt.

In der Qualifikation sah es allerdings noch unbedingt nicht nach einem Sieg für das Duo aus, Rang 4 mit vier Zehnteln Rückstand war zwar nicht schlecht, doch es dominierte Dragonspeed: Nicolas Lapierre stellte die #21 auf die Pole, Leo Roussel lag im zweiten Auto, das allerdings in G-Drive-Farben antritt, anderthalb Zehntel zurück.

Die Ampel wurde von der Rennleitung relativ spät auf grün geschaltet, weshalb der Start schon etwas unruhig war – Entscheidendes passierte aber erst nach einer halben Runde beim ersten Durchfahren der Schikane auf der Mistral geraden. Dort versuchte Andrea Belicchi im Villorba Corse-LMP ein recht gewagtes Manöver über den inneren Kerb und räumte damit Hugo de Sadeleer aus dem Weg: der um die LMP2-Meisterschaft kämpfende United Autosports-Ligier wurde in einen Dreher geschickt. De Sadeleer konnte zwar ohne größeren Schaden weiterfahren, war aber ans Ende des Feldes zurückgefallen. Belicchi wurde für den ungestümen Rempler bestraft.

In Sachen Meisterschaft war damit das Bild bestimmt: während sich das United Autosports-Trio – unverschuldet, wohlgemerkt – von hinten durchs Feld kämpfen musste, kämpfte vorn der die Meisterschaft anführende G-Drive-Oreca gegen um die Spitze. Gegner war zunächst das Schwesterauto aus dem Dragonspeed-Rennstall, das dann aber mangels Konstanz zurückfiel: Henrik Hedman kann das Tempo der besseren LMP2-Piloten nicht mitgehen, auch Memo Jojas im G-Drifve-Dragonspeed-Oreca konnte den Spitzenplatz nicht halten.

So nahm schon in Runde 21 Matevos Isaakyan im SMP-Dallara die Spitzenposition ein. Am Ende der ersten Rennstunde hatte er 35 Sekunden Vorsprung vor dem schnellen Enzo Guibbert im Graff-Oreca, doch als der an seine Teamkollegen Eric Trouillet und Paul Petit übergab, zogen die beiden Russen ungefährdet davon. Natürlich macht man sich hier bei SMP Racing zunutze, dass beide Youngster bislang als Silber-Piloten eingestuft sind, obwohl sie selbstverständlich keine Herrenfahrer oder Semiprofis sind. Das Problem ist seit Jahren bekannt und man kann es dem Team nicht zum Vorwurf machen, dass sie diese „Lücke“ ausnutzen.

Derweil kämpfte sich United Autosports von hinten durchs Feld: Platz 9 nach der ersten Stunden, Fünfte zur Rennmitte, Vierte nach Stunde 3. In der letzten Full Course Yellow, 20 Minuten vor Schluss, wurde dann Filipe Albuquerque als einer von gleich vier Fahrern „geblitzt“, die sich nicht ans Tempolimit von 80 km/h hielten. So brachte der Portugiese das United Autosports-Team zwar nach starker Aufholjagd zunächst aufs Treppchen; doch der hart erkämpfte dritte Platz war mit einer nachträglich verhängten Zeitstrafe wieder futsch: Platz 5 zeigt das offizielle Resultat.

Das ist ärgerlich, denn damit verliert United Autosports wertvolle Punkte im Kampf um den Titel: statt nur drei verliert man acht Zähler auf G-Drive, deren Vorsprung damit auf zwölf wächst. Doch bei noch zwei ausstehenden Rennen ist noch keine Entscheidung gefallen.

Erfreulich ist der – wenn auch nur durch die Strafe erreichte – dritte Platz für das Panis-Barthez-Team. Timothé Buret und der inzwischen schon 28-jährige Nathanael Berthon  sind flott und solide und auch Fabien Barthez selbst entwickelt sich gut und ist nicht mehr der langsamste unter den Herrenfahrern.

Trubeliger ging es – eigentlich wie immer – in der LMP3-Kategorie zu: viele Ausrutscher, Dreher, Rempler und Strafen für diverse Vergehen sind hier aufgrund des stark von Amateuren und wenig erfahrenen Nachwuchsfahrern weiterhin an der Tagesordnung, auch wenn sich die Sitten, wie schon in der Vorschau beschrieben, seit der ersten Saison etwas gebessert haben.

Aber auch eng und spannend war es hier. Zunächst führte RLR MSport für 26 Runden das Feld der kleinen Prototypen an; Alex Kapadia, der den Start-Stint fuhr, ist regelmäßig einer der schnellsten Piloten in der Klasse. Als dann jedoch John Farano, eher einer der langsameren Herrenfahrer, das Steuer übernahm, konnte sich US-Profi Sean Rayhall im United Autosports-Ligier an die Spitze setzen. Beim Fahrerwechsel auf John Falb verlor die #2 kurz die Führung, doch nachdem alle gestoppt hatten, lag das Auto, das die Meisterschaft anführt, wieder an der Spitze. Den von Rayhall herausgefahrenen Vorsprung würde Falb über fast zwei Stunden gegen einige schnellere Piloten verteidigen müssen, darunter Romano Ricci im M.Racing YMR-Ligier und Martin Hippe aus Essen, der nach 10 Jahren Pause, in denen er unter anderem Renningenieur im Formelsport war, nun für InterEuropol ans Steuer zurückgekehrt ist .

Doch am Ende reichte es für Rayhall und Falb: mit knapp 2,5 Sekunden vor Hippe / Smiechowski fuhren sie über die Ziellinie, Cougnaud / Jung / Ricci wurden Dritte. Damit baut das #2-Team von United Autosports seine Meisterschaftsführung aus und liegt nun zwölf Punkte vor der #18 von M.Racing YMR, dem eben angesprochenen drittplatzierten Team.

In der GTE-Klasse siegt – wie immer in den letzten Jahren auf dem Circuit Paul Ricard – ein Ferrari. Die #55 von Spirit of Race (a.k.a AF Corse) startete von Pole und führte für 103 von 106 gefahrenen Runden. Nur in der Anfangsphase hatte sich Christian Ried im Porsche kurz an die Spitze setzen können, danach war der Ferrari 488 nicht mehr zu stoppen. Je nachdem, welcher Fahrer gerade bei der Konkurrenz am Steuer saß, wechselte der nächste Verfolger: zunächst war es der #99 Beachdean-Aston Martin mit Ross Gunn, dann Jonny Cocker im #66 JMW-Ferrari, schließlich – ab Runde 92 von 206 – der Aston Martin von TF Sport, in diesem letzten Stint pilotiert von Euan Hankey, der allerdings den nun von Jody Fannin gesteuerten JMW-Ferrari bei der Zieldurchfahrt direkt im Nacken hatte.

Doch den Ferrari von Aaron Scott, Dane Cameron und Matt Griffin konnte niemand ernsthaft gefährden, etwa 70 Sekunden betrug der Vorsprung am Ende vor dem Verfolgerduo. Damit macht das #55 Spirit of Race-Team einen Sprung in der Meisterschaft und liegt plötzlich in Schlagdistanz, nur 13 Punkte hinter dem führenden TF Sport-Team und sogar nur vier Zähler hinter JMW Motorsport.

Fragen wirft die Schikane auf: ob deren Hinzunahme wirklich nötig war, ist doch zweifelhaft, wenn man sich anschaut, dass die Topspeeds der schnellsten LMP2-Boliden bei Betrachtung des gesamten Wochenendes (also inklusive Trainings und Quali) unterhalb von 275 km/h lagen – gemessen allerdings am Ende der Start/Ziel-Geraden. Mit dem High Downforce-Aero-Kit hätten diese Autos auch bei voller Mistral-Gerade wahrscheinlich doch keine dramatisch hohen Geschwindigkeiten erreicht.

Zusätzliche Schikanen wird es beim nächsten Rennen nicht geben, die „old school“-Bahn in Spa-Francorchamps hat nur eine Streckenführung im Angebot – old-school stimmt eigentlich nicht ganz, wenn man bedenkt, dass die heutige Version der Strecke in Spa, die seit 1979 besteht (den Umbau der letzten Schikane 2007 außen vor gelassen) jünger ist als der Circuit Paul Ricard! Trotzdem ist Spa immer ein Highlight für Sportwagen-Rennen, und so kann man freudig auf das 4h-Rennen am 24. September vorausblicken. Dann geht die ELMS in die nächste Runde.

(Bilder: ELMS Media)

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