Die FIA WEC kehrt nach ihrer langen Sommerpause mit dem Lauf in Mexiko in die Saison zurück. Ein Rennen, welches seit seiner Entstehung symptomatisch für die WEC und den ACO dasteht
Es war der Sommer 2015, als die WEC in ihrer vollen Blüte war. Es gab tolle Kämpfe zwischen Audi, Porsche und Toyota in der LMP1-Klasse und andere Hersteller wie BMW überlegten, ob sie nicht auch mitmischen wollen. Bei den internen Abstimmungen über den neuen Kalender war seitens des ACO und auch auf Nachfrage der Hersteller und Teams keine Rede von Mexiko als zusätzliches Rennen, während der ACO im Geheimen mit dem Veranstalter bereits über den Verträgen brütete. Die Überraschung war umso größer, als dann ein paar Wochen später bei der Vorstellung des neuen Kalenders auf einmal Mexiko auftauchte, zumal die Budgets für die 2016er Saison bei den Teams und Herstellern schon festgezurrt waren. Der ACO hat hier einen glatten und für sich lukrativen Alleingang durchgezogen, obwohl gerade die privaten Teams nochmal deutlich tiefer in die Tasche greifen mussten (sechsstellig) und die Budegts für die LMP2 und GTE-Am etwa zwischen 3 und 6 Mio € / Fahrzeug für den Einsatz liegen. Ein Vorgehen, das sich in den letzten Monaten aber leider wiederholt hat.
Es war Mitte 2016, als sowohl der Ausstieg von Audi kurz bevorstand, als auch Peugeot an den ACO herangetreten ist, man könne sich vorstellen, nach Le Mans zurückkehren. Die Bedingungen an den ACO lauteten damals wie folgt: Reduzierung der Hybridtechnik, kaum Weiterentwicklung im Bereich Antriebsstrang und Fahrzeug sowie massive Vorteile als Neueinsteiger. Dinge, denen der ACO bereitwillig zugestimmt hat, um seine alten Bekannten von Peugeot wieder in die Serie zu bekommen, wohl wissentlich, dass man damit den eigentlichen Kerngedanken und die Quintessenz des aktuellen LMP1-Reglements mit Füßen tritt. So war 2014 und 2015 die Rede von einer weiteren Elektrifizierung mit einem dritten ERS, 10- oder 12-MJ-Hybrid und weiteren Freiheiten. Dies war damals der Grund, weshalb sich Audi, Toyota und Porsche zur Serie committet haben und selbst BMW zwischenzeitlich scharf überlegt hat, mit einem Wasserstoff-LMP1 antreten zu wollen. Dies hat man aber verworfen, da man einerseits große Probleme mit der Kühlung erwartete und der benötigte Aufwand, um hier ein siegfähiges Auto auf die Räder zu stellen, nochmals deutlich höher als beim 919 hybrid gewesen wäre. Zusätzlich hat der ACO das Reglement nicht entsprechend für andere Technologien, entgegen der 2014er Ankündigungen, geöffnet. Darum wurde die Arbeitsgruppe mit ca. 30 bis 40 Leuten aufgelöst und das Projekt verworfen. Dann hat man seitens des ACO aber das dritte ERS fallen gelassen, was gerade Toyota überhaupt nicht passte, da man extra das Budget für die Entwicklung schon durchgesetzt hatte und dieses nun nicht mehr einsetzen durfte. Dazu kam das 300-kW-Limit der LMP1, und es war abzusehen, dass der ACO die Hybridsysteme maximal auf dem jetzigen Level belassen wollte, um eben Peugeot einen Einstieg leichter zu machen. Dieser ist natürlich selbstredend nicht erfolgt, da sich Peugeot dem harten Wettbewerb mit Porsche und Toyota kaum stellen möchte. Dem ganzen hat man dann noch die Krone aufgesetzt, als man trotz deutlichster Forderungen seitens Porsche oder Toyota wie dem Aufheben des 300-kW-Boostlimits (immerhin fährt Poorsche 2017 bereits das dritte Jahr mit dem 8-MJ-Hybrid und man hat 30% weniger Boostleistung als 2015!) oder mehr Hybridenergie oder weiteren elektrischen Komponenten diesen Wünschen bewusst nicht nachgekommen ist. Das Ergebnis ist bekannt: Porsche steigt 2017 aus der WEC aus und auch Toyota wird wohl spätestens nach Le Mans 2018 den Stecker ziehen, allerdings gehe ich davon aus, dass Toyota in Kürze das Endes des LMP1-Projekts verkünden wird, da man extrem sauer auf den ACO und kein weiterer Hersteller in Sicht ist. Wenn überhaut, dann kommt Peugeot, aber erst nach dem Ausstieg von Toyota, um gegen kaum vorhandene Konkurrenz fahren zu können. Insofern kann man nur hoffen, dass die restlichen Rennen mit den tollen Autos der LMP1 wieder ein sehr gutes Rennen zeigen. Lustigerweise schließt sich wohl hier in Mexiko etwas der Kreis, denn man wird wohl zum letzten Male hier antreten. Dies hat zwei Gründe: Der ACO will die Kosten senken und daher Rennen streichen, wie eben Mexiko oder Austin oder den Nürburgring, zum anderen läuft der lukrative Vertrag des ACO mit den Veranstaltern aus, womit es stark danach aussieht, dass das doch recht gut besuchte Rennen in Mexiko 2017 wohl das letzte Mal stattfinden wird.
Die Strecke an sich ist technisch extrem anspruchsvoll. Man hat eine sehr lange Gerade, welche nach gutem Topspeed verlangt, gerade um die langsameren Autos zu überholen, zum anderen braucht man danach den meisten Abtrieb aller WEC-Strecken. Dazu kommt die geringe Durchschnittsgeschwindigkeit und die um ca. 20% geringere Luftdichte im Vergleich zu den anderen Rennen. Dies führt dazu, dass die Teams in fast allen Klassen spezielle und aufwendige Lösungen im Bereich der Kühlung (größere Radiatoren, etc) verbauen müssen, um die benötigten Kühlleistung zu generieren, da die Geschwindigkeit relativ niedrig ist und man somit mehr Querschnittsfläche benötigt (Volumenstrom = v * A). Ein Umstand, welcher gerade auf die Hybridsysteme größere Auswirkungen haben kann. In Sachen Rennpace sieht es in der LMP1 wohl sehr ausgeglichen aus, denn Toyota konnte bis zu den mechanischen Problemen durch Pickup das Tempo der Porsches voll mitgehen, ebenso wie beim Reifenverschleiß, womit bislang kein Vorteil für das später homologierte Abtriebspaket von Porsche sichtbar ist. Auch bei der Stintlänge sind kaum Unterschiede zu erwarten, ebenso wie bei der Anzahl der Stints pro Satz Reifen, da beide hier den gleichen Rahmenbedingungen wie maximal 18 Sätzen Reifen unterliegen. Von daher erwarte ich ein enges Rennen in der Klasse, während Kolles wie angekündigt die restlichen Rennen auslässt um sich auf die Entwicklung des 2018er Updates zu konzentrieren. Ebenso eng wird es in der LMP2 werden, wobei sich hier wohl wieder die beiden Rebellion und die beiden Oreca von Jackie Chan Racing um den Sieg duellieren sollten. Alle vier Autos verfügen über die besten Silberpiloten, welche gerade bei den neueren LMP2 mit über 140 PS mehr Leistung und mehr Abtrieb deutlich mehr gefordert sind, was zu größeren Unterschieden führt, während die Profis sich auch vom Setup her stark nach den Herrenfahrern richten müssen, womit sich das quasi doppelt auswirkt. Eine Umbesetzung gibt es bei Manor: Nachdem Jonathan Hirschi am Ring eine Kollision unter roter Flagge verursacht hat, wurden er und Tor Graves aufgrund zu schlechter Leistung ausgetauscht und bis zum Ende der der Saison durch Matt Rao und Ben Hanley ersetzt. Gerade letzterer ist ein sehr flotter Mann. Derweil rumort es gewaltig hinter den Kulissen. Hintergrund ist die Tatsache, dass Oreca hier mit Abstand das dominierende Auto gebaut hat, da man zuvor mit dem Rebellion R1 (fast baugleich vom Chassis her) und dem Know-how von TMG in Köln sich einen deutlichen Vorteil vor den Konkurrenten erarbeiten konnte. Diese müssten quasi nun jetzt ihr einziges erlaubtes Update innerhalb von vier Jahren bringen, um zumindest etwas an den Oreca 07 heranzukommen. Die andere Variante wäre, dass alle Chassishersteller (also inkl. Oreca) eine Ausnahmegenehmigung erteilen würden, was aber natürlich seitens Oreca nicht passiert. Hier hat sich der ACO mit seinem Reglement also auch etwas in das eigene Fleisch geschnitten.Am besten steht hier nun die GTE-Pro da. Ein Umstand, den man im Jahre 2014 noch nicht so vermuten durfte. Damals fuhren nur Aston Martin, Porsche und Ferrari in der Klasse. Mittlerweile tritt auch Ford bis 2019 in der WEC an und nächstes Jahr kommt BMW in die Klasse mit dem M8 GTE zurück. Eine Teilnahme von Corvette in der GTE-Pro über Labre ist nach wie vor eine Möglichkeit und würde der Serie sehr gut tun, denn die LMP1 ist ja wie oben beschrieben wohl ab 2017 in der jetzigen Form mehr oder weniger tot. Im Zuge dessen ist geplant, die Klasse durch ein Quali-Rennen am Tag vorher aufzuwerten, denn hier sind dann die einzigen Hersteller involviert. In Mexiko wird das Rennen wohl sehr eng. Grund ist zum einen die Enge der Strecke, zum anderen aber auch der Umstand, dass es hier gerne mal wärmer werden kann, womit die Aston Martin ihren Nachteil durch den Frontmotor wettmachen können, denn diese fahren auf Dunlops, welche bei heißen Temperaturen besser funktionieren als die Michelins. In Sachen BoP hat es diesmal alle Autos erwischt, wobei die Änderungen relativ gering ausfallen: Ford, Porsche und Aston Martin dürfen 2 kg ausladen und 0,1 mm größere Air Restriktoren fahren, während der Ford eine ganz leichte Erhöhung des Ladedrucks zugestanden bekommt. Die Ferrari müssen derweil 5 kg einladen und nochmals mit einem leicht reduzierten Ladedruck fahren. Dies könnte für die Marke aus Maranello bereits ausreichend sein, um nicht mehr um das Podest mitfahren zu können. Daher sehe ich die Aston Martin und Porsche vorne. Fahrerisch hat sich hier nichts verändert.
Eine interessante Entwicklung in Sachen grundsätzlicher Ausgangslage hat die GTE-Am hinter sich. Anfang des Jahres schwebte ein Damoklesschwert über der Klasse, da man kaum mehr als 32 Fulltime-Teams in die WEC packen kann und mehrere private LMP1 sowie der Einstieg von BMW bevorstand. Ergo ging man davon aus, dass diese Klasse fallen wird. Nachdem aber maximal SMP und Bykolles jeweils einen privaten LMP1 bringen werden, da die zwei verkauften Perrin aufgrund nicht eingegangener Zahlungen werden nicht gebaut werden und bislang kein Ginetta verkauft worden ist, sieht es in der Klasse der privaten LMP1 auch sehr mau aus. Daher darf man auch 2018 fest mit der Am rechnen, wobei alleine Proton wieder zwei RSR, Baujahr 2017, einsetzen möchte. Im Ganzen möchte die Truppe von Chrisitian Ried sogar vier Fahrzeuge kaufen. Damit sind sie nicht die einzigen, denn auch der Mannschaft um Raymond Narac und Gulf Racing werden entsprechende Kaufabsichten nachgesagt, wobei Porsche bis vor wenigen Wochen kein Kundenprogramm plante. Aktuell gibt es auch maximal sechs bis sieben Chassis (je zwei bei Core und Manthey sowie ein Ersatzchassi und ein Entwicklungsfahrzeug). Ergo müsste Porsche mindestens sechs neue Fahrzeuge des RSR, eher bis zu zehn, aufbauen, um die wohl doch recht hohe Nachfrage zu stillen. In der Am erwarte ich diesmal einen engen Kampf zwischen den beiden Porsche von Proton sowie dem Aston Martin mit der #98, da der F488 hier 15 kg auf 1303 kg zuladen muss.Unterm Strich kann mal also sagen, dass die WEC aktuell nicht so recht weiß, wo sie hin soll, bzw. die Herren des ACO und der FIA fahren momentan einen Kurs, der die WEC in eine ernsthafte Gefahr bringt. Wenn dieser Kurs so beibehalten wird, dann werden wir wohl 2018 die letzte WEC-Saison sehen, zumal nun im Vergleich zu 2016 gefühlt 80% des Martketings der deutschen LMP1-Teams wegbricht und die Kosten gerade in den GT und LMP2 im Vergleich zum Return viel zu hoch sind. Gleichwohl fährt der ACO eine Politik, die ich gerne als „Spezlwirtschaft“ bezeichne. Daher sollte man das Rennen ab Sonntag 18:30 Uhr in Ruhe anschauen, denn ich bin skeptisch, dass wir noch viele Rennen in der WEC sehen werden.