Während in Katalonien der Referendumsprozess ausartete, trug die Blancpain GT Series abseits des Wirrwarrs ihr Saisonfinale aus. Der teils nasse Circuit de Barcelona-Catalunya bot die Bühne für ein spannendes und unterhaltsames Abschlussrennen, welches verdiente Meister hervorbrachte. Außerdem gastierte die International GT Open in Monza, wo sie ihre besten Saisonrennen zeigte.
Blancpain GT Series Endurance Cup
Wir befinden uns im Jahre 2017. Ganz Katalonien wird von einer tiefgreifenden politischen Krise erschüttert… ganz Katalonien? Nein! Eine von unbeugsamen Motorsportlern befahrene Rennstrecke hört nicht auf, der Realität Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die internationalen Piloten, die sich mit Regen, einem riesigen Feld und unbarmherziger Konkurrenz herumschlagen.
Mithilfe dieser zugegebenermaßen zynischen Beschreibung lässt sich das Gefühl vieler Fans am vergangenen Wochenende ganz gut skizzieren. In den Social-Media-Verläufen wechselten sich zeitweise nur noch die dramatischen Eindrücke aus der Regionalhauptstadt Barcelona mit den rennsportlichen Impressionen aus dem rund 20 km entfernten Montmeló ab. Dies mag zwar sehr absurd und unpassend gewirkt haben, jedoch fällt es schwer, einen großen Fehler oder gar einen Skandal darin zu sehen. Man war schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort und deswegen springen wir nun auch lieber ins abschließende Renngeschehen.
Die Qualifikation am Sonntagmorgen wurde von einem stark abtrocknenden Asphaltband geprägt, weswegen erst im dritten Segment die schnellsten Zeiten herausgefahren werden konnten. In einem kurzen Schlussspurt nach einer roten Flagge sollte schließlich Robin Frijns im #17 Team WRT Audi R8 LMS (Robin Frijns-Jake Dennis-Stuart Leonard) die letzte Pole-Position des Jahres einheimsen können. Das war sicherlich ein kleiner Trost für die Meistertruppe des Sprint Cups, die schon vorher aus dem Gesamttitelkampf ausgeschieden war. Rang zwei ging an den meisterschaftsführenden #63 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 (Andrea Caldarelli-Christian Engelhart-Mirko Bortolotti). Die einzigen Konkurrenten im #8 Bentley Team M-Sport Continental GT3 (Andy Souček-Maxime Soulet-Vincent Abril) erlebten ein absolutes Debakel und qualifizierten sich nur auf dem 28. Startplatz. Neben unglücklichen Verkehrslagen zum Ende hin war vor allem das Timing der roten Flagge besonders schmerzhaft für sie. Abgerundet wurde die Top 3 vom #88 AKKA ASP Mercedes AMG GT3 (Tristan Vautier-Félix Serrallés-Daniel Juncadella).
Top 3 der Startaufstellung sowie die besten Klassennennungen:
1) #17 Team WRT Audi R8 LMS (Robin Frijns-Jake Dennis-Stuart Leonard*)
2) #63 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 (Andrea Caldarelli-Christian Engelhart*-Mirko Bortolotti)
3) #88 AKKA ASP Mercedes AMG GT3 (Tristan Vautier-Félix Serrallés–Daniel Juncadella*)
Pro-AM Cup| 7) #87 AKKA ASP Mercedes AMG GT3 (Mauro Ricci-Jean-Luc Beaubelique-Jules Gounon*)
AM Cup| 35) #888 Kessel Racing Ferrari 458 Italia GT3 (Marco Zanuttini-Jacques Duyver*-David Perel)
*Startfahrer
Bei noch leicht feuchter Strecke traten insgesamt 49 Autos den Start an. Dieser verlief zwar auf den ersten Blick ohne Probleme, jedoch waren zwei Autos in das Kiesbett der letzten (!) Kurve gerutscht. Scheinbar muss es bei der Startfreigabe ein Missverständnis im hinteren Teil des Feldes gegeben haben, denn sonst ist so ein unnötiger Unfall kaum erklärbar. Wegen ihnen war der letzte Streckenabschnitt für längere Zeit mit einer gelben Flagge versehen. Aus unverständlichen Gründen hatte man nämlich auf eine Neutralisierung verzichtet. Gleich zu Beginn kam es zu zwei wichtigen Entwicklungen in der Top 10. Zum einen wurde der #63 GRT Lamborghini durchgereicht, da er augenscheinlich Probleme hatte. Glücklicherweise konnte er sich schließlich auf Platz neun festkrallen, was elementar für die späteren Erfolge gewesen sein sollte. Zum anderen gelang dem #5 Belgian Audi Club Team WRT R8 LMS (Marcel Fässler-Will Stevens-Dries Vanthoor) ein Sprung in die Top 3. Nach einem harten Zweikampf mit dem #17 Audi des Schwesterteams sollte er kurz darauf die Führung übernehmen können.
Die erste Neutralisierung des 3h-Laufs war nach fast 30 Minuten unumgänglich, da unter anderem ein Teilnehmer aus dem Kies befreit werden musste. Weil sich die Bergung hinzog und der Abschleppwagen zeitweise ebenfalls eingrub, sollte die anfängliche FCY-Situation sogar in ein Safety Car überführt werden. Marcel Fässler legte im Anschluss daran einen erfolgreichen Restart hin und konnte fantastischen GT3-Rennsport im Rückspiegel verfolgen. Die wieder zusammengeführte Top 10 umfasste etliche sehenswerte Duelle. In den ersten Minuten nach der Wiederfreigabe verlor Fässler zusehends Zeit, weswegen der zweitplatzierte #84 Mercedes-AMG Team HTP Motorsport AMG GT3 (Jimmy Eriksson-Maximilian Buhk-Franck Perera) schlussendlich die Lücke schließen sollte. Franck Perera fand vor der ersten Boxenstoppphase aber keine Möglichkeit mehr, den Audi zu überholen.
Nachdem sich die zeitversetzten Stopps austariert hatten, sah die zweite Rennstunde einen neuen Führenden. Das späte Hereinkommen des vorher drittplatzierten #88 AKKA ASP Mercedes AMG GT3 hatte sich somit als geschickteste Strategie zu diesem Zeitpunkt erwiesen. Der französische AMG GT3 befand sich nun in den Händen des Puerto-Ricaners Félix Serrallés, welcher vor dem Start seiner verstorbenen und leidenden Landsleute gedacht hat. Dafür hatte die SRO eigens eine Aufstellung am Kopfe des Grids gebildet. Es ist erstaunlich, wenn selbst eine kleine Motorsportorganisation mehr Taktgefühl hat als der Präsident des betroffenen Landes. Serrallés‘ Stint begann mit einer kurzen FCY-Phase, in der ein sprintender Streckenposten ein großes Trümmerteil einsammelte. Dieser Prozess kann in solchen Situationen also wirklich sinnvoll und effizient sein.
Wie immer verpennten wieder viele die grüne Flagge, was Jake Dennis im #17 WRT Audi eiskalt ausnutzte. Mit einem halben „pass in the grass“-Manöver schob er sich am verdutzten Eriksson vorbei auf Rang zwei. Mit einer ähnlichen Bauernschläue kämpfte sich auch Andrea Caldarelli im #63 GRT Lamborghini wieder in die Top 5. Die Probleme der Startphase schienen gelöst zu sein. Währenddessen erreichten die vom 28. Platz gestarteten Rivalen des #8 Bentley die Ausläufer der Top 10, was etwas Hoffnung erzeugte. Bei noch hundert ausstehenden Minuten bog plötzlich der #5 Belgian Audi Club R8 LMS mit einem nicht klar erkennbaren Schaden in die Box ab. Dort wurde der anfangs Führende aus dem Rennen genommen.
Da sich an der Spitze zur Halbzeit eine Struktur herausgebildet hatte, zeigte die Regie vermehrt die Duelle um Platz 10 herum. In diese war ja auch der #8 Bentley verwickelt. Der Spanier Andy Souček zeigte herzzerreißende Zweikämpfe, aber war der bitteren Realität ausgesetzt, dass Platz 10 wohl das Ende ihrer Aufholjagd sein sollte. In einer dieser wilden Auseinandersetzungen hatte zu allem Übel das Getriebe einen Schlag abbekommen, weswegen Souček abschließend in die Box humpeln musste. Der Gesamttiteltraum war geplatzt. Obwohl immerhin noch 80 Minuten Restzeit zu absolvieren waren, standen damit das GRT Grasser Racing Team und seine Piloten Christian Engelhart sowie Mirko Bortolotti als BGTS-Champions 2017 fest. Dies war sicherlich sehr verdient. Im Endurance Cup waren aber noch beide Entscheidungen offen, was den zu diesem Zeitpunkt dritten Platz der Nummer 63 umso wichtiger machte.
Nach der zweiten Boxenstoppphase waren auch die letzten hektischen Teile des Feldes in ihren Rhythmus gekommen. Das Volant des #88 AKKA ASP Mercedes wurde an Tristan Vautier übergeben, der den Sieg nur noch eintüten musste. Blöderweise nahm Pole-Mann Robin Frijns zeitgleich Platz im Verfolger-Audi mit der #17 und der sollte den Franzosen gehörig unter Druck setzen. Der Niederländer biss sich jedoch rundenlang die Zähne an Vautier aus. Rang drei hielt immer noch der #63 GRT Huracán GT3, der nun vom Starfahrer Mirko Bortolotti bewegt wurde. Schlussendlich hatte sich auch diese Konstellation gefestigt, was abgesehen von kleinen Zweikämpfen am Rande die Saison gemütlich in die Winterpause rutschen ließ.
Top 3 des Rennens sowie die besten Klassennennungen:
1) #88 AKKA ASP Mercedes AMG GT3 (Tristan Vautier-Félix Serrallés-Daniel Juncadella)
2) #17 Team WRT Audi R8 LMS (Robin Frijns-Jake Dennis-Stuart Leonard)
3) #63 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 (Andrea Caldarelli-Christian Engelhart-Mirko Bortolotti)
Pro-AM Cup| 16) #77 Barwell Motorsport Lamborghini Huracán GT3 (Hunter Abbott-Martin Kodric-Patrick Kujala)
AM Cup| 32) #488 Rinaldi Racing Ferrari 488 GT3 (Pierre Ehret-Rino Mastronardi)
Circuit de Barcelona-Catalunya-Notizbuch
- Neben den Gesamttiteln in der Fahrer- sowie Teamwertung stellt das GRT Grasser Racing Team die punktbesten Endurance-Fahrer: Andrea Caldarelli, Christian Engelhart und Mirko Bortolotti
- In der BGTEC-Teamwertung gewann jedoch das Bentley Team M-Sport, was immerhin eine kleine Genugtuung gewesen ist und den alten Continental GT3 in eine verdiente Pension schickt.
- Der außerdem noch vakante Gesamttitel in der Pro-Am-Teamwertung ging an das deutsche Rinaldi Racing.
- Im Anschluss an das letzte Rennwochenende gab man einige Änderungen bekannt. Zum einen wird es bei den Langstreckenläufen künftig eine Begrenzung auf 26 Pro-Nennungen geben (Ausnahme: Spa24h). Dadurch sollen Amateure geschützt und angelockt werden. Zusätzlich hat man auch neue Paarungslisten dafür erstellt, was sicherlich in der Saisonvorschau erläutert werden wird.
- Zum anderen werden die beiden Sprint-Rennen pro Wochenende nun gleichberechtigt sein. Damit übernimmt man das Konzept des Asien-Ablegers.
- Weitere kleinere Anpassungen und deren Beurteilung werden ebenfalls in der Saisonvorschau aufgegriffen.
- 2018er Kalender:
06. – 08. April 2018: Circuit Zolder (Sprint Cup)
21. – 22. April 2018: Autodromo Nazionale Monza (Endurance Cup)
05. – 06. Mai 2018: Brands Hatch Circuit (Sprint Cup)
19. – 20. Mai 2018: Silverstone Circuit (Endurance Cup)
01. – 02. Juni 2018: Circuit Paul Ricard (Endurance Cup/1000 km)
22. – 24. Juni 2018: Misano World Circuit Marco Simoncelli (Sprint Cup)
26. – 29. Juli 2018: Total 24 Hours of Spa-Francorchamps (Endurance Cup)
31. August – 02. September 2018: Hungaroring (Sprint Cup)
14. – 16. September 2018: Nürburgring (Sprint Cup)
29. – 30. September 2018: Circuit de Barcelona-Catalunya (Endurance Cup)
Was sonst noch geschah
Die beiden Läufe der International GT Open im Autodromo Nazionale Monza gehörten zu den Highlights der bisherigen GTO-Saison. Vor allem der Samstagslauf bot etliche Highspeedduelle, die teils verbissen geführt wurden. Mit dem #39 Nigel Mustill / Wessex Vehicles Lamborghini Gallardo Rex GT3 (Dolby/Morris) gab es zudem einen Überraschungssieger. Den Sieg im zweiten Rennen sicherte sich der #51 BMW Team Teo Martín M6 GT3 (da Veiga/Farfus) auf dominante Art und Weise. Dank Augusto Farfus wurde der Start-Ziel-Sieg zusätzlich mit der schnellsten Rennrunde gekrönt. Ende dieses Monats reist die europäische GT-Serie nach Barcelona, wo das Saisonfinale stattfinden wird. In der Teamwertung wird es dort zu einem Duell zwischen den Lamborghinis von Imperiale Racing und den M6s des BMW Team Teo Martín kommen. Auch in der Fahrerwertung stehen deren Vertreter an der Spitze. Giovanni Venturini (Imperiale Racing) führt in dieser mit 97 Zählern. Seine größten Verfolger sind die BMW-Piloten Victor Bouveng und Fran Rueda mit jeweils 92 Wertungseinheiten. Außerdem gibt es ein paar weitere Außenseiter.
Am kommenden Wochenende…
…fährt zwar keine einzige Serie des Report-Portfolios, aber dennoch gibt es etliche Stunden GT3-Rennsport zu sehen. Hinsichtlich der Einstimmungen auf die Super GT und die IMSA SportsCar Championship sei wie immer auf die fleißigen Kollegen verwiesen. Am darauffolgenden Wochenende finden die 8 Stunden von Laguna Seca statt, für die es wohl eine kleine Vorschau geben wird. Wir wünschen spannende Renntage!
Nächste Rennen mit GT3-Beteiligung:
06. – 08. Oktober 2017: Audi R8 LMS Cup (Zhejiang Circuit); IMSA SportsCar Championship (GTD; Petit Le Mans/Road Atlanta); Italian GT (Autodromo Internazionale del Mugello); Super GT (GT300; Chang International Circuit); VLN (49. ADAC Barbarossapreis)
13. – 15. Oktober 2017: Blancpain GT Series Asia (Zhejiang Circuit); Intercontinental GT Challenge (8 Stunden auf dem Mazda Raceway Laguna Seca); Super Taikyu (Okayama International Circuit)
20. – 22. Oktober 2017: Michelin Le Mans Cup (Autódromo Internacional do Algarve); VLN (42. DMV Münsterlandpokal)
[Fokus auf Veranstaltungen des Report-Portfolios; wird fortlaufend ergänzt]
Hinweis aus der Community
Bei den "nächsten Rennen mit GT3-Beteiligung" bitte das Saisonfinale von @dmv_gtc und #Dunlop60 in #Hockenheim am 6./7.10. nicht vergessen! pic.twitter.com/ZmyjVduBRy
— Pitwall Media (@Pitwall_Media) September 28, 2017
Bilderquelle / Copyright: Blancpain GT Series (SRO); International GT Open