Der GP der USA war durchaus spannend und abwechslungsreich. Das lag an den schönen Zweikämpfen hinter Lewis Hamilton und an Max Verstappen.
Auch knapp 24 Stunden nach dem Ende des Rennens, diskutiert das Internet vor allem eine Frage: War die Strafe für Max Verstappen gerechtfertigt? Haben die Rennkommissare mal wieder vorschnell und schlecht reagiert? Und macht man mit so einer Strafe nicht den Sport kaputt? Die Antworten auf diese Fragen sind, wie immer, nicht ganz so leicht zu finden, denn es gibt natürlich zwei Seiten der Medaille. Um zu verstehen, um was es geht, helfen die sportlichen Regeln der Formel Eins nur bedingt weiter. Man muss die Absprachen hin zu nehmen, die im Fahrer Meeting vor dem Wochenende festgelegt werden.
Generell gilt, wie in jedem Rennen, dass das Abkürzen der Strecke nicht erlaubt ist. Zwei Räder müssen mindestens noch auf der Strecke sein, also vor der weißen Linie. Die ist an der Stelle der Strecke in Austin vor den Curbs. Man darf also ein bisschen abkürzen, nicht aber ganz. Dann gibt es allerdings noch eine Art „Gentlemans Agreement“ zwischen der Rennleitung und den Fahrern. Diese Absprache findet meist in den Fahrer Meeting vor dem Rennwochenende statt. Charlie Whiting sagt den Fahrern dabei, wo eine Fahrlinie hinter der weißen Linie ok ist, und wo nicht. Meist sind das Stellen, an denen man leicht rausrutscht. Der wichtige Punkt ist aber: man darf daraus keinen Vorteil ziehen. Also keine schnellere Rundenzeit fahren oder einen Gegner überholen.
Unter diese Regelung fiel am Wochenende zum Beispiel der Ausgang der vorletzten Kurve (Turn 19). Die Daten hatten ergeben, dass man keinen Vorteil erlangt, wenn man zu weit über die Curbs rutscht. Ergo wurde so ein Verhalten auch nicht bestraft. Aber wie sah das beim Manöver von Verstappen nun genau aus?
*That* pass – from every angle#F1 #USGP pic.twitter.com/CAuP4ohfzO
— Formula 1 (@F1) 23. Oktober 2017
Man sieht ziemlich genau, dass Verstappen die Strecke innen abkürzt. Er ist mit allen vier Rädern hinter der weißen Linie und ohne die Abkürzung wäre er nicht an Räikkönen vorbei gekommen. Er hat sich also einen Vorteil verschafft, die Kommissare haben das bestraft. So weit so nach vollziehbar. Aber dann gibt es noch diese Szene hier:
How did Sainz not get a five-second penalty for this then? It’s literally the same situation! #USGP pic.twitter.com/RRwZ7GpLFD
— The Caution Clock ⚠️ (@CautionClock20) 22. Oktober 2017
Man sieht, wie Sainz ebenfalls die Kurve abkürzt um Ocon zu überholen. Eine Strafe hat er deswegen aber nicht bekommen. Was vor allem aber einer Sache liegt: Sainz konnte im Zuge des Manövers den Force India nicht überholen. Er hat sich also keinen Vorteil verschafft und musste nicht bestraft werden.
Um die Strafe wäre Verstappen auch drum herum gekommen, wenn es nicht ausgerechnet die letzte Runde des Rennens gewesen wäre. Die Rennleitung hätte ihn angewiesen, den Platz an Räikkönen zurück zu geben. Da dies nicht mehr ging, war die Strafe, rein den Regeln nach, also völlig gerechtfertigt.
Etwas anderes ist allerdings die Frage, ob man die Strafe überhaupt aussprechen musste. Es war ein geniales Manöver, nicht so aufregend wie „the pass“ von Zanardi, aber durchaus aufregend. Die Hemdsärmeligkeit der Amis in so Fällen ist bekannt, weil im Anglo-amerikanischen Motorsport Mut auch dann belohnt wird, wenn man dabei die Regeln ein bisschen dehnen muss. So ein Manöver bringt einem mehr Zuschauer und Fans, als wenn man Zanardi danach bestraft hätte. Das Niki Lauda dann also von einer sehr schlechten Entscheidung sprach, ist durchaus verständlich.
Meine Meinung dazu: Das Manöver war klasse, aber gehörte bestraft. Wenn dort Gras oder einer dieser Wurst-förmigen Curbs gelegen hätte, wäre Verstappen das Risiko nicht eingegangen. Es ist zwar schade, dass man Verstappen bestrafen musste, sollte aber gleichzeitig die Gelegenheit eröffnen, dass man sich bestimmte Stellen auf einigen Strecken genau anschaut. Wenn man mit höheren Curbs oder einem Kiesbett dass gerade so breit wie Reifen ist arbeitet, sollte man sich derartige Diskussionen in Zukunft sparen können.
Das Rennen
Interessant ist allerdings auch die Frage, wie Verstappen da eigentlich hin gekommen ist. Der Niederländer startete von Platz 16, lag am Ende des Rennens aber nur 14 Sekunden hinter Hamilton. Ein Blick auf die Entwicklung des Abstands ist sehr interessant. Zwischen Runde 1 und 11 stieg der Rückstand von Verstappen auf knapp 18 Sekunden an. Das war die Zeit, in der er sich in die Top 10 vorkämpfte. Ab Runde 11 blieb der Abstand bis Runde 19 gleich. Nach dem Stopp von Hamilton übernahm Verstappen die Spitze, konnte die freie Bahn aber mit den alten Supersoft nicht ausnutzen. Er stoppte in Runde 24 und nahm Soft. Eine merkwürdige Entscheidung, hatte er doch noch einen frischen Satz Ultrasoft in der Garage. Vermutlich lief der Red Bull mit den Ultrasoft aber nicht so gut, oder man wollte sich eine Ein-Stopp-Strategie offenhalten. Zwischen Runde 24 und 37 dampfte er den Rückstand auf 11 Sekunden ein.
Da er mit den Soft nicht voran kommen würde, vor allem nicht gegen Ende des Rennens, entschied sich Red Bull Verstappen erneut an die Box zu holen. Zu verlieren hatte man nichts. Man lag zu diesem Zeitpunkt auf P5, nach hinten hatte man genug Luft. Ein neuer Satz Supersoft sorgte dann für den nötigen Schwung. Zwischen Runde 38 und 55 nahm er Kimi Räikkönen satte 15 Sekunden ab. Obwohl der Finne seinersetis zwischendurch die schnellsten Zeiten fuhr.
Der Speed der Red Bull im Rennen war erstaunlich. Wenn Ricciardo nicht mit einem Motorschaden ausgefallen wäre, hätte dieser vorne mit Hamilton um den Sieg kämpfen können. Den Undercut hatte man jedenfalls schon vorbereitet. Das dürfte bei den letzten Rennen in dieser Saison jedenfalls noch eng werden.
Ferrari hatte in Austin gegen die Mercedes jedenfalls keine Chance. Das Vettel den Start gewinnen konnte, war schon erstaunlich genug, aber er konnte sich nicht absetzen und versaute sich dabei auch noch seinen ersten Satz Reifen, weil diese überhitzten. Danach hielt ihn der Brite einfach auf Distanz. Als man an der Mercedes Box die drohende Gefahr durch Verstappen bemerkte, wies man Hamilton an, eine Schippe drauf zu legen. Zwischen Runde 37 und 50 vergrösserte er seinen Vorsprung von sieben auf 14 Sekunden. Er hatte also noch Reserven mit den alten Soft.
Was sonst noch war:
– Amüsant war das Geplänkel zwischen Ocon und Perez. Der beschwerte sich, dass er nicht überholen durfte, obwohl er scheinbar schneller war. Beide waren auf der gleichen Strategie unterwegs. Allerdings verheizte Perez in der Verfolgung von Ocon seine Reifen, was ihn dann später noch hinter Sainz warf.
– Carlos Sainz hatte bei Renault einen Einstand nach Maß. Der Spanier kam in Q3 und beendete das Rennen auf P7, nur knapp hinter Ocon. Hülkenberg wird sich warm anziehen müssen.
– Ein interessantes Rennen hatte Felipe Massa. Williams setzte auf eine merkwürdige Strategie. In der Quali landete er auf P11, startete aber wegen der Strafe für Verstappen auf P10. Williams wählte die Supersoft für den ersten Stint, was die richtige Entscheidung war. Die schleppte der Brasilianer bis Runde 29 durch um dann die Ultrasoft zu nehmen. Mit denen fuhr Massa dann durch. McLaren setze Vandoorne auf eine ähnliche Strategie, war damit aber nicht so erfolgreich. Massa kam dann auf P9 ins Ziel, nur knapp hinter Perez.
– Das Debüt von Brendon Hartley im Toro Rosso fiel zufriedenstellend aus. P13 sagt da allerdings wenig aus, aber ein Blick in seine schnellsten Runden verrät schon mehr. Die beste Runde des Neuseeländers lag bei 1.39.979 min (Kvyat: 1.40.172 min). Seine zehn schnellsten Runden zusammengenommen ergeben eine 1.40.250 min (Kvyat: 1.41.120 min). Allerdings muss man zur Ehrenrettung von Kvyat auch sagen, dass dieser auf einer anderen Strategie unterwegs war. Er musste ab Runde 17 mit den Soft durchkommen, Hartley stoppte zwei mal und nahm jeweils frische Supersoft. Dennoch ein sehr ordentliches Debüt für einen, der seit fünf Jahren nicht mehr in einem F1 gesessen hat.
In sieben Tagen geht es schon weiter, dann in Mexico. Lewis Hamilton ist praktisch schon Weltmeister, ihm reicht ein fünfter Platz im Rennen. Klingt nach einer lösbaren Aufgabe.
Bilder: Daimler AG, Ferrari, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1
Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Toro Rosso?
Die Teams stellen die PR-Bilder normalerweise zur Verwendung für Presseberichte mit einer speziellen Lizenz zur Verfügung. Diese ist zeitlich nicht limitiert und gilt weltweit. Red Bull hat sich entschlossen, Bilder nur noch für 6 Monate zu lizenzieren. Das bedeutet, dass wir die Bilder nach sechs Monaten löschen müssten, um nicht Gefahr zu laufen, eine Abmahnung, Rechnung etc. zu bekommen. Der Aufwand dafür ist nicht gerechtfertigt. Wir werden also in Zukunft leider keine Bilder mehr von Red Bull verwenden. Dies gilt auch für Bilder von Toro Rosso, da sie über die gleiche Plattform vermarktet werden.
2 Kommentare
Natürlich Strafe. Leaving the track and gaining an advantage – hätte Verstappen die Kurve so spitz genommen wie sie ist, wäre er nicht vorbei gekommen oder wahlweise beide Autos ausgefallen. Dass Team und Fahrer das nicht gefällt ist klar (dass sie daraufhin an den Regeln herumnörgeln auch), dass das eine blöd aussehende Situation ist ebenso. Aber die Regel besteht, wurde gebrochen, und entsprechend mit der kleinstmöglichen Strafe geahndet. Verschiedenen Leuten gefällt das aus verschiedenen Gründen nicht, logisch. An den Stewards und dem Steward-System gibt es immer so einiges zu kritisieren, aber hier mal nicht.
Allerdings ist das auch mal wieder so ein Fall von „so fährt er halt, der Max“ – irgendwie irgendwo dran vorbei, wird schon passen, Regeln sind für andere da. Er ist mittlerweile nicht mehr wirklich „unerfahren“, aber das sind alles so Sachen, die ein Fahrer eher nicht macht, der ein paar Jahre Junior-Serien hinter sich gebracht und die Hörner abgestossen hat, der einfach weiss was geht und was eher weniger. Erinnert ein wenig an sein Genörgel letztes Jahr über die Sausages in Spielberg jenseits der weissen Linie, die seien gefährlich und würden das Auto kaputt machen immer wenn man drüber fährt. Christian Danner würde sagen „ja dann fahr da halt nicht, da hast du ja auch garnix verloren“…
Ich halte die Strafe auch für absolut richtig. Er hat die Strecke abgekürzt und so einen Vorteil bekommen. Fertig.
Was schade ist, dass es gar nicht nötig gewesen ist, weil Kimi leicht nach außen zog. Da haben beide wohl lieber mehr Platz gelassen als sich in die karre zu fahren, und genau da sehe ich die Entwicklung von Verstappen gegenüber der letzten Saison und ungarn dieses Jahr. Damals hätte er keinen Platz gelassen und es hätte zu einem Ausfall geführt. Was aber geblieben ist, ist seine Aggressivität und Mut, die die F1 dringend braucht.
Aber zurück zu den Track Limits, ich bin diese ganzen Diskussionen echt leid, diese ganzen asphaltierten Auslaufzonen und mehrere Meter breiten curbs haben in den letzten Jahren den gesamten Motorsport regelrecht kastriert. Die Faszination Fahrer gegen Auto gegen Strecke ist völlig verwässert. Da muss meiner Meinung nach dringend was passieren, sonst werden sich viele Zuschauer vor Ort und insbesondere am tv/stream verabschieden.
Es muss dringend wieder eine echte streckenbegrenzung in Form von Kies oder Gras eingeführt werden und zwar überall. Der Anstieg der Gefahr ist mMn in den allermeisten Fällen vernachlässigbar gering und in geringem Maße zu tolerieren. Auch die aktuelle Situation ist nicht ungefährlich, weil sie asphaltierten Auslaufzonen oft zu einem unkontrollierten zurückkehren auf die Strecke führen, oft natürlich mit vollem Tempo und ohne Rücksicht auf irgendwas. Beispiel dafür war das silverstonerennen das mir durch die Lex Lauda in Erinnerung geblieben ist. Der ganze Zwischenfall ist nur dadurch entstanden, dass, ich glaube es war Kimi, mit Vollgas auf die Strecke zurück ist und beim zurückkehren das Auto verloren hat.
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