Mit dem 6-Rennen von Shanghai hält die WEC ihr vorletztes Rennen der Saison 2017. Nach dem verregneten Rennen in Fuji bestimmen gerade die Anzahl der LMP1 das Geschehen hinter den Kulissen
Ganze 4 LMP1 treten seit dem ersten Überseerennen der Saison nur noch in der Klasse an. Je 2 Werksboliden von Toyota und Porsche, während der private Kolles LMP1 seit dem Rennen am Nürburgring aus Kostengründen nicht mehr an den Start geht. Für die Saison 2018/19 dürften es aber zumindest was die Anzahl der privaten Autos angeht doch mehr werden. Vor einigen Wochen gab Ginetta bekannt, dass man 3 Chassis des LMP1 an einen unbekannten Kunden verkauft hat. Dies ist wohl ziemlich sicher Manor, welche damit 2 Fahrzeuge in der WEC an den Start bringen werden / wollen. Dazu wird SMP Racing mindestens einen, wenn nicht sogar 2 fulltine BR01 LMP1 mit dem Kollesmotor an den Start bringen. Das Auto wurde von Dallara entwickelt und basiert auf dem LMP2, wurde aber unter anderem für den 2,4l V6 Biturbo von AER umgebaut. Dazu kommt normal auch der Nissanbefeuerte LMP1 von Kolles und seit vorgestern noch ein weiterer LMP1, von Dragonspeed.
Die diesjährigen Meister in der ELMS, in der LMP2 Klasse haben aber weder verlautbart mit welchem Chassis, noch mit welchem Motor man an den Start gehen will. In Sachen Chassis gibt es folgende Möglichkeiten: Zum einen den Ginetta LMP1, welcher auf den neuen Turbomotor von Mechachrome hin entwickelt wurde. Zum anderen den BR01 von Dallara / SMP Racing sowie einen möglichen Oreca 09, welcher auf dem Oreca 07, also dem bisherigen LMP2 basieren würde, welcher seinerseits auf dem Rebellion R1 aus der LMP1 basiert. Dazu gäbe es noch den ByKolles LMP1, wobei ich mir aber nicht vorstellen kann, dass man zu diesem Chassis gegriffen hat.
In Sachen Motoren hat man mittlerweile auch eine kleine Auswahl beisammen: So gibt es den 3,0l V6 Biturbo von Nissan, den 2,4l V6 Biturbo von AER, sowie den Turbo von Mechachrome. Als einziger Hersteller von Saugmotoren hat Judd angekündigt, den bis 2010 häufig verwendenten 5,5l V10 zu überarbeiten und an das aktuellen Reglement anzupassen. Eine BoP Regelung zwischen Sauger und Turbomotoren würde dann die Leistungsunterschiede herstellen.
Das Problem bei den Motoren ist aber folgendes: Der Nissan kämpft mit Vibrationen, welche andere Komponenten am Chassis beschädigen können, wie das Monocoque oder das Getriebe. Beim AER ist die Benzinpumpe die Archillesferse. Rebellion und Kolles können da ein Lied davon singen, während der Mechachrome sowie der überarbeitete Judd noch nie in einem Rennwagen gelaufen sind. Insofern ist das aktuell eine ziemlich knifflige Situation, zumal z.B der Judd wohl nicht in den Ginetta passen wird (Länge des Motors, da der V10 sicher mindestens 200mm+ länger ist).
Auf der anderen Seite benötigt man einen zuverlässigen Motor, möchte man sich in Le Mans nicht mit Rundenrückstand hinter den LMP2 einklassieren. Dazu kommt, dass von den Chassis bislang nur der Kolles und der BR01 jeweils auf dem Hungaroring beim Testen gesehen wurden, während der Ginetta noch nicht auf der Strecke war, was für ein komplett neues Fahrzeug samt Motor schon sehr spät ist. Nichts desto trotz hat TRS Racing in Zusammenarbeit mit Manor bekanntgegeben, dass man ebenfalls in der folgenden Saison einen Ginetta LMP1 an den Start bringen will. Man hat zwar nichts zum Motor verlautbart, aber bei diesem Auto kann es sich fast nur um den Turbo von Mechachrome handeln, da der Integrationsaufwand für ein anderes Triebwerk sehr hoch wäre, und das Team das nicht stemmen könnte. Somit komme ich für 2018/19 auf folgende Teilnehmer:
2x Manor Ginetta Mechachrome
1x ByKolles LMP1 Nissan
1-2x BR01 Dallara AER
1x TRS Racing Ginetta Mechachrome
1x Dragonspeed mit unbekanntem Fahrzeug und Motor
Die andere gro0e Frage lautet: Kommt Toyota dann auch mit ihrem TS050 hinzu oder nicht ? Offiziell hat man jetzt ausgesagt, dass man in den Startlöchern für die Saison stehen würde, aber man noch keine zeitliche Not hat eine Entscheidung zu fällen. Im Hintergrund geht es dabei vor allem um eine zentrale Frage: „wie kann man die langsameren privaten LMP1 an den sehr schnellen TS050 angleichen ?“. Immerhin reden wir hier von einem Unterschied von 4-7 Sekunden im Rennspeed, welcher der TS050 schneller als der ByKolles auf den WEC-Strecken war. Die privaten LMP1 dürfen aktuell 110 kg/h Kraftstoffdurchfluss fahren, was für eine Verbrennerleistung von 700 PS und mehr reicht. An den Start gehen sie mit einem Leergewicht von 830 kg und es dürfte sehr sportlich sein, das Mindestgewicht noch weiter zu senken, ohne den ein oder anderen Anbieter vor kostspielige Probleme zu stellen. Also bleibt fast nur der Gang über eine Leistungsanhebung, wobei die Motoren jetzt schon kaum für 700 PS und mehr ausgelegt sind wie der Nissan und der AER.
Dies wurde zu weiteren Zuverlässigkeitsproblemen führen, wenn man die Motorleistung jener Aggregate auf 800-900 PS anheben würde, um diese Fahrzeuge mit dem TS050 gleichzustellen. Also gäbe es fast nur einen Weg und der würde Toyota natürlich gar nicht schmecken: Den TS050 massiv einbremsen. Man könnte ihm z.B. den Kraftstoffdurchfluss weiter reduzieren (z.B. um 10-15kg/h) oder die Hybridleistung beschneiden. (Von 8 auf 4 MJ und eine Reduzierung der maximalen Boost-Leistung von 300 kW auf z.B. 150 kW). Dies wäre aber ein enormer technischer Rückschritt für Toyota, welcher für die Truppe so kaum hinnehmbar wäre.
Dazu kommt das Problem, dass man eine separate BoP zwischen dem TS050 Hybrid und den privaten LMP1 für jede einzelne Strecke braucht, da sich in Abhängigkeit der Strecke die Boost-Strategien unterscheiden und somit auch der Rundenzeitengewinn durch das Hybridsystem. Man hätte also das ganze Jahr über massiven Streit um die korrekte Einstufung der Fahrzeuge und ich kann mir kaum vorstellen dass Toyota ähnlichen Zwist wie er jahrelang in der GTE-Pro herrschte, dulden möchte. Da aber eine sinnvolle Angleichung meines Erachtens nur über eine Einbremsung des TS050 und am besten über die Hybridpower erfolgen kann, gehe ich davon aus, dass sich Toyota dennoch aus der Serie verabschieden wird.
In Shanghai dürfte das Kräfteverhältniss zwischen Toyota und Porsche auf der Strecke relativ ausgeglichen sein. Der Mix aus längeren Geraden und mittelschnellen Kurven sollte kaum jemanden direkte Vorteile bringen, außer dass der Porsche im Verkehr beim boosten einen leichten Vorteil aufgrund des Abgasenergierückgewinnungssystem hat. Ansonsten gilt hier wieder das gleiche Spiel mit fast durchgehenden Doppelstints und der gleichen Reichweite die laut EoT möglich ist, wobei es hier evtl. je nach Lage der Dinge bzgl. FCY und Safety Car sinnvoll wäre die Strategie zu splitten um sich den letzten Stopp zu sparen.
Toyota hat für das Rennen den TS050 im Rahmen des Sprint-Aerokits angepasst und fährt an der Front nun mit je 2 Flaps auf jeder Seite anstelle des Single-Flaps. Eine Lösung die in den letzten Jahren kaum mehr verwendet wurde. Der Kampf um die Meisterschaft ist trotz des Laufsieges von Toyota mehr oder weniger entschieden und es erscheint reine Formsache, wonach Timo Bernhard, Brendon Hartley mit Earl Bamber die Fahrerweltmeister und Porsche der Konstrukteursweltmeister 2017 werden.
In der LMP2 tut sich derweil auch einiges. So dürfen Dallara und Ligier jeweils an den vormals genannten Punkten ihre Fahrzeuge nachbessern, während Multimatic ihren Riley komplett überarbeiten darf. Dieser ist aktuell mit den Joest Team in Daytona beim Testen für die neue Saison der USCC. Beim G-Drive Oreca gibt es wieder ordentlich Bewegung in Sachen Fahrer. So ist Roman Rusinoc als Gold-Fahrer und Hauptgeldgeber im von TDS-Racing eingesetzten Wagen zwar wieder am Start, aber Pierre Thieriet, dessen Eltern das Team gehört findet sich nicht mehr als Silberfahrer auf der Nennliste. Damit ergeben sich 2 Fragen: Wer übernimmt den Rang des Silberfahrers und b) ist das schon wieder eine Trennung zwischen Rusinov / G-Drive und seinem Einsatzteam nach Jota, Singatech, Alan Docking Racing und Oak Racing. Für ein LMP2 Engagement in 2018 bleiben da kaum mehr andere Mannschaften über.
Als zweiten Profifahrer hat man indes eine zweite Überraschung bekannt gegeben: Nico Müller wird seinen ersten Einsatz in einem LMP2 absolvieren, nur wie schon angesprochen der Herrenfahrer steht noch aus. Nachdem ich in den letzten Rennen bzgl. Rennausgang in der LMP2 immer daneben lag, gibt es daher diesmal keine Einschätzung dazu :)
Übrigens darf Thomas Laurent, welcher gerade in Le Mans so stark gefahren ist, beim Rookie-Test der WEC im Anschluss an das Rennen in Bahrain den TS050 testen. Das freut mich umso mehr, da er als Silberfahrer teilweise die arrivierten Profis aussticht. Eine Leistung die ihm so kaum jemand zugetraut hätte. Ansonsten bleibt in der LMP2 erstmal alles wie gehabt und das meiste dürfte sich wohl im Winter über ergeben, wobei hier wohl nicht von größeren Verschiebungen auszugehen ist, außer dass diverse Teams wohl auch in Daytona und Sebring aufschlagen werden. In der Meisterschaft läuft alles auf einen Kampf zwischen der #38 von Jackie Chan DC Racing mit 145 Punkten und der #31 von Rebellion mit 135 Punkten hinaus, da beiden Fahrzeuge normal zu konstant sind, als dass mit 25 Punkten Rückstand die #36 von Signatech hier noch eingreifen könnte. Entsprechend sehen auch die Stände in der LMP2-Wertung für die Fahrer aus.
In der GTE-Pro sieht die Lage der Dinge eigentlich ähnlich aus. Zum Zeitpunkt des Artikels ist mir leider bislang keine Änderung in der BoP bekannt, zumal das Rennen in Fuji aufgrund des starken Regens auch kaum als Maßstab hergenommen werden kann. Im Kampf um die Meisterschaft der Fahrer führen Alessandro Piere Guidi und James Calado mit 5 Punkten Vorsprung von Richard Lietz und Frederic Makowiecki, während Sam Bird und Davide Rigon 10 bzw. 9,5 Punkte dahinter rangieren. Entsprechend klar sieht es dann auch in der Herstellerwertung aus, wo Ferrari mit 47 Punkten Vorsprung führt und hier normal nach dem Rennen den Titel feiern wird können.
In der GTE-Am hat sich bislang auch kaum etwas verändert, nur die Tatsache dass Gulf Racing um Michael Wainwright evtl. 2018 ein zweites Auto, einen zweiten 2017er RSR einsetzen möchte. Denkbar wäre wohl sogar ein Einsatz in der GTE-Pro, aber dafür müsste er erstmal an einen RSR kommen, da mindestens 3 an Proton gingen, 1 Stk. an Gulf Racing sowie je 1 Stk. an ein Asiatisches und wohl ein Team aus dem bisherigen Porsche Supercup und Porsche bislang nicht mehr als 6 Fahrzeuge verkauft hat, denn dies sind die 2017er Modells aus der USCC und der WEC inkl. Ersatzwägen. Eine Entscheidung ob man trotz bestehender Interessenten mehr Fahrzeuge aufbauen will, ist noch nicht gefallen. Ebenso hat man bislang noch nichts von möglichen Plänen seitens Ford gehört, wonach der GT evtl. für private Teams angeboten werden würde. Hier gab es es mal zu Mitte des Jahres Überlegungen, aus denen wohl nichts geworden ist, obwohl mehrere Teams wohl ernsthaftes Interesse gehabt haben. Im Kampf um die Meisterschaft sieht es dagegen deutlich enger als in der GTE-Pro aus, denn Clearwater Racing hat nur 2 Punkte Vorsprung auf den Dempsey-Proton 911er und diese nur 1 Punkt Vorsprung auf den Aston Martin mit der #98. Hier wird die Entscheidung erst im letzten Rennen in Bahrain fallen.
Das Rennen wird wohl unter trockenen Bedingungen über die Bahn gehen, lediglich der Smog kann in Shanghai gerne mal das Geschehen durcheinander werfen. Das Zeittraining beginnt am Samstag um 07.00 Uhr, während das Rennen schon um 04.00 Uhr beginnt und wie immer über 6 Stunden geht.