Die FIA WTCC kehrt nach drei Jahren auf den Guia Circuit in Macau zurück, und zugleich wird der Meisterschaftskampf spannender.
Bereits drei Jahre nach dem ersten Guia Race of Macau im Jahr 1954 fand auch das erste Rennen für Produktionswagen statt. Damit ist die Kategorie der Tourenwagen die traditionsreichste, und das sieht man auch an der Siegerliste der vergangenen sechs Jahrzehnte. Dabei stechen besonders die 1980er und 1990er heraus, in denen alle Tourenwagen-Legenden in der damals noch portugiesischen Kolonie antraten und es regelmäßig zu Duellen zwischen deutschen und japanischen Herstellern kam. So konnte neben Hans-Joachim Stuck, Manfred Winkelhock und Tom Walkinshaw auch der Japaner Masahiro Hasemi das Rennen in einem Nissan Skyline GT-R gewinnen. Bis 2005 war das Rennen mal ein Teil verschiedener Motorsportserien, aber häufig auch nur ein Einladungsrennen, das am Ende der Motorsportsaison stattfand. Mit der Wiederauflage der Tourenwagen-Weltmeisterschaft im Jahr 2005 wurde das Guia Race of Macau der traditionelle Saisonabschluss. Durch die hohe Gefahr von Unfällen konnte sich die Meisterschaft nochmal wenden und zudem gab es immer wieder schöne Geschichten, wie z.B. den Sieg des Lada Granta WTCC im Jahr 2014. Im Jahr 2015 wurde das Rennwochenende das Saisonfinale der TCR International SerieS und der Erfolg war eher begrenzt. Die Starterfelder waren zu groß und durch die hohe Anzahl von Amateuren kam es häufig zu Unfällen. Im letzten Jahr fanden sogar nur vier Runden unter Grün in beiden Rennen statt. Auch aus Prestigegründen wird dieses Jahr wieder die FIA WTCC in Macau fahren und mit 20 Fahrern hat man sogar die höchste Starterzahl in dieser Saison.
Eine wunderbare Streckenvorschau gab es letztes Jahr von Phil und zudem hat er eine Vorschau zum FIA GT World Cup geschrieben. Zusätzlich gibt es von Stefan eine Vorschau auf das traditionelle Formel-3-Rennen. Auch für die FIA WTCC dürfte die Anfahrt zur Lisboa die einzig realistische Überholmöglichkeit sein. Mit viel Mut kann man es außerdem in der Anbremsphase zu Fisherman´s Band probieren. Ansonsten dürfte es fast unmöglich sein, mit den TC1-Fahrzeugen zu überholen, und in der Melco Hairpain wird es auch weiterhin permanent gelbe Flaggen geben.
Der Unfall Tiago Monteiros bei einem Test in Barcelona ist wohl eine der tragischeren Geschichten der Motorsportsaison 2017. Bis zu dem Unfall im September lag der Portugiese an der Spitze der Gesamtwertung und hätte wohl unter normalen Bedingungen sehr gute Chancen auf die Weltmeisterschaft gehabt. Leider waren seine Verletzungen so schwerwiegend, dass er zwei Wochen auf der Intensivstation lag und auch an den letzten drei FIA-WTCC-Rennwochenenden konnte er nicht teilnehmen. Der große Profiteur ist Thed Björk, der zwar keine optimalen Rennen hatte, aber trotzdem die Gesamtwertung mit 16,5 Punkten Vorsprung vor Norbert Michelisz anführt.
Die letzten beiden Rennwochenenden waren vom Regen geprägt, sodass sogar das Hauptrennen in China vor der Halbzeit abgebrochen und nur die Hälfte der Punkte vergeben wurde. Größter Profiteur des frühen Rennabbruchs ist Honda, da nach dem Rennen alle Hondas disqualifiziert wurden aufgrund illegaler Einspritzdüsen. Aber auch für Thed Björk verlief das Rennwochenende in China suboptimal. Im ersten Rennen schied er nach einer Kollision aus und im Hauptrennen wurde er Zweiter, bekam aber aufgrund des Rennabbruchs nur neun Punkte. In Japan konnte Norbert Michelisz sogar einen Sieg im Hauptrennen erzielen und dadurch den Abstand zu Björk verringern. Durch die aktuelle Verteilung der Zusatzgewichte und den Erfahrungsvorsprung Hondas in Macau könnte dieses Jahr der Kampf um den Titel noch spannender werden.
Mit einem Gewicht von 1.180 Kilogramm sind die Volvo S60 Polestar TC1 die schwersten Fahrzeuge dieses Wochenende. Zusätzlich ist man mit dem Fahrzeug noch nicht in Macau unterwegs gewesen und auch Thed Björk kennt die Strecke nur aus dem Simulator. Daher sehe ich ihn dieses Wochenende nicht als Siegfavoriten; für ihn ist es eher wichtig, Punkte mitzunehmen und eine Zielankunft auf dem Podium wäre schon ein großer Erfolg. Im Hauptrennen wird er vom vierten Rang starten und im Sprintrennen vom sechsten Platz. Auch für seine Volvo-Teamkollegen Nestor Girolami und Nicky Catsburg dürfte nach dem Qualifying ein Sieg fast unmöglich sein. Während Girolami auch die Strecke noch lernen muss, kennt Catsburg diese bereits. Trotzdem hatte er im Qualifying einen Unfall in Q1 und wird nur von Rang 12 in das Rennen gehen. Auch Girolami ist in Q2 verunfallt und geht nur vom elften Platz in beide Rennen. Dadurch können sie Björk auch nicht mit einer Teamorder im Rennen helfen.
Honda durfte etwas Gewicht ausladen: Dieses Wochenende bringen die Honda Civic WTCC nur 1.170 Kilogramm auf die Waage. Der leichte Gewichtsvorteil zeigte sich bereits in den Trainings, die beide Norbert Michelisz für sich entscheiden konnte. Auch im Qualifying erreichte er einen starken zweiten Rang und hat damit im Hauptrennen gute Siegchancen. Ersatzmann Esteban Guerrieri konnte sich auf dem fünften Rang qualifizieren und wird wohl Michelisz im Sprintrennen vorbeilassen. Vom vierten Startrang wird zudem Ryo Michigami in das Sprintrennen gehen und auch er könnte möglicherweise Michelisz vorbeilassen. Insgesamt sehe ich Michelisz daher in beiden Rennen auf dem Podium, und vielleicht schafft er es sogar, in der Tabelle an Björk vorbeizukommen.
Erstmals ohne Zusatzgewichte kommen die Citroën C-Elysée WTCC nach Macau. Wenig überraschend konnte sich der achtmalige Macau-Sieger Rob Huff auch die Pole Position für das Hauptrennen sichern. Ich hatte ihn vor der Saison noch als Titelkandidaten gesehen, jedoch konnte er dieses Jahr noch kein Rennen in der FIA WTCC gewinnen. Mit dem vierten Rang wird auch Tom Chilton morgen gute Chancen auf ein Podium haben, nachdem er bereits in Japan ein Rennen gewinnen konnte. Mit Mehdi Bennani und John Filippi sind zwei Citroën-Piloten im Qualifying verunfallt und ich sehe die beiden auch in den Rennen eher in der Leitplanke als in den Top 5. Zusätzlich gibt es mit Ma Qing Hua einen weiteren ehemaligen Citroën-Werksfahrer, der dieses Wochenende für Sébastien Loeb Racing fährt. Die FIA WTCC hat für ihn ein etwas zweifelhaftes Video produziert. Auch er hatte einen Unfall in Q1 und wird daher vom letzten Startplatz in die Rennen gehen.
Als einziger Stammpilot fährt Tom Coronel dieses Wochenende einen Chevrolet RML Cruze TC1. Inzwischen kann das Fahrzeug nicht mehr mit den anderen TC1-Autos konkurrieren und selbst Tom Coronel kam mit dem Wagen noch nicht in die Top 5 diese Saison. Immerhin wird er im Sprintrennen vom zweiten Startrang ins Rennen gehen, sodass er vielleicht sogar wieder das Podium erreicht. Zwei weitere Cruze werden von Campos für Gaststarter vorbereitet. Sowohl Wong Po Wah als auch Chan Kin Pong kommen aus der Ferrari Challenge und beide Fahrer kennen weder die Strecke in Macau noch sind sie jemals ein TC1-Fahrzeug gefahren. Es ist also eher interessant, ob einer der beiden Fahrer das Ziel erreicht und ob sie überrundet werden.
Ohne Zusatzgewichte dürfen auch die Lada Vesta WTCC dieses Wochenende starten. Für Yann Ehrlacher geht das Lernjahr weiter und bisher war er sehr erfolgreich unterwegs. In Japan konnte er sein drittes Podium erreichen und wird die Saison in den Top 10 der Gesamtwertung beenden. Auch für seinen Teamkollegen Kevin Gleason verlief die Saison ganz ordentlich. Dieses Wochenende setzt RC Motorsport zudem ein weiteres Fahrzeug für Mak Ka Lok ein, der bereits acht Gaststarts in Macau absolviert hat. Alle Fahrer haben durchaus Chancen auf eine Top-10-Platzierung und Gleason wurde sogar Sechster im Qualifying.
Heute hat TouringCarTimes berichtet, dass es nächstes Jahr zu einer Fusion der FIA WTCC und der TCR International Series kommen könnte. Eine genauere Betrachtung dieser Gerüchte gibt es in der Analyse nächste oder übernächste Woche. Das erste Rennen gibt es bereits am Samstag um 7:10 Uhr auf Eurosport, und Sonntag beginnt das Hauptrennen um 3:40 Uhr.