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Formula E: Vorschau auf die Saison 2017-18 und den Hong Kong ePrix (Teil 1, updated)

von StefanTegethoff
2 Kommentare

Mit einem Doubleheader in der früheren britischen Kronkolonie startet die Formula E in die letzte Saison ihrer ersten „Inkarnation“ – Stabilität ist für die Serie Trumpf, Aufregung ist nur auf der Strecke gewünscht.  

Die vierte Formula E-Saison wird sich wahrscheinlich anfühlen wie ein Übergangsjahr. Denn ab Saison Fünf wird mit neuen Autos, neuen Batterien und neuen Herstellern quasi die Formula E 2.0 geschaffen (nicht zu verwechseln mit der real existierenden Formel Renault 2.0). Wenn ich das so schreibe, trage ich natürlich auch selbst dazu bei, dass sich die Saison wie ein Übergangsjahr anfühlt, insofern ist das eine selbsterfüllende Prophezeiung. Es passt aber zur aktuellen Situation der Formula E. Gefahren wird im Wesentlichen immer noch mit dem Technik-Paket aus der Anfangszeit der Serie – auf diese ersten vier Jahre, die im Juli 2018 abgeschlossen sein werden, wird man in einigen Jahren zurückblicken als Anfangsphase der Serie.

Aus technischer Sicht ist eine gewisse Stagnation da. Zwar dürfen seit der zweiten Saison die Hersteller eigene E-Motoren, Inverter und Getriebe entwickeln und einbauen, aber das Korsett ist insgesamt noch recht eng und die Performance-Unterschiede sind überschaubar, wenn auch vorhanden. Die große Stellschraube wäre die Batterietechnologie, die haben FE-CEO Alejandro Agag und Co. aber bislang aus gutem Grund nicht freigegeben, denn dann würden aller Voraussicht nach die Kosten explodieren.

Ohne freie Batterieentwicklung wird sich die Formula E aber stets „unfertig“ anfühlen, denn genau das ist der Punkt, der den Elektro-Motorsport technisch spannend und auch „road relevant“ machen würde. Doch die Gefahr, dass ein Wettrüsten der Hersteller um die beste Speichertechnik die Serie sprengen würde, ist zu groß, auch ab Saison Fünf wird weiterhin mit einem Einheits-Batteriepaket gefahren – allerdings mit einem neuen aus dem Hause McLaren Applied Technologies. Damit sollen dann die Fahrzeugwechsel entfallen und die Leistung der Fahrzeuge wird sich erhöhen. Ein neues Chassis (wieder von Spark Technologies) gibt’s auch drumherum.

Die Ruhe vor dem Sturm

Nun steht aber erstmal die Saison 2017-18 an, und in der herrscht zunächst einmal Stabilität und Kontinuität. Nicht das Schlechteste, wenn man das immer noch junge Alter der Serie, die schwierige Startphase, die immer noch dünne Präsenz in klassischen Medien und die wechselnden Austragungsorte und diversen abgesagten Rennen betrachtet. In diesem Jahr gibt es noch keine neuen Hersteller-Einstiege, sondern nur einige Namensänderungen, dazu mehr in Teil 2 der Vorschau.

Die groß angekündigten neuen Hersteller kommen erst 2018 bzw. 2019: Dann nämlich wird BMW als offizieller Hersteller antreten, nachdem sie bisher nur das Andretti-Team „unterstützen“. Außerdem wird Renault durch die Konzernschwester Nissan ersetzt, die nach dem Scheitern des LMP1-Projekts kein großes Motorsport-Programm mehr im Portfolio hat; bei Renault möchte man sich wohl auf das Formel 1-Engagement fokussieren, was ja auch nachvollziehbar ist, denn dort gibt es noch einige Puzzleteile ein- bzw. zusammenzufügen, bevor man zur Spitze aufschließen kann.

Zur Saison 2019-20 geht die Invasion der deutschen Hersteller dann weiter: zuerst hatte Mercedes seinen FE-Einstieg angekündigt, dann folgte diesen Sommer der Paukenschlag, das Porsche sich aus Le Mans zurückzieht, um ab 2019 in der Formula E anzutreten. Zwei Namen aus dem Porsche-LMP1-Fahrerkader finden wir dieses Jahr schon in der FE-Entry List wieder; ob das etwas zu bedeuten hat (hinsichtlich der Fahrer-Jobs bei Porsche oder der möglichen Übernahme eines bestehenden Teams bzw. deren „Platz“ im zahlmäßig beschränkten Feld), wird sich noch zeigen. Mehr zu Teams und Fahrern gibt es im zweiten Teil der Vorschau am Freitag.

Neue Städte für die Formula E

Viel Neues gibt es in Sachen Rennkalender. Berlin ist in der vierten Saison das einzige Rennen, das seit den Anfängen den Formula E als Austragungsort besucht wurde, auch dort aber bekanntlich mit wechselnden Strecken. Von den anderen Städten aus der Debutsaison ist keine mehr dabei – dass man sie so einfach ersetzen konnte, zeigt auch, wie groß die Nachfrage bei den Metropolen dieser Welt ist, ein derartiges Event zu sich in die Stadt zu holen. Dabei sind aber auch die Störungen des Verkehrs immer wieder ein schwieriges Thema, so etwa in Berlin oder in Brüssel, wo im Vorjahr das angesetzte Rennen partout nicht zustande zu bringen war.

Der Saisonauftakt wird wie im Vorjahr an diesem Wochenende in Hong Kong ausgetragen, darum ein paar Worte mehr zu dieser Strecke. Wie das nicht weit entfernt liegende Macau, wo kürzlich die FIA World Cups der Formel 3 und der GT3 ausgetragen wurden, hat auch Hong Kong eine Geschichte als Exklave, in diesem Fall handelte es sich bekanntlich um eine britische Kolonie, die erst 1997 nach über 150 Jahren an China zurückgegeben wurde.  Von dieser Geschichte zeugen noch Straßen- und Platznamen wie der „Edinburgh Square“, an dem die Strecke vorbei führt.

Gefahren wird an der Hafenfront auf dem Meer abgetrotztem Land. Dafür wurden zwei Fähren-Terminals, das Queen’s Pier und das Edinburgh Place Ferry Pier, 2008 abgerissen, noch existent ist der Star Ferry Pier, der auch den hübschen Hintergrund für einen Teil der Strecke bildet. Die wiederum ist kurvenreich und teilweise recht hakelig, hat aber durchaus zwei Überholmöglichkeiten zu bieten: die Haarnadel nach der Zielgeraden und die lange Gerade im Anschluss daran. Die Schikane (Kurve 3-4) hat im Vorjahr einigen Piloten zu schaffen gemacht.

In Hong Kong fährt man dieses Jahr einen Doubleheader, sowohl am Samstag als auch am Sonntag wird je ein Rennen ausgetragen. Beide sind gleichwertig und auch gleich lang, die Piloten müssen jeweils 45 Runden absolvieren. Auch die Qualifikation erfolgt an jedem Tag separat für das jeweilige Rennen.

Danach geht es im Januar auf die WTCC-Strecke in Marrakesch, die nach den Umbauten eher als semi-permanent den als echter Stadtkurs zu bezeichnen ist. Durch den permanenten Teil hat sie aber auch einige Kurven, die sich von Stadtkursen unterscheiden, was eine schöne Variation darstellt. Dort ließ Felix Rosenqvist im Vorjahr erstmals sein FE-Talent aufblitzen.

Es folgt Anfang Februar das erste neue Event: in Santiago de Chile wird auf einem echten innerstädtischen Stadtkurs beiderseits des Mapocho River gefahren. Einen Monat später wird auf dem bekannten Kurs in Mexico City gefahren und dann noch – als dritte Südamerika-Station – in Sao Paulo. Dort soll im Bereich des von 2010 bis 2013 genutzten IndyCar-Kurses gefahren werden, wahrscheinlich wird man sich aber eine etwas andere Konfiguarion überlegen. [Update: am Donnerstag wurde angekündigt, dass der erste Sao Paulo ePrix um ein Jahr verschoben wird. Ein Ersatzrennen soll noch angekündigt werden.] Der schöne Kurs in Buenos Aires ist leider aus dem Kalender gefallen.

Es folgt der Europa-Abschnitt mit vier Rennen. Der Auftakt Mitte April ist in Rom, dort soll im Stadtteil EUR gefahren werden, der unter Mussolini für eine Weltausstellung errichtet wurde, die kriegsbedingt nie stattfand; für die Formel 1 war dort vor einigen Jahren auch mal ein Stadtrennen angedacht.   Danach geht es in die bekannten Austragungsorte Paris und Berlin, wo am 19. Mai gefahren werden soll.

Der letzte Europa-Lauf soll in Zürich stattfinden, was für die Schweiz das erste große Rundstreckenrennen seit dem Le Mans-Desaster 1955 darstellen würde. Nach diesem schweren Unfall, bei dem 84 Menschen ums Leben kamen, wurde Rundstrecken-Motorsport in der Schweiz gesetzlich verboten; für die Formel E musste der schweizerische Bundesrat daher die Zulassung beschließen, was er am 1. April 2016 tat. Die Streckenführung steht noch nicht fest.

Schließlich geht es – wie in diese Saison – am Ende für zwei Doubleheader-Wochenenden nach Nordamerika: Mitte Juli wird wieder auf dem Mickey Mouse-Kurs auf einem Hafengrundstück im New Yorker Stadtteil Brooklyn gefahren. Ende Juli findet das Saisonfinale in Montreal statt; hier steht aber noch nicht fest, ob der gute Stadtkurs, der diesen Juli sein Debut feierte, weitergenutzt werden kann. Alternativ soll auf dem Circuit Gilles Villeneuve gefahren werden, der aber aufgrund seines speziellen Layouts mit den langen Geraden eher keine so günstige Wahl für die Formula E wäre.

Nur Feinjustierungen beim Reglement

Auf dem Circuit Gilles Villeneuve könnten die im Vergleich zu anderen Monoposti aufgrund ihres Gewichts recht trägen Formula E-Boliden auf jeden Fall sehr gut die zusätzliche Leistung gebrauchen, die es in dieser Saison gibt: der maximale Power-Output im Renntrim wird von 170 auf 180 kW erhöht. Das macht die Autos etwas flotter, aber dafür müssen die Fahrer etwas mehr mit der Energie haushalten, denn der zulässige Gesamtverbrauch pro Rennen wird nicht erhöht. Es könnte also mehr Varianz zwischen den Fahrern zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Rennens geben oder man kann zum Überholen zwischenzeitlich mal voll aufdrehen.

Sonst gibt es wenig Regeländerungen. Die Möglichkeit, einen Bonuspunkt für die schnellste Runden zu erringen, wird nun auf Fahrer beschränkt, die das Rennen in den Top Ten beenden. Damit sollen die häufig gesehenen Fälle beschränkt werden, in denen Fahrer beispielsweise nach einem frühen Crash oder Defekt ins zweite Auto gewechselt sind, und damit nur noch versucht haben, eine schnellste Runde zu fahren. Da sie dabei oft auch langsame Runden einlegten, um Abstand zu gewinnen und danach eine freie Runde zu haben, standen diese Piloten das ein oder andere Mal im Weg herum, was zu gefährlichen Situationen führen kann. Hier haben die Regelmacher also reagiert.

Für die Pole gibt es weiterhin drei Bonuszähler, die Qualifikation wird im gewohnten Gruppen-Format ausgetragen, auch wenn dieses so seine Schwächen hat, was die Fairness bei wechselnden Streckenbedingungen angeht. [Update: ebenfalls am Donnerstag wurde kurzfristig entschieden und verkündet, dass die Fahrer den Quali-Gruppen ab dem zweiten Hong Kong-Tag nicht mehr zugelost, sondern nach dem Meisterschaftsstand zugeteilt werden, sodass direkte Rivalen möglichst in derselben Gruppe antreten. Die Reihenfolge der Gruppen wird aber weiterhin ausgelost.] Die Quali-Leistung der Autos bleibt unverändert bei 200 kW. Auch den FanBoost gibt es – leider, meines Erachtens – weiterhin, das heißt Fans dürfen per Online-Voting dafür abstimmen, welche drei Fahrer im Rennen einmal mehr Leistung abrufen dürfen. Dieses neuzeitliche Gimmick hat bisher aber nur selten signifikanten Einfluss auf die Rennergebnisse gehabt.

Alles zum Saisonstart in Hong Kong

Der Hong Kong ePrix wird als Doubleheader ausgetragen, nachdem das erste Event im Vorjahr wohl recht erfolgreich war. Das heißt, am Samstag und Sonntag wird je ein voller Renntag ausgetragen. Die etwa einstündigen Rennen (jeweils 45 Runden) starten an beiden Tagen um 8 Uhr morgens unserer Zeit. Eurosport überträgt live auf dem Hauptkanal und zeigt jeweils vorher eine Stunde lang, also ab 7 Uhr, Vorberichte und Quali-Highlights.

Auch im Racingblog werden wir die neue Saison der Formula E wie gewohnt begleiten. Der zweite Teil der Saisonvorschau mit Ausführungen zu allen Fahrern und Teams erscheint am Freitag.

(Bilder: Formula E Media)

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2 Kommentare

Slayer_ch 30 November, 2017 - 08:04

Sao Paulo wurde auf 2019 verschoben. Nächste Woche wird ein Ersatzrennen bekannt gegeben.

Philipp Koerner 30 November, 2017 - 16:35

Zunächst vielen Dank für die sehr gelungene erste Vorschau! Besonders lesenswert finde ich Deine Analyse zum Stand der Serie und die Einordnung in einen breiteren Rahmen. Das sticht aus dem großen Umfang an Formel-E-Berichten heraus, die oftmals in einer Hype-Blase zirkulieren. Die Formel E ist wichtig und purer Motorsport, ABER sie ist zeitgleich noch weit von Zielvorgaben entfernt.
Parker Kligerman, seines Zeichens NASCAR-Pitlane-Reporter für NBC, hat sich zur FE in New York mehrmals umfangreich geäußert. Dabei betonte er immer wieder, dass der Serie eine nötige Ernsthaftigkeit und Massentauglichkeit abgehe. Kligerman begründete dies mit riesigen VIP-Arealen für „Instagram-Prominenz“ etc. und eine mangelnde sportliche Aufarbeitung der Geschehnisse durch sich selbst (lieber schöne Bilder und Videos bspw.) und genau das fehlt mir auch.
Ich freue mich auf die Formel-E-Saison im Blog, der ja genau diesen gewünschten sportlichen Fokus hat, und sage: Weiter so, Stefan! :)

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