Die 13. Ausgabe des Creventic-Saisonbeginns war gleichzeitig typisch und außerordentlich. Beispielsweise sind die Spitzenautos wie gewohnt einem großen Druck ausgesetzt gewesen, doch dieses Mal war er in Folge der A6-Am-Angleichung noch etwas größer. Trotzdem setzte sich schlussendlich eine Pro-Nennung durch, welche unbeeindruckt die Hauptregel befolgte: Fehler vermeiden! Wir schauen thematisch auf den Langstreckenjahresauftakt zurück.
These 1: Die 24 Stunden von Dubai sind das zweithärteste 24h-Rennen der Welt.
Ja, diese These ist ziemlich offensiv formuliert, doch im Folgenden versuche ich, sie ausgiebig zu begründen. Der erste Faktor für diese gewagte Einschätzung ist der sehr enge Verkehr, der bis zum Ende nur geringfügig abnimmt. Selbigen gibt es sicherlich auch in Daytona, Le Mans oder Spa-Francorchamps, doch die Bandbreite ist am Persischen Golf weitaus größer. So ist es komplett normal, dass gestandene Werksfahrer wie Mirko Bortolotti mehrmals pro Runde auf Piloten treffen, die im „echten Leben“ Zahnärzte, Banker oder Manager sind. Somit schwingt bei jedem Überholmanöver die Gefahr eines mittelschweren Missverständnisses (v.a. in der langen Nacht) mit, was jedoch in Anbetracht des Amateur-Charakters nicht zu vermeiden ist.
Zusätzlich zu den Differenzen im fahrerischen Bereich unterscheiden sich auch die genannten Fahrzeuge maßgeblich. Während bei den oberen Beispielen höchstens drei unterschiedliche Bolidentypen aufeinander treffen, ist der Mix in Dubai weitaus größer. Durch diese Diversität entstehen schwer zu lesende Dynamiken im Feld, die reichlich Cleverness fordern. Im medial wichtigen Bereich machen also nur Vergleiche mit der VLN und den 24-Stunden auf dem Nürburgring (meines Erachtens das härteste Rennen) Sinn.
#24HDubai Symbolbild! pic.twitter.com/0WlKPaazLm
— Racingblog (@Racingblog) January 12, 2018
Neben dem Verkehr ist die Strategie die zweite große Unbekannte. Der Grund hierfür ist vor allem das Ausgliedern des Tankens in eine spezielle Zone am Ende der Boxengasse, die alle Teams gemeinschaftlich nutzen. Auf diesem Weg werden zwar Kosten gespart, aber den Top-Teams wird gleichsam viel Freiheit genommen. Auch heuer mussten sich demnach wieder diverse Sieganwärter in der Schlange vor der Zone anstellen.
Für sie waren dies besonders bange Sekunden und Minuten, denn durch das Beschränken auf Code-60-Phasen kann man sich kaum bis gar nicht zurückrunden. Auch hierin liegt eine große Herausforderung des Emirat-Laufs: Wer einmal Zeit verliert, trägt den Verlust langfristig mit sich herum. Bei den meisten anderen Langstreckenläufen müsste man aber nur auf eine SC-Phase hoffen, die vieles zurückzusetzen vermag.
Zusammengefasst ist das Rennen für die Sieganwärter also ein Kampf auf diversen Ebenen, bei dem sie phasenweise dem reinen Glück ausgesetzt sind. Die Piloten müssen auf jedem Meter verschiedenste Gefahren antizipieren und gleichzeitig die bestmögliche Pace gehen – ein Unterfangen, welches am vergangenen Wochenende mehrmals grandios scheiterte.
These 2: Die Profi-Nennungen wirken wie Fremdkörper in Dubai.
Aufbauend auf der vorangegangenen These sollte festgehalten werden, dass die angeführten Probleme eigentlich nur auf die Top-Nennungen zutreffen, welche größtenteils ohnehin ausschließlich in Dubai antreten. Der Rest des Feldes ist nämlich schlicht Teil des Verkehrs und bietet ähnliche Fahrerportfolios. Außerdem haben die meisten keinen ausgeklügelten Strategie-Masterplan parat und nehmen Zeitverluste hin. Es geht ja auch um Spaß! Dementsprechend ist es dann umso eindrucksvoller, wenn Boliden wie der #964 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 durch das Feld prügeln und von den besten GT3-Piloten gesteuert werden.
Das Entstehen solcher Parallelwelten gibt den 24 Stunden von Dubai ihren besonderen Charakter. Während die GT3-Fahrer nach wirklich jedem Stint über die Brutalität des Laufs ächzten, strahlten nahezu alle Amateure. Während in den A6-Boxen jeder verlorenen Sekunde nachgetrauert wurde, faszinierte der Rest der Boxengasse mit diversen Vorzügen des Breitensports. Möglicherweise sagt dieser Mikrokosmos auch mehr über den Motorsport per se aus, als man ahnt.
These 3: Der #2 Black Falcon Mercedes AMG GT3 hat den Sieg verdient abgestaubt.
Leader 💚 #24HDubai
📷: @aklyazbeck / @SC_Images pic.twitter.com/I7Bg6bslr6
— Team Black Falcon (@TeamBlackFalcon) January 13, 2018
Nach den allgemeineren Aussagen folgen nun Gedanken zum vergangenen Wochenende. Zu Beginn lohnt sich ein Blick auf die siegreiche Besatzung. Abdulaziz Al Faisal, Hubert Haupt, Yelmer Buurman und Gabriele Piana starteten auf einem starken dritten Platz ins Rennen und fielen im Laufe der erweiterten Startphase erstmal zurück. Nach der Zwei-Stunden-Marke konnte man dank drei Code-60-Phasen jedoch den Weg zurück in die Top 5 finden, wo man sich bis zum Ende festklammerte. Etwa zur Rennhalbzeit war schon absehbar, dass ein Podiumsplatz wahrscheinlich ist – Platz eins wurde indes vom Schwester-Mercedes AMG GT3 mit der Nummer 3 (Khaled Al Qubaisi-Jeroen Bleekemolen-Luca Stolz-Manuel Metzger) blockiert.
#24HSERIES | The moment that turned the 2018 Hankook 24H DUBAI on its head #ThisIsEndurance pic.twitter.com/jNRiUAGgA2
— 24H SERIES (@24HSERIES) January 13, 2018
Der rote Renner geriet im letzten Rennviertel aber in diverse Probleme (v.a. zusätzlicher Bremswechsel) und wurde schlussendlich vom #1 Hofor-Racing Mercedes AMG GT3 (Michael Kroll-Chantal Kroll-Roland Eggimann-Kenneth Heyer-Christiaan Frankenhout) im Zuge eines bizarren Unfalls aus dem Rennen genommen. Somit reüssierte immerhin die andere Garagenseite, die über den gesamten Verlauf hinweg tendenziell unauffällig blieb. Genau hierin lag im Endeffekt dann der Schlüssel zum vierten Sieg für Mercedes-AMG und Black Falcon.
Die Platzierungsverläufe der Top 3 (nach Stunden) grafisch aufgearbeitet:
These 4: Während die Gewinner alte Dubai-Regeln bestätigten, erlebte der Rest des Podiums furiose 24 Stunden.
Wie die obere Grafik eindrucksvoll festhält, hatte der #964 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 (Mark Ineichen-Rolf Ineichen-Christian Engelhart-Mirko Bortolotti) gleich am Anfang ein großes Problem: Der giftgrüne Stier-Renner verlor die zunächst erfolgreich verteidigte Pole-Position nach etwa 18 Minuten in Folge eines Reifenschadens. Zwei weitere kollabierende Pneus rundeten das Desaster daraufhin ab. Nach zwei Stunden hatte man das verursachende Abstimmungsdilemma gelöst und man begann eine lange und stetige Aufholjagd – bis auf einen finalen Rang drei. Besonders glänzen konnte dabei Mirko Bortolotti, der mit einer 1:58.199 bereits vorher die schnellste Zeit des Rennens zementiert hatte.
Aus der Sicht von Lamborghini und des Grasser Racing Teams machen die 24 Stunden aber tatsächlich Mut. Man hielt nämlich die gesamte Renndauer auf höchstem Niveau durch. Dementsprechend blicken die Garagen-Pole-Sitter schon optimistisch auf Daytona – zu Recht!
Der #12 Manthey Racing Porsche 911 GT3 R (Otto Klohs-Lars Kern-Mathieu Jaminet-Sven Müller) scheint Platz zwei abonniert zu haben. Schon 2017 musste man sich nämlich mit der zweithöchsten Stufe abfinden. Im Gegensatz zu Black Falcon und GRT hatte man eine sehr gelungene Startphase. Von Rang 15 aus ging es schrittweise nach vorne und nach vier Stunden hatte man einen soliden Platz in der Spitzenregion herausgefahren. Dieser schien ihnen nach über 13 Stunden aber aus den Fingern zu rinnen, nachdem ein längerer Boxenaufenthalt (wohl die Bremsen) nötig gewesen ist. Dank Jaminets und Müllers Wunderstints am Ende führte ihr Weg schlussendlich wieder zurück in die Top 3. Dass jede Vollgas-Runde von ihnen mehr als relevant gewesen ist, zeigt der abschließende Abstand zur Nummer 964. Selbige lief winzige 9,275 Sekunden später ins Ziel ein.
Wie GRT ist man ebenfalls für die 24 Stunden von Daytona gemeldet. Da die Probleme wohl Dubai-spezifisch waren, wird man ebenfalls optimistisch ins Oval gehen.
These 5: Die 24 Stunden von Dubai sind eine Materialschlacht.
Die Liste der A6-Boliden mit nennenswerten Problemen liest sich teils wie unsere Favoritensuche. Zu Beginn waren vor allem die Reifen ein Grund zur Sorge. Neben den drei Defekten bei der Nummer 964 erlitten beispielsweise auch der #33 Car Collection Audi R8 LMS GT3 und der #20 D’station Porsche 911 GT3 R ähnliche Schäden.
#24HSERIES | Drama for the leaders! Right rear tyre gone for #GRT. Epic save by @M_Bortolotti (#964)! pic.twitter.com/6R7FJGDmmf
— 24H SERIES (@24HSERIES) January 12, 2018
Im Laufe des Rennens wurden dann Kühler und Bremsen zu den neuen Schwerpunkten. Vor allem die Bremsanlagen spielten bei den wenigsten mit und hatten auch Unfälle zur Folge. Das Thema war zum Ende hin sogar so omnipräsent, dass der siegreiche Mercedes den riesigen Vorsprung für einen zusätzlichen Austausch-Stopp nutzte.
Der Ram Racing Mercedes musste gelöscht werden und ist nun in der Box. #24HDubai #24HSERIES pic.twitter.com/CLYHaLGIFE
— Racingblog (@Racingblog) January 12, 2018
Zwischendrin musste auch die Feuerwehr einige Male ausrücken. Zwar gab es keine großen Brände, aber dem #5 Ram Racing Mercedes AMG GT3 verdarb eine angebrannte Seite schließlich das Rennen. Zusammengefasst gab es demnach etliche Zwischenfälle, die jedoch keine großen Verletzungen provozierten. Dies war in der frühen Vergangenheit nicht immer der Fall. Außerdem befanden sich die 13 Code-60-Phasen in durchschnittlichen Bahnen. Dies bestätigt auch die Siegesdistanz von 606 Runden.
These 6: Die neue Feldstruktur war ein Erfolg.
Im Vorfeld der neuen Saison hat der niederländische Organisator Creventic die Felder überarbeitet. Übergeordnet gibt es nun eine 24H GT Series und eine 24H TCE Series. In letzterer gewann der #130 Liqui Moly Team Engstler VW Golf TCR in den Händen von Luca Engstler, Florian Thoma, Benjamin Leuchter und Jean Karl Vernay das Rennen. Der Umbau um die GT4/TCR herum generierte gesunde Klassen, die auch bis zum Ende relativ interessant waren. Ob sich dieser Trend in der „regulären Saison“ konservieren lässt, kann möglicherweise vom 09. bis 11. März verfolgt werden, wenn beide Hauptserien die 12 Stunden von Silverstone in Angriff nehmen.
Außerdem: Das Podium der Tourenwagen-Division: #24HDubai #24HSERIES pic.twitter.com/EettnzKVH8
— Racingblog (@Racingblog) January 13, 2018
Alle Klassenergebnisse und Ausfälle sind hier aufgeführt.
Ausblick
Die Saisonstarts der meisten GT-Serien sind zwar noch Monate entfernt, doch bereits in 1,5 Wochen stehen die 24 Stunden von Daytona an. Der diesjährigen Ausgabe wird bereits jetzt nachgesagt, dass sie alle Voraussetzungen dafür hat, historisch zu werden. Wir werden dem in unseren Vorberichten auf den Zahn fühlen. Nur eine Woche später schaut die Sportwagenwelt gespannt auf das australische Bathurst, wo mittlerweile traditionell das anspruchsvolle 12h-Rennen ausgetragen wird. Auch hier bereiten wir Euch wieder ausgiebig vor.
Bilderquelle/Copyright: 24H Series